Zbl. Bakt. Hyg. A 262, 462-473 (1986)
Mikrokalorimetrische Untersuchungen an Salmonellen Microcalorimetric Investigations on Salmonella
F . J. ALLERBERGER und M . P. DIERICH Institut fiir Hygiene der Universitat Innsbruck (Vorstand: Prof. Dr. M. P. Dierich), A-6010 Innsbruck
Mit 8 Abbildungen . Eingcgangen 17. Oezember 1985 . Angenommen 13. Februar 1986
Summary We investigated the heat production of 42 different Salmonella strains belonging to the serogroups A, B, C, 0 and E. Using Columb ia- and Brain Heart Infusion Broth as growth media, we found 3 different types of heat profiles. Salmonella typhi and Salmonella cboleraesuis showed thermograms which differed in shape from the remain ing serotypes. The thermograms of one Salmonella dublin isolate which showed an atypical biochemical behaviour could not be put into proper relation to one of these 3 microcalo rimetric types.
Zusammenfassung Die Warmeproduktion von 42 verschiedenen Salmonella-Stiuiunea aus den serologischen Gruppen A, B, C, 0 und E wurde mikrokalorimetrisch untersucht. Bei Verwendung von Columbia- und Brain Heart Infusion Broth fanden sich 3 differente mikrokalorimetrische Kurventypen. Salmonella typhi und Salmonella choleraesuis zeigten je eine eigenstandige, vom Kurventypus der restlichen Salmonellen differente Thermogrammform. Keinem dieser drei Kurventypen liel~ sich das Thermogramm eines, auch im Fermentationsverrnogen arypischen Salmonella dublin-Stammes zuordnen.
Einlcitung Zur Klassifikation von Salmonellen wurde im Laufe der Zeit verschiedensten Methoden Prioritat zugesprochen. Waren es in der medizinisch orientierten Klassifikation friiherer Jahre die pathogenen Eigenschaften, denen das Hauptaugenmerk galt, so wurden sparer, je nach Autor, die Serologie oder das biochemische Ferrnentationsvermogen als Basis fur die Salmonellenklassifikation bezeichnet. Heute wird mit Hilfe der Molekularbiologie der Verwandtschaftsgrad des Genoms ermittelt und klassifiziert, Durch die Entwicklung hochempfindlicher Kalorimetcr ist es moglich, die bei der Vermehrung von Baktericn freigesetzten Warmemengen zu messen , wobei bestimmte
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Keime charakteristische Thermogramme ergeben (1, 5, 9). Uns interessierte, ob auch diese Mikrokalorimetrie eine Unterteilung der Salmonellen erlaubt, und wenn ja, ob Ubereinstimrnung mit einem der bekannten taxonomischen Schemata besteht. Ferner wollten wir wissen, ob Salmonellen, die zu unterschiedlich schweren Krankheitsbildern fiihren, in der bakteriellen Wiirmeproduktion ebenfalls auffallig sind. AuBerdem war die Frage interessant, ob Unterschiede im Fermentationsvermogen und den AntigenKombinationen mit Unterschieden in der thermischen Leistung von Salmonellen einhergehen.
Material und Methoden 1. Mikrokalorimeter: LKB-Geriit 2107/210 (Flow System). In der 0,7 Milliliterfassenden Melszelle dieses Gerates wird die durch das Anwachsen der Bakterien erzeugte Warmemit Halbleiterthermoelementen in Thermostrome umgesetzt. Der Melibereich des Gerates war wahrend unserer Versuche auf 0-30 ItVeingestellt. 2. Flachbettschreiber: LKB 2210 2-Channel Potentiometric Recorder mit einer Vorlaufgeschwindigkeit von 0,5 mm pro Minute. 3. Niihrlosungen: Columbia Broth and Brain Heart Infusion Broth von Gibco Europe, jeweils mit Zusatz von 0,5% Tween 80 von Serva. 4. Versuchsdurchfiihrung: Fur die Darstellung der mikrokalorimetrischen Aktivitat der anwachsenden Bakterienkulturen wurden500 ml Nahrrnedium mit 5 ml Bakteriensuspen-
I-&J. sec'
200
= 2 mA
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....... 0
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Zeit
(Stunden)
Abb. 1. Thermogramm der Kalibrierung.
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sion (fiinfstiindiges Bebriiten nach Einreiben einer Einzelkolonie) beimpft. Die Ausgangskeimzahl der beimpften Bouillonen betrug circa 1000000 Keime pro Milliliter. Das beimpfte Nahrmedium wurde unter stiindigem Riihren mit einem Magnetriihrer im Wasserbad bei 35° bebriitet und mit einer Schlauchpumpe (Leistung 25 ml/h) durch das Mikrokalorimeter gesaugt, wobei das Nahrmedium nach Passieren des MelSgeriites in einem eigenen GefiilS gesammelt und verworfen wurde. 5. Eichung: Zur Kalibrierung des MelSsystems wurde unbeimpfte Columbia Broth unter den gleichen Bedingungen wie in den spateren Experimenten durch das Mikrokalorimeter gepumpt und eine bekannte Wiirmemenge eingespeist. Durch einen im Geriit installierten Kalibrierungswiderstand (49,92 Ohm) kann kontinuierlich Strom (2 Milliampere) geleitet werden. Die Wiirmemenge W errechnet sich aus der Gleichung W = 12 * R Watt, wobei 1fur die gewahlte Starke des StromflulSes und R fur den elektrischen Widerstand steht. Bei bekannter Wiirmeleistung W und bekannter Spannung E (Voltmeter bzw. Flachbettschreiber) wird eine "Kalibrierungskonstante" errechnet. Mit dieser Kalibrierungskonstanten liilSt sich an Stelle der vom Geriit angezeigten Spannung E die pro Sekunde produzierte Wiirme in ftJlsec ablesen. Abb. 1 gibt die bei der Eichung erhaltene Kurve wieder. 6. Testkeime: Die Serotypie der in Tabelle 1 wiedergegebenen 42 Salmonella-Stiimme wurde an den Salmonella-Zentralen Graz und Hamburg durchgefuhrt,
Tabelle 1. Auflistung der 42 untersuchten Salmonella-Stamme Anzahl
Spezies
Antigene
Gruppe A
2
S. paratyphi A
1,2,12:a:-
Gruppe B
2 1 1 1 1 4 3
S. agona S. bredeney S. haifa S. heidelberg S. paratyphi B S. saintpaul S. typhimurium
4,12: f,g,s:1,4,12,27:1,v:l,7 1,4,5,12:z lO : 1,2 1,4,5,12:r:l,2 1,4,5,12:b:l,2 1,4,5,12:e,h:l,2 1,4,5,12:i:l,2
Gruppe C 1
1 3 1 1 2 1 1
S. braenderup S. choleraesuis S. infantis S. oranienburg S. paratyphi C S. virchow S. virchow
6,7:e,h:e,n,z15 6,7:c:l,5 6,7:r:l,5 6,7:m,t:6,7,Vi:c:l,5 6,7:r:l,2 6,7:r:l,2 (rnucoser Stamm)
Gruppe C2
1
S. newport
6,8:e,h:l,2
3
2 8
S. dublin S. enteritidis S. typhi
1,9,12:g,p:1,9,12:g,m:9,12,Vi:d:-
Gruppe E1
1 1
S. give S. orion
3,1O:I,v:l,7 3,10:y:l,5
Sonstige
1
rauher Stamm
Gruppe D 1
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Ergebnisse Bei Verwendung von Columbia Broth, einem hochwertigen Nahrmedium nach Ellner (1966), fanden wir folgende Ergebnisse: 1. Mit Ausnahme der Salmonella typhi- und Salmonella choleraesuis-Stiimme, sowie dem Stamm Nr. 1662 K (Salmonella dublin) zeigten die untersuchten SalmonellaSrarnrne bei Wachstum in Columbia Broth unabhiingig von Antigen-Forme! und von Unterschieden im Fermentationsvermogeneine einheitliche Kurvenformihrer Thermo-
Hu so, n
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~---2
Zeit
(Stunden ) COLUMBIA
Abb. 2. Thermogramme von S. enteritidis Stamm Nr. H 8730/85 (= 1), S. braenderup Stamm Nr. T 2728/85 (= 2), S. typhimurium Stamm Nr. T 4759/85 (= 3), S. oranienburg Stamm Nr. A 8919/85 (= 4).
BROTH
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gramme. Auch die 5 Salmonella paratyphi-Sissxm«, der mukose Stamm von Salmonella virchow und der rauhe Stamm zeigten keine Unterschiede gegeniiber diesem mikrokalorimetrischen Keimprofil. Die 29 Salmonella-Sssmme der serologischen Gruppen A, B, C, D und E stammten sowohl von "gesunden" Salmonella-Ausscheidern als auch von Patienten, weIche akut an einer Salmonellose erkrankt waren. Diese Unterschiede in der Herkunft der Stamme hatten keinen Einfluf auf die mikrokalorimetrische Aktivitat, Zur Dokumentation werden die Kurven folgender Keime vorgelegt: S. enteritidis (Stamm Nr. H 8730/85) aus dem Ham eines zweiundfunfzigjahrigen Patienten mit Urosepsis; S. braenderup (Stamm Nr. T 2728/85) isoliert aus dem Stuhl einer Einundvierzigjahrigen im Rahmen einer Umgebungsuntersuchung;
1
2
'41
3
4
Zeit
(Stunden) COLUMBIA
Abb. 3. Thermogramme von S. typhi Stamm Nr. 954 (= 1), Stamm Nr. 529 (= 2), Stamm Nr. 545 (= 3), Stamm Nr. 547 (= 4).
BROTH
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S. typhimurium (Stamm Nr. T 4759/85) aus einer Stuhlprobe einer an Diarrhoe erkrankten Neununddreifsigjahrigen; S. oranienburg (Stamm Nr. A 8919/85) aus einer, wegen Cholecystitis operativ entfernten Gallenblase einer sechsundsechzigjiihrigen Patientin. Bei diesen, in Abb. 2 dargestellten Thermogrammen fand sich circa 90 Min. nach Inokulation des Nahrrnediurns ein erster Peak. Der Abfall der thermischen Leistung ging in einen erneuten Anstieg, dessen Maximum 160 bis 180 Min. nach Versuchsbeginn erreicht war, iiber. Der steil abfallende Riickgang zu einer Basislinie wurde durch ein etwa 90 Min. dauerndes Intervall, in welchem der thermische Abfall nur langsam vor sich ging, unterbrochen. Dieses Intervall zeigte multiple, vielgestaltige Schwankungen. 41/2 bis 5 Std. nach Beimpfen der Columbia Broth war die Basislinie erreicht. 2. Die Thermogramme der von uns gepriiften 8 Salmonella typhi-Stiimme hatten eine uniforme, eigenstiindige Kurvenform, die sich deutlich von der anderer untersuchter Serotypen unterscheidet. Auf einen Peak, der 90 Minuten nach Inokulation der Columbia Broth auftrat, folgte nach kurzem Abfall der Wiirmeproduktion ein zweiter, konvex geformter Gipfel, welcher unter zunehmender Verflachung in eine Basislinie iiberging. Bei 6 von 8 gepriiften Salmonella typhi-Stiimmen fand sich circa 71/2 Std. nach Versuchsbeginn eine, durch einen Abfall der Wiirmeleistung urn etwa 20 I-lJlsec bedingte, stufenformige Unterbrechung dieses Kurvenverlaufes. Bei allen 8 Salmonella typhiStammen war im ansteigenden Kurventeil des zweiten Gipfels eine leichte Einkerbung
Zeit
(Stunden) COLUMBIA
Abb. 4. Thermogramme von S. choleraesuis Stamm Nr. 211 K (= 1), Stamm Nr. IP 417/68 (= 2), Stamm Nr. 34 K (= 3).
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zu finden. Die gepniften Stamme hatten die Lysotypen 28, B2, E1, A, F1 und B2; bei einem Stamm war uns der Lysotyp nicht bekannt, ein Stamm war degradiert. Ein Einfluf der verschiedenen Lysotypen auf die Form der Thermogramme war nicht feststellbar. In Abb. 3 sind 4 Salmonella typhi-Thermogramme wiedergegeben. 3. Charakeristische gemeinsame Merkmale hatten auch die Thermogramme der von uns gepruften 3 Salmonella choleraesuis-Stiimme. Die zweigipfeligen Kurven zeigten den ersten Gipfel3% Std. und den Ubergang in eine Basislinie circa 8 Std. nach Beimpfen der Columbia Broth. 5 bis 6 Std. nach Versuchsbeginn fand sich das Maximum des
~""------""--2
T . , •• I II
-------3
A •• 11 , I I
............_ r - - - - - - - 4
Zeit
(Stunden)
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Abb. 5. Thermogramme von S. enteritidis Stamm Nr. H 8730/85 (= 1), S. braenderup Stamm Nr. T 2728/85 (= 2), S. typhimurium Stamm Nr. T 4759/85 (= 3), S. oranienburg Stamm Nr. A 8919/85 (= 4).
HEART
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zweiten Gipfels, der vor dem Abfall zur Basislinie eine Verflachung im Kurvenverlauf aufwies. Abb. 4 zeigt die Thermogramme der gepriiften Salmonella choleraesuisStamme. 4. Uber das Thermogramm des Salmonella dublin-Stammes Nr. 1662 K wird im Anschluf an die bei Verwendung von Brain Heart Infusion Broth erzielten Ergebnisse berichtet. Bei Verwendung von Brain Heart Infusion Broth, einem hochwertigen Allzweckmedium nach Rosenow (1919), zeigten die gepriiften 42 Salmonella-Stamme folgende mikrokalorimetrische Eigenschaften: 1. Mit Ausnahme der Salmonella typhi- und Salmonella choleraesuis-Stamme sowie dem Stamm Nr.: 1662K(Salmonella dublin) fand sich bei allen untersuchten Salmonella-Stammen bei Wachstum in Brain Heart Infusion Broth ein zweigipfeliges Thermogramm mit folgenden Gemeinsamkeiten: Circa 90 Min. nach Versuchsbeginn fand sich ein erster Peak. Der nach kurzem Abfall der Warmeproduktion folgende Anstieg zum
•••
...
•••
5' 7
~----4
Zeit
(Stunden) BRAIN
Abb. 6. Thermogramme von S. typhi Stamm Nr. 954 (= 1), Stamm Nr. 529 (= 2), Stamm Nr. 545 (= 3), Stamm Nr. 547 (= 4).
HEART
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zweiten Gipfel verlief annahernd geradlinig und mit geringerer Steigung als der abfallende Schenkel,welcher circa 3Y2 Std. nach dem Beimpfendes Mediums stumpfwinkelig zu einer Basislinie abfiel. In der Ausbildung des Maximums des zweiten Gipfels und der Form der bei der Halfte der Stamme zu beobachtenden Unterbrechung im abfallenden Schenkel zeigte sich keine Uniformitat. Salmonella paratyphi-Stiimme und der mukose Stamm von Salmonella virchow zeigten keine Unterschiede gegeniiber diesem, in Abb. 5 dokumentierten Keimprofil. 2. Die Thermogramme der von uns gepriiften 8 Salmonella typhi-Stiimme zeigten bei Verwendung von Brain Heart Infusion Broth einen eigenstandigen, uniformen Kurventypus. Einen ersten, circa 110 Min. nach Versuchsbeginn auftretenden Peak sowie eine leichte Einkerbung im ansteigenden Schenkel des zweiten Gipfels mit stufenforrnigem Abfall zur Basislinie fanden wir bei allen von uns untersuchten Salmonella typhiStammen. Abb. 6 zeigt die Thermogramme von 4 differenten Lysotypen. 3. Ein eigenstandiges Thermogramm boten auch die 3 Salmonella choleraesuisStarnme, 31/2 Std. nach Beimpfen der Brain Heart Infusion Broth zeigte sich ein erster Peak, 61/2 Std. nach Versuchsbeginn fand sich der Obergang des zweiten Gipfels in die Basislinie. Unterschiede zwischen den in Abb. 7 dokumentierten Thermogrammen fanden sich in der Ausformung des Maximums und des absteigenden Schenkels beim zweiten Gipfel.
1
2
3
Zeit
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BRAIN
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Abb. 7. Thermogramme von S. choleraesuis Stamm Nr . 211 K (= 1), Stamm Nr. TP 417/68, (= 2), Stamm Nr. 34 K (= 3).
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4. Beim Stamm Nr. 1662 K handelte es sich urn einen von drei gepruften Salmonella dublin-Stammen. Dieser Stamm besag ein von allen anderen untersuchten Stammen differentes mikrokalorimetrisches Keimprofil, welches in Abb. 8 wiedergegeben ist. Die mikrokalorimetrische Aktivitat bei Wachstum in Brain Heart Infusion Broth ergab einen Kurvenverlauf mit drei Peaks. 11/2,4und 51/2 Std. nach Versuchsbeginn fanden sich Maxima. Bei Verwendung von Columbia Broth erhielten wir ein zweigipfeliges Thermogramm, welches nach 3 stiindiger Bebriitung einen ersten Peak zeigte. Eine Einkerbung sowie ein fliegender Ubergang zur Basislinie kennzeichneten die Form des zweiten Gipfels. Von den 42 untersuchten Salmonelia-Stiuusoai war nur bei diesem Stamm 1662 K aufgrund eines atypischen Ferrnentationsvermogens eine biochemische Identifizierung als Salmonella mittels api 20 Enterobacteriaceae-System von API System S. A. nicht mogiich. Der Stamm zeigte eine positive Oj-Phagenreaktion und folgende Bunte Reihe: ONPG-, ADH-, LDC +, ODC-, CIT -, H2S-, URE-, TDA-, IND-, VP-, GEL-, GLU +, MAN +, INO-, SOR +, RHA +, SAC-, MEL +,AMY -, ARA-und OX-.
Diskussion
Delin, Monk u. Wadso zeigten 1969, daf Escherichia coli bei Verwendung eines Durchflufs-Mikrokalorimeters charakteristische Thermogramme ergibt und vermuteten, daf es niitzlich sei, Thermogramme zur Charakterisierung von Mikroorganismen
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Abb. 8. Thermogramme von S. dublin Stamm Nr. 1662 K.
BRAIN
HEART
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einzusetzen (3). 1973 berichteten Boling, Blanchard u. Russell iiber den Einsatz der Mikrokalorimetrie zur Differenzierung von Bakterien und zwei Jahre sparer iiber hierbei beobachtete Probleme bei Anwendung von Brain Heart Infusion Broth (7). Wir untersuchten die Warmeproduktion von 42 verschiedenen Salmonella-Ssssxsna: aus den serologischen Gruppen A, B, C, D und E bei Wachstum in Brain Heart Infusion Broth und Columbia Broth. Die Messung der bei der Vermehrung von Bakterien freigesetzten Warmemengen erlaubte es, die von uns gepriiften Salmonella-Stamme mit Ausnahme des Salmonella dublin-Stammes Nr. 1662 K aufgrund unterschiedlicher Thermogramme 3 mikrokalorimetrisch differenten Gruppen zuzuordnen. Salmonella typhi, Salmonella choleraesuis sowie die Gruppe der restlichen Serotypen zeichneten sich durch eigenstandige Thermogramme aus. Bei Salmonella paratyphi A, S. agona, S. bredeney, S. haifa, S. heidelberg, S. paratyphi B, S. saintpaul, S. typhimurium, S. braenderup, S. infantis, S. oranienburg, S. paratyphi C, S. virchow, S. newport, S. dublin (ausgenommen dem Stamm Nr. 1662 K mit atypischem Fermentationsvermogen), S. enteritidis, S. give, S. orion und dem rauhen Stamm waren trotz unterschiedlicher 0- und H-Antigene und verschiedenem Fermentationsvermogen bei Wachstum in Columbia Broth keine signifikanten Unterschiede in der mikrokalorimetrisch registrierten Warmeproduktion festzustellen. Bei Verwendung von Brain Heart Infusion Broth zeigten die vorgenannten Stamrne wieder mit Ausnahme des Stammes Salmonella dublin Nr. 1662 K Thermogramme mit gemeinsamer Grundform, aber Unterschieden in der Ausbildung der Spitze und des abfallenden Schenkels beim zweiten Kurvengipfel. Variationen zwischen Stammen einer Spezies wurden bereits 1975 von Russel et al. bei der mikrokalorimetrischen Anwendung von Brain Heart Infusion Broth beschrieben (8). Ahnlich konfigurierte Thermogramme fanden wir in friiheren Untersuchungen fiir Escherichia coli, Citrobacter spp. und vereinzelt bei anderen Enterobakterien, wie Z. B. Proteus-Stammen. Salmonella typhi zeigte ein eigenstandiges mikrokalorimetrisches Profil. Lignieres hat, als er im Jahre 1900 den Namen "Salmonella" fur dieses Genus der Enterobacteriaceae vorschlug, Typhus-Bazillen nicht zur Salmonella-Gruppe gerechnet. Salmonella typhi unterschied sich mikrokalorimetrisch eindeutig von allen anderen, von uns gepriiften Serotypen. Die Uniformitat der Typhus-Thermogramme - auch unter Anwendung von Brain Heart Infusion Broth - fallt besonders auf. Auch Salmonella choleraesuis, 1891 von Smith als Hogcholerabazillus erstmals beschrieben, ergab Thermogramme mit charakteristischen Eigenheiten. Die maximale thermische Leistung wird von S. choleraesuis deutlich sparer als von den anderen gepriiften Serotypen erreicht. Vor den genetischen Untersuchungen von Crosa et al. und Le Minor et al., die zeigten, daB die Stamme der Salmonella-Gruppe eine sehr enge Verwandtschaft aufweisen und als eine Spezies angesehen werden miissen, bestanden iiber die Klassifikation von Salmonellen sehr unterschiedliche Auffassungen (2, 6, 7). Kauffmann erhob aile im Kauffmann-White-Schema angefiihrten und serologisch definierten Stamme zu Spezies und lehnte den "verfehIten" Vorschlag von Ewing, der nur 3 biochemisch definierte Spezies vorschlug, ab (5). Ewing unterteiIte das Genus Salmonella in 3 Spezies: Salmonella choleraesuis, Salmonella typhi und Salmonella enteritidis; aile iibrigen serologisch abgrenzbaren Starnme wurden als Serovare der Spezies enteritidis zugeordnet (4). Jeder dieser drei biochemischen Spezies ordnen die Ergebnisse unserer Untersuchungen ein eigenstandiges mikrokalorimetrisches Keimprofil zu. DaB der Stamm Nr. 1662 K (einer von 3 gepruften Salmonella dublin-Stammen), der als einziger von 42 Keimen mit dem api 20 Enterobacteriaceae-System nicht als Salmonella identifiziert
M ikrokalorimetrische Unter suchungen an Salmonellen
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werden konnte, auch mikrokalorimetrisch ein von den an deren Stammen differentes Keimprofil zeigt e, best atigt ebenfalls die Korrelan z zwi schen biochemischer Fermentation und mikrokalorimetri sch registrierter thermisch er Leistung und scheint un s be sonders beachtenswert. Keine Beziehung fand sich zwischen der bakteriellen W armeproduktion und den verschiedenen 0- und H-Antigenen . Au ch zwi schen dem Schweregra d des klin ischen Krankheitsbildes und der thermischen Leistung war, abges ehen von Salmonella typhi und Salmonella choleraesuts, kein Zusammenhang feststellb ar. Salmonella typhi und Salmonella cbole raesuis gelten neben den Erregern de s Par at yph us aufgrund der Schwere der von ihnen verursachten Erkrankungen als besonder s wichtig und ergaben ch ar akteristische, diagnostisch ver wertbare Thermogramme. Angesichts der Tatsache, daB heute mit biochemischen und serologischen Methoden eine Bestimmung der Salmonellen typischerweise geling t, kann die Mikrokalorimetrie als Methode fur die Routine-Di agnostik nicht empfohlen w erden. In Referenzzentren konnte sie jedoch neben herkornrnlichen Methoden Anwendung finden, z. B. zur Di agnostik bei rauhen Stamme n. Daruber hinaus bieten die char akteristischen, rep roduzierb ar en Thermogramme die Moglichkeit zur An w end un g bei Untersuchungen der An tibioti ka-Wi rkung auf Bakterien (9) und zu r Kontrolle der N ahrbodenqualir at .
Danksagung. Wir danken Herrn Prof. Dr. J. Bockemiibl (Salmonella-Z entrale Hamburg) und Herrn HR Dr. W. Thiel (Salmonella-Zentra le Graz) fiir die serologische Typisierung der Teststamme ,
Literatur
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