Experimenfal
470
KONTROLLE IN
DEN
EINES
BIOCHEMISCHEN
SPEICHELDRijSEN DURCH
Cell Reseurch 49, 470-476
EINEN
W. BAUDISCH
VON
(1968)
MERKMALS
ACRICOTOPUS
LUCIDUS
BALBIANI-RING und R. PANITZ
Institut fiir Kulturpfanzenforschung Gatersleben der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, DDR Eingegangen
Die physiologische
am 24. April,
1967
Aktivitgt des Venoms wird an den Riesenchromosomen der Dipteren in der Ausbildung lokaler Funktionsstrukturen, den Puffs und Balbiani-Ringen, unmittelbar sichtbar. Die funktionelle Leistung van PufI's und Balbiani-Ringen besteht in der Synthese ron RKS [14!, die zumindest zu einem Teil der Informationsiibertragung dient [6]. J’ergleichende Cntersuchungen der Riesenchromosomen verschiedener Gen-ebe eines Individuums haben gezeigt, da13 jedem Zelltyp und jeder Funktionsphase einer Zelle ein bestimmtes Puffmuster entspricht [3, 4, 7, 101. Die Annahme, da0 der funktionelle Charakter einer Zelle [lurch ihr Puffmuster bestimmt wird, liegt nahe und steht im Einklang mit der Beobachtung, da13 ein Balbianidie Bildung einer Ring in einem Zelltyp der Speicheldrtise van Chironomus granulsren Sekretkomponente kontrolliert [a]. die zum Ziel haben, yorerst die Ton Genphysiologische Untersuchungen, den griif3ten Puffs, den Balbiani-Ringen, kontrollierten biochemischen Reaktionen im Zellstoffwechsel zu erfassen, setzten Kenntnisse iiber die Hauptfunktionen des untersuchten Zelltyps voraus. Giinstige Voraussetzungen fiir derartige Experimente bietet die morphologisch und funktionell differenzierte Acricotopus lucidus. Die drei Lappen der Speicheldriise der Chironomide Speicheldriise (Vorder-, Haupt-, Nebenlappen) lassen sich in ihrer SekretSo unterscheiden sich die Sekrete produktion chemisch charakterisieren. des Haupt- und Nebenlappens van dem des Vorderlappens durch die Synthese van Hydroxyprolin, das im \:orderlappen fehlt [l, 21. Die funktionelle Differenzierung der Speicheldriise ist bei Acricotopus mit der Ausbildung unterschiedlicher Puffspektren verbunden, deren SpezifXt in den einzelnen Driisenlappen vorherrschend durch die Ausbildung weniger, groBer Balbiani-Ringe geprigt wird [lo]. Miiglichkeiten zum Auffinden urs&hlicher Beziehungen zwischen einem Balbiani-Ring und einem biochemischen Rlerkmal liegen in der Anwendung Exprrimental
Cell Research 49
Iion trolle
ekes
bioclzemisclwn
~I~erkmn1.s
in
tlen SpiclzelcJriisen
471
selcktiv wirkender Inhibito~el~ tier K?;S-Synthese. F&e Substanz, die nachweislieh die *~~~sschaltuIlg eines I~albiani-Rings in der ~pei(,hel(~r~se Ton Arricotopzs bewirkt, wurde in den Gibberellinen gefunden [13j. Gegenstand dieser Arbeit \var die Frage, oh und in welcher 1Veise die Blockierung dieses Gen-Locus die Sekretproduktion der Speicheldriise beeintlufit. MATERIAL
UND
METHODEN
Die Untersuchungen wurden an Larsen des 4. Stadiums von Acrieotopzzs Iucidus Staeg. (Diptera, Chironomidae, Orthocladiinae) durchgefiihrt. Durch Behandlung der Larsen mit Gibberellin A, und A, ist es miiglich, die RNS-Synthese des BalbianiRings UR-2 im Haupt- und Nebenlal)pen der Spei~heldr~se zu inl~ibieren 1131. Urn eine miiglichst vollstsndige Inakti~~ier~Ing des BR-2 zu erreichen, wurden Larven fiir 48 Std. in einer Lijsung von Gibber&in A, der Konzentration lt5 mg/ml gehalten. Nach diesem Zeitraum ist erfahrungsgemgfl die RNS-Synthese des BR-2 in allen Zellen nahezu vollst%indig inhibiert. Bei der verwendeten Substanz handelte es sich urn ein Handelsprtiparat, das fast ausschliefilich aus Gibberellin A, bestand. Ftir den autoradiographischen Nachweis der chromosomalen RNS-Sgnthese wurden die explantierten Speicheldrtisen behandelter Larven fiir eine Stunde in der HImolymphe des Driisenspenders un ter Zusatz von 3H-Uridin (spezifische Aktivitat 17 400 mc/mil/f) inkubiert. Die zugefiihrte Aktivitgt lag bei etwa 25 mcjml. Die Herstellung der PrBparate erfolgte nach der Stripping-film-TecI~nik in der iiblichen Weise. Die E~positiollszeit der Filme lag bei 14 Tagen. Zur Priifung der Spei~heldr~sellfuIlktion nach Gibberellinein~irk~lng wurden die Speicheldriisen von 7-10 Tieren explantiert und mit der Hlmolymphe in einem Blocksch$lchen gesammelt. Nach Zugabe einer kleinen Menge isotonischer SalzlGsung mit 15 o/; Gibberellin A, wurden die Speicheldriisen mit W-Prolin ftir 17 Stunden bei Raumtemperatur inkubiert. Die zugefiihrte Aktivittit betrug etwa 0,075 me/ml. \Vie bereits bekannt wird in uormalen Speicheldriisen unter diesen Bedingungen Hydroxyprolin synthetisiert [a]. Nach dem Abspiilen der freieu, nicht proteingebundenen Aktivitat erfolgte die Hydrolyse der Speicheldrtisen in 6 N HCl. Die so erhaltenen Aminosguregemische wurden papierchromatographisch getrennt. Fiir die chromatographische Trennung dienten Butanol: Eisessig: Wasser 4: 1: 1 in der ersten ~a~lfri~htung und Phenol: Wasser : Ammoniak (24 :;ig) 8: 2: 0,s in der zweiten. Zum Nachweis der Anlinos~uren wurden die Chromatogramme mit Isatin bespr~ht [l]. Die Feststellung der Aktivitlt einzelner Aminos~~Ireflecke im Chromatogramm geschah mit der Kontaktautoradio~raphie. ERGEBNISSE
Die Speicheldriise van Acricofopas lucidus besteht aus drei Lappen, die sicb dwxh die Ausbildung unterschiedlicher Kombinationen van RalbianiRingen auszeichnen [lo]: Fiir den Haupt- und Kebenlappen, deren spezifische Stoff~~echselleistung in der Spnthese van Hydrosyprolin besteht [Z],
sind die groGen Balbiani-Ringe RR-1 und RR-2 charakteristisch, die im Vorderlappen fehlen. Im Nebenlappen ist zus$tzlich ein weiterer, mittelgrowler Ralbiani-Ring (RR-G) entfaltet. Im \‘orderlappen sind die nur fiir diesen Zelltyp typischen Ralhiani-Hinge RR-3 und RR-4 ausgebildet, deren Funktion unter hormonaler Kontrolle steht [ 12 1 (Abb. 1).
Abb. 1. - Schematische Darslellung der I~albiani-Ring-Rlustcr im Vorder-, Neben- und Hauptlappen der larvalen Speichrldriise van Acricotopus lzzcidzzs.\~er~ndert nach 1111. (I, Vorderlapprn; b, Sebenlappen; c, Hauptlappen.
Die l~eha~~ll~ltl~ ran Larsen mit ~il~berellin A8 fiihrt in ~lnterschie[llicheIn Grad zu einer Wernmung der RNS-S~nthese van RR-1 und RR-2. Sach 3% stiindiger Rehan(llLlllgsdaLier ist tier RR-1 in rund 10 yO der untersuchten Zellen bei gleichzeitigem Riickgang seiner RISS-Synthese strukturell zuriickgebildet oder in Hiickbildung begriffen. Die RNS-Synthese des RR-2 kommt dagegen in allen Zellen zum Erliegen, obwohl nur 30 bis 40 yOder RalbianiRinge durch Riickbildung reagieren (AM. 2). Somit ergibt sich fiir den RSS-Haushalt des Haupt- und Nebenlappens ein vollst2ndiger Ausfall des RI<-2. Die geringfiigigen Aktivithtsrer%nderungen des RR-1 kijnnen unberiicksichtigt bleiben. Die Inkorporation van “II-Uridin in die Nucleolen, die Ralbiani-Ringe des ~ortlerlappens und die gr6Reren Pufi’s h5lt sith in normalen Grenzen; inwieweit kleinere PuEfs ihre Markierung nach Gibberellinbehandlung verhndern, wurde bisher nicht untersucht. An ‘I’ieren, die in gibberellinhaltigem \l\‘asser gehalten vwrden, lassen sich keine auffallenden Yertinderungen ihres Yerhaltens feststellen, aul;ler, da0 zu banen. Dem Speichelsie nicht mehr in der Lage sind, ihre \YohnrSlzren drtisensekret, mit dcm normalerweise Algenftiden zu einer Riihre verklebt werden, fehlt offenhar unter der Einwirkung des Gibberellins die klebende Komponente. Die Untersuchung der Speichelsekrete ergab, da0 im Gegensatz zur Kontrolle nach ~ibberellinein~~irl~~~Ilg im Haupt- und Lebenlappen ~~(lro~~prolin nicht mehr s~llthetisiert wird (Abb. 3 und 1). Im Aminos~~lrea~~toradi(~gramm fehlt nath Inkubation in %-I’rolin die AktiviGt ties Experimental
Cell Research 49
.Abh. 2. -.- Die \5Yrkung von Gibbcrellin A, auf Struktur und RX-Synthcsc des Balbiani-Rings RR-2, (I) ~011 enlfalteter BR-2. 6) zurtickgebildeter BR-2 aus einem mit Gibberellin A, behandrlten Tier, c) Inkorporation von 3H-1Jridin in den BR-2 eines Kontrollticres, ti) vollst’dndig zuriickgebildeter tmd unmarkierter L3R-2 aus einem behandeltcn Tier.
HSclroK?rprolinflecks \TollstAndig. Die in beiden Xutoractiogratnmen anzutreffcnde Markierung der (;llltarnins~~~re ist durch NeubildtIng aus markiertern Prolin zu erklgren. DISKUSSION
Der funktionelle Charakter des Puffing wird in der engen Korrelation zwisrhen Puffmusterbildung und Organ- und Zelldifferenzierung deutlich. i2’ach. der aus dieser Beobachtung abgeleiteten Vorstellung van der diiferentiellen Genaktivitst des Genoms bestimmen die fiir einen Zelltyp charaktcristischen Puffs und Balbiani-Ringe den funktionellen Charakter der Zelle. An Riesenchromosomen konnte b&her in einem Fall ein Zusammenhang zmischen eincm Gen-Locus und der ~~~IsbildL~ng eines ~norphologisch de& nierten Alerkmals hergestellt werden. Die Bildung der Sekretgranula in den Experimenfaf
Cell Research 49
474
11’. Bmdisch
Abb. 3. - Chromatographische nach saurer Hydrolyse. I’rOH,
Auftrennung Hydroxyprolin;
und R. Prrnitz
der Aminostiurcn I+, Prolin.
des Speicheldriisenhauptlappens
Abb. 4. - Autoradiogramme der AminosSurechromatogramme von hydrolysierten Speicheldriisen nach Inkubation mit l”C-Prolin. Links: Kontrolle nach Inkubation in 14C-Prolin. Rechts: Nach Vorbehandlung mit Gibberellin A, und Inkubation in l%Prolin. Die Flecken entsprechen jeweils von links nach rechts: Glutaminslure, Hydroxyprolin, Prolin und Glutaminslure, Prolin. Experimental
Cell Research 49
I
eines bioclzemischen
Jferkmcrls in den Speicheldriisen
-1-73
SI”icheldriisen-Sonderzellen van Chironomrrs pcrllidiuittcrtus wird nachweislich Ton einem Gen-Locus gesteuert, der in diesem Zelltyp einen RalbianiRing aushildet [31. l)urch das Auffinden tines Inhibitors, der die RNS-Synthese des griiflten Ralbiani-Rings im Haupt- und Kebenlappen der Speicheldriise van Aczkotops sclcktiy inhibiert, war es miiglich, den ,4usfall dieses Genortes auf tiic %usammensetzung ties Speichclsekrets zu untersuchen. Aus den mikroautoratliographischen ITntersuchungen geht hervor, da8 die RNS-Sythese tics 13R-2 (lurch Gibberelline gchemmt untl somit der RSS-Flul3 in das Cytoplasma imterbunden 3vird. \\‘enn wir annehmen, dafl zumindest ein gebildeten RSS messcnger‘I’&1 der an den l’ufrs und llalbiani-Ringen l~unktion erfiillt, so miiOtc sich die Illocltierung des RR-2 im Ausfall zellslwzifischcr FuIlktioncn, miiglicherjvrise sogar im Fehlen einer Sckretkom1)oncntc manifestieren. Die mit den Inaktivierung ties RR-2 verbundene Hemmmig der Hydrosylwolinsynthese weist nachdriicklich auf eine kausale Reziehung zwischen tier Funktion dicses Gen-1,ocus und dem Alerkmal ,,Hydroxyprolinsynthese“ bin. Damit \vtire der Zusammenhang zwischen einem Ralhiani-Ring und ciner zellspezifischen Lcistung erstmals biochemisch demonstriert. Aus Vcrsuchen zur Collagensynthese ist bekannt, dafl freies Hydroxyprolin bei der Proteinsynthese nicht verwertet lverden kann, sondern w8hrend oder nach dem Einbau in die Proteinkette aus Prolin gebildet \vird [X, 151. LTnter diesem Gesichtspunkt ergeben sich fiir unsere Refunde folgende lntcrpretationsmiiglichkeiten: (1) Der Balbiani-Ring RR-2 ist an der Proteinsynthese unbeteiligt und codiert die Synthese eines Enzymeproteins, das die Hylroxylierung des Prolins bewirkt. (2) Der Ralbiani-Ring RR-2 codiert die Synthese tines hydroxyprolinhaltigen Sekretproteins. Obwohl keinc klare Entscheidung zwischen beiden hliiglichkeiten zu treffen ist, erscheint uns die zwcite aus folgenden Griinden als lvahrscheinlicher. Bekanntlich rep&entieren die Ralbiani-Ringe als die griil3ten Funktionsstrukturen der Riesenchromosomen die intensivsten RNS-Svntheseorte dcs Venoms. Da zu erwarten ist, da13 zwischen der GriiWe eines Puffs und dem Niveau der kontrollierten Syntheseleistung im Cytoplasma ein direkter Zusammenhang besteht, w5re die Rolle des RR-2 eher mit dcr Codierung eines in grol3er hlenge gebildeten Sekretproteins zu erklaren, als mit der Rildung eines in der Zelle nur in geringer hlenge ben6tigten Enzyms. Dariiber hinaus haben Untersuchungen iiber die Sekretproteine rerschiedener Zelltypen der Speicheldriise \-on Chirononms gezeigt [9], dal3 zlvischen der Anzahl der Balbiani-Ringe und der Anzahl der Proteinfraktionen eine gelvisse iibereinstimmung besteht. Experimental
Cell Research 49
SUMMARY
The salivary gland of Acricotops Irrcidrts Staeg. (Diptera, Chironomidae, ~rthoclat~iinae) is a tripartite structure which consists of the anterior, the main and the lateral lobe. These lobes differ in respect of the c~)inpositi~)n of their secretion. The main and lateral lobes are characterized by the synthesis of hpdroxyprolin which is absent in the anterior lobe [l, 21. d spccitk puffing pattern of the giant chromosomes is characteristic for each. of the three lobes. The specificity of these patterns is determined by a small number of large Ralbiani rings [lo]. Treatment with gibberellins results in an inhibition of RNA synthesis of the Balbiani ring RR-2 in both the main and lateral lobe of the salirarp gland j13]. The paper reports experiments to test whether an experimental inactivation of the RR-2 is able to influence the secretion production of the main and lateral lobes. The results were as follow-s: Ry incubation of salivary glands (in addition to of untreated larvae in 14C-prolin, labelled hydroxyprolin labelled prolin) has been identified in the amino acid chromatogram of the main and lateral lobes. Hydroxyprolin originates by hydroxylation of prolin inside these lobes. With illacti~~ation of the RR-2 by treatll~ellt with gibbercllin A43 for 38 h the production of radioactive hydroxgprolin is inhibited. The synthesis of hydroxyprolin is consequently controlled by the actkity of the Ralbiani ring RR-Z. Since the hydroxylation of prolin can only take place during incorporation of prolin into a protein, it is suggested that the RR-2 region codes for the synthesis of a secretion protein containing hydrosyprolin. LITERATUR 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. IO. 11. 12. 13. 14. 15.
BAUDISCH, 'II'., Hiol. Zbl. 82, 351 (1963). -~~ ibid. (Suppl.) 86, 157 (1967). BECKER, H. J., Chromosoma 10, 645 (1959). BEERMANN, W., Chromosoma 5, 139 (1952). --ibid. 12, 1 (1961). __ J. Exptl Zool. 157, 49 (1964). BREUER, M. und PAVAN, C., Chromosomn 7, 371 (1955). BULIDECKE, E., Angem. Chem. 72, 663 (1960). GROSSBACH, l.i., ~nver~ffentlicht. MECHELKE, F., C~~omosorn~ 5, 5II (1953). __ 3. wiss. Konferenz d. Ges. Dtsch. Naturf. u. Arzte. Springer-\‘erlag, New York, 1963. PANITZ, R., Biol. Zbl. 83, 197 (1964). __ ibid. (Suppl.) 86. 147 (1967). PELLING, C., Chromosoma 15, 71 (1964). STETTEN, M. R., J. biol. Chem. 181, 31 (1949).
E~pe~imenf~i
Cell Research 49
Berlin-Heideiberg-