Physica 80B (1975) 3 3 - 4 7 © North-Holland Publishing Company
MAGNETISCHE EIGENSCHAFTEN ENTMISCHTER Fe-Cr-LEGIERUNGEN MAGNETIC PROPERTIES OF DECOMPOSED Fe-Cr ALLOYS J. HESSE und A. RUBARTSCH
lnstitut A fffr Physik, Abteilung fur Angewandte Kernund Neutronenphysik, Technische UniversitYt, D 33 Braunschweig, Germany Wir ermitteln die Verteilung yon Hyperfeinfeldern aus iiberlagerten, nichtaufgel6sten M6ssbauerspektren. Aus der beobachteten kontinuierlichen Zunahme der Wahrscheinlichkeit fiir das Hyperfeinfeld null mit steigender Temperatur gewinnen wir Verteilungen magnetischer Ordnungstemperaturen. Insbesondere fiir das System Feo,/9 Cr0,71 kiSnnen nach verschiedenen Wgrmebehandlungen zwei magnetisch unterschiedliche Phasen ermittelt werden. Die mittleren Ordnungstemperaturen und die entsprechenden Konzentrationen sind TN = (200 + 21) K, eFe = 0,05 ffir die chromreiche antiferromagnetische und TC = (395 + 2) K, CFe = 0,42 ffir die eisenreiche ferromagnetische Phase des am st/irksten entmischten Zustandes der Fe0,29Cr0, 71-Legierung" Die kontinuierliche Verteilung der Ordnungstemperaturen zeigt unser Meinung nach direkt den spinodalen Charakter der Entmischung in diesem System. We determine the hyperfine field distributions from overlapped unresolved M6ssbauer spectra. From the observed continuous increase of the probability for zero field with rising temperature, we derive distributions of magnetic ordering temperatures. Especially for the Fe0.29Cr0. 7l alloy, after different heat treatments, two magnetic phases are detectable. The mean ordering temperatures and the corresponding concentrations are TN = (200 + 21) K and eFe = 0.05 for the chromium rich antiferromagnetic and TC = (395 -+ 2) K, eFe = 0.42 for the iron rich ferromagnetic phase for the strongest decomposed state of the Fe0.29Cr0:1 alloy. The continuous distribution of ordering temperatures is, in our opinion, direct evidence for the decomposition's spinodal character.
1. Einleitung Bei U n t e r s u c h u n g e n m a g n e t i s c h e r Eigenschaften von Legierungen ben u t z e n wir den MOssbauereffekt. Die mit der Magnetisierung der Probe k o r r e s p o n d i e r e n d e Gr6sse ist das H y p e r f e i n f e l d am K e r n o r t des MOssb a u e r - A t o m s . In h o m o g e n e n ferromagnetischefl Legierungen e n t s p r i c h t in der Regel einem Wert der s p o n t a n e n Magnetisierung eine V e r t e i l u n g 33
34 J. Hesse und A, Riibartsch/Magnetische Eigenschaften Fe Cr-Legierungen von Hyperfeinfeldern. Hier spiegelt sich der Einfluss der Nachbarn des MiSssbauer-Atoms auf das Magnetfeld am Kernort wieder. Das magnetische Verhalten einer Legierung wird auf der anderen Seite entscheidend yon ihren metallurgischen Eigenschaften, die die Kristallstruktur und Nahordnung bestimmen, beeinflusst. Ill dieser Arbeit wollen wir uber Untersuchungen an Fe-Cr-Legierungen, insbesondere am System Feo,29Cro,71 berichten. Mittels einer M~Sssbauer-Untersuchung an Fe-Cr-Legierungen haben Ettwig und Pepperhoff 1) die Entmischung in eisen- mad chromreiche Phasenanteile im Gebiet der Mischungslficke in diesem System nachgewiesen. Chandra und Schwartz z) zeigten mittels der Analyse von Hyperfeinfeldern in Fe-CrLegierungen nach dem Wertheim et al. 3) Modell, dass die eintretende Entmischung mit dem spinodalen Zt~rfall 4) gedeutet werden kann. In einer neueren Arbeit s) konnte gezeigt werden, dass das System Feo,2s Cro,vs keine definierte magnetische Ordnungstemperatur aufweist, sondern dass Konzentrationsfluktuationen in diesem System auch zu einer entsprechenden Verteilung magnetischer Eigenschaften fihhren. D.h. es fehlt dem System eine sich i~ber die ganze Probe erstreckende einheitliche magnetische Fernordnung. Die in dieser Arbeit beschriebenen Messungen an Feo,29 Cr0,71 wurden an einem M/Sssbauer-Absorber, der unterschiedlichen thermischen Behandlungen unterzogen worden ist, durchgefiJhrt. Wir werden neben einer Best/itigung der Entmischung in eisen- und chromreiche Phasenanteile zeigen, dass die eisenreiche Phase ferromagnetisch, dagegen die chromreiche antiferromagnetisch ist. Es wird uns m6glich sein die mitleren Ordnungstemperaturen dieser Phasen anzugeben und die hierzu korrespondierenden Konzentrationen.
2. Das Mess- und Auswerteverfahren
Aufgenommen werden M6ssbauerspektren als Funktion der Temperatur des Absorbers. Einige Beispiele zeigt Bild 1. Die relativ komplizierte Gestalt des M~Sssbauerspektrums der hier untersuchten Legierung ist typisch auch fiSr andere Fe-Cr-Legierungen. Sic macht es unm~Sglich direkte Schlgsse yon mehr als qualitativem Charakter aus den Spektren zu ziehen. Wie in den Arbeiten s,6) beschrieben, ist es jedoch m6glich ohne Zuhilfenahme yon Modellvorstellungen aus den MiSssbauerspektren die zugehiSrigen Hyperfeinfeldverteilungen zu ermitteln. Damit kann die iiberlagerte komplizierte Struktur des MiSssbauerspektrums ausder Diskussion eliminiert werden. Der Vorteil dieses Vorgehens, insbesondere bei Messungen an inhomogenen Systemen, soll im folgenden Vergleich vorgestellt werden:
35
J. Hesse und A. R~bartsch/Magnetische Eigenschaften Fe-Cr-Legierungen
0.9~t3
~88 K
2.':4'.~N o
d d
d
K
°~
O. OOq
~
~
lq£ K
d mro/s
g00
kG
Bild i. Beispiele von M6ssbauer-Spektren und dazugehbrigen Hyperfeinfeldverteilungen far den Feo,29Cro,71-Absorber bei unterschiedlichen Temperaturen. Fig. 1. Examplesof Mbssbauerspectra for the Feo.29Cro.71 absorbertogetherwith the corresponding distribution of hyperfine fields at different temperatures.
Betrachten wir die Hyperfeinfeldverteilung gemessen als Funktion der Temperatur in drei besonderen Ffillen, wie in Bild 2 dargestellt. 1) Das Hyperfeinfeld in einem ferromagnetischen Metall (z.B. am Kernort yon Fe in ferromagnetischem Eisen). Die Hypeffeinfeldverteilung besteht hier aus einem einzigen Hyperfeinfeldwert H. Als Funktion der Temperatur aufgetragen, folgt H(T) im wesentlichen dem Verlauf der spontanen Magnetisierung. Fi~r T = T C = Tcuri e wird H = 0.
36 J. Hesse und A. RiJbartsch/Magnetische Eigenschaften Fe-Cr-Legierungen
p~)
~ H
1"
~
~T
P(o -t
Bild 2. Schematische Darstellung des Temperaturverlaufs der Hyperfeinfelder in 1) einem ferromagnetischen Metall; 2) einer homogenen ferromagnetischen Legierung und 3) einer inhomogenen ferromagnetischen Legierung mit einer Verteilung yon Ordnungstemperaturen. Fig. 2. Schematic representation for the temperature dependences of hyperfine fields in 1) a ferromagnetic metal; 2) in a homogeneous ferromagnetic alloy and 3) in an inhomogeneous ferromagnetic alloy possessing a distribution of ordering temperatures. 2) Die Hyperfeinfelder in einer bin/iren, homogenen ferromagnetischen Legierung. Hier existiert bei jeder Temperatur unterhalb T c eine Hyperfeinfeldverteilung. Da sie auf den Einfluss der Nachbarn des M6ssbauerAtoms zurfickgeffihrt werden kann, nennen wir sie Konfigurations-Hyperfeinfeldverteilung KHV. Ffir T = T c werden auch hier alle Hyperfeinfelder der Verteilung H i = 0. 3) Die Hyperfeinfelder in einer bingren, inhomogenen ferromagnetischen Legierung. Wir stellen uns diese Legierung vor als bestehend aus Zellen s ). Jede Zelle reprfisentiere eine homogene Legierung, d.h. sie besitzt eine definierte Konzentration, Magnetisierung, damit eine ihr eigene KHV und definierte Ordnungstemperatur. Die in der inhomogenen Legierung beobachtete Hyperfeinfeldverteilung ist jetzt aber eine Faltung aus den KHV-en der einzelnen Zellen und der Verteilung der ZellenMufigkeit. Die in der Hyperfeinfeldverteilung enthaltenen Informationen sind daher im allgemeinen schwer zu interpretieren. Da aber bei Erreichen der Ordnungstemperatur einer Zelle ihre KHV in dem Wert H = 0 zusarnmenf/illt, spiegelt die Zunahme der Wahrscheinlichkeit ffir das Feld H = 0, d.h. der V e r l a u f P ( H - 0, T) mit der Temperatur die ZellenMufigkeit wieder. Genauer: Die F u n k t i o n d P ( H = O, T ) / d T entspricht der Vertei-
J. Hesse und A. Ri~bartsch/Magnetische Eigenschaften Fe-Cr-Legierungen
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lung der Ordnungstemperaturen der Zellen. Ist der Zusammenhang zwischen der Ordnungstemperatur einer homogenen Legierung und ihrer Konzentration bekannt, folgt somit auch die Konzentrationsverteilung der inhomogenen Legierung. Entsprechend den Erl~iuterungen under 3) wird bei der Auswertung unserer Messungen verfahren. Die Hyperfeinfeldverteilungen werden aus den Spektren als Funktion der Temperatur gewonnen. Betrachtet wird der V e r l a u f P ( H = 0, T) sowie die Hyperfeinfeldverteilung bei tiefen Temperaturen.
3. Prfiparation der Proben Hergestellt wurden FecCr~_ c der folgenden Nominalkonzentrationen: c = 0.25, 0.27, 0.29 und 0.31. Bei der Herstellung wird yon reinem Chrom (99,999%) und Eisen (99%) ausgegangen. In einem Vakuum-Induktionsofen wurden die Metalle in einem A1203-Tiegel geschmolzen. Die Legierungen kfihlten dann zunfichst langsam im Schmelztiegel ab. Aus dem erstarrten Legierungsstab wurden anschliessend etwa 0.5 mm dicke Scheiben yore Durchmesser 20 mm geschnitten. Diese Scheiben wurden dann bis auf eine Dicke yon ca. 60/am abgeschliffen, womit sie bereits die Bedingung eines dfinnen MSssbauer-Absorbers erffillen. Die Messreihen, fiber die hier berichtet werden soll, sind alle an demselben Absorber Feo,29 Cro,7~ durchgeffihrt. Er erfuhr die in Tabelle I angegebenen W/irmebehandlungen durch Glfihen in jeweils einer evakuierten Quarzampulle.
TABELLE I W~rmebehandlungen des Feo,29 Cro,71-Absorbers Reihenfolge
1 2 3 4 5
GliJhtemperatur (°C)
Gltlhzeit
AbklJhlung
1000 500 500 1000
7d 24 h 240 h 24 h
im Ofen abgekilhlt abgeschreckt in Eiswasser langsam abgekfihlt langsam abgekiihlt abgeschreckt in Eiswasser
38
J. Hesse und A. Riibartsch/Magnetische Eigenschaften Fe--Cr-Legierungen
4. Messergebnisse In Bild 1 sind Beispiele yon M6ssbauerspektren mit den zugehSrigen Hyperfeinfeldverteilungen gezeigt, lhr qualitatives Aussehen ist fiir alle hier untersuchten Legierungen sehr ~hnlich. Bild 3 zeigt die Zunahme der Wahrscheinlichkeit ftir das Feld H = 0 ffir die vier im Schmelzofen abgekfihlten Proben unterschiedlicher Konzentration. In Bild 4 ist der durch graphische Differentiationen der Kurven aus Bild 3 gewonnene Verlauf von d P ( H = O, T ) / d T dargestellt. Alle Legierungen zeigen eine
P(H=O) 1 y~
c I
/
+ 0~25
, /
• 0,27
0,5
j/L
"
~ 029 []
,
0~31
100
4
200
/' /
300
Bild 3. Z u n a h m e der Wahrschein]ichkeit P(H Legierungen.
,
[
,,/ ,~ :
/'
~00
-~
= 0) fur vier inhomogene FecCr I-c-
Fig. 3. T h e increase of the p r o b a b i l i t y P(H = 0) d e m o n s t r a t e d in f o u r cases of inh o m o g e n e o u s Fe c Cr t _ c alloys.
"~ ]
FecCry_c
I: c=025 2: c=027
I
3:¢=0,29 4:
I00
200
300
400
c =O~t
T K
Bild 4. D u r c h D i f f e r e n t i a t i o n der K u r v e n in Bild 3 g e w o n n e n e V e r t e i l u n g e n der Ordnungstemperaturen. Fig. 4. T h e d i s t r i b u t i o n s of o r d e r i n g t e m p e r a t u r e s following as derivatives f r o m the curves s h o w n in fig. 3 w i t h respect to t e m p e r a t u r e .
J. Hesse und A. R~bartsch/Magnetische Eigenschaften Fe-Cr-Legierungen
150
39
Fe Cr,_c + q25 q27
too
•
q29 50
E30,31
Ibo
200
300
,~bo
_r
K
Bild 5. Temperaturverlauf des mittleren Hyperfeinfeldes der vier inhomogenen Fe c Cr I _c-Legierungen. Die aus Bild 4 ermittelten wahrscheinlichsten Ordnungstemperaturen sind mit Pfeilen angedeutet. Fig. 5. Temperature dependence of the mean hyperfine field/~ for the inhomogeneous FecCr 1_c alloys. The most probable ordering temperatures, as determined from fig. 4 are indicated by arrows.
p(H=01)0
imOfenabgek. • 7d,I000~"Eisw.
q5
/
~ ~
~,
÷24h,500]:
" 2gOh.500"C old, tOOO'C,Eisw.
100
200
./~
// /°
/
.o/Y 300
/.
~00
T___ K
Bild 6. Zunahme der Wahrscheinlichkeit P(H = 0) mit der Temperatur ffir ffinf unterschiedliche, In Tabelle 1 angegebene, W~'rmebehandlungen desselben Feo,29 Cro,Tl Absorbers. Fig. 6. The increase of the probability P(H = 0) with rising temperature for five different heat treatments of the same Feo.29Cro.T1 absorber, as described in table I.
Verteilung von Ordungstemperaturen. Die Legierung Feo,31 Cro,69 1/isst sogar deutlich zwei getrennte Bereiche in der Verteilung erkennen, gekennzeichnet durch zwei Maxima. Der Temperaturverlauf des mittleren Hyperfeinfeldes H = f HP(H)dH, dargestellt in Bild 5 sollte mit der spontanen Magnetisierung der Probe korrespondieren. Eine zuverl/issige Extrapolation auf einen vermeindlichen Curie-Punkt ist nicht m6glich. Betrachten wir nun ein wenig genauer die Legierung Feo,29 Cro,71. Als
40 J. Hesse und A. Riibartsch/Magnetische Eigenschaften Fe-Cr-Legierungen
.
+
,oo
F
\\
l l
+
\ k .
o t ...... 100
200
\\
2,h, s o o t
~" • 2gOh,500% ~ 0 'd,1OOO'£Eisw.
\i\
300
%,7 '
i.. ,~00
K
Bild 7. Temperaturverlauf des mittleren Hyperfeinfeldes ffir die unterschiedlichen metallurgischen Zust/inde des Feo,29 Cro, 71-Abs°rbers. Die mittleren Ordnungstemperaturen sind mit Pfeilen angedeutet. Fig. 7. The temperature dependence of the mean hyperfine field/q for the different heat treatments of the Feo.29Cro.Ta absorber. The mean ordering temperatures are indicated by arrows.
Parameter der Meszreihen soil jetzt die in Tabelle I angegebene unterschiedliche W~rmebehandlung dienen. Bild 6 zeigt den jeweils gewonnenen Verlauf von P ( H = O, T). in Bild 7 ist H ( T ) aufgetragen. Es sind jeweils nur drei Kurven zu sehen, da die Wfirmebehandlung 2 dieselben Ergebnisse liefert wie 5 und die Behandlung 3 mit dem Ergebnis yon 4 zusammenf~llt obwohl die zeitliche Reihenfolge ihrer Durchftihrung 1,2, 3,4, 5 gewesen ist. Wir m6chten nun zeigen, dass alle Zust~nde der Legierung Feo,29 Cro,Tx entmischten Zust/inden entsprachen, d.h. dass die Legierung immer aus chromreichen und eisenreichen Phasen bestand. Die unterschiedlichen W/irmebehandlung ffihrten nur zur Nnderungen im Grad der Entmischung
5. Nachweis der Entmischung Die die Ordnungstemperaturverteilung der Legierung charakterisierenden Kurven P ( H = O, T) bzw. dP(H = 0, T ) / d T lassen erkennen, dass in den Legierungen entsprechende Konzentrationsverteilungen existieren miissen. Insbesondere legt ein Verlauf der Kurve dP(H = O, T ) / d T wie for die Legierung Feo 31 Cro,69 in Bild 3 beobachtet, nahe, dass den chromund eisenreichen Ohasen der Legierung getrennte Verteilungen von Ordnungstemperaturen zugeordnet werden k6nnen. Eine genauere Analyse der P ( H = 0, T)-Kurven l~isst erkennen, dass
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41
CD
/--v,2,5 I A
\,/'1
'"".,..
0_
0
Hp
200
~00
H/KGAUgS
Bild 8. Hyperfeinfeldverteilungen bei T = 84 K entsprechend den unterschiedlichen W~rmebehandlungen des Feo,z9Cro,7l"Abs°rbers" (Die Zahlen beziehen sich auf Tabelle I.) Fig. 8. Hyperfine field distributions at T = 84 K for the different heat treatments of the Feo.29Cro.71 absorber. (The numbers are related to table 1.) diese in guter Nfiherung immer als Integral i~ber zwei Gaussverteilungen beschrieben werden k6nnen. So finder man far das System Feo,29 Cro,71 nach der W~irmebehandlung 3 bzw. 4 (Tabelle I) eine Ordnungstemperaturverteilung in Form von zwei Gausskurven mit den Parametern Tc~ = (200 + 21) K, To2 = (395 + 2) K, OTcl = (35 + 21) K, OTc2 = (71 +- 3) K, a = (5,8 - 1,8) X 10 -2 mit Tc= mittlere Ordnungstemperatur, OTc = Breite der Gaussschen Verteilung, a -- relativer Anteil der Verteilung 1 an der Gesamtverteilung (Bild 1 ! ). Die bier an ein Modell der Entmischung in zwei Phasen angepassten Daten der gemessenen Ordnungstemperaturverteilung kifnnen weiter gesti~tzt werden durch betrachtung der unmittelbar aus den Spektren bei tiefen Temperaturen gewonnenen Hyperfeinfeldverteilungen: Die am System Feo,29 Cr0,7~ unterhalb 150 K gemessenen Spektren ergeben Hyperfeinfeldverteilungen, die deutlich in zwei Bereiche P~ und /'2 aufgeteilt werden kOnnen (siehe Bild 1 und Bild 8). Solange die beiden Bereiche P~ und P2 getrennt sind, kann man als F u n k t i o n der Temperatur das Verh/iltnis "y(T) = [P(H = O, T ) + F~]/F~ mit Hp
F,= f o
co
P,(H)a~vI, F2= f P2(H)OH Hp
betrachten. Es zeigt sich, dass dieses Verhgltnis zwischen 80 K und 150 K kon-
42 J. Hesse und A. Riibartsch/Magnetische Eigenschaften Fe Cr-Legierungen
4001
//~/ j~
3~ i
2~i
/~ /
/
[./
100
qo~ o,o3 o,o5 qo7 FBild 9. Extrapolation auf die Ordnungstemperatur einer homogenen Fe0,29 Cro,7~Legierung. Fig. 9. Determination of the ordering temperature for a homogeneous Feo.29 Cr0.71 alloy by extrapolation.
stant bleibt. Die Zunahme yon P ( H = O, T ) mit T geht also zun~ichst nur auf Kosten der kleiner werdenden Wahrscheinlichkeiten im Gebiet P1. Dies zeigt wieder, dass der P1-Bereich der Hyperfeinfeldverteilung einer Phase der Legierung mit relativ niedriger Ordnungstemperatur zuzuordnen ist, w~hrend der Teil P2 h~Sheren Ordnungstemperaturen entspricht. Bild 8 zeigt die bei 84 K ermittelten Hyperfeinfeldverteilungen am System Fe0,29 Cr0,71. Als Parameter dient die unterschiedliche Wfirmebehandlung. Wegen der Zuordnung yon P1 und P2 der Verteilungen zu verschiedenen Phasen des entmischten Systems, betrachten wir das Verhfiltnis F~/F 2 als Mass far die Entmischung. Fi;ir die Behandlung 2 und 5 folgt FI/F2 = 0,041 fi~r die Behandlung 1 folgt 0,052 und far 3 und 4 folgt 0,065. Die Schlussfolgerung aus diesem Ergebnis ist, dass alle hier untersuchten Legierungen entmischt waren. Der Grad der Entmischung konnte durch die unterschiedlichen Behandlungen beeinflusst werden. Eine statistische, d.h. in ihrer Konzentration homogene Legierung, wurde mittels der beschriebenen Wfirmebehandlungen nicht erreicht. Die Eigenschaften einer statistischen Legierung kiSrmen aber aus den gewonnenen Ergebnissen extrapoliert werden. Tr/igt man z.B. die mittlere Ordnungstemperatur Tc2 der Legierungen iiber F~/F 2 auf, so liefert die lineare Extrapolation ft)r F~/F 2 = 0 den Wert Tc2 = 120 K. Bild 9 zeigt die entsprechende Auftragung. Ein so niedriger Wert fiir die Curietemperatur einer Feo,29 Cro,7~ Legierung wird in der Literatur nicht angetroffen. Es ist denkbar, dass alle bisher untersuchten, als homogenen betrachteten Legierungen, doch noch entmischt waren. Aus den Hyperfeinfeldverteilungen und den Verteilungen der Ordnungstemperaturen folgen miteinander konsistente Aussagen t~ber das
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I nach Matthews x nachArrott et al o noch Herbert et al
600
D 400
/
und KieT/~ // ~........//_ ........................... 1/
/
nach Koster
c 2
g
200
0
I
0,20
;>
0,40 0,60 EisenkonzentratJon
Bild 10. Beziehung Ordnungstemperatur-Konzentration fiir Fe-Cr-Legierungen. Die Nominalkonzentration c des Feo,29Cro,71-Absorbers sowie die Konzentrationen c 1 der antiferromagnetischen chromreichen und c 2 der ferromagnetischen eisenreichen Phasen sind eingezeichnet. Fig. 10. The relation between the magnetic ordering temperatures and concentration for Fe-Cr alloys. The nominal concentration c of the Feo.29Cro.71 absorber, the concentrations c 1 for the antiferromagnetic chromium-rich and c 2 for the ferromagnetic iron-rich phases are indicated. untersuchte System. Die Legierungen entmischen in eisen- und chromreiche Phasen yon unterschiedlichen magnetischen Ordnungstemperaturen. Der kontinuierliche Verlauf dieser Ordnungstemperaturverteilungen ist nach unserer Meinung der direkte Beweis ftir den spinodalen Charakter der Entmischung in diesem System. lm folgenden soil noch die Frage geklfirt werden, ob die Bestandteile der entmischten Legierung alle ferromagnetisch sind, oder aber ob die chromreichen Anteile antiferromagnetisch sein kiSnnen. In Bild 10 ist der Verlauf der Ordnungstemperaturen fiir das F e - C r System in dem hier interessierenden Konzentrationsbereich aufgetragen. Die Daten entsprechen den Messungen yon Arrott, Werner und Kendrick 7), Herbert, Clark und Wilson 8) sowie K~Sster und Kienlin 9). Der Verlauf nach einer yon Matthews lo) angegebenen Extrapolationsformel ist ebenfalls mit eingezeichnet. Mit Hilfe der in Bild 10 dargestellten Beziehung OrdnungstemperaturK o nzen tr atio n kann die K o n z e n t r a t i o n der chrom- und eisenreichen Phasen aus den ermittelten mittleren Ordnungstemperaturen bestimmt werden. Unter Verwendung der Daten gewonnen aus der Anpassung an den gemessenen P ( H = 0, T)-Verlauf fiir das am stfirksten entmischte System,
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J. Hesse u n d A° Ri~bartsch/Magnetische E i g e n s c h a f t e n F e - C r - L e g i e r u n g e n
TABELLE II Ermittelte Daten der entmischten Feo,29 Cr0,7~-Legierungen W~irmebehandlung laut Tabelle I
Tc2 (K)
(K)
2, 5 1 3, 4
295 335 395
Extrapoliert auf nichtentmischte Legierung
120
OTcz
F
cz
cI
o
44 45 71
0,041 0,052 0,065
0,38 0,40 0,42
0,044 0,047 0,050
0,27 0,31 0,35
07
0
0,29
0
0
wie sie Bild 11 zeigt, erhalten wir far die chromreiche Phase c 1 = 0,05 und fi;~r die eisenreiche c2 = 0,42. Mit Hilfe der F1/ichenverh~iltnisse F1/F2, gewonnen aus den beiden Teilen P1 und Pz der Hyperfeinfeldverteilung (Bild 8), kann allein mit Hilfe einer Ordnungstemperatur-Konzentration Beziehung far die eisenreiche Phase 2 cl und c2 bestimmt werden. Dieses Vorgehen ist sinnvoll, da die chromreiche Phase in der M~bssbauermessung benachteiligt wird: Obwohl beide Phasen in vergleichbaren Mengen vorliegen, z.B. 35% chromreich 65% eisenreich (Vergleich in Tabelle II), ist das Verhfiltnis des Anteils der Fe-Atome nur F -- 0,065. Daher ist die Bestimmung yon Tc~ aus einer Anpassung wie in Bild 11 nut mit grossen Unsicherheiten miSglich. Wegen der Erhaltung der Teilchenzahl in der sich entmischenden Legierung muss gelten: c=oc 1+(1-o)c2,
o = relativer Anteil der totalen Anzahl der Atome in Phase 1 an der Gesamtzahl aller Legierungsatome d.h. o = (rn + n ) / ( m + N ) ,
mit n = Zahl der Fe-Atome in Phase 1, N = totale Zahl der Fe-Atome, m = Zahl der Cr-Atome in Phase 1, M = totale Zahl der Cr-Atome. Ferner gilt F= FJFz = n/(N-
n) .
Damit folgt Cl
--
cF o(l+F)
•
'
~___
cz
¢ (1-o)(1
°
+F)
J. Hesse und A. RiJbartsch/Magnetische Eigenschaften Fe-Cr-Legierungen
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Tc==095±2) K
P(H=O,T)
/
/
z
2,~h,500°C
/
/ /
/
/
/
+_ 0
tO0
200
300
400
500 T
K
Bild 1 1. Anpassung von zwei Gaussverteilungen an den gemessenen P(H = 0, T)Verlauf fiJr die am st~irksten entmischte Feo,z9Cr0, 7 ~-Legierung (Tabelle 1, dort 3, 4). Das Ergebnis der Anpassung ist gestrichelt gezeichnet. Die Ordnungstemperaturverteilung der antiferromagnetischen und ferromagnetischen Phase ist eingezeichnet. Fig. 1 1. Result of a fitting procedure (dashed cu.rve) assuming that the temperature dependence ofP(H = 0, T) may be represented as an integral over two gaussian distributions. The calculation is done for the strongest decomposed state of the Feo.29 Cr0.71 alloy (table I, number 3, 4). The distributions of the ordering temperatures for the antiferro- and ferromagnetic phases are shown, too.
Wir b e n u t z e n for die C u r i e t e m p e r a t u r der eisenreichen Phase den linearen Z u s a m m e n h a n g Tcuri e (c) = A c + B , mit A = 2 0 0 0 K u n d B = - 4 6 0 K. Damit erhalten wir aus den gemessenen Tc2-Werten c:. In Tabelle II sind die e r m i t t e l t e n Z a h l e n w e r t e der e n t m i s c h t e n Feo,29 Cro,TFLegierungen zusammengestellt.
6. S c h l u s s b e m e r k u n g e n Wir h a b e n gezeigt, dass die systematische B e o b a c h t u n g der H y p e r f e i n feldverteilung als F u n k t i o n der T e m p e r a t u r eine Reihe von q u a n t i t a t i v e n Aussagen fiber i n h o m o g e n e magnetische Legierungen erm~Sglicht, die sowohl vom m a g n e t i s c h e n als auch metallurgischen S t a n d p u n k t der Unters u c h u n g e n interessant sind. So k o n n t e am Beispiel der Legierung Feo,29 Cr0,71 d e m o n s t r i e r t werden, dass dieses S y s t e m e n t m i s c h t war. Die
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Ordnungstemperatur- sowie Konzentrationsverteilung in den eisen- und chromreichen Phasen konnten ermittelt, der Nachweis, dass die chromreiche Phase antiferromagnetisch ist, konnte erbracht werden. Die Hyperfeinfeldverteilungen bei tiefen Temperaturen spiegeln die unterschiedlichen, durch W/irmebehandlung erzeugten Grade der Entmischung wieder und erlauben eine Extrapolation der Daten ftir den nichtentmischten Zustand. Der kontinuierliche Verlauf der Ordnungstemperaturen und damit auch der kontinuierliche Verlauf der Konzentrationsverteilung ist nach unserer Auffassung der direkte Beweis ffir den spinodalen Charakter der Entmischung in diesem System. Vom magnetischen Standpunkt der Untersuchung ist die Frage, ob Ferromagnetismus und Antiferromagnetismus nur als Folge der Entmischung nebeneinander in einer Probe existieren kiSnnen oder aber auch in einer homogenen, d.h. statistisch ungeordneten Festk6rperl6sung bestehen, yon Bedeutung. Das mikroskopisch in dem untersuchten System, entsprechend dem Heisenbergbild, sowohl ferromagnetische als auch antiferromagnetische Kopplungen der magnetischen Momente m6glich sind, ist seit langem bekannt 11). Die Tatsache des Nebeneinander solcher Kopplungen in einem bin/iren System ist yon Kouvel 12) untersucht worden. Sie steht sicher auch im Zusammenhang mit den Erscheinungsformen des Mictomagnetismus 13). Unser besonderes Interesse gilt solchen Systemen im Konzentrationsgebiet nahe dem Perkolationspunkt. Wir erwarten kein pl~Stzliches, mit einer definierten Konzentration verbundenes Verschwinden ferromagnetischer Fernordnung bei T = 0, sondern einen kontinuierlichen Zerfall der Fernordnung in eine Vielzahl von "Zellen" in der Legierung, die ffir sich betrachtet unterschiedliche magnetische Ordnungszust~nde, entsprechend den zufiilligen Konzentrationsfluktuationen, aufweisen kiSnnen.
Danksagung Ffir die M6glichkeit zur Durchfiihrung dieser Arbeit sind wir den Herren Professoren Ch. Schwink und H. Brbmer zu Dank verpflichtet.
Literatur 1) H.H. Ettwig und W. Pepperhoff, Archiv Eisenhfittenwesen 41 (1970) 471. 2) D. Chandra und L.H. Schwartz in Mgssbauer Effect Methodology, Vol. 6, I.J. Gruverman, ed. (Plenum Press, New York, 1970) p. 79.
•L Hesse und A. Rfibartsch/Magnetische Eigenschaften Fe-Cr-Legierungen
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