Beitr. Path. Bd. 148,242-254 (1973)
Institut fur Pathologie (Direktor: Prof. Dr. L.-CL. SCHULZ) Abteilung fur Immunpathologie (Leiter: Prof. Dr. G. TRAUTWEIN) der Tierarztlichen Hochschule Hannover
Lysosomale Enzyme in der Niere des Hundes bei chronischer interstitieller Nephritis und Tubulonephrose Lysosomal Enzymes in the Kidney of Dogs with Chronic Interstitial Nephritis and Tubular Nephrosis PETER SCHNEIDER
Mit 12 Abbildungen . Eingegangen am 27. September 1972 . Angenommen am 2. November 1972
Abstract Introduction: Lysosomal enzymes have frequently been demonstrated in the kidneys of small laboratory animals by histochemical methods. Such methods, however, were rarely applied to canine kidneys. The present paper reports some histochemical investigations on the localization and discharge of lysosomal enzymes in canine kidneys with special regard to chronic interstitial nephritis. Material and Methods: The enzyme-histochemical study is based on fresh kidney samples from 50 dogs. Enzymes studied were acid phosphatase, ~-glucuronidase and N-acetyl-~-glucosaminidase. Cryostat sections of kidneys prefixed in formol-calcium chloride as well as unfixed and freeze-dried cryostat sections according to WINCKLER (197oa, b, c) were used. Results: Normal, nephritic and nephrotic canine kidneys were examined with regard to enzyme localization and activity. In cases of chronic interstitial nephritis an enlargement of lysosomes in tubular epithelial cells was observed in areas of peritubular fibrosis. The lysosomal structures may coalesce to large irregular masses in the course of the nephritis. In predominantly degenerative lesions of the tubular epithelium the lysosomes undergo similar changes. Furthermore, a decrease of enzyme activities and defecation of lysosomal structures were demonstrated. In these cases extracellular enzymatic reaction products were found in the lumina of renal tubules and vessels. Discussion: On the basis of these findings it appears that after the intratubular liberation of lysosomal enzymes a reabsorption into the peritubular veins of the renal medulla may be possible. The normal and diseased canine kidney could be a suitable model for studies on lysosomes.
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Lysosomen haben seit ihrer Entdeckung und Erstbeschreibung durch DEDuVE et aI. (1955) groBes Interesse gefunden. Als wesentliche Untersuchungsobjekte dienten unter anderem hierbei, auch auf histochemischem Sektor, die Nieren kleinerVersuchstiere (u.a. NOVIKOFF, 1959; WACHSTEIN et aI., 1962; HRUBAN et aI., 1963; ERICSSON and TRUMP, 1964; FISHER, 1964; MILLER and PALADE, 1964; MORRISON and PANNER, 1964; STRAUS, 1964; MONSERRAT et aI., 1969; DEIMLING, 1970; CAIN and KRAUS, 1972; DE VOS et aI., 1972; PRIEUR et aI., 1972; PUGH, 1972). Der histochemische Nachweis lysosomaler Enzyme in der Hundeniere erfolgte jedoch, soweit dies aus dem Schrifttum zu ersehen ist, nur gelegentlich. So beschreibt GassNER (1958) in einer vergleichenden Histotopik an den Nieren verschiedener Vertebratenspecies die Lokalisation und Verteilung der sauren Phosphatase in der Niere des Hundes. Hunde neigen aufgrund bestimmter physiologischer Besonderheiten zu Nephropathien, vor aHem zu interstitiellen Nephritiden (GARTNER, 1960; FREUDIGER, 1968). Atiologie und Pathogenese der Nierenerkrankungen des Hundes sind bislang von verschiedenen Autoren abgehandelt worden (MONLUX, 1953; DAHME, 1955; OBEL et aI., 1964; KELLY, 1967; FREUDIGER, 1968). Aufgrund der SondersteHung der Nephritiden bei Hunden (GARTNER, 1960) schien es uns interessant, das Verhalten lysosomaler Enzyme in der Hundeniere zu uberprUfen. In der vorliegenden Arbeit sollen daher Lokalisation und Freisetzung der sauren Phosphatase, der ~-Glucuronidase sowie der N-Acetyl-~-Glucosaminidase unter besonderer Berucksichtigung der chronischen interstitieHen Nephritis beschrieben werden.
Material und Methode Enzymhistochemisch wurden die Nieren von 50 Hunden untersucht. Diese Tiere wurden wegen klinisch manifester HerzinsufJizienz, anderen schweren Erkrankungen oder hohen Alters getotet. * Das Alter der Hunde lag zwischen 3 Monaten und 15 Jahren. 35 (70% ) der 50 Hunde waren Uber 9 Jahre alt. Untersucht wurden Hunde beiderlei G eschlechts und verschiedencr Rassen. Die Entnahme der Nieren erfolgte unmittelbar nach vorausgegangener tiefer Narkose und anschlieBender Euthanasie (SCHNEIDER et aI., 197 1,197 2 ). Sofort nach Einfrieren von Nierenproben in CO 2 wurden IO fL dicke Kryostatschnitte hergestellt und in folgender Weise inkubiert: saure Phosphatase nach BARKA (1960): Inkubationszeit 30 Min.; ~-Glucuronidase nach HAYASHI et al. (1964): Inkubationszeit 45 Min.; N-Acetyl-~-Glucosaminidase nach HAYASHI (1965): Inkubationszeit 45 Min. In einigen Fallen unterlagen die Schnitte verschiedenen Inkubationszeiten (zo, 30, 45, 60,
* Herrn Dr. U. KERSTEN, Klinikfiir kleine Haustiere (Direktor: Prof. Dr. W. BRASS), danken wir fUr die Oberlassung der Hunde und fUr die DurchfUhrung der klinischen Untersuchungen.
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Abb. 1. Darstellung der Lysosomen in den Hauptstiickepithelien einer normalen Niere. Gefriergetrockneter Kryostatschnitt, saure Phosphatase, Hamalaun-Kerngegenfarbung. Vergr·3 12X . Fig. I. Lysosomes in epithelial cells of convoluted tubules of normal kidney. Freezedried cryostat section; acid phosphatase, hematoxylin counterstain. X 3 I 2.
Lysosomale Enzyme in der Niere des Hundes . 245 Abb. 2. Darstellung der Lysosomen in den Hauptstuckepithelien einer normalen Niere. Vorfixierung, Kryostatschnitt, N-Acetyl-~-Glucosaminidase. Vergr. 500 X . Fig. 2. Lysosomes in epithelial cells of convoluted tubules of normal kidney. Prefixed, cryostat section; N-acetyl-~-glucosaminidase. X 500. Abb. 3. Chronisch interstitielle Nephritis. Grobgranulares Reaktionsprodukt der sauren Phosphatase in einem Tubulus mit peritubularer Fibrose. Dilatierter Tubulus negativ. Gefriergetrockneter Kryostatschnitt, Hamalaun-Kerngegenfarbung. Vergr. 800 X. Fig. 3. Chronic interstitial nephritis. Coarse, granular reaction product of acid phosphatase in a tubule with peritubular fibrosis. The dilated tubule appears negative. Freeze-dried cryostat section; hematoxylin counterstain. X 800. Abb. 4. Chronisch interstitielle Nephritis. Irregulares grobgranulares Reaktionsprodukt der sauren Phosphatase. Verlagerung der Lysosomen in Richtung Tubuluslumen. Vereinzelt kleinere isoliert gelegene Lysosomen. Vorfixierung, Kryostatschnitt, HamalaunKerngegenfarbung. Vergr. 500 x. Fig. 4. Chronic interstitial nephritis. Irregular granular reaction product of acid phosphatase. Note displacement of lysosomes towards the lumen and single, smaller and isolated lysosomes. Prefixed cryostat section; hematoxylin counterstain. X 500.
90,120 und 180 Min.). Dies diente zur Ermittlung geeigneter Inkubationszeiten sowie zur Erganzung bei geringen Reaktionen nach kurzer Inkubation. AuBerdem wurden in der Mehrzahl der Falle Nierenproben bei 4°C 24 Std. in Bakers Formol-Calcium-Losung fixiert und bis zur Inkubation in 3o%iger Sucroselosung aufbewahrt. Auch hier fanden zur Inkubation 10[L dicke Kryostatschnitte Verwendung. Zur Kontrolle wurden die Inkubationen ohne das entsprechende Substrat durchgefuhrt. 1m ubrigen verfuhren wir nach fruher publizierten Angaben (SCHNEIDER et a!., 1972). Von 6 Hundenieren wurden zusatzlich gefriergetrocknete Kryostatschnitte verwendet und enzymhistochemisch untersucht. Hierbei folgten wir im wesentlichen der Methodik von WINCKLER (1970a, b, c). Abweichend von WINCKLER (l97ob) wurden die Nierenproben nicht in Stickstoff-Propan, sondern in durch Stickstoff gekuhltes Isopentan eingefroren. Statt des von WINCKLER (1970a) empfohlenen Messingkastchens verwandten wir als Schnittbehalter Mikroprobenkapseln (Fa. G. Winkler, Berlin) aus NR-Stahlblech mit Durchbohrungen an den Ober- und Unterseiten (Durchmesser der Kapseln: 37 mm; Tiefe: 8 mm). Vor Verwendung der Kapseln wurde deren Unterseite mit Aluminiumfolie ausgelegt. Als Gefriertrocknungsanlage diente uns gleichfalls das von WINCKLER angegebene Gerat: Speedivac-Pearse-Tissue-Dryer Model I. Weiterhin wurden von allen frisch eingefrorenen und vorfixierten Nierenproben Kryostatschnitte fur die Hamalaun-Eosin-Farbung hergestellt. Zudem wurde das bereits definierte Untersuchungsgut der Paraffinhistologie unterworfen.
Ergebnisse Unter den 50 untersuchten Hunden wiesen die Nieren von 7 Tieren vorwiegend degenerative Veranderungen (trube Schwellung und vakuolige Degeneration, z. T. kombiniert mit hyalintropfiger EiweiBspeicherung) auf, die in einzelnen Fallen von herdformigen lymphoplasmazellularen Infiltraten begleitet waren. Die Nieren von 16 Hunden zeigten subakute bis chroni17
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Abb. 5. Chronisch interstitielle Nephritis. MaBig dilatierte Tubuli mit apikal der Zellen gelegenem saurem phosphatasepositivem Reaktionsprodukt. Gefriergetrockneter Kryostatschnitt, Hamalaun-Kerngegenfarbung . Vergr. 125 X . Fig . 5. Chronic interstitial nephritis, acid phosphatase reaction. The tubules are moderately dilated and the reaction produ ct is concentrated at the apex of tubular cells. Freezedried cryostat section; hematoxylin counterstain. X 125.
Lysosomale Enzyme in der Niere des Hundes . 247 Abb. 6. Chronisch interstitielle Nephritis fibrovesiculosa. Mal3ig dilatierter Tubulus mit apikal der Zellen gelegenem Reaktionsprodukt der sauren Phosphatase. Hochgradig dilatierter Tubulus zeigt keinerlei Reaktion. Gefriergetrockneter Kryostatschnitt, Hamalaun-Kerngegenfarbung. Vergr. 500 x. Fig. 6. Chronic interstitial fibrovesicular nephritis. Moderately dilated tubule with apical reaction product of acid phosphatase. A severely dilated tubule appears negative. Freezedried cryostat section; hematoxylin counterstain. X 500. Abb. 7. Nephrose. Die Lysosomen der Tubulusepithelzellen rucken aneinander und bilden Konglomerate. Vorfixierung, Kryostatschnitt, saure Phosphatase, Hamalaun-Kerngegenfarbung. Vergr. 500 X. Fig. 7. Nephrosis. Note aggregates of lysosomes in tubular epithelial cells. Prefixed cryostat section; acid phosphatase; hematoxylin counterstain. X 500. Abb. 8. Nephrose. Extrusion grobgranularer Lysosomen in das Tubuluslumen. Die ubrigen Tubulusabschnitte zeigen keine Granula mehr. Vorfixierung, Kryostatschnitt, saure Phosphatase, Hamalaun-Kerngegenfarbung. Vergr. 200 x. Fig. 8. Nephrosis. Extrusion of coarsely granular lysosomes into the tubular lumen. Other tubular epithelia are devoid of granules. Prefixed cryostat section; acid phosphatase, hematoxylin counterstain. X 200.
sche interstitieHe Nephritiden. Bei 5 dieser Hunde fand sich eine chronische interstitieHe Nephritis fibrovesiculosa. Die restlichen 22 Nieren erwiesen sich bei der histologischen Untersuchung als unverandert. Die morphologisch-histologischen Befunde an den Nieren sowie die Beobachtung der Zunahme von Haufigkeit und Schweregrad der interstitieHen Nephritis des Hundes im Laufe des Alterns entsprechen den Ergebnissen fruherer Arbeiten (MONLUX, 1953; DAHME, 1955; KELLY, 1967; FREUDIGER, 1968). Die in dieser Hinsicht gewonnenen Resultate soHen daher nicht naher beschrieben werden.
Lokalisation lysosomaler Enzyme in der normal en Niere 1m Prinzip weisen saute Phosphatase, ~-Glucuronidase und N-Acetyl-~ Glucosaminidase in der normalen Niere gleiche Lokalisation und Verteilung auf. Enzympositive Granula (Lysosomen) dominieren in Zahl und GroBe in den Tubulusepithelzellen des Hauptstuckes. Sie erscheinen fein- bis grobgranular und liegen haufig basal der Zellen (Abb. I, 2). 1m Uberleitungsstuck sind kaum Lysosomen nachzuweisen. Die Tubuluszellen des Mittelstuckes zeigen weniger und kleinere Lysosomen gegenuber denen der Zellen des Hauptstuckes. Die intrazellulare Verteilung der Granula ist irregular. Der Gehalt an Lysosomen in den Sammelrohren im Bereich der Nierenrinde ist wechselnd, jedoch im allgemeinen gering. Das Tubulussystem des Nierenmarkes zeigt in Ubereinstimmung mit GassNER (1958) keine oder allenfalls geringe Enzymaktivitaten.
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Beim Nachweis der ~-Glucuronidase sind bfters in einigen Nephronabschnitten der Nierenrinde lediglich diffus und nur schwach darstellbare "cytoplasmatische" Aktivitaten zu finden.
Das Verhalten lysosomaler Enzyme in der veranderten Niere Gegeniiber der normalen Niere wei sen die untersuchten Enzyme bei der chronis chen interstitiellen Nephritis sowie bei Tubulonephrosen histotopochemisch - bis auf noch zu nennende Ausnahmen - keine wesentlichen Unterschiede auf. In Fallen ausgepragter histologischer Alterationen kommt es jedoch zur starken Abnahme der Aktivitaten der ~-Glucuronidase sowie der N-Acetyl-~-Glucosaminidase. Dies zeigt sich in gleicher Weise an unfixierten, fixierten und gefriergetrockneten Kryostatschnitten. Die Abnahme enzympositiver granularer Strukturen ist meist mit dem Auftreten eines diffusen intrazellularen Reaktionsproduktes korreliert. Ein vblliger Verlust intrazellularer Aktivitaten der nachgewiesenen Glycosidasen erfolgt haufig in den Fallen der interstitiellen Nephritis fibrovesiculosa. Die saure Phosphatase erscheint demgegeniiber in stets starker Aktivitat. Haufig kommt es auch hier neben lysosomaler Darstellung zur diffusen cytoplasmatischen Anfarbung. 1m Verlauf der chronischen interstitiellen Nephritis lassen sich am Beispiel der sauren Phosphatase charakteristische Veranderungen an lysosomalen Strukturen erkennen. In Tubulusepithelzellen zeigt die saure Phosphatase im Bereich hochgradiger peritubularer Fibrosen starke, zuweilen exzessive Reaktionen. Dies ist der Fall, sofern keine oder noch keine Tubulusdilatationen vorliegen. Die Lysosomen sind vorwiegend grobgranular, meist rund, z. T. irregular geformt und sehr groB (Abb. 3). Haufig kann beobachtet werden, daB soIehe lysosomalen Strukturen zu groBen irregularen Massen konfluieren und vorwiegend dem Tubuluslumen benachbart sind (Abb. 4). In gering bis maBig dilatierten Tubuli bilden die lysosomalen Granula stets einen dem Lumen zugewandten Saum (Abb. 5, 6). In stark erweiterten Tubuli sind keine Enzymaktivitaten nachweisbar (Abb. 6). 1m FaIle schwerer tubularer Degeneration, meist verbunden mit Vakuolisierung und hyalintropfigen Einlagerungen, kommt es zum Verlust regular verteiler Lysosomen. Die enzympositiven Granula riicken zueinander, bilden sodann Konglomerate und kbnnen mitunter konfluieren (Abb. 7). Zahlreiche Tubulusabschnitte zeigen keinerlei Enzymaktivitaten oder nur geringe cytoplasmatische Anfarbbarkeit des Reaktionsproduktes. In anderen Tubulusbezirken kann eine Extrusion lysosomaler Strukturen in das Tubuluslumen beobachtet werden (Abb. 8). 1m FaIle der chronis chen interstitiellen Nephritis fibrovesiculosa wird haufig im Lumen stark dilatierter Tubuli extrazellulares homogenes Reak-
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tionsprodukt alIer nachgewiesenen lysosomalen Enzyme gefunden (Abb. 9, 10). Insbesondere bei den chronis chen interstitielIen Nephritiden, aber auch bei vorwiegend degenerativen Nierenlasionen findet sich oft homogenes extrazelIulares enzympositives Reaktionsprodukt in den Venulae medullaris rectae (Abb. II) und moglicherweise in LymphgefaBen des Nierenmarkes sowie des Stratum subcorticale. Gegenuber den Befunden an der histologisch normalen Niere zeigen die Zellen des distalen Sammelrohrsystems bei der interstitiellen Nephritis vermehrt Lysosomen. In einem Fall einer hochgradigen Nephritis fibrovesiculosa lassen sich in den Epithelzellen der Ductus papillares massenhaft feinbis grobgranulare rundliche Lysosomen nachweisen (Abb. 12).
Diskussion Der Nachweis einer "in vivo" erfolgten Freisetzung lysosomaler Enzyme ist schwierig. Die Membranen pathologisch vergroBerter Lysosomen sind sehr fragil, so daB die Enzyme wahrend verschiedener Praparationen des Gewebes freigesetzt werden konnen (STRAUS, 1967). Es ist auBerdem bekannt, daB besonders die ~-Glucuronidase diffusionsfahige Fraktionen besitzt (ROSENBAUM, 1964). Das verstarkte Auftreten "cytoplasmatischer" Aktivitaten der Enzyme in histologisch veranderten Nieren sowie die gleichzeitige Bildung groBer Lysosomen spricht fur die gesteigerte Fragilitat lysosomaler Membranen. Dabei zeigen die untersuchten Glycosidasen groBes, die saure Phosphatase ein nur geringes Diffusionsvermogen. Urn das AusmaB lysosomaler Fragilitat zu erkennen, wurden vergleichend unfixierte, fixierte und gefriergetrocknete Kryostatschnitte inkubiert. Dabei verhielten sich die nachgewiesenen Enzyme im Prinzip gleich. Lediglich die Darstellung war von unterschiedlicher Qualitat. ErwartungsgemaB erschien die Diffusion an unfixierten Schnitten am starksten. Der histochemische Nachweis lysosomaler Enzyme gelingt am gefriergetrockneten Kryostatschnitt besser als am konventionell behandelten Priiparat (WINCKLER, 1970C). Auch in den eigenen Untersuchungen ergab die Darstellung lysosomaler Enzyme am gefriergetrockneten Schnitt Lokalisationstreue und Brillanz. Der Nachweis extrazellularen Reaktionsproduktes der lysosomalen Enzyme in Tubuluslumina und GefaBlichtungen wirft die Frage nach dessen Herkunft auf. Die Freisetzung der Fermente konnte durch gesteigerte Fragilitat und Ruptur pathologisch vergroBerter Lysosomen entstanden sein (DINGLE, 1969; DEDuVE, 1970). Fur die histologisch alterierte Hundeniere kann dies zutreffen. Aus den zuvor dargelegten Grunden ist das jedoch mit der angewandten Methodik nicht zu beweisen. Ais weiteres ist die Defakation lysosomaler Strukturen "en bloc" in Betracht zu ziehen (DAEMS et aI.,
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Abb. 9. Chronisch interstitielle Nephritis fibrovesiculosa. Homogenes, z. T. granuhires, Reaktionsprodukt der N-Acetyl-~-Glucosaminidase in einem dilatierten Tubulus. Vorfixierung, Kryostatschnitt, Hamalaun-Kerngegenfarbung. Vergr. 200 X . Fig. 9. Chronic interstitial fibrovesicular nephritis. Homogeneous partly granular reaction product of N-acetyl-~-glucosaminidase in a dilated tubule. Prefixed cryostat section; hematoxylin counterstain. X 200.
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Abb. 10. Chronisch interstitielle Nephritis fibrovesiculosa. Homogenes ~-Glucuronidase positives Reaktionsprodukt in stark dilatierten Tubuli. Gefriergetrockneter Kryostatschnitt, Hamalaun-Kerngegenfarbung. Vergr. 500 x. Fig. 10. Chronic interstitial fibrovesicular nephritis. Homogeneous reaction product of ~-glucuronidase in dilated tubules. Freeze-dried cryostat section; hematoxylin counterstain. X 500. Abb. 1 I. ~-Glucuronidase-positives Reaktionsprodukt in einem GefaB des Markes einer nephrotischen Niere. Die benachbarten Tubuli zeigen keine Reaktion. Kryostatschnitt, unfixiert, Hamalaun-Kerngegenfarbung. Vergr. 500 X. Fig. 11. Demonstration of ~-glucuronidase positive reaction product in a vessel of the medulla of a nephrotic kidney. Adjacent tubules are negative. Unfixed cryostat section; hematoxylin counterstain. X 500. Abb. 12. Chronisch interstitielle Nephritis fibrovesiculosa. Massenhaft Lysosomen in den Epithelzellen eines Ductus papillaris. Gefriergetrockneter Kryostatschnitt, saure Phosphatase, Hamalaun-Kerngegenfarbung. Vergr. 640 x. Fig. 12. Chronic interstitial fibrovesicular nephritis. Lysosomes in the epithelial cells of a papillary duct. Freeze-dried cryostat section; acid phosphatase, hematoxylin counterstain. X 640.
1969; DEDuVE, 1970). Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, daG dieser Mechanismus fiir die geschadigten Tubuluszellen bei degenerativen Veranderungen und chronischer interstitieller Entziindung zutrifft. So kommt es zunachst bei der fibrosierenden interstitiellen Nephritis zur erheblichen VergroGerung der Lysosomen. Diese haben vorerst eine in der Regel rundliche Gestalt und entsprechen damit dem Bild der Phagolysosomen (STRAUS, 1967). Hauptaufgabe der Nierenlysosomen ist die Proteinriickresorption, wie bereits in zahlreichen Studien der letzten Jahre festgestellt wurde (Literatur bei MAUNSBACH, 1969). Bei der chronischen interstitiellen Nephritis des Hundes werden haufig durch Fibrosierung und Dilatation sekundar die Bowmanschen Kapseln und die Glomerula geschadigt. Demzufolge enthalt das glomerulare Ultrafiltrat meist vermehrt Albumin. Durch die Fibrosen entstehen Blockaden zahlreicher Nephrone. Eine gesteigerte Riickresorption der Proteine und damit die Entstehung groGer Phagoslysosomen sind die Folgen. Ausdruck dieser gesteigerten resorptiven Tatigkeit ist auch das Auftreten zahlreicher Lysosomen im distalen Sammelrohrsystem, wie dies gleichfalls OBEL et al. (1964) bei der Glomerulonephritis des Hundes beobachteten. Durch Fibrosierung und narbige Retraktion werden im Verlauf der chronischen interstitiellen Nephritis erhebliche Zirkulationsstorungen und Stenosen der Tubuli verursacht. Mangelhafte Blutversorgung und mechanische Einwirkung durch Harnstauung fiihren zu degenerativen Zellschaden der lubulusepithelien. Hierbei laGt sich beobachten, daG die Lysosomen zu irregularen Strukturen konfluieren und vorwiegend im apikalen
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Bereich der lubuluszellen liegen. In einigen Fallen histologisch veranderter Nieren scheinen sich Lysosomen degenerierender lubuluszellen 10szulOsen, um in das Lumen ausgestoBen zu werden. Das gleiche Verhalten lysosomaler Organellen in den Zellen proximaler Tubuli der Rattenniere beschreibt STRAUS (1964) nach intravenoser Applikation groBer Dosen Peroxidase und NOVIKOFF (1959) nach experimenteller Hydronephrose durch Ureterligation. Das zuvor beschriebene Verhalten der Lysosomen deutet STRAUS (1964 und 1967) als Extrusion sog. "composite bodies" in das Tubuluslumen. Von diesen "composite bodies" wird angenommen, daB sie aus der Fusion von Phagolysomen und Zellfragmenten entstanden sind (STRAUS, 1964 und 1967). Sie entsprechen damit den bekannten Bezeichnungen wie "focal cytoplasmic degradation" (HRUBAN et aI., 1963), "autophagic vacuoles" (DE DuvE, 1963) oder "cytosegresomes" (ERICSSON and lRUMP, 1964). Bei zahlreichen Erkrankungen, insbesondere bei Erkrankungen der Niere und ableitenden Harnwege kommt es zu einer Enzymurie. Dies gilt fUr den Menschen und soweit bekannt, fUr einige Versuchstiere einschlieBlich den Hund (MATTENHEIMER, 1971). Die Herkunft der Enzyme im U rin ist bislang noch ungenugend geklart (MATTENHEIMER, 1971; MIYAO etaI., 1972). Dies fuhrt in der klinischen Enzymologie zu unsicheren Differentialdiagnosen (MATTENHEIMER, 1971). Unsere Ergebnisse zeigen, daB infolge der Exozytose lysosomaler Strukturen in die lubuluslumina extrazellulares Reaktionsprodukt nachgewiesen werden kann. Demnach durfte es auf diesem Wege zur Ausscheidung der Enzyme durch den Urin kommen. Am Beispiel der Nierenerkrankungen des Hundes wird somit dargelegt, daB mit histochemischer Methodik ein Beitrag zur Klarung der renalen Herkunft freigesetzter lysosomaler Enzyme geleistet werden kann. MONSERRAT et aI. (1969) wiesen bei der experimentellen osmotischen Nephrose an Ratten histochemisch eine Abnahme der sauren Phosphatase in lubulusepithelien nacho Gleichzeitig stieg der Spiegel des Enzyms im Urin und Serum. Die Autoren diskutieren, ob der angehobene Enzymspiegel im Urin das Ergebnis der direkten Passage des Enzyms in das lubuluslumen ist. Weiterhin wird die Frage aufgeworfen, ob in gewissem Umfang eine Reabsorption der sauren Phosphatase in die peritubularen Kapillaren moglich ist. Der histochemische Nachweis intravasalen enzymatischen Reaktionsproduktes in der Hundeniere scheint diesen Mechanismus zu bestatigen. Unter physiologischen Verhaltnissen erfahrt das Blut in den GefaBen des Nierenmarkes, bedingt durch die osmotischen Gradienten, eine Viskositatszunahme (DEETJEN, 1970). Nach GARTNER (1960) neigen Hunde zu chronischen DurchblutungsstOrungen der Nieren. Dies solI Hunde besonders fUr Nephropathien, insbesondere fur interstitielle Nephritiden pradisponieren. Die von GARTNER beschriebenen Oligamien tragen zur geringen Durch-
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stromung des Nierenmarkes bei. Wir nehmen an, daB intravasale Vis kositatszunahme im Bereich noch intakter Nephron-GefaBabschnitte, Minderdurchstromung und Stase durch stenosierende Bindegewebszubildungen den histochemischen Nachweis intravasaler extrazellularer Enzymaktivitaten moglich machen. Aufgrund der Ergebnisse glauben wir, daB die Niere des Hundes ein geeignetes Modell zukiinftiger Untersuchungen im Bereich der Enzymdefekte und der Lysosomenforschung sein kann.
Zusammenfassung Die Nieren von 50 Hunden wurden enzymhistochemisch untersucht. Dabei wurde das Verhalten der sauren Phosphatase, der ~-Glucuronidase und der N-Acetyl-~-Glucos aminidase iiberpriift. Es erfolgte die Unterscheidung der enzymatischen Lokalisation und Aktivitat an histologisch normalen, nephritischen und nephrotischen Nieren. In den Fallen chronischer interstitieller Nephritis wird zunachst in Bezirken peritubularer Fibrosen eine starke VergroBerung der Lysosomen in Tubulusepithelzellen beobachtet. 1m weiteren Verlauf der Nephritis konl'luieren die lysosomalen Strukturen zu groBen irregularen Massen. Ein ahnliches Verhalten zeigen die Lysosomen in Tubuiusepithelzellen bei vorwiegend degenerativen Veranderungen. Durch die Abnahme der Enzymaktivitaten und die offensichtliche Defakation lysosomaler Strukturen wird dargelegt, daB es bei Nephropathien des Hundes zur erheblichen Freisetzung lysosomaler Enzyme kommt. Durch den Nachweis extrazellularen Reaktionsproduktes lysosomaler Enzyme in dilatierten und stenosierten Tubuli sowie in den ableitenden GefaBen des Nierenmarkes wird gefolgert, daB nach der intratubularen Freisetzung der Enzyme eine Reabsorption in die peritubularen GefaBe moglich ist. Aufgrund der Ergebnisse scheint die Annahme berechtigt, daB die Niere des Hundes ein geeignetes Modell zukiinftiger Untersuchungen im Bereich der Lysosomenforschung sein kann.
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