Spectrochimica Acta, Vol. 34A, pp. 541 to 544. @ Pergamon Press Ltd., 1978. Printed in Great Britain
Matrix-IRSpektrum und Kraftfeld von Schwefeldifluorid-32Sund 33 A. HAASund H. WILLNRR Lehrstuhl fur Anorganische
Chemie II, Ruhr-Universitit.
4630 Bochum,
West Germany
(Received 17 April 1977) Abstract-Sulfurdifluoride was produced by halogen-exchange of a highly diluted SCI*-rare gas mixture with AgF or HgFl and then isolated as a matrix. The observed vibrational frequencies are consistent with those predicted from microwave data. In addition, the frequencies of %F2 were measured so that all the force constants of the GVFF and the bond angle could be calculated. This bond angle is in good agreement with the known value. Thermodynamic functions have been calculated using the harmonic oscillator ideal gas approximation.
EINLEITUNG
fjbereinstimmung mit der Produktregel und mit dem Bindungswinkel des gasfiirmigen SF2 98,2” [6] ergibt. Interessanterweise ist beim SiF2 [12] die Zuordnung umgekehrt, obwohl Geometrie und Massen beider Molekiile sehr ahnlich sind. Bindungswinkel. Nach [6] betragt im SF2 die SFBindungsllnge 1,519A und der Bindungswinkel 98,2”. Fur die Berechnung des Bindungswinkels [7] und der Produktrege1[8] muD die beobachtete Isotopenverschiebung auf Anharmonizitat korrigiert werden. Von den sechs Anharmonizitatskonstanten xij lassen sich nur x3’ N 0,2 cm-’ und xl3 _ 6,4 cm-’ aus den beobachteten Ober- und Kombinations-schwingungen 2v3 und v1 + v3 ermitteln [9]. Jedoch kann man nach BECHRR[lo] in erster Nlherung die X,-Werte 2atomiger Molektile zur Korrektur verwenden und einen XiWert von 0,005 abschatzen. Damit wird die Isotopenverschiebung Av = A.w(1 - 2. X,) der Valenzschwingungen urn etwa 0,l If: 0,OScm- ’ vergrijBert. Berechnet man mit den so korrigierten Isotopenverschiebungen den Bindungswinkel von SF2 nach [7] in einer Ne- und Ar-Matrix, so erhtilt man 97,6 + 0,8” und 96,7 f 0,8”. Anscheinend tibt das Matrixmaterial einen EinfluD auf den Bindungswinkel aus, wobei jedoch in NeMatrix die Storung am geringsten ist.
Seit iiber 40 Jahren [l] widersetzt sich SF2 allen Versuchen, es in Substanz zu fassen. Seine Existenz konnte bisher nur durch Mikrowellen- [2] und Mas senspektroskopie [3,4] gesichert werden. Eine umfassende Literaturiibersicht iiber das “SF,-Problem” wird von F. SEEL[S] gegeben. Urn die Zersetzung von SF2 zu unterdrdcken, wurde SF2 in Gegenwart eines grol3en Inertgasiiberschusses erzeugt und unmittelbar danach in einer Matrix abgefangen. Hierdurch gelang es uns, das bisher unbekannte IR-Spektrum des SF2 aufzunehmen und durch Einsatz von 34S Zusatzdaten zu erhalten, die eindeutige Aussagen iiber den Bindungswinkel sowie die vier Kraftkonstanten des harmonischen allgemeinen Valenzkraftfeldes ermiiglichten. ERGEBNISSE Schwingungszuordnung
Das SFz-Molekiil hat die Punktgruppensymmetrie Czv, und die drei Grundschwingungen verteilen sich auf die Rassen ai-vr(v,), vs(S) und bi-v3(v,3. Tabelle 1 zeigt die gemessenen Schwingungsfrequenzen in verschiedenen Matrizen, Abb. 1 ein Ubersichtsspektrum von SF2 in einer Ar-Matrix und Abb. 2 den Valenzschwingungsbereich von 34S angereichertern SF2. Die Zuordnung von v2 steht aul3er Zweifel, jene von v3 und v1 werden mit Hilfe der beobachteten Isotopenverschiebungen getroffen. Die entsprechenden Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengefaflt. Nur die Zuordnung vr > v3 ist sinnvoll, da nur sie eine gute
NORMALKOORDINATENANALYSE Die Potentialfunktion fur das allgemeinen Valenzkraftfeld lautet
SF2 nach
2V =f,(Ar: + Ar:) + r%(Aa)’ + 2f,,(Ar, + Arz) + 2rf,, - Acc(Arr + Ar2).
Tabelle 1. Schwingungsfrequenzen in cm-’ von SF2 in Ne-, Ar- und N1-Matrix. Die in Klammern angegebenen Werte sind gemessene Isotopenverschiebungen Av3”% Ne-
834,l (9,02 f 0,05) 807,5 (9,50 k 0,OS) 358
Ar1629,6 1607,8 831,9 804,l 357,5
dem
N,-Matrix
(18,3) (8,92 f 0,OS) (9,38 + 0,05) (1.85 f 0,05) 541
825,4 799,2 357,5
Zuordnung vi + v3 2v3 ”I 1’3 v2
A. HAAS und H. WILLNER
542
20PiP
o-
la00
I
I
I
I
I
1400
I200
1000
600
600
I
I600
I
I 400
200
Cm-
Abb. 1. Infrarot-Spektrum
von matrix (Argon)-isoliertem
Zur Berechnung der Symmetriekraftkonstanten Fii =J+&
F12
=
JWk
F22
=
SF2.
Die daraus abgeleiteten inneren Kraftkonstanten fi =
r%
sind
4,72 + 0,03 ; 5, = 0,37 f 0,03;
fil = 0,09 + 0,02; fr = 1,28 + 0,Ol.
und F33
Fur das nach Massen und Geometrie sehr Bhnliche SiFz (3: = lOO,Y, r = 1,59 8, [ 111) erhalt man mit den in der Literatur [ll, 121 angegebenen Schwingungsfrequenzen (vi = 851, v2 = 345, v3 = 865 cm-‘) und der Isotopenverschiebung (Avi = lo,1 + 0,l cm- ’ 2*/30Si)folgende innere Kraftkonstanten
=fi-fir,
wurden die Schwingungsgleichungen nach der Wilsonschen FG-Matrixmethode gelost. F12 wurde auf der Basis der Gasphasengeometrie durch jede der auf Anharmonizitat korrigierten Isotopenverschiebungen Avr und Avs eindeutig festgelegt. Alle Kraftkonstanten sind in mdyn/a und auf 1 A normiert : Fir = 5,08 + 0,03; Fz2 = 1,28 f 0,Ol;
5 = 5,02 + 0,03; fr, = 0,38 f 0,03; fm = 0,31 f 0,02; fi = 1,ll + 0,Ol.
Fi2 = 0,13 k 0,03; Fs3 = 4,35.
Die Wechselwirkungskraftkonstante
f,, ist im BF2
\
1;1
‘SF,
Au,=8.92 cm-”
-I
I
830
820
810
800
cm-’ Abb. 2. Valenzschwingungsbereich
von 34S-angereichertem
790
SF2 in Matrix.
Matrix-IR-Spektrum
Tabelle
2. Zuordnung
und Kraftfeld
von vi und va mit Hilfe der beobachteten
Produktregel
l=I,.
0,983s
0,982s
3. Kraftkonstanten (mdyn/A) in verschiedenen Schwefelfluoriden
SF2
SF, [133
f, = 4,72
f& = 5,s
SE6 [I41
f.x= 3,3
(cis) f,r = 0,36 fz = 0,83
THERMODYNAMISCHE
FUNKTIONEN
VON SF2
Unter der Annahme eines idealen Gases, eines harmonischen Oszillators und eines Druckes von 1 Atm. wurden die thermodynamischen Funktionen berechnet. Die Ergebnisse (fur Frequenzen in NeMatrix) sind in Tabelle 4 wiedergegeben. Die freie Reaktionsenthalpie fur Raumtemperatur der postulierten Zersetzungsreaktion [S] 2SF2 %a
61,56
Isotopenverschiebungen
+
SF4
+
-180[15] 71,8 [16] AC&
l/8 Ss, 0 736 [16-j
= -22,3
976”
89,4”
dungswinkels tiberpriift werden. Die Brauchbarkeit dieses Verfahrens wurde schon mehrfach demonstriert (z.B. am SO1 [7] und SiF2 [12]). Auf Grund falsch nachgewiesener SFz-Grundschwingungen muI3 Zweifel an der IR-Matrixarbeit [17] erhoben werden. Die von Singh und Nagarajan [18] angegebenen thermodynamischen Daten wurden mit falsch geschltzten Schwingungsfrequenzen berechnet und sind somit unbrauchbar. EXPERIMENTELLES
ff = 5,45
JL = 0,37 .L = OS@ fT = 1,28
-71,4[15]
543
Bindungswinkel[7]
[S]
urn den Faktor 3 griil3er als im SF*. Dies bedeutet, da8 das SiFz auf eine Bindungsllngenanderung Ar ausgepragter mit einer Winkeltinderung reagiert als das SF2. Weiterhin ist es von Interesse, die inneren Kraftkonstanten innerhalb der Serie SF2, SF4 [13], SF6 [14] zu betrachten (siehe Tabelle 3).
AH+
und -?8
/$+I;>,, I%1E’,,, ;s807,5 rzz834J
0,9839
Tabelle
von Schwefeldifluorid-3ZS
kcal,
1aBt sich mit der nun bekannten SF1-Entropie berechnen. Erwartungsgem58 ist SF2 nach der angegebenen Zersetzungsreaktion thermodynamisch instabil; tiber die kinetische Stabilitat sind keine Aussagen moglich.
Die Reaktion zwischen SCIz und AgF bzw. HgFa mug nach einer thermodynamischen Abschltzung zum SF2 fiihren, jedoch schlugen viele prlparative Versuche fehl, da das entstandene SF2 in vielfaltigster Weise weiterreagierte [S]. Urn nun dem prim;ir erzeugten SF* jede Moglichkeit zur weiteren Reaktion zu nehmen, haben wir den Partialdruck und die Verweilzeit iiber dem Fluorierungsmittel moglichst klein gehalten. Dies ist uns mit der in Abb. 3 gezeigten Anordnung gelungen. In dem verwendeten Edelstahlreaktor ist AgFbzw. HgFa-Pulver zwischen zwei Sintermetallscheiben* d(Edelstah1) als 3 mm diinne Schicht e eingeschlossen. Die Sintermetallscheiben haben die Aufgabe, die Fluoridschicht zusammenzuhalten und das durch e einstromende InertgasSCl,-Gemisch gleichmagig dariiber zu verteilen. Weiterhin ist der Reaktor unmittelbar vor der gekiihlten CsJ-Scheibe a angeordnet, wodurch der Inertgasdruck am Reaktorausgang auf max. 10m4Torr. wahrend des Aufdampfvorganges ansteigen kann. SC12 (hergestellt aus S mit geringem C12-UberschuB, FeCi,-Katalysator) wurde bei - 80°C von iiberschiissigem Cl* durch Abpumpen befreit und anschlieI3end in einer Vakuumapparatur mit Inertgas verdtinnt (I : 200 bis I : 1000). Dieses Gasgemisch stromte durch den beschriebenen Edelstahlreaktor wobei bereits bei Raumtemperatur ein nahezu quantitativer Halogenaustausch stattfand. Die Stromungsgeschwindigkeit mu&e so
ZUSAMMENFASSUNG
Das vollstandige IR-Spektrum von SF2 wurde von uns erstmals aufgenommen und wegen der beobachteten 34S-Verschiebungen kann jeder Zweifel am Ursprung der Banden beseitigt werden. Durch Vergleich mit der aus dem Mikrowellenspektrum [6] gut bekannten Gasphasengeometrie des SF2 konnte die Genauigkeit der Isotopenverschiebungsmethode in Matrix zur Berechnung des Bin-
* Siperm R35. Freundlicherweise iiberlassen (Thyssen, Magnetfabrik
von Herrn Dortmund).
A. R. Kirste
Abb. 3. Drehbarer Kryostat mit Metallfluorid-Reaktor. (a) kaltes CsJ-Fenster, (b) Warmestrahlenschutzschild, (c) EinlaDrohr fiir Probenmischung, (d) Sintermetallscheiben, (e) diinne Schicht Metallfluorid, (f) EinlaDrohr fur fluorierte Probenmischung.
A. HAAS und H. WILLNER
544
Tabelle 4. Thermodynamische Temp. (K) 200,oo 273.16 298;16 400,OO
600,OO 70400 900,oo 1000,00 1500,00
Funktionen
von SF2 in Cal/K
* Mel
0 cYr
(H” - H:)/T
-(Go - H:)/T
S”
9,51 10.45 10174 11,70 12.32 12,73 13,OO 13,19 13,33 13,44 13,69
64
49,09 51.78 52156 55,29 57.48 59135 60,99 62.45 63178 64,98 69,81
57,53 60,63 61,56 64,86 67,54 69,83 71,81 73,56 75,12 76,53 82,04
8.85 9100 9,57 10.06 10148 10,82 11,lO 11,34 11,55 12,23
gewlhlt werden, daD die Matrix miiglichst transparent wurde. Typisch waren fiir die Ar-Matrix Striimungsgeschwindigkeiten von 25 mmol/h. Dadurch betrug bei unserer Kiihlanordnung der “Matrixdampfdruck” wghrend des Aufdampfvorganges bei 14 K etwa 5 * 10m6 Torr. Je nach Mischungsverhlltnis Inertgas/SCl* und Striimungsgeschwindigkeit traten Nebenreaktionen auf, die zu SF4, S2F, und SzF., fiihrten. Das beste SF,-Spektrum, das wir erhielten, zei.gt Abb. 1. Fiir die Untersuch&g von 34SF2 in Matrix wurden 0,35 mg 34S pro Spektrum verbraucht (A% > 98?/,, Rohstoffeinfuhr Diisseldorf.) Es bleibt zu erwahnen, dal3 die mit SF2 dotierte Matrix farblos ist. Ein nach [19] abgeinderter HeVerdampferkryostat wurde eingesetzt und die IR-Matrixspektren wurden mit einem Gerlt Perkin-Elmer 325 registriert. Die Genauigkeit der auf vakuumkorrigierten Freauenzen ist +0.5 cm- I. Anerkennunq- Wir danken der Ueutsche n F~r~~hungsg~meinschaft ftir finanzieile UnterStiitZUng Una HERRN B. HOFFKER fiir seinen unermiitlichen Einsa tz beim Bau der AP lparaturen. LITERATUR [1] 0. RUFF, Angew. Chem. 46,739 (1933). [2] D. R. JOHNSON und F. X. POWELL, Science, N.Y. 164, 950 (1969). [3] 0. GLEMSER,W. D. HEUSSNER und A. HAAS, Naturwissenschaften 50,402 (1963).
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