623 INDUKTION
VON PUFF-VERANDERUNGEN
SPEICHELDRthENCHROMOSOMEN TENTANS U. CLEVER Max-Planck-Institut
DURCH
VON
IN DEN CHIRONOMUS
ECDYSON
und P. KARLSON
,fir Biologic, Abt. Beermann, Tiibingen, und Physiologish-Chemisches Institut der Universittit Miinchen, Deutschland
Eingegangenam 24. Mai 1960
DASM ust er d er als Puffs
und Balbiani-Ringe bekannten Strukturmodifikationen in den Riesenchromosomen der Dipteren zeigt wghrend der Larvenentwicklung und besonders beim Eintritt der Larven in die Metamorphose spezifische Vertinderungen [I, 2, 4, 81. Die Ansicht, dalj es sich bei diesen Strukturmodifikationen urn morphologische Anzeichen fiir eine Aktivitgt der dort gelegenen Gene handelt (31, ist neuerdings durch Versuche mit 3H-markierten RNS-Vorstufen gut gestiitzt warden 19, 111. Damit gewinnt die Frage nach der AuslGsung und der entwicklungsphysiologischen Bedeutung der Puffmuster-Vergnderungen besonderes Interesse. Die Hgutungen der Insekten und die mit ihnen verbundenen Entwicklungs- und Stoffwechselvorggnge werden durch ein Hormonsystem ausgelast und in ihrem Charakter bestimmt. AufschluIjreich schien es daher zu sein, das Verhalten des Puff-Musters nach Injektion solcher Hormone zu untersuchen. Wir benutzten hierzu das Ecdyson (Hormon der Prothoraxdriise), das ganz generell Hgutungen ausliist. Es ist das erste und bisher einzige in kristallisierter Form isolierte Insektenhormon [ 51. Material und Methoden.-Als Versuchstiere dienten Larven des letzten (4.) Stadiums von Chironomus lentans. Die Gesamtdauer des 4. Stadiums betrsgt hier bei Laborzuchten durchschnittlich 2-3 Wochen. Die Tiere erhielten eine einmalige Injektion von Hormon am 4., 8. oder 14. Tag nach der Htiutung zum 4. Stadium. Als Hormon verwendeten wir einen stark konzentrierten Extrakt aus BombyxPuppen, der sich im Calliphora-Test als hochwirksam erwiesen hatte, oder reines Ecdyson, beides geliist in 0,65% NaCl-Lijsung. Die Ecdysondosis ist angegeben in Calliphora-Einheiten (C.E.) [6]. Die Speicheldriisen wurden in der iiblichen Weise fixiert und mit Orcein gefgrbt, sodann mit Lichtgriin gegengeftirbt. Hierbei fsrben sich die in den Puffs enhaltenen EiweiBe tiefgriin. Grtinfsrbung und Auflockerung der Chromosomenstruktur wurden als Kriterium fiir das Auftreten eines Puffs verwendet. Ergebnisse.-Beim obergang der Larve in das Vorpuppenstadium treten eine grijRere Anzahl Puffs neu auf, andere bilden sich zuriick. Hier wird nur das Verhalten zweier Puffs im 1. Chromosom, die die auffglligsten Effekte nach Ecdysoninjektion zeigten, beriicksichtigt. Der eine liegt distal der dicken Querscheibe, welche die Grenze der Abschnitte 18 und 19 bildet, im Abschnitt 19 (Fig. 1 a; vgl. die Chromosomenkarten ftir Ch. fentans bei Beermann [a]). Er ist vor dem Eintritt der Larve in die Metamorphose regelm%Z!ig anzutreffen, sodann wird er riickgebildet. In der Vorpuppe ist statt dessen proximal der Grenzbande, im Abschnitt 18, ein Puff stark Experimentul
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U. Clever und P. Karlson
-
Fig. l.-Rechtes Ende des ersten Chromosoms von Chironomus frntuns, photographiert mit Grfinfilter (oben) und Rotfilter (unten) zur Demonstration der griingefarbten Puffs. a Normale Larve aus der Kontrolle zu b, Puff nur in Abschnitt 19. b und c nach Injektion von Ecdyson, ein neuer Puff in Abschnitt 18, in c aul3erdem der Puff in Abschnitt 19 vollig vcrschwundcn. Die durch das Ecdyson veranderten Puffs sind mit Pfeilen markiert. a and b x 1400, c x 1600.
entwickelt. Nur vereinzelt trat dieser Puff such bei Larven auf, die HuBerlich noch keine Vorpuppenmerkmale erkennen lieDen. Zuchten, bei denen dies in gr6Ijerem MaBe der Fall war (2 von lo), sind im folgenden nicht berticksichtigt. Nachdem sich gezeigt hatte, daB blolle NaCl-Injektion keinen Effekt hat, dienten zur Kontrolle unbehandelte Tiere, die denselben Zuchten entnommen und mit den Versuchstieren zugleich fixiert wurden. Fig. la zeigt den Abschnitt lR18/19 des 1. Chromosoms eines solchen Tieres und damit den Ausgangszustand vor der Injektion. Nach Ecdysoninjektion tritt bei einem sehr hohen Prozentsatz der Tiere der Puff im Abschnitt 18 auf (Tab. 1, Fig. lb, 1 c). Die Griifie und die Intensitat der Anfarbung mit Lichtgriin des induzierten Puffs sind nicht bei allen Tieren gleich. Der Puff in Abschnitt 19 kann nach der Injektion noch vorhanden sein (Fig. 1 b), ist aber meist schwacher ausgebildet als in den jeweiligen Kontrollen, oder er fehlt ganz (Fig. 1~). Experimental
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Induction
von Puff-Veriinderungen
Die StBrke des erzielten Effektes scheint dosis abh5ngig zu sein. Weitere Einzelheiten zeigt die Tab. derselben Altersstufe ~-.. 8 Tage nach der sie entstammen einer Ausgangszucht. Die die Riickbildung des Puffs 1Rln lassen
u. a. von der Hijhe dcr injizierten
Versuchstiere Puff in GcsamtlR18 anzahl lR19 n %
68 100
II.
TABELLE
Ecdysonwirkung
Iilammern
Fixiert Std. nach Injelition 2 4 4
Gesamtanzahl
56 82,4
47 68,2
Ecdyson-
fiir Tiere 2, in der die ‘l’ersuchsergcbnisse letzten Htiutung ~~ zusammengefafit sind; Neubildung des Puffs im Abschnitt 18 und sich bereits nach 2 Std. feststellen; noch
auf die Puffs in 1111X und lR19,
I. Ecdysonwirkung
r~hU~~~E
625
(lurch Ecdyson
bei Larven
.51 100
Gesamlmaierial.
I
3 5,9
am 8. Tage nach der letzten Hiiutung.
bedeuten, da8 der Puff nur sehr schwach erkennbar war.
Versuchsticre Ecdysonhnzahl Dosis C.E.
Puff in IRIS 11~18
IO 10
7
‘L(3)
5-
9
4 (1)
8 -
20
24
10
4 2
24
20
3
-
(3)
21 (1)
Xnzahl 19
Kontfolle Puff in lR19 lR18 I6
(3)
1 (1)
4 ---
1 (1)
friiher nach der Injektion wurde bisher nicht untersucht. Zwischen den 2 und den 4 Std. nach der Injektion fixierten Larven ist kein Unterschied in der Ausprlgung der Puffs erkennbar, so daR miiglicherweise nach 2 Std. der der Ecdysonkonzentration in der HBmolymphe entsprechende Zustand erreicht wird. Das Puff-Muster ist nach 24 Std. - allerdings bei noch sehr geringem Material - dem Ausgangszustand wieder Bhnlicher, und zwar anscheinend nach Injektion von 10 C.E. Ecdyson ausgeprlgter als nach Injektion von 20 Einheiten. Dies spricht dafiir, daB die relativ rasche Riickbildung des induzierten Effektes an einer zu geringen Ecdysondosis, vielleicht verbunden mit einer Inaktivierung des Hormons in vivo, liegt. Hierftir spricht weiter, da13 sich die vollstgndige Metamorphose bei 8 Tage alten Larven such mit 20 C.E. Ecdyson noch nicht ausliisen lie13. Diese Befunde stehen in guter Ubereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Autoren (z.B. [lo]), daR verschiedene Gewebe eine unterschiedliche Hormonempfindlichkeit besitzen. 41-60173253
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U. Clever und P. Karlson Die an den Tieren der anderen Altersklassen erzielten Versuchsergebnisse entsprechen den hier mitgeteilten. Unterschiede scheinen nur zu bestehen in der Empfindlichkeit gegeniiber dem Hormon, und zwar scheint sie bei den am 4. und 8. Tag nach der letzten HCtung injizierten Tieren etwa gleich, bei den am 14. Tag injizierten, also wahrscheinlich sowieso dicht vor der Metamorphose stehenden, jedoch gr6Der zu sein. Diskussion.-- -Die Befunde zeigen, da13 zu den am friihesten nach der Injektion von Ecdyson erfolgenden Prozessen die Neu- bzw. Riickbildung bestimmter Puffs gehiirt. Das bedeutet aber mit grol3er \Yahrscheinlichkeit, da13 bereits sehr friih das Muster der aktiven Gene vertindert wird. Die anderen bisher nach Injektion von Ecdyson beschriebenen cytologischen Hffekte, die man mit dem Primiireffekt des Kcdysons in Verbindung gebracht hatte (Vergriifierung von Kern, Nucleolus und Mitochondrien; Anstieg des EiweiB- und I-INS-Gehalts im Plasma 1la]), beginnen einerseits erst sp&ter - wobei allerdings noch zu fragen ist, wieweit hier verschiedene Objekte vcrgleichbar sind - andererseits sind sie vie1 weniger spezifisch als die hier mitgcteilten Versnderungen des Puff-Musters. Deshalb erscheint die Hypothese gerechtfertigt, dalj die primsre Wirkung des Hormons in der Beeinflussung derAktivit5t eines oder mehrerer spezifischer Genloci besteht. Sollte diese Hypothesc zutreffen, so 15ge im Ecdyson zum ersten Ma1 ein definierter Stoff von bekannter physiologischer Wirkung (vgl. [G, ‘71) vor, der eine VerLinderung der Genaktivitst ausliist. uber das Zusammenwirken des Hormons mit dem genetischen Material lassen sich verschiedene Vorstellungen entwickeln, iiber die aber z. Zt. noch keine Entscheidung miiglich ist. Versuche zur weiteren Klgrung des Effektes sowohl hinsichtlich der Hormonwirkung als such hinsichtlich der Genaktivierung sind im Gange. hormone of the prothoracic Summary.-After the injection of “ecdysone”-the glands-into the last instar larvae of Chironomus fenfnns, a new puff in the first chromosome appears, while another one disappears. This effect is produced within two hours. In normal development the changes are characteristic of the metamorphosis. It is postulated that the primary effect of ecdysone is to alter the activity of specific genes. LITERATUR 1. BECKER, H. J., Chromosomn 10, 664 (1959). 2. BEERMANN, W.. Chromosoma 5, 139 (1952). 3. ~in Develo&nental Cytology, p.‘83. b. RUDNICK (ed.) Academic Press, New York, 1959. 4. BREUER, M. E. and PAVAN, C., Chromosoma 7, 371 (1955). 5. BUTENANDT, A. und KARLSON, P., Z. Nnturforsch. 9 b, 389 (1954). 6. KARLSON, P., Vitamins and Hormones 14, 227 (1956). 7. __ in Fourth International Congr. of Biochemistry, Vol. XII, Biochemistry of Insects. London, 1959. 8. MECHELKE, F., Chromosoma 5, 511 (1953). 9. PELLING, C., Nature 184, 655 (1959). 10. PIEPHO, H. und HEIMS, A., Z. Nafurlorsch. 7b, 231 (1952). 11. RUDKIN, G. T. and WOODS, PH. S., Proc. Natl. Acad. Sci. (U.S.) 45, 997 (1959). 12. WIGGLESWORTH, V. B., Symposia Sot. Exptl. Riol. 9, 204 (1957).
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