Biochimica et Biophysica Acta, 299 (1973) 82-90
C(~ Elsevier Scientific Publishing Company. Amsterdam - Printed in The Netherlands
BBA 97552
Mg2+-KATALYSIERTE, S P E Z I F I S C H E S P A L T U N G VON t R N A W. WINTERMEYER END H. G. ZACHAU lnstitut fiir Physiologische Chemie und Physikalische Biochemie der Universitiit M~nchen (Bundesrepublik Deutschland)
(Eingegangen am 25. September, 1972)
SUMMARY Mg2+-catalyzed specific splitting o / t R N A
In the presence of Mg ~+ (Mg2+/internucleotide phosphate ~> 0.5) t R N A Ph~ and tRNAPh,~ are split under alkaline conditions almost specifically between the dihydrouridine residues at positions 16 and 17. t R N A fragments can be prepared b y this reaction on a preparative scale. The fact that the chain scission occurs predominantly in the dihydrouridine region and only to a small extent in the also single-stranded anticodon region is explained by the differences in base stacking between the two regions. In the presence of low concentrations of Mg ~+ (Mg*+/P < 0.5) the fragmentation pattern of t R N A Ph~ is drastically altered. In 7 M urea only unspecific degradation is observed. Apparently, the specificity of the t R N A fragmentation depends on the actual t R N A conformation. A specific fragmentation in the presence of Mg 2÷ is also observed in t R N A s~r.
EINLEITUNG Die Hydrolyse der Phosphodiesterbindungen in RNA wird durch zwei- und dreiwertige Kationen katalysiert 1-3. Von den untersuchten Metallen zeigte bei p H 7 Zn*+ die stArkste Wirkung, wAhrend die ~bergangsmetalle schwiicher katalysierten; Mg 2+ zeigte erst bei alkalischenl p H eine schwache Wirkung 4. Bei der Analyse der Spaltprodukte von Hefe RNA konnten Nucleosid-2',3'-cyclophosphate nachgewiesen werden 5, so dass die metallkatalysierte Hydrolyse wahrscheinlich Ahnlich verl~tuft wie die saure Hydrolyse von Phosphodiesterbindungen. Ftir die Spaltung mit Pb 2+ wurde gezeigt, dass einzelstritngige RNAs wesentlich schneller angegriffen wurden als doppelstr~ngige 6. Es wurde auch beobachtet, dass die metallkatalysierte Spaltung neben Pyrimidinnucleosiden etwas schneller verlAuit als neben Purinnucleosiden 7-~. Spezifische Spaltungen konnten jedoch nicht erreicht werden. I m Verlauf unsere~Untersuchungen zur spezifischen, chemischen Spaltung von t R N A s l°,n untersuchten wir die Spaltung von t R N A ~he in definierte Fragmente w~hrend einer Inkubation bei alkalischem p H in Gegenwart yon Mg 2+ (Lit. 12). Die Ergebnisse werden in der vorliegenden Arbeit beschrieben. Nach Abschluss unserer Versuche wurde fiber eine ~hnliche spezifische Spaltung von t R N A Phe aus Hefe mit Pb 2+ berichtet 13. Abkiirzungen: tRNAP~; tRNA P~*, aus der der Basenanteil des Nucleosids Y abgespalten ist; Phe 1-16, Fragment der tR~A Ph" das die Nucleotide I bis 16 umfasst; P, PhosphorsAureestergruppe in RNA; RB, diskelektrophoretische Beweglichkeit relativ zu Bromphenolblau.
CHEMISCHE SPALTUNG VON t R N A s
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MATERIAL UND METHODEN
Die spezifischen tRNAs wurden aus Brauereihefe tRNA (Boehringer Mannheim) isoliert: tRNA vhe nach Lit. IO, Akzeptoraktivititt 1.1-1. 4 nMol Phe/A2eo nm-Einheit; • R xlAser ~ ' ~ I / I I nach Lit. 14, Akzeptoraktivit~t o.9-1.1 nMol Ser/A2eo nm-Einheit, tRNAVh~y wurde wie in Lit. 15 hergestellt, ihre Akzeptoraktivit~t war 1.o-1.2 nMol Phe/A 26onmEinheit. Die Halbmolekiile der tRNA Pa~ wurden durch Anilinspaltung der tRNAP~ hergestellt 16. Zur Abtrennung zweiwertiger Kationen wurden die tRNAs nach Phenolextraktion und AlkoholfAllung bei 4 °C dreimal 6-1o Std. gegen i M NaC1, 5 mM EDTA, pH 7, und dreimal gegen Wasser dialysiert 17. Als Kriterium ftir Abtrennung zweiwertiger Kationen wurde gewertet, wenn die tRNA bei der Alkalibehandlung ohne Zusatz yon Mg 2+ intakt blieb. Die Mg2+-katalysierte Spaltung der tRNA Phe im pr~tparativen MaBstab wurde wie folgt durchgefiihrt: 3° A260nm-Einheiten tRNA Phe (wie oben dialysiert) wurden in I ml 0.05 M Tris-HC1, pH 9.5, 0-05 M MgCI2 (Mg2+/P -- 15) 2.5 Std. bei 50 °C inkubiert. Nach dem Ans~uern mit Essigs~ure (etwa pH 5) wurden die Produkte mit Alkohol gefAllt. Die Trennung der Fragmente erfolgte durch preparative Diskelektrophorese TM. Analytische diskelektrophoretische Trennungen yon tRNA-Fragrnenten wurden in 0.3 cm dicken Trenngelen aus 16 % Acrylamid und 1. 3 °/o Bisacrylamid in 7 M Harnstoff vorgenommen; das Tris-Veronal-Puffersystem mit pH 8.9 t9 wurde dafiir verwendet. Aliquote Teile von o.o5-o.1 A260nm-Einheiten tRNA oder Fragmente (lO-2O/,1) wurden mit dem gleichen Volumen einer 0.005 % L6sung VOlt Bromphenolblau in 7 M Harnstoff, 50 % Saccharose versetzt und in die Taschen des Sammelgels pipettiert. Nach der Trennung wurden die Banden angef~rbt und densitometriert wie in Lit. 18. Das Ausmass der spezifischen Spaltung wurde bestimmt aus dem VerhAltnis der Gipfelflitchen der Fragmente zur Gesamtflitche yon Fragmenten und ungespaltener tRNA.
ERGEBNISSE
Mg2+-katalysierte Spaltung der t R N A Phe Die Spaltung der tRNA phe durch Alkalibehandlung in Gegenwart yon Mg2+ wurde zunitchst bei verschiedenen Mg*+-Konzentrationen untersucht. Die Fragmentgemische wurden mit Hilfe der Diskelektrophorese analysiert. Abh~ngig vom Verh~tltnis der Mg2+ zu den PhosphorsAureestergruppen der tRNA (Mg2+/P) wurden verschiedene Fragmentmuster erhalten. Bei einem Verhitltnis Mg*+/P >t 0. 5 wurde tRNA Phe praktisch spezifisch in ein Fragment im Gr6ssenbereich von Viertelmolekfilen (Phe 1-16, s.u.) und eine grosses Fragment (Phe 17-76, s.u.) gespalten (Abb. IA). Der Anteil der Halbmolekiile betrug unter allen Bedingungen h6chstens IO %. Daneben trat immer auch ein zweites, etwas gr6sseres Viertelfraglnent in geringer Menge auf. Bei Mg*+/P-VerhAltnissen, die kleiner als 0. 5 waren, wurde ein vollkommen anderes Spaltmuster erhalten (Abb. IB). Das Auftreten von definierten Fragmenten zeigte, dass die Spaltung immer noch spezifisch verlief, wenn auch an einer grossen Zahl von Positionen. Bei der Titration Mg*+-freier tRNA mit Mg2+
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Abb. i. Densitogramme der tRNA pn* nach Alkalibehandlung in Gegenwart von Mg2+. 8 Az60~mEinheiten tRNAPne/ml wurden 3 Std. bei 5° °C in o.o5 M Tris-HC1, pH 9.5, inkubiert mit (A) iomM MgC1s (Mg*+/P = IO); (13) o.2 mM MgC18 (Mg2+/P = 0.2); (C) o.2 mM MgC12 und I M NaC1 ( S u p r a p u r , M e r c k ) . B B , B r o m p h e n o l b l a u .
t r i t t b e i m Erreichen eines Verh~ltnisses Mgz+/P = 0.5 eine S t r u k t u r ~ n d e r u n g der t R N A ein, wie d u r c h Messung der U l t r a v i o l e t t - A b s o r p t i o n gezeigt wurde ~°. D a m i t lag die V e r m u t u n g nahe, dass die b e o b a c h t e t e fi~nderung des S p a l t m u s t e r s bein U n t e r schreiten eines Mg*+/P-Verh~ltnisses v o n 0. 5 auf eine K o n f o r m a t i o n s ~ n d e r u n g der t R N A Phe zurfickzuffihren war. Diese A n n a h m e wird gestfitzt durch den Befund, dass beim Zusatz v o n i M NaC1 z u m S p a l t u n g s a n s a t z m i t Mg*+/P = o.2 wieder das gleiche F r a g m e n t m u s t e r e r h a l t e n wurde (Abb. IC), das sonst n u t bei Mg*+/P-Verb~lt -
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CHEMISCHE SPALTUNG VON t R N A s
nissen gr6sser als 0.5 aufgetreten war. Hohe Na+-Konzentrationen fiihren auch in Abwesenheit von Mg2+ zur Ausbildung der nativen tRNA-Struktur. Den zeitlichen Verlauf der Spaltung der tRNA Phe in die Fragmente Phe 1-16 und Phe 17-76 bei einem Verhiiltnis Mg2+/P = 8 zeigt Abb. 2. Bei niedrigeren Mg2+/P Verh~iltnissen verlief die Reaktion langsamer. Bei h6heren nahm das Ausmass des unspezifischen Abbaus zu, erkennbar am Auftreten unstrukturierter, anf~.rbbarer Bereiche auf der Diskelektrophorese. Die Betrachtung des Verhitltnisses der Mengen von Phe 17-76 und Phe 1-16 zeigt, dass auch beim Verh~iltnis Mg~+/P = 8 in gewissem Umfang unspezifischer Abbau stattfand. Unter Berticksichtigung der Ketteul~tngen der beiden Fragmente sollten die Fl~ichen der entsprechenden Gipfel der Densitogramme ein Verhiiltnis Phe I7-76/Phe 1-16 von 3.8 bilden. Das Absinken vom anfAnglichen Wert um 4 auf Werte unter 3 (Abb. 2) deutet darauf hin, dass von den beiden Fragmenten Phe 17-76 (oder der entsprechende Bereich in der tRNA Phe) schneller unspezifisch gespalten wurde als Phe 1-16. Ein Teil des Verlustes an Phe 17-76 l~tsst sich auch erkl~iren durch eine zweite spezifische Spaltung im Anticodonbereich, die ein Viertel- und ein Halbmolektil liefern sollte; Fragmente dieser Gr6sse wurden beobachtet (Abb. IA). I00"
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pH
Abb. 2. K i n e t i k der Mg2+-katalysierten S p a l t u n g der t:RNA Ph© in P h e 1-16 u n d P h e 17-76 IO A26o nm-Einheiten tRNAPhC/ml w u r d e n in 0.05 M Tris-HC1, p H 9.5, IO m M MgCl~ (Mg2+/P = 8) bei 5 ° °C inkubiert. Zu d e n a n g e g e b e n e n Zeiten w u r d e n a l i q u o t e Teile m i t EssigsAure a u f e t w a p H 5 g e b r a c h t . A u s d e n D e n s i t o g r a m m e n der d i s k e l e k t r o p h o r e t i s c h e n T r e n n u n g e n w u r d e n die relativen M e n g e n v o n t R N A Pb= ( O - G ) bzw. P h e 1-16 u n d P h e 17-76 (D-V]) u n d d a s VerhAltnis P h e I 7 - 7 6 / P h e 1-16 ( X - × ) b e s t i m m t . Abb. 3- p H - A b h i i n g i g k e i t der Mg=+-katalysierten S p a l t u n g der t R N A Puc. 4 A , o nm- E i n h e i t e n tRNAPh=/ml w u r d e n in 0.05 M Tris-HC1 (bei p H 5 : 0 . 0 5 M N a t r i u m a c e t a t ) , IO m M MgCI~ (Mg~+/P = 20) 4 Std. bei 5 ° °C inkubiert. W e i t e r e B e h a n d l u n g u n d A u s w e r t u n g wie in Abb. 2.
Die Untersuchung der pH-Abhiingigkeit zeigte, dass die Mg2+-katalysierte Spaltung der tRNA Phe nur bei alkalischem pH stattfand (Abb. 3). Das Spaltmuster bei pH 8.0 entsprach v611ig dem bei pH 9.5 beobachteten. Beim 13bergang von pH 9.5 nach pH IO nahm der unspezifische Abbau stark zu, was am Auftreten intensiv anfArbbarer Gelbereiche ohne Bandenstruktur zu erkenner~ war. Das geringe pHIntervall des (3bergangs macht eine Erkl~rung dieses Effekts mit unspezifischer alkalischer Hydrolyse wenig wahrscheinlich. Eine bessere Deutung ergibt sich aus der Annahme, dab unter diesen Bedingungen (pH io, 50 °C) die tRNA nicht nur ihre Terti~ir-, sondern auch Teile der Sekund~rstruktur verloren hat. Die Dissoziation von DNA-Doppelstr~ngen unter ~hnlichen Bedingungen ist bekannt. Der
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Befund ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die Spezifit/it der Spaltung mit Mg~, wesentlich v o n d e r Konformation der tRNA abh/ingt.
Isolierung und Identi]izierung der Fragmente Phe 2:-z6 und Phe 17-76 Die MgZ+-katalysierte Spaltung der tRNA Phe im pr/iparativen MaBtab und die Isolierung der beiden Fragmente mit Hilfe der pr/iparativen Diselektrophorese ist im Methodenteil beschrieben. Die Ausbeute (bezogen auf eingesetzte tRNA Phe) war bei Phe 1-16 etwa 50 %, bei Phe 17-76 etwa 25 % ; der Grund fiir die niedrige Ausbeute ist wahrscheinlich die unvollst/indige Elution aus dem Gel. Die Zuordnung der Fragmente liess sich durch Messung der Akzeptoraktivit/it ihrer Kombinationen mit bekannten tRNAPh~-Fragmenten durchfiihren. Die Kombinationen von Phe 1-16 mit Phe 21-76 (Lit. 2 i) und die von Phe I7-76 mit Phe I - I 5 (Lit. 2 I) hatten etwa 50 % der Akzeptoraktivit/it der tRNA Ph~ (zur Durchffihrung des Tests vgl. Lit. 22). Damit war klar, dass das Viertelfragment Phe 1-16 dem 5'-endst/indigen Bereich der tRNA P~e entstammte, und dass das grosse Fragment Phe 17-76 den fibrigen Teil des Molekfils einschliesslich des CCA-Endes umfasste. Die Beweglichkeit des Fragments Phe 1-16 bei der Diskelektrophorese im 16 °/oigen Polyacrylamidgel lag mit einem Wert von RB = o.6o-o.61 zwischen denen der Fragmente Phe 1-15 (RB = 0.63) und Phe 1-18 (RB = 0.59) ~1, die beide sowohl 5'- wie 3'-Phosphate tragen. Aus der elektrophoretischen Beweglichkeit ergibt sich damit eine Kettenliinge von 15-18 Nucleotiden. Beim Fragment Phe 17-76 das kein endstlindiges Phosphat tragen sollte, deutet der Wert yon RB ---- o.14-o.16 auf eine Kettenl~inge von 56-60 Nucleotiden hin. Die genaue Festlegung der Position in der Dihydroufidin-Schleife, an der die Spaltung stattgefunden hatte, gelang durch die Bestimmung des HydroxyuridinGehaltes der beiden Fragmente. Wenn das Fragment Phe 1-16 unter Bedingungen, bei denen Dihydrouridinen reduziert wird ~8,24, mit NaB3H4 behandelt worden war, wurde bei der analytischen Diskelektrophorese eine einheitliche Bande beobachtet, die Radioaktivit/it enthielt. Da alle anderen Nucleotide des Fragments unter diesen Bedingungen nicht mit NaBH 4 reagieren u, zeigte dieser Befund, dass das Fragment mindestense in Dihydrouridinen enthielt. Von den Nucleotiden 17-76 der tRNA phe sind mehrere reduzierbar, so dass beim Fragment Phe 17-76 der DihydrouridinNachweis durch Messung der Extinktion bei 235 nm bei pH 13 (Lit. 25) durchgelfihrt wurde. Mit dieser Methode wurden 0.85 Mol Dihydrouridin/Mol Phe 17-76 gefunden (I A~60nm-Einheit Phe 17-76 ~ 2.0 nMol). Im Parallelversuch wurde fiir tRNA Ph~ ein Wert von 1.7 Mol Dihydrouridin/Mol tRNA erhalten. Diese Ergebnisse zeigen, dass die beiden Fragmente durch eine Spaltung der Phosphodiesterbindung zwischen den beiden Dihydrouridinen in der Dihydrouridin-Schleife der tRNA vh~ gebildet wurden. Mg~+-katalysierte Spaltung der tRNA P_h{~und der Kombination der Halbmolekiile Phe x-36 and Phe 38-76 Bei der Behandlung der tRNAP~ mit Alkali in Gegenwart von Mg~+ (Mg~+/P = 15) wurde ein/ihnliches Fragmentmuster wie bei tRNA Phe erhalten (vgl. Abb. IA); der Anteil der Halbmolekfile war h6her. Ob die Spaltung an der treien Ribose der tRNAPh~, die Halbmolekfile liefert, nur auf die auch unter alkalischen Bedingungen stattfindende fl-Eliminierung 36 zurfickgeht, oder ob die Phosphorsliureesterbindung am C-Atom(3) der freien Ribose auch labil gegeniiber der Spaltung durch Mgz+ ist,
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kann nicht entschieden werden. Nimmt man an, dass tRNAP__~ wie t R N A Phe in der Dihydrouridin-Schleife gespalten wird, so sollte bei der Spaltung das Fragment Phe 17-76 (--Y) entstehen. Eine Umsetzung dieses Fragments mit Anilin sollte unte Spaltung an der Y-Position 1°,se das Halbmolekfil Phe 38-76 und das Fragment Phe i7-36 liefern. Entsprechende Versuche, bei denen die Produkte der unter verschiedenen Bedingungen durchgeffihrten Alkalibehandlung der tRNAPh{, mit Anilin umgesetzt wurden, zeigt Abb. 4. Wurde die Inkubation mit Alkali in Abwesenheit yon Mg 2+ vorgenommen, so ergab sich nach der Anilinbehandlung das Fragmentmuster der Spaltung an der mTG-Position11 (Abb. 4A). Dagegeu lieferten die Alkalibehandlung in Gegenwart yon Mg 2+ und die anschliessende Reaktion mit Anilin das Fragmentmuster der Abb. 4 B. Die elektrophoretische Beweglichkeit des neu auftretenden Fragments entsprach der ffir das Fragment Phe 17-36 erwarteten. Zusatz yon 7 M Harnstoff unter sonst gleichen Bedingungen wie in Abb. 4 B brachte das Muster der spezifischen Mg2+-Spaltung v611ig zum Verschwinden und fiihrte zu verstiirktem unspezifischen Abbau (Abb. 4C). Beim Ansatz ohne Mg*+ bewirkte der Zusatz von
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LAUFSTRECKE
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(cm)
Abb. 4. Densitogramme der tlRNAP~t._Ynach Alkalibehandlung und Anilinspaltung. 5.5 A2s0umEinheiten tRNAP_~/ml wurden in o.o5 M Tris-HC1, pH 9-5, bei 5° °C inkubiert wie folgt: (A) ohne Mg2+, 2 Std.; (B) mit io mM MgCls (MgS+]P = I5), 2 Std.; (C) wie (B), jedoch unter Zusatz von 7 M Harnstoff. Nach AnsAuern und Alkoholf~llung wurden alle Proben mit Anilin behandelt und auf Diskelektrophorese getrennt. BB, Bromphenolblau.
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Harnstoff keine )knderung gegentiber der Abb. 4 A. Aus diesen Befunden geht hervor, dass die Spaltung mit Mg 2÷ vSllig unspezifisch abl~tuft, wean die Struktur der tRNA aufgelSst ist, was in 7 M Harnstoff bei 50 °C sicher der Fall ist. Diese Deutung wird noch gestfitzt dulch einen Versuch, bei dem die Fragmentkombination Phe 1-36 und Phe 18-76 und die einzelnen Fragmente unter den Bedingungea der Abb. 4 B, d,h. in Gegenwart yon Mg 2+ behandelt wurden. Dabei wurden die getrennten Halbmolekiile weitgehend abgebaut, ohne dass auf der Diskelektrophorese definierte Banden erschienen. Wurde dagegen das Gemisch der Halbmolektile analog behandelt, so wurde das Muster der spezifischen Spaltung erhalten. Die Untersuchung der thermischen Denaturierung des Gemischs der Halbmolektile zeigte, dass die beiden Halbmolektile sich vereinigea unter Ausbildung einer Struktur, die der Struktur der nativen t R N A Phe /~hnlich i~t 2~. In Gegenwart yon Mg ~+ ist das Assoziat auch noch bei 50 °C stabil. Die Tatsache, dass nur die Kombinatioa der Halbmolektile bei der Behandlung mit Alkali urtd Mg ~+ spezifisch gespalten wurde, zeigt noch einmal, dass die Spezifit/it der Spaltuag vom Vorliegen einer stabilen Konformation der t R N A bzw. der Fragmentkombination abh~ingt.
MgZ+-katalysierte Spaltung der t R N A se' Wurde tRNAI/II Ser in • Gegenwart von Mg 2+ bei p H 9.5 inkubiert, entstanden auch bei dieser t R N A durch spezifische Spaltung definierte Fragmente (Abb. 5). Wahr-
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LAUFSTRECKE ( c m ) Abb. 5. Densitogramm der tRNAI/ns*rnach Alkalibehandlung in Gegenwart yon Mg~+. 5 A~60nmEinheiten tRNA~lrt/ml wurden in o.05 M Tris-HC1, pH 9.5, 4 mM MgC12 (Mg2+/P = 6) 4 Std. bei 5° °C inkubiert. BB, Bromphenolblau.
scheinlich sind die Fragmente I und VI durch eine Spaltung in der DihydrouridinRegion entstanden. Die Fragmente I I und IV haben iihnliche Kettenlitngen wie die beiden dutch enzymatische Spaltung im Anticodon der t R N A set erhaltenen Fragmente 28, so dass sie wahrscheinlich dutch eine Spaltung irl diesem Bereich gebildet worden sin& Die Fragmente wurden nicht n/iher untersucht.
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DISKUSSION
Die Mg2+-katalysierte RNA-Spaltung verlituft wahrscheinlich, wie allgemein die Hydrolyse der Phosphodiesterbindungen in RNA, fiber die intermedi~ire Bildung eines cyclischen Phosphorsiiuretriesters. Dieser Obergangszustand stellt gewisse Anforderungen an die Beweglichkeit der Ribose-Phosphat-Kette, die in den Bereichen des tRNA-Molektils, die durch Stapelung der Basen stabilisiert sind, wie etwa die doppelstriingigen Bereiche, wohl nicht erftillt sind. So kann man annehmen, dass die Spaltung bevorzugt in einzelstr~ingigen Bereichen der tRNA stattfindet. Die Anticodon- und Dihydrouridin-Schleifen sind auch in Gegenwart von Mg2+ durch Nucleasen und chemische Agenzien leicht angreifbar, also in der nativen tRNAStruktur exponiert; dagegen ist die T~C-Schleife geschtitzt, und auch ftir Teile der S-Region wurde ein Schutz gegen chemischen Angriff nachgewiesen ~9,3o. Der Befund, dass tRNA Phe bei hohen Mg2+-Konzentrationen vorwiegend zwischen den beiden Dihydrouridinen in der Dihydrouridin-Schleife gespalten wurde, ist verst~indlich. Die SpezifitAt wird wahrscheinlich wesentlich dadurch bestimmt, dass die nicht-aromatischen Dihydrouracil-Basen keine stabilisierenden Wechselwirkungen mit Nachbarbasen eingehen k6nnen, so dass die Ribose-Phosphat-Kette in ihrer Umgebung am wenigsten starr ist. J~hnlich deuteten Eichhorn et al. 9 ihren Befund, dass Zn2+ unter bestimmten Bedingungen Hefe-RNA bevorzugt zwischen Pyrimidinnucleosiden spaltet. Wenn diese Interpretation zutrifft, muss das tiberraschend geringe Ausmass der Spaltung in der Anticodon-Schleife als Hinweis auf eine starre Konformation dieser Schleife gewertet werden. Auch andere experimentelle Befunde deuten darauf hin, dass eine bestimmte Konformation der Anticodon-Schleife durch Stapelung der Basen stabilisiert ist 31-33. Ein Modell f/i; eine solche Struktur wurde vorgeschlagen3~. Wurde die Spaltung bei niedrigereI1 Mg2+-KonzentrationerI durchgeffihrt, als einem Mg2+/P-Verh~iltnis von etwa 0.5 entsprach, so wurde ein vollkommen anderes Spaltmuster als bei h6heren Mg*+-Konzentrationen erhalten (vgl. Abb. I). Daraus liess sich schliessen, dass beim Unterschreiten dieses Mg2+/P-Verhiiltnisses eine fi~nderung der Konformation der tRNA eintritt. Unter den Fragmenten, die nur bei der niedrigen Mg*+-Konzentration gebildet wurden, war eines, dessen Kettenliinge aus der elektrophoretischen Beweglichkeit zu etwa 66-70 Nucleotiden bestimmt wurde. Demnach muss der Bereich des Akzeptor- oder Dihydrouridin-Stammes yon der Konformations~inderung betroffen sein. Ein Fragment ~thnlidher Kettenliinge wurde bei der PartialspsJtung reversibel denaturierter tRNA Phe mit T1-Ribonuclease erhalten und als Phe 11-76 identifiziert35. M6glicherweise liegt tRNA Phe bei 5o °C und Mg*+/P-Verh~ltnissen kleiner als o.5 in einer Konformation vor, die deI Konformation der reversibel denaturierten tRNA Phe ~ihnlich ist.
DANKSAGUNG
Die Arbeit wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, SFB 51 und den Fonds der Chemischen Industrie unterstfitzt.
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ZUSAMMENFASSUNG
tRNA Phe und tRNAP_h~ werden bei alkalischem pH in Gegenwart von Mg z~ (Mg2+/Internucleotidphosphat /> 0.5) praktisch spezifisch zwischen den beiden Dihydrouridin-Resten in Position 16 und 17 gespalten. Die Reaktiou kann zur Darstellung der Fragmente im pr/iparativen MaBstab benutzt werden. Die Tatsache, dass die Spaltung haupts/ichlich in der Dihydrouridine-Region und nur in geringem Umfang in der ebenfalls einstr~ngigen Anticodon-Region stattfindet, 1/isst sich durch Unterschiede in der Basenstapelung erkl~ren. In Anwesenheit geringerer Mg 2+Konzentrationen (Mg2+/P < 0.5) ist das Spaltmuster von tRNA vhe stark verRndert. In Gegenwart von Harnstoff tritt nur unspezifische Spaltung ein. Die Spezifit~t der Spaltung h/ingt offenbar von der jeweiligen Konformation der tRNA ab. Spezifische Spaltungen in Gegenwart von Mg ~+ werden auch an tRNA set beobachtet.
LITERATUR I 2 3 4 5 6 7 8 9 IO ii 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 3° 3x 32 33 34 35
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