Induktion von Zellteilungen in isolierten Pericarpzellen von Ligustrum vulgare L.

Induktion von Zellteilungen in isolierten Pericarpzellen von Ligustrum vulgare L.

Biochem. Physiol. Pflanzen 180, 547-550 (1985) Kurze Mitteilung Induktion von Zellteilungen in isolierten Pericarpzellen von Ligustrum vulgare L. R...

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Biochem. Physiol. Pflanzen 180, 547-550 (1985)

Kurze Mitteilung

Induktion von Zellteilungen in isolierten Pericarpzellen von Ligustrum vulgare L. R. BEIDERBECK und R. HOHL Botanisches Institut der Universitat, Heidelberg, BRD

Inductiou of Cell Divisions in Isolated Pericarp Cells of Ligustrum vulgare L. Key Term Index: pericarp cells, cell isolation, fruit cell culture; Ligustrum vulgare

Summary Great numbers of anthocyanin-containing living cells can be isolated mechanically from the pericarp of fruits of Ligustrum vulgare L. 4-6 d after isolation 15-40% of the cells start with cell divisions in different media. Accompanied by a continuous loss of the anthocyanins the cell divisions lead to the formation of calli (up to 5 mm 0) within 6-7 weeks. So the experiment demonstrates the totipotency of anthocyanin-containing fruit cells.

1902 hat HABERLANDT angeregt, den Nachweis fUr die Totipotenz lebender PflanzenzeBen durch In-vitro- Kultur isolierter ZeBen zu fUhren. Fur Mesophyl\zeBen zahlreicher verschiedener Pflanzenspecies ist dieser Nachweis inzwischen erbracht worden (Review KOHLENBACH 1984). Wesentlich weniger gut erschlosscn sind andere QueBen fUr die Gewinnung ausdifferenzierter vollstandiger ZeBen aus intakten Pflanzen und entsprechen de Totipotenzuntersuchungen. So konnten Zellen aus der Calyptra von Lupinus albus L. isoliert (GAUTHERET 1939) und Zellen aus der Calyptra von Zea mays L. zur Teilung veranlaJ3t werden (CAPORALI 1983). Einige Experimentatoren haben parenchymzellen aus dem Fruchtfleisch von Symphoricarpus racemosus MICHX. (BORGER 1926) und Ligustrum vulgare L. (STRASBURGER und KOERNICKE 1923) fUr cytologische und physiologische Untersuchungen isoliert, ohne jedoch Erfolge bei der Kultivierung solcher Zellen zu erzielen. Hier wird nun liber die Isolierung und erfolgreiche Kultivierung anthocyanreicher ParenchymzeBen aus dem Fruchtflcisch von Ligustrum vulgare L. berichtet. Pflanzenmaterial. Fleischige Friichte von 70 verschiedenen Species der Angiospermen wurden in der Zeit von Juli bis Januar im Botanischen Garten und in der Umgebung Heidelbergs gesammelt. Beeren von Ligustrum vulgare L. wurden in der Zeit von Oktober bis Januar bei Temperaturen oberhalb _4°C geerntet. Die Beeren wurden fiir 15-30 min in Leitungswasser mit 0,1-0,2% Tween 20 gewaschen. AnschlieBend erfolgte Sterilisation nach einer der beiden folgenden Methoden: a) SpiiJen mit 70% Ethanol fiir wenige Sekllnden; Inkllbation in 1,5 % NaOCl mit 0,1-0,2% Tween 20 fur 30 min; Spiilen mit 70 % Ethanol; dreimaliges Waschen in sterilem Aq. demo fiir je 10 min.

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b) Inkubation in 70 % Ethanol fur 5 min; dreimaliges Waschen mit sterilem Aq. demo fUr je 10 min. Zellgewinnung. In Vorversuchen wurden die Fruchte zersehnitten und vorsichtig in wenig H2 0 zermtirsert. In allen Versuchen zur Zellkultur wurden Beeren von Ligustrum mit Hilfe von Pinzette und Skalpell zerteilt. Dabei wurden 2 Prozeduren mit ahnlichem Erfolg angewendet: a) 10-15 Beeren wurden in 10 ml Nahrmedium zerteilt, die gewonnene Zellsuspension wurde 1 min bei ca. 120 g zentrifugiert, das Zellsediment in 20-30 ml Medium aufgenommen und in Portionen von 4-5 ml in Petrischalen von 5 em 0 verteilt. Bei dieser Prozedur werden die Zellen von Zellbruch und Homogenisationsflussigkeit befreit; in einem Aliquot der Praparation kann die Zellzahl bestimmt werden. b) 1 Beere wird in 4-5 ml Nahrmedium direkt in der Petrischale zerteilt. Bei dieser Prozedur ist die Kontaminationswahrscheinlichkeit wesentlich geringer als bei der vorher beschriebenen; Parallelansatze ktinnen aber nicht mit identischen Zellzahlen versehen werden. Zellzahl-Bcslimmungen. Die Bestimmung der Zellzahl wurde unter dem Mikroskop mit Hilfe einer Zahlkammer, die Lebendzahlbestimmung an Hand der Akkumulation von Fluoresceindiacetat (WID HOLM 1972) durchgefuhrt. Kultur der isolierten Zellen. Die Kultur der isolierten Zellen erfolgte in dunner Flussigkeitsschicht. Petrisehalen (5 em 0) wurden mit 4-5 ml Zellsuspension (2-5 x l()' . ml- 1 ) versehen, mit NescoFilm verschlossen und bei 27°C im Licht-Dunkel-Wechsel (14: 10) mit 5-50 Lux wahrend der Lichtphase inkubiert. In Abstanden von 3 Wochen wurde das verbrauchte Medium von den Zellen abdekantiert und durch 4-5 ml frisches Medium ersetzt. Verwendet wurden 3 Medien: a) MS I: 4,7 g MS-Fertig-Medium (Flow Laboratories, Meckenheim), 30 g Saccharose, 1 mg Naphthylessigsaure (NES) und 0,06 mg Kinetin pro L Medium (MURASHIGE and SKOOG 1962); b) MS II: 1,6 g MS-Fertig-Medium, 10 g Saccharose, 0,33 mg NES and 0,06 mg Kinetin pro L Medium; c) S 31: modifiziert nach ALBINGER (1983), in mg pro L: KNO. 2500; MgSO.· 7 H2 0 500; (NH,)H2 PO. 350; NH.Cl365; CaCl.· 2 H2 0 40; FeSO.· 7 H 2 0 27,3; MnSO.· H 2 0 25; ZnSO.· 7 H2 0 10; HaBOs 10; Na2 MoO•. 2 H2 0 0,25; CuSO, . 5 H2 0 0,01; CoCI 2 • 6 H 2 0 0,01; AICI 3 • 6 H 2 0 0,01; NiC12 • 6 H2 0 0,01; KJ 0,01; Saccharose 34000; m-Inosit 200; Nicotinsaure 1; Pyridoxin 1; Thiamin· HCI 5; Folsaure 0,5; Ca-Pantothenat 0,2; Biotin 0,1; Vito B 12 0,01; p-Aminobenzoesaure 0,02; Riboflavin 0,02; Cholinchlorid 0,2; Na2 EDTA 50,6; Oxalsaure 125; Glutamin 300; Glycin 2; NES 3; Benzylaminopurin 1; pH = 5,6-5,8.

Fleischige Friichte von Arten der Gattungen Berberis, Callicarpa, Cotoneaster, !lex, Ligustrum, Polygonatum, Pyracantha und Symphoricarpus liefern bei vorsichtiger Homogenisation in groBer Menge Einzelzellen, die fUr Zellkulturexperimente verwendet werden konnen. Zellen aus den Beeren von Ligustrum wurden hier genauer auf ihre Lebensund Teilungsfahigkeit in vitro untersucht. 15 Beeren von Ligustrum wiegen ca. 3,3 g und lief ern nach Entfernen der auBeren Schale und der Samen 0,75-1,0 g lockeres Pericarpgewebe, aus dem ca. 1,5-3 x 106 Zellen freigesetzt werden konnen. 1 Beere liefert somit ca. 1-2 x 105 Zellen. Die in Wasser oder Medium isolierten Zellen sind z. T. ungefarbt, z. T. besitzen sie eine groBe, durch Anthocyane dunkelrot-violett gefarbte, Zentralvakuole. Nahezu aIle Zellen tragen kleine Chloroplasten. Die anthocyanreichen Zellen sind durchweg turgeszent, die ungefarbten Zellen haben haufig den Turgor verloren. Sie sind vermutlich nach Semipermeabilitatsverlust im Zuge der Zellisolierung aus anthozyanreichen Zellen entstanden. Lebendzahlbestimmung mit Fluoresceindiacetat unmittelbar nach der Zellgewinnung

Induktion von Zellteilungen in isolierten Pericarpzellen

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Tabelle 1. Verhalten isolialer Zellen aus delll Pericarp WI! Ligustrum t'ulgarein t-erschiedenen Medien. Dargestellt sind Ergebnisse aus 4 reprasentativen Experimenten Zellen (%) Medium

Zeit [d]

tot

turgeszent ungeteilt

geteilt

MSI MS II MS II S 31

14 14 15 14

30,9 28,1 42,2 55,5

34,5 37,9 15,6 21,5

34,5 37,9 42,2 23,0

zeigt, daB - je nach Experiment - 35-75 % der isolierten Zellen die Isolierungsprozedur iiberlebt haben. Die meisten dieser lebenden Zellen enthalten Anthocyane. Ein groBer Teil der isolierten Zellen heftet sich unmittelbar nach der Isolierung an die GefaBwand (Petrischale) an und bleibt dort wahrend der nachsten Tage und W ochen haften. Die meisten Zellen, die die Isolierungsprozedur iiberlebt haben, leben auch nach 2 Wochen noch (44,5-75,8%, vgl. Tab. 1), ein groBer Teil dieser Zellen ist zur Zellteilung iibergegangen (Tab. 1). Genauere Analyse des Teilungsverhaltens zeigt: In den verwendeten Medien beginnen die anthozyanhaltigen Zellen nach 4-6 d mit der ersten Teilung. Der Anteil der teilenden Zellen nimmt in der folgenden Zeit zu. So war in einem Experiment nach 5 d in 9 % der Zellen Teilung eingetreten, nach 15 d in 42 % der Zellcn. Haufig sind nach 13-15 d aus einzelnen Pericarpzellen kleine Kolonien von 6-8 Zellen hervorgegangen. Bci den Teilungen wird das in der frisch isolierten Zelle vorhandene Anthocyan auf die Tochterzellen verteilt, so daB die Kolonie mit zunehmender Zellzahl immer blasser gefarbt wird. In 25-35 d hat ein Teil der Kolonien - vor allem auf dem Medium S31 - eine GroBe von 20-50 Zellen errcicht, nach 6-7 Wochen sind in der Zellsuspension Aggregate von maximal 5 mm 0 nachzuweisen. Diese Aggregate lassen kein Anthocyan mchr erkcnnen. Sie ki:.innen im Medium S31 in Schiittelkultur iiberfiihrt werden. Damit ist gezcigt, daB auch die Zellen eines zur Seneszenz bestimmten Pericarps in vitro zur Anderung ihrer Potenzexpression und zugleich zur Zellteilung veranlaBt werden konnen, so wie es fiir Mesophyllzellen zuvor mehrfach demonstriert werden konnte. Die verwendeten Ligustrum- Friichte stehen in Mitteleuropa in den Monaten September bis J anuar in groBen Mengen zur Verfiigung. Einzelzellen eines einheitlichen Differenzierungszustands sind daraus ohne Miihe und in groBer Zahl zu gewinnen und stellen ein sehr brauchbares Ausgangsmaterial fiir Zellkultnrexperimente dar. Literatur G.: In-vitro-Kultur von Asparagus plumosus, ausgehend von isolierten Mesophyllzellen. Dissertation, Heidelberg 1983.

ALBINGER,

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Riochem. PhysioJ. Pllanzen, Rd. 180

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R. BEIDERBECK und R. HOHL, Induktion von Zellteilungen in isolierten Pericarpzellen

BOHGER, H.: tiber die Kultur von isolierten Zellen und Gewebefragmenten. Arch. f. expo Zellforsch. 2,

122-190 (1926). CAPORALI, L.: Cytological study of cultured cells from maize root cap. Plant Sci. Lett. 31, 231-236

(1983). GAUTHERET, R. J.: Nouvelles experiences sur la croissance de cellules isolees de coiffe de Lupinus albus. C. R. Soc. BioI. Paris, 132,351-352 (1939). HABERLANDT, G.: Culturversuche mit isolierten Pflanzenzellen. Sitzungsber. Mat. Nat. KI. Kais. Akad. Wiss. Wien 111, 69-92 (1902). KOHLENBACIl, H. W.: Culture of isolated mesophyll cells. In: I. K. VASIL (Ed.): Cell culture and somatic cell genetics of plants. Vol. I, 204-212, New York 1984. MURASHIGE, T., and SKOOG, F.: A revised medium for rapid growth and bioassays with tobacco tissue cultures. Physiol. Plant. 15, 473-497 (1962). STRASBURGER, E., und KOEHNICKE, M.: Das Botanische Praktikum. 7. Aufl., p. 145. Jena 1923. WIDIIOLM, J. M.: The use of fluoresceine diacetate and phenosafranine for determining the viability of cultured plant cells. Stain Techn. 47, 189-194 (1972).

Eingegangen am 1. Marz 1985; akzeptiert am 15. Marz 1985 Anschrift der Verfasser: Prof. Dr. R. BEIDEHBECK und Dr. R. HOHL, Botanisches Institut der Universitat, 1m Neuenheimer Feld 360, D - 6900 Heidelberg.