Neues zur Teratologie der Resedenblüte

Neues zur Teratologie der Resedenblüte

KURZE MITTEILUNG N eues zur Teratologie der Resedenbliite Von Hildmar Scholz Mit 1 Abbildung im Text (Eingegangen am 23. Dezember 1956) Im Herbst 1...

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KURZE MITTEILUNG

N eues zur Teratologie der Resedenbliite Von

Hildmar Scholz Mit 1 Abbildung im Text (Eingegangen am 23. Dezember 1956)

Im Herbst 1955 wurden auf Ruderalgelande in Berlin (Triimmerschiittungen am Reichstag) einige auffallig vergriinte Exemplare von Reseda lutea L. beobachtet. Eine erste Betrachtung zeigte sie in treffender ebereinstimmung mit den in der Literatur vielfach abgehandelten Beschreibungen und Abbildungen (s. PENZIG 1921 und HENNIG 1930). Die Bliiten der Infloreszenzen befanden sich spitzenwarts nach anfanglicher Verlangerung und Vergro13erung des parakarpen Fruchtknotens in fortschreitender Auflosung bis zum Zustand wiederholter axillarer Durchwachsung. An laubblattartig entwickelten Karpellen waren stets die Plazenten vollstandig geschwunden. Allein in drei (unter etwa 100 praparierten) keulenartig verformten Fruchtknoten fiel eine Bildung ins Auge, die offensichtlich, wie nachgewiesen wird, noch nicht einwandfrei beo bachtet wurde. Im unteren Drittel des Placentargewebes trug der Funiculus mit blattartig vergriinter Samenanlage einen infolge der beengten Lage gekriimmten Staubblattspro13. In einer von den drei Bliiten fanden sich sogar zwei derartige Gebilde (von denen der gro13te in der beistehenden Abbildung naturgema13 wiedergegeben ist). Die Achsen der Sprosse selbst gaben durch ihren wulstigen Charakter der Erscheinung ein durchaus pathologisches Aussehen. Chlorophyllfiihrende Teile wurden an ihnen nicht gesehen. Die Antheren verrieten durch ihre schwach gelbe Farbung, daB Pollenentwicklung eingeleitet wurde. Als vor 100 Jahren die Knospennatur der Samenanlage diskutiert wurde, kamen schon einmal ,Placentarsprosse" bei Reseda zur Sprache. WIGAND au13ert sich tiber Mi13bildungen an R. lutea 1850: ,Zunachst finden wir ... die Samenknospe in allen Stufen der Zweigbildung, wobei manche ziemlich verlangerte Zweige, sogar oben mit Antheren versehen,

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cine An deutung zur Bhitenbildung zeigen." Aber 'veder CELAKOVSKY 1878 noch PEYRITSCH ] 878, die sich beide sehr ausftihrlich mit Resedenvergrunungen beschiiftigt hatten, konnten Sprosse im Placentarbereich ausfindig machen. Auch HENNIG 1930 konnte schlieLHich nach neuerlicher Untersuchung sehr reichhhaltigen Resedenmaterials ,niemals . . . die W eiterentwicklung einer Samenanlage zu einem SproBchen beobachten", und sie meint weiterhin: , wo sich in der Literatur Angaben daruber Iinden, beruhen dicse sicher auf einer Verwechslung mit grundstiindigen Knospen" (Achselknospen der Karpelle). Mit diesen W orten wurde der zweifelhaften Mitteilung von WIGAND 1850 eine vorschnelle und einseitige Deutung gegeben. Der heutige Befund an Reseda steht in guter tJbereinstimmung mit Entwicklungsanomalien von- Vertretern anderer Pflanzenfamilien, zumal der Cruciferen (s. z. B. GoEBEL 1928, p. 445 ). Sie alle zeigen, daB Zellgruppen in den Achseln vcr--d laubter Integumente zu SproBbildungen auswachsen kiinnen, Abb. 1. FunicularsproB mit Staubblattern ohne daB diese als Achselsprosse im Fruchtknoten einer teratologischen Bliite von Reseda lutea L. a Nucellus; b inneres der Carpelle angesprochen werden Integument, verlaubt; c Funiculus; d Pladurfen. HENNIG (l. c.) erwiihnt centa. (Orig.) Placenten mit ,Hiickerchen embryonalen Gewebes, die, wenn sie an dem Funiculus einer Samenanlage zu liegen kommen, mit diesem verschmelzen und emporwachsen". Da sie diese nur zu morphologisch bedeutungslosen blattartigen Bildungen (Funicularspreiten) sich entwickeln sah, ist es wohl nicht angebracht, die doch immer genau am Grunde des Integuments inserierten Sprosse auf jene embryonalen Gewebeteile zu grunden. Sprosse im Bereich der Samenanlage kiinnten als Funicularsprosse bezeichnet werden. Ob echte Placentarsprosse in der Natur zu finden sind, erscheint zweifelhaft. FlUchtig hingeworfene Bemerkungen dieser Art von einzelnen Autoren lassen eher auf eine Verwechslung mit unvollstiindig verlaubten (zwei Integumente

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tragenden) Samenanlagen schlie13en. Trotz einzelner V ersuche, die potentielle Entwicklungsmi:iglichkeit des Funiculargewebes morphologisch auszudcuten, soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden. Betreffs der Atiologie dcr Resedenvergrtinung darf wohl die Vermutung geau13ert werden, da13 Viren des Stolbur- oder big-bud-Typs cine entscheidende Bedeutung zukommt. (RYSHKOW 1939, 1952).

Literatur CELAKOVSKY, L., 1878. Uber Chloranthien der Reseda lutea. Bot. Ztg. GoEBEL, K., 1928. Organographie der Pflanzen 1, 3. Aufl. - HENNIG, L., 1930. Beitriige zur Kenntnis der Resedaceenbliite und -frucht. Planta 9, 3. - PENZIG, 0., 1921. Pflanzenteratologie, 2. Bd., 2. Aufl. - PEYRITSCH, J., 1878. Uber Placentarsprosse. Sitzgsber. Akad. Wiss. Wien, Math.-nat. Kl. 1. Abt. - RYSHKOW, W. L., 1939. Vergriinung der Bliiten vom Standpunkt der Entwicklungsmechanik. Biologia generalis 14. - Ders., 1952. Die Systematik der Viren in der modernen Literatur. Microbiologia 4 (russ.), dtsch.: Sowjetwissenschaft, Naturw. Abt. 6 (1953). -- WIGAND, A., 1850. Grundlegung der Pflanzenteratologie. Marburg.

Anschrift des Verfassers: Dr. HILDMAR ScHoLz, Berlin NW 21, Perleberger Str. 36.