Biochem. Physiol. Pflanzen 170, S. 287-293 (1976)
Isolierung und Kultivierung von Protoplasten aus Calluskulturen der Gerste HELMUT KOBLITZ Zentralinstitut fur Genetik und Kulturpflanzenforschung Akademie der Wissenschaften der DDR, Gatersleben
Isolation and Cultivation of Protoplasts from Callus Cultures of Barley Key Term Index: protoplast, callus tissue, cultivation conditions; Hordeum vulgare.
Summary Starting with callus cultures of barley which were isolated in 1973 and cultivated since then on a solid medium we succeeded in the isolation of healthy and viable protoplasts. We also were able to cultivate this material in a suitable liquid conditioned nutrient medium. After regeneration of new cell walls and nuclear and cell divisions, cell clusters were formed; in this state the culture was transferred to a solid medium.
Einleitung
Nur wenige Mitteilungen beziehen sich auf die Isolierung und Kultivierung von Protoplasten aus Getreiden. 1970 versuchten KELLER et al. die Isolierung von Protoplasteu aus Zellkulturen, u. a. von Weizen (Triticum monococcum). 1m Gegensatz zu anderen Arten waren sie aber bei dieser Species nicht erfolgreich, was auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Zellwande zuriickgefUhrt wird (die Zellwande der "Erfolgspflanzen" enthielten weder Galactose noch Xylose im Gegensatz zu denen der resistenten Zellen). Protoplasten wurden auch aus den Zellen des Maisendosperms (USUI, MAEDA und ITo 1974) und aus Calluszellen des Maisendosperms (MOTOYOSHI 1971) isoliert. Hierbei zeigte sich, daB die Endospermprotoplasten eine sehr hohe Aggregationsund Fusionsrate von 38 % besaBen (im Gegensatz zu der von Blattmesophyllprotoplasten von ca. 20 %) und daB es bei den Versuchen zur Isolierung der Calluszellprotoplasten aus Maisendosperm zu vielkernigen Zellen kam, die aus Fusionen wahrend des enzymatischen Aufschlusses stammten. Kernteilung bei der Kultur dieser Protoplasten wurde beobachtet, jedoch keine Zellteilung. 1m eigentlichen Sinne erfolgreich kann man im Grunde nur die Untersuchungen von MARETZKI und NICKELL (1973) iiber die Isolierung und Kultivierung von Protoplasten aus Zellkulturen des Zuckerrohrs betrachten. Ihnen gelang mit relativ harten Mitteln (AufschluBlosung mit 5 % Onozuka-Cellulase 4 S und 1,5 % Glusulase, bei 32°C und Schtitteln mit 68 UpM fiir 3-4 h) ein AufschluB der Zellen und Gewinnung einer hohen Ausbeute an lebensfahigen Protoplasten. Diese konnten auf einem konditionierten AgarMedium zur Zellregeneration veranlaBt werden, welche regenerierten Zellen dann in
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Suspension auf dem Schwingtisch weiterkultiviert wurden. Hier soIl tiber ahnliche Versuche mit Gerstencallusgewcben berichtet werden, bei denen der Cyclus Calluszelle--+ Protoplast --+ regenerierte Calluszelle erfolgreich realisiert wurde. Material und Methoden Gewe bekul turen. - Als Ausgangsmaterial diEllten 2 Linien aus Langzeit-Callusgewebekulturen von Hordeum vulgare cv. Diamant, die am 20.7. bzw. am 21. 8. 1973 aus Keimwurzeln isoliert und auf B 5-Medium (GAMBORG et a1.1968) kultiviert wurdenl) (Abb. 1). Bis Dezember 1974 wurden Subkulturen aile 4 W ochen angelegt, danach aile 2 W ochen. Die Kultivierung wurde im Dunkeln bei 25 DC durchgefuhrt. Protoplastenisolierung. - Fur die Versuche zur Protoplastenisolierung wurden Kulturen zwischen dem 5. und 10. Tag nach der letzten Passage benutzt. Zum AufschluB wurde ein Zweistufenverfahren mit folgenden Liisungen verwendet: Liisung I - 5 % Onozuka-Cellulase P 1500, ungereinigt, 2% Macerozyme, ungereinigt, in je 0,3 M Sorbit und Mannit, pH 5,7 (eingestellt mit 0,5 n HC]); Liisung II - 0,25 % Driselase, entsalzt, 0,25 % Penicillium-Enzym2 ), entsalzt, in je 0,3 M Sorbit und Mannit, pH 5,7 (eingestellt mit 0,5 n NaOH). Die Keimfreimachung dieser Liisungen erfolgte mittels Filtration durch Ganzglasbakterienfilter G5. 1,5 g Gewebematerial (Frischgewicht) wurden in einem 100-ml-Erlenmeyerkolben mit 10 ml der Liisung I uberschichtet und fur 2-3 h im Dunkeln stehengelassen. Dann wurde die Flussigkeit mittels Filtration durch ein Dederon-Filter (Kaffee-Filter, Porenweite ca. 70 (lm) abgetrennt und das Gewebe mit Liisung II unter den gleichen Bedingungen fur weitere 16 h inkubiert. Das aufgeschlossene Material wurde nun durch ein gleiches Dederon-Filter und anschlieBend durch ein Ganzglasfilter G1 filtriert, wodurch Gewebereste und Zellen zuruckgehalten wurden. Der Ruckstand wurde mit der Waschliisung nach EVANS et al. (1972) geschuttelt und uber das gleiche Filtersystem gegeben. Die vereinigten Filtrate, in denen sich die Protoplasten befanden, wurden fur 3 min bei 180 g zentrifugiert. Der Niederschlag wurde 3mal fur je 3 min mit der Waschliisung auf der Zentrifuge (ebenfalls bei 180 g) gewaschen. Wesentlich fur eine gute Protoplastenausbeute ist die Enzymzusammensetzung der Liisung II. Wenn anstelle des Gemisches die beiden Enzyme (in der doppelten Konzentration) getrennt eingeTabelle 1. Proloplastenausbeute in Abhiingigkeit von den verwendelen Fermenttypen der Losung 11 (Losung 1 konstant) Anzahl der freien Protoplasten pro Gramm Frischgewicht Fermentliisung
Gerstencallusgewebe "Diamant" etabliert am 20. 7. 1973
"Diamant" etabliert am 21. 8. 1973
8 Tage alt
10 Tage alt
8 Tage alt
10 Tage alt
Liisung II
1,2 . lOS
1,3· 105
1,5.105
1,1 . 105
Liisung II ohne PenicilliumEnzym, mit 0,5 % Driselase
0,4.105
0,2.105
0,1.105
0,4.105
Liisung II ohne Driselase, mit 0,5 % Penicillium-Enzym 0,2· 105
0,7.105
0,2· lOS
0,6.10 5
1) Fur die Bereitstellung des Materials sind wir unserem Kollegen Dipl.-Biol. E.- U. SCHEUNERT zu aufrichtigem Dank verpflichtet. 2) Eigenes Praparat, hergestellt aus dem Kultivierungsfiltrat von Penicillium spec.; vgl. auch KOBLITZ und HIRTE: Einsatz eines Enzympraparats aus Penicillium citreo-viride bei der Isolierung von Protoplasten aus pflanzIichEll Gewe bekulturen. Biochem. Physiol. Pflanzen 170, 295- 300 (1976).
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setzt werden, liegt die Ausbeute erheblich niedriger (Tabelle 1); Penicillium-Enzym ist nicht durch Macerozyme, Driselase nicht durch Onozuka-Cellulase zu ersetzen. Kultivierungsmedien. - Fiir die Kultivierung im fliissigen Medium (erste Phase der Kultiv ierung) wurden ausschlieBlich konditionierte Liisungen benutzt, die Kultivierung auf Agar-Medien (zwejte Phase der Kultivierung) wurde u. a. auch auf einem nichtkonditionierten Substrat durchgefiihrt. Die Zusammensetzung der Medien ist aus Tabelle 1 ersichtlich. Die Keimfreimachung der fliissigen Liisungen erfolgte mittels Filtration durch Ganzglasfilter G 5, die der festen Medien mittels Autoklavieren des Agar-haltigen Mediums (Agar-Agar in doppelter Konzentration, bezogen auf die Endmenge) und durch Sterilfiltration des fliissigen vorkultivierten Mediums. Vor dem GieBen der Platten wurde das fIiissige Medium mit dem verfliissigten Agar-Medium im VolumenverhiiJtnis 1: 1 gemischt und unter keimfreien Bedingungen in die vorsterilisierten Petrischalen eingefiiIlt (4 ml Medium pro Schale, innerer Durchmesser der Unterschale 5 em). Die sedimentierten Protoplasten wurden mit ca. 4 ml fliissigem Kultivierungsmedium aufgenommen und in Petrischalen (s. 0.) bei 25°C im Dunkeln kultiviert. Da es zwischen den Liisungen 1, 2 oder 4 kaum Unterschiede hinsichtlich ihrer Fahigkeit zur Unterhaltung des Wachstums der Protoplasten gab, kann eine gemeinsame Darstellung erfolgen. Wesentlich aber ist die Beobachtung, daB nichtkonditionierte Medien kaum in der Lage sind, Zellteilung und Wachstum isolierter Gerstenprotoplasten aufrechtzuerhalten.
Ergebnisse
Abb. 2 zeigt eine Protoplastenpopulation nach zweistiindigem Aufenthalt im Kultivierungsmedium. Nach 24stiindiger Kultivierung haftete ein Teil der lebensfahigen Protoplasten am Boden der Schale, die anderen schwebten in der Losung. Bereits hier geht eine Reihe von Protoplasten durch Schrumpfen oder Zerplatzen zugrunde. Nach 6tagiger Kultivierung hatten sich bis zu 10% der verbleibenden Protoplasten einmal geteilt, nach 12 Tagen zeigten sich bereits Kleinstaggregate mit bis zu 15 Zellen. Nach 20 Kultivierungstagen war eine Reihe der Aggregate bis auf 50 Zellen angewachsen (Abb. 3); dane ben waren viele Zweiteilungen und Kleinstaggregate sowie Teilungen unter Ausbildung von Zellketten zu beobachten. Es gab aber auch Fehlentwicklungen von Protoplasten. So wuchsen einige von ihnen zu hochvakuolisierten Riesenzellen heran, die jede Fahigkeit zur Teilung verloren hatten und schon die erste Verdiinnung des Mediums kaum iiberstanden. Nach 18-21 Kultivierungstagen erfolgtc die erstc Verdiinnung der Losung durch Zugabe von 2 ml B 5-Medium pro Schalc; 2 weitere Verdiinnungen nach jeweils 7 Tagen, ebenfalls durch Erganzung mit je 2 ml B 5-Medium pro Schale, fiihrten schlie13lich dazu, daB nach etwa 35tagiger Kultivicrungszeit ein Teil der Protoplastensuspension auf festcs Medium (Losungen 4, 5 oder 6) plattiert wcrden konnte. Die Plattierung erfolgte durch Pipettieren von 6 Tropfen Zellsuspension je Petrischale. Aber auch eine Fliissigkultivierung konnte durch weitere Zugabe von B 5-Medium aufreehterhalten werden; diese Kulturen wurden dann naeh 47 Kultivierungstagen plattiert. Es war somit moglieh, folgende beiden Varianten zu beurteilcn: 35 Tage in fliissiger Kultur + 35 Tage auf festem Medium bzw. 47 Tage in fliissiger Kultur + 23 Tage auf festem Medium (Abb. 4). Hierbei zeigte sieh, daB ein langerer Aufenthalt in der fliissigen Phase das spatere Waehstum auf der Agarplatte stark verbessert: 70 Tage alte Kulturen der ersten Variante zeigten ein wesentlieh geringeres Waehstum als gleiehaltrige Kulturen der zweiten Variante. Eine Abhitngigkeit des Waehstums von der Zusammensetzung des
: Zids . . LecaL
290
ass:
e
fC if 5
H.
'9
KOBLITZ
Abb. 1. Tagalles e altes Callusgewebe Hordeum vulgare Diamant. Abb.1. 1J 14 Tage Callusgelcebe vonvon Hordeum vulgare cv. cv. Diamant.
Abb.2.Population Population isolierten ProtoplastenausausCallusgewebe Callusgewebevon vonHordeum Hordeumvulgare vulgarecv.cv.Diamant Diamantinin Abb.2. vonvon isolierten Protoplasten h nach Absetzen Enzymbehandlung. fliissigemMedium, Medium, fliissigem 2 h2 nach Absetzen derder Enzymbehandlung.
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Abb.3. Abb.3. 20 20 Tage Tage alte, alie, aus aus Protoplasten Protoplasten regenerierte regenerierte Calluskultur Calluskultur von von Hordeum Hordeum vulgare vulgare cv. cv. Diamant Diamant in in fZUssigem fliissigem Medium. Medium.
Aggregate bis bis zu zu 50 50 Zellen Zellen neben neben einigen einigen Zweiteilungen Zweiteilungen und und Kleinstaggregaten. Kleinstaggregaten. Aggregate
Abb. 4. 4. 64 64 Tage Tage alte, alte, aus aus Protoplasten Protoplasten regenerierte regenerierte Calluskultur Calluskultur von von Hordeum Hordeum vulgare vulgare cv. cv. Diamant, Diamant, Abb. auf Agar-Medium Agar-Medium plattiert. plattiert. auf 47 Tage Tage in in fliissiger flftssiger L6sung, Liisung, 17 17 Tage Tage auf auf Agar-Medium. Agar-Medium. 47
~
<:0 ~
Tabelle 2. Zusammensetzung der Medien fur die Kultivierung isolierter Gerstenprotoplasten aus Calluskulturen B 5 = Medium nach GAMBORG et a!. 1968; M & K = Medium nach MICHAYLUK und KAO 1975 ohne Wuchsstoffe und ohne N-Z-Amin Nr.
Medium A (Frischmedium
MischungsMedium Bl) (vorkultiviertes verhiiltnis Medium)
1a 1b 2a
B5
B5
1:1
B5 M&K
B5 B5
1:1 1: 12)
B5
1: 12)
B5 B5
0:1 0:1
2b
M&K
3a 3b 4 5 6
135 135 M&K
135 135
Mannit M
Sorbit 1\1
Glucose ppm
Saccharose M
2.4-D ppm
09 0,15
0,2
50
0,1
2,0
0,15 0') ,-
50
0,1 0,1 0,1
2,0 2,0
,~
0,2 0,15 0,2
0,15 0,2 0,15
50 50 50 50
0,1
1:0
0,1 0,06
1:1 1: 12)
0,1 0,1
0,15
Agar-Agar gil
::I1 ?'i
2,0 2,0 2,0 2,0 2,0 2,0
0 O:i
I:"'
::l .., 8 7 7
1) Gewinnung des vorkultivierten Mediums: 14 Tage altes, im Dunkeln auf B 5-Medium kultiviertes Callusgewebe (5 g) aus Gerste "Diamant" wurde in 20 ml fliissigem 13 5-Medium suspendiert und fiir 3 Tage in einem 100-ml-Erlenmeyerkolben auf dem Schwingtisch kultiviert. Das Gewebe wurde dann mittels eines Dederon-Filters abfiltriert und leicht ausgepreBt. Das so gewonnene Filtrat wurde als Medium B verwendet. 2) Diese Mischung beinhaltct gegeniiber dem reinen 13 5-Medium eine Anderung bei CaCl 2 • 2 aq. von 150 auf BOO ppm, bei KCl von 0 auf 300 ppm.
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Mediums (konditioniert oder nicht konditioniert), wie es in den erst en Stadien der Fltissigkultur zu beobachten war, konnte hier nicht festgestellt werden. Grundsatzlich ist noch zu bemerken, daB das Wachstum von Zellkulturen der Gerste nach Durchlaufen der Protoplastenphase unter den geschilderten Bedingungen besser zu sein scheint als das Wachstum der ursprtinglichen Zellkulturen. Die relativ hohe Zuwachsrate konnte darauf zurtickzuftihren sein, daB bei der Protoplastenisolierung und -kultivierung eine Auslese stattgefunden hat dergestalt, daB nur die vitalsten Zellen die Prozedur tiberstehen, wahrend die weniger widerstandsfahigen schrumpfen, zerplatzen oder zu nicht mehr lebensfahigen Riesenzellen auswachsen. Literatur EVANS, P. K., KEATES, A. G., and COCKING, E. C., Isolation of protoplasts from cereal leaves. Planta (Berlin) 104, 178-181 (1972). GAMBORG, O. L., MILLER, R. A., und OJIMA, K., Nutrient requirements of suspension cultures of soybean root cells. Exper. Cell Res. 50, 151-158 (1968). KELLER, W. A., HARVEY, B., GAMBORG, O. L., l\hLLER, R. A., and EVELEIGH, D. E., Plant protoplasts for use in somatic cell hybridization. Nature (London) 226, 280-282 (1970). MARETZKI, A., and NICKELL, L. G., Formation of protoplasts from sugar cane cell suspensions and the regeneration of cell cultures from protoplasts. Colloques Internationaux C.N.R.S., Nr. 212: Protoplastes et Fusion de Cellules Somatiques Vegetales. S. 51-63. Versailles 1972, pub!, 1973. MICHAYLUK, M. R., and KAO, K. N., A comparative study of sugars and sugar alcohols on cell regeneration and sustained cell division in plant protoplasts. Z. Pflanzenphysio!. 75,181-185 (1975). MOTOYOSHI, F., Protoplasts isolated from callus cells of maize endosperm. Formation of multinucleate protoplasts and nuclear division. Exper. Cell Res. 68, 452-456 (1971). USUl, H., MAEDA, M., and ITo, M., High frequency of spontaneous fusion in protoplasts from various plant tissues. Bot. Mag. (Tokyo) 87, 179-182 (1974). ) Eingegangen 8. Juni 1976. Anschrift des Verfassers: Dr.habi!. H. KOBLITZ, Zentralinstitut fur Genetik und Kulturpflanzenforschung, DDR - 4325 Gatersleben.