Impf-Recall bei der Schuleingangsuntersuchung zur Steigerung der Durchimpfungsraten: Ergebnisse eines Pilotprojekts an fünf bayerischen Gesundheitsämtern

Impf-Recall bei der Schuleingangsuntersuchung zur Steigerung der Durchimpfungsraten: Ergebnisse eines Pilotprojekts an fünf bayerischen Gesundheitsämtern

ARTICLE IN PRESS Public Health Forum 17 Heft 63 (2009) http://www.elsevier.de/phf Impf-Recall bei der Schuleingangsuntersuchung zur Steigerung der D...

97KB Sizes 0 Downloads 99 Views

ARTICLE IN PRESS

Public Health Forum 17 Heft 63 (2009) http://www.elsevier.de/phf

Impf-Recall bei der Schuleingangsuntersuchung zur Steigerung der Durchimpfungsraten: Ergebnisse eines Pilotprojekts an fu¨nf bayerischen Gesundheitsa¨mtern Lucia Angermayr und Andreas Sing Wie eine Metaanalyse von fast 50 zumeist randomisierten kontrollierten Studien zeigt, ko¨nnen Durchimpfungsraten durch Erinnerungssysteme zum Teil deutlich gesteigert werden (Jacobson Vann und Szilagyi, 2005; Szilagyi et al., 2000). In ¨ bersichtsarbeit erwiesen dieser U sich auch Impferinnerungssysteme fu¨r Kinderschutzimpfungen als effektiv. In dem Bayerischen Impfkonzept ist ein Impferinnerungssystem (sog. Impf-Recall) bei der Schuleingangsuntersuchung als eine Mo¨glichkeit zur Erho¨hung der Durchimpfungsraten enthalten (Ludwig et al., 2007) und in den Schuljahren 2006/2007 (RKI, 2008a) und 2007/2008 an fu¨nf bayerischen Gesundheitsa¨mtern erprobt. Hintergrund ist das Bestreben nach einer weltweiten Eliminierung der Masern durch die Steigerung der Durchimpfungsraten. Im Folgenden sollen die vorla¨ufigen Ergebnisse eines bayerischen Pilotprojektes zur Steigerung der Durchimpfungsraten mittels eines Impfrecalls am Beispiel der Masernimpfung vorgestellt werden. Material und Methoden Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung durch die fu¨nf Gesundheitsa¨mter (Pfaffenhofen, Augsburg, Dillingen, Lindau und Amberg-Sulzbach) wurden bei allen untersuchten Kindern mit Hilfe des Impfausweises Impflu¨cken fu¨r



acht Indikationen (Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hepatitis B, Masern, Mumps, Ro¨teln gema¨ß der STIKO-Empfehlungen (RKI, 2008b)) erfasst. Die Impflu¨cken wurden dokumentiert und die Eltern u¨ber die Wichtigkeit der fehlenden Schutzimpfungen aufgekla¨rt. Zusa¨tzlich erhielten die Eltern weitere Informationen zum Thema Impfen in schriftlicher Form (Nutzen und Risiken von Impfungen, Kostenlosigkeit, keine Praxisgebu¨hr). Die Eltern konnten an einem Recall teilnehmen, bei dem sie in zwei bzw. drei Stufen an die Vervollsta¨ndigung der Impfungen erinnert wurden. Die erste Erinnerung erfolgte durch mitgegebene Unterlagen. Diese umfassten einen Brief, der u¨ber die Impflu¨cke(n) ihres Kindes informierte, sowie einen Vordruck, auf dem die jeweilige(n) Impflu¨cke(n) festgehalten wurden und der an den impfenden Haus- oder Kinderarzt mit der Bitte weitergegeben werden sollte, bei erfolgter Impfung bzw. Ablehnung der Impfung durch die Eltern diesen an das Gesundheitsamt zuru¨ck zu schicken oder zu faxen. Ferner bekamen die Eltern eine genauere Erkla¨rung zum Impf-Recall sowie ein Formular, mit dem sie ihre Teilnahme am Impf-Recall besta¨tigen oder ablehnen konnten. Der Ru¨cklauf wurde in den Gesundheitsa¨mtern dokumentiert. Erfolgte auf die ausgegebenen Unterlagen hin keine Reaktion, so wurden die Eltern in einer weiteren



Stufe brieflich oder telefonisch nochmals an die Schließung der Impflu¨cken erinnert. Ergebnisse Es wurden 6.533 Kinder untersucht. Von diesen wiesen 24% (1.544) Lu¨cken fu¨r eine oder mehrere der acht erfassten Impfungen auf. 18,4% der 1.544 Eltern lehnten eine Teilnahme ihres Kindes am Pilotprojekt noch bei der Schuleingangsuntersuchung ab, so dass 1.260 Kinder (81,6% der Kinder mit Impflu¨cken) am Recall teilnahmen. Auf die erste Erinnerung durch die noch bei der Schuleingangsuntersuchung mitgegebenen Vordrucke erhielt das Gesundheitsamt bei 39% der Kinder (n=486) eine Ru¨ckantwort durch Impfarzt oder Eltern. In der zweiten RecallWelle wurden noch einmal 719 Kinder an die Impflu¨cken erinnert. Die Ru¨cklaufquoten lagen zwischen 67% und 87% und betrugen im Durchschnitt 80,8% der am Recall teilnehmenden Kinder. Tabelle 1 fasst die Impflu¨cken und die erfolgten Impfungen gegen Masern zusammen. 16,7% (175) der Kinder hatten keine Masernimpfung und 39,1% (409) Kinder hatten nur die erste Masernimpfung. Das Schließen der Impflu¨cken gelang bei der 1. Masernimpfung bei 10,9% der Kinder (19 Impfungen bei 175 Indikationen). Bei fehlender 2. Masernimpfung gelang in 51,8% der Fa¨lle (212

14.e1



ARTICLE IN PRESS

Public Health Forum 17 Heft 63 (2009) http://www.elsevier.de/phf

Tabelle 1: Ergebnisse des Recall fu¨r Masernimpfung. Teilnehmende Kinder (n)

Kinder ohne Masernimpfung (n)

Erste Masernimpfung durchgefu¨hrt (n) und Schließen der Impflu¨cke in %

Kinder mit nur Zweite Masernimp1. Masernfung durchgefu¨hrt (n) impfung (n) und Schließen der Impflu¨cke in %

Pfaffenhofen Augsburg Dillingen Lindau Amberg-S.

285 348 108 213 306

50 18 60 k.A. 47

7 (14%) 3 (16,7%) 2 (3,3%) k.A 7 (14,9%)

132 89 41 k.A. 147

75 (56,8%) 75 (84,3%) 13 (31,7%) k.A. 49 (33,3%)

gesamt

1260

175

19 (10,9%)

409

212 (51,8%)

Impfungen bei 409 Indkationen) das Schließen der Impflu¨cke. Da vorla¨ufig noch keine Daten zu den Durchimpfungsraten der nicht teilnehmenden Kinder vorliegen und auch keine Kontrollgruppe vorhanden ist, kann der Einfluss des Impf-Recalls auf die Durchimpfungsraten gegenwa¨rtig noch schlecht quantifiziert werden. Im Gesundheitsamt Augsburg, bei dem eine telefonische Erinnerung erfolgte, lagen die Erfolgsraten deutlich u¨ber den in den anderen Gesundheitsa¨mtern. Die Sozialmedizinischen Assistentinnen sprachen hier aber auch von einem immensen personellen Aufwand. Diskussion Gerade vor dem Ziel der Eliminierung autochthoner Masernfa¨lle in Deutschland kommt der Etablierung von wirkungsvollen Maßnahmen zur Steigerung der Impfraten große Bedeutung zu. Dieses Pilotprojekt zielte darauf ab, Eltern zu

14.e2



erinnern, versa¨umte Impfungen nachzuholen und dadurch die Impfraten vor allem in Bezug auf Masern zu steigern. Die erzielten Ergebnisse lassen darauf schließen, dass dieser Ansatz sehr erfolgreich war. Interessanterweise war die Bereitschaft, sich im Falle einer bereits einmalig durchgefu¨hrten MasernImpfung nochmals impfen zu lassen und so die empfohlenen Impfungen zu komplettieren, mit 51,8% deutlich ho¨her als bei noch nicht vorhandener Impfung mit 10,9%. Aus einigen Gesundheitsa¨mtern wurde u¨ber eine mangelnde Bereit¨ rzte schaft der niedergelassenen A berichtet, die Ru¨ckmeldungen u¨ber durchgefu¨hrte Impfungen zuru¨ckzuschicken. In diesem Fall wa¨re zu vermuten, dass die Zahl der im Recall durchgefu¨hrten Impfungen gro¨ßer sein ko¨nnte als tatsa¨chlich erfasst und so der Effekt des Recalls unterscha¨tzt wu¨rde. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der WHO-Ziele zur Masern-



elimierung erscheint trotz der zuna¨chst personal- und arbeitsintensiven Umsetzung die Einfu¨hrung von ¨ ffentlichen Recall-Systemen im O Gesundheitssystem zur Schließung von Impflu¨cken auch bei Kindern vielversprechend. Wir danken den Sozialmedizini¨ rzten schen Assistentinnen und A der beteiligten Gesundheitsa¨mter fu¨r ihr Engagement.



Literatur siehe Literatur zum Schwer- punktthema. www.elsevier.de/phf-literatur doi:10.1016/j.phf.2009.03.016 PD Dr. med. Dr. phil. Andreas Sing Bayerisches Landesamt fu¨r Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Sachgebiet GE 2 Infektiologie Veterina¨rstraße 2 85764 Oberschleißheim [email protected]

ARTICLE IN PRESS

Public Health Forum 17 Heft 63 (2009) http://www.elsevier.de/phf

Einleitung Erinnerungssysteme haben sich als nu¨tzlich fu¨r die Steigerung von Durchimpfungsraten gezeigt. Auch Impferinnerungen fu¨r Kinderschutzimpfungen erwiesen sich als effektiv. Vor dem Hintergrund des WHO-Zieles der weltweiten Masern-Elimination wurde ein Impferinnerungssystem (sog. Impf-Recall) bei der Schuleingangsuntersuchung als eine Mo¨glichkeit zur Erho¨hung der Durchimpfungsraten an fu¨nf bayerischen Gesundheitsa¨mtern erprobt.

Schlu¨sselwo¨rter: Impfung=vaccination, Recall=recall, Erinnerung=reminder, Masern=measles, Schuleinganguntersuchung ¨ ffentlicher Gesundheitsdienst, Children O

Literaturverzeichnis Jacobson Vann JC, Szilagyi P. Patient reminder and patient recall systems to improve immunization rates. Cochrane Database of Systematic Reviews 2005, Issue 3. Art. No.: CD003941. /http://www.cochrane.org/reviews/en/ab003941.htmlS. Ludwig MS, Gu¨nther S, Wildner M, Liebl B, fu¨r die AG Impfen. Konzept zur Verbesserung der Impfraten in Bayern. Gesundheitswesen 2007;69:571–6. RKI. Mitteilung der Sta¨ndigen Impfkommission am Robert Koch-Institut: Empfehlungen der Sta¨ndigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Epidemiol Bull 2008a;30:235–54 /http://www.

rki.de/cln_100/nn_195844/DE/Content/ Infekt/EpidBull/Archiv/2008/30_08, templateId=raw,property= publicationFile.pdf/30_08.pdfS. RKI. Mitteilung der Sta¨ndigen Impfkommis sion am Robert Koch-Institut: Impf-Recall bei Schuleingangsuntersuchungen fu¨hrt zur Steigerung der Impfquoten – Ergebnisse ei nes Pilotprojektes am Gesundheitsamt Pfaffenhofen. Epidemiol Bull 2008b;16: 123–5. /http://www.gpk.de/downloadp/ STIKO_2008_Bulletin16_080418_Impf_ Recall_bei_Schuleingangsuntersuchungen_ fuehrt_zur_Steigerung_der_Impfquoten. pdfS. Szilagyi PG, Bordley C, Vann JC, Chelminski A, Kraus RM, Margolis PA, et al. Effect of

patient reminder/recall interventions on immunization rates: a review. JAMA 2000;284:1820–7. ¨ hrende Literatur Weiterfu Muscat M, Bang H, Wohlfahrt J, Glismann S, Mlbak K, for the EUVAC.NET group. Measles in Europe: an epidemiological as sessment. Lacent 2009;373:383–9. Wichmann O, Siedler A, Sagebiel D, Hellen brand W, Santibanez S, Mankertz A, et al. Further efforts needed to achieve measles elimination in Germany: results of an out break investigation. Bull World Health Or gan 2009;87:108–15.

14.e3