Osteopathische Medizin
PRAXIS
Osteopathische Behandlung der Nebennieren Jean-Pierre Barral
Zusammenfassung
Abstract
In der Osteopathie wird manchmal von der viszeralen Manipulation bestimmter Organe gesprochen. Das Problem dieser Behandlung ist, dass wir unsere Aktion nicht ausschließlich und direkt auf die Nebennieren richten können. Bei Techniken für die Nebennieren werden zumindest auch die Nieren behandelt, die selbst mit anderen Organen verbunden sind. Normalerweise führt die Aktivierung der Nebennieren zur Beschleunigung des Pulses, die Erhöhung des Blutdrucks findet erst im zeitlichen Verlauf statt, wobei die Techniken indirekt wirken und vor allem der Verbesserung der Blutversorgung dienen.
Osteopathy sometimes refers to the visceral manipulation of certain organs. The problem with this treatment is that we can’t focus our action exclusively and directly on the adrenal gland. Adrenal techniques treat at least the kidneys as well, which are themselves linked to other organs. Normally the activation of the adrenal glands leads to the acceleration of the pulse, while the increase of the blood pressure takes place later, with the techniques acting indirectly and mainly serve to improve the blood supply.
Schlüsselwörter viszerale Manipulation, Anatomie, Nebenniere, Glandula adrenalis, Glandula suprarenalis
Präsentation In der Osteopathie wird manchmal von der viszeralen Manipulation bestimmter Organe gesprochen, die in Ärztekreisen Verwunderung und gelegentlich Entsetzen auslösen. Kann man alles manipulieren? Inwieweit sind viszerale Manipulationen objektiv nachzuvollziehen? Wo verläuft die Grenze zwischen Realität und Fantasie? Bei manchen Organen spürt man nach der Behandlung in der Palpation eine
Keywords visceral manipulation, anatomy, adrenal gland, suprarenal gland, glandula adrenalis, glandula suprarenalis
Veränderung. Bei der Leber, den Nieren, der Zervix, der Radix mesenterii, der Prostata kann man nach der Behandlung tatsächlich eine Veränderung in der Mobilität des Organs und eine Entspannung der Gewebe erkennen. Aber wie verhält es sich mit den Nebennieren? Bei einem Gewicht von 3,5–5 g kann man nicht wirklich von einer direkten mechanischen Beeinflussung sprechen. Tatsächlich sind diese Drüsen palpatorisch nicht oder nur mit viel Fantasie ertastbar. Wir glauben, dass
Diaphragma
Kurzer anatomischer Überblick Die Nebennieren liegen den Nieren auf und haben die Form einer Pyramide (Abb. 1) und zählen wie die Nieren zu den retroperitonealen Organen. Sie sind 3–5 cm hoch und 2–3 cm breit. Sie werden durch die Fascia renalis verstärkt und sind über diese Faszie mit den Crura des Diaphragmas verbunden. Sie sind von fettzellenhaltigem Bindegewebe umgeben und von den Nieren durch ein dünnes Septum der Fascia renalis getrennt. Der Abstand zwischen den medialen Rändern der beiden Nebennieren beträgt 4–5 cm. Die Nebennieren liegen nahe am Hiatus aorticus, durch den neben der Aorta auch der Ductus thoracicus und die V. azygos verlaufen. Anmerkung Bei einer Nierenptose folgen die Nebennieren den Nieren nicht nach kaudal.
Unterschiede zwischen der rechten und der linken Nebenniere
A. suprarenalis dextra Rechte Nebenniere
wir manchmal auf diese Drüsen einwirken können, indem wir die Strukturen und Organe behandeln, die sie umgeben, wie etwa das Diaphragma, die Leber, die Nieren und vor allem das Gefäß- und Nervensystem.
Linke Nebenniere
V. cava inferior A. mesenterica superior A. ovarica/ testicularis dextra
V. renalis sinistra A. mesenterica inferior
M. psoas major
Abb. 1: Anatomie der Nebennieren
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Rechte Nebenniere • Sie liegt auf Höhe von Th11. • Sie hat eine Pyramidenform und liegt dem oberen Nierenpol fester auf als die linke Nebenniere. • Sie liegt ventral und lateral des Crus diaphragmatis.
20. Jahrg., Heft 4/2019, S. 4–9, Elsevier GmbH, www.elsevier.com/locate/ostmed
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• Sie hat ventral und medial Kontakt mit der V. cava inferior. • Sie hat ventral und lateral Kontakt zur Leber und zum Duodenum. Linke Nebenniere • Sie liegt auf Höhe von Th11–Th12. • Ihre Form ist weniger pyramidenartig und ähnelt mehr einem Hörnchen. • Im Gegensatz zur rechten Nebenniere liegt sie medial und ventral der linken Niere. • Sie hat Kontakt zum linken Crus des Diaphragmas, zum Magen, zum Pankreas und zur Milz.
Wichtige Lagebeziehungen Die beiden Nebennieren liegen im oberen Abschnitt der Nierenloge und werden von der Niere durch ein Septum getrennt. Sie befinden sich in der Region des Plexus coeliacus, wo – von rechts nach links – folgende Strukturen liegen: • V. cava inferior • Crus dextrum des Diaphragmas • Ganglion coeliacum • Truncus coeliacus • A. mesenterica superior • Crus sinistrum des Diaphragmas
Vaskularisation Wie alle endokrinen Drüsen brauchen auch die Nebennieren ein umfangreiches Gefäßsystem. Die Aa. suprarenales teilen sich in ungefähr 50 Arteriolen auf, die die Nebennieren durchziehen (Abb. 2).
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A. suprarenalis media • Ein Ast der Pars abdominalis der Aorta. Sie befindet sich auf Höhe von L1.
A. suprarenalis superior sinistra
A. suprarenalis superior dextra V. suprarenalis dextra
A. suprarenalis media
A. suprarenalis inferior dextra
V. suprarenalis sinistra
A. mesenterica superior
V. ovarica/ testicularis sinistra A. ovarica/ testicularis sinistra
V. ovarica/ testicularis dextra
Linker Ureter
Abb. 2: Vaskularisation der Nebennieren
A. suprarenalis inferior • Sie entstammt der A. renalis • Sie liegt auf Höhe von Th12 oder des Diskus zwischen L1 und L2. Die Aa. suprarenales media und inferior können über Manipulationen der Niere aktiviert werden.
Wir erinnern daran, dass die linke V. renalis auch die linke V. testicularis bzw. ovarica aufnimmt und mit der linken V. lumbalis ascendens in Verbindung steht.
Innervation Venöse Drainage Bei der venösen Drainage muss man zwischen der rechten und der linken Seite unterscheiden: Rechte V. suprarenalis • Kürzer als die linke Vene. • Sie mündet direkt in die V. cava inferior. Linke V. suprarenalis • Sie mündet in die linke V. renalis. • Oft gemeinsam mit der linken V. phrenica.
Die Nebennieren sind sehr stark innerviert, vor allem durch das sympathische System über den Plexus coeliacus, den Nn. splanchnici major, minor und imus (Abb. 3). Der N. splanchnicus imus entspringt aus dem 12. Grenzstrangganglion des Truncus sympathicus. Er ist oft an der Ausbildung des N. splanchnicus minor beteiligt oder endet mit einer isolierten Nervenfaser im Plexus renalis.
Truncus vagalis anterior Truncus vagalis posterior
Arterielle Versorgung A. suprarenalis superior: • Ein Ast der A. phrenica inferior, die wiederum aus der Aorta stammt. • Sie liegt auf Höhe von Th12. • Diese Arterie kann man über die Mobilisation des Diaphragmas stimulieren.
A. phrenica inferior
A. phrenica inferior
N. splanchnicus N. phrenicus
N. splanchnicus major dextrum Plexus coeliacus Ganglion mesentericum superior Sympathische Nervenfasern, den Ureter umgebend
Plexus aorticorenale Truncus sympathicus Nn. hypogastrici
Plexus sacralis
Abb. 3: Innervation der Nebennieren
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PRAXIS Zur Erinnerung: Der Plexus coeliacus besteht aus sympathischen Fasern der Nn. splanchnici major und minor sowie aus den parasympathischen Fasern des N. vagus. Er bildet das eigentliche vegetative Nervenzentrum des Abdomens. In früheren Zeiten bezeichneten die Anatomen diesen Plexus bereits als „Gehirn des Abdomens“. Sympathische Innervation Die sympathischen Nervenfasern entspringen aus dem 10., 11. und 12. Grenzstrangganglion. Die sympathische Innervation besteht aus Fasern des: • Plexus coeliacus • Plexus mesentericus superior • Plexus renalis • N. phrenicus inferior, der auch parasympathische Fasern umfasst Parasympathische Innervation Die parasympathische Innervation erfolgt über den N. vagus, wobei die Innervation der Nebennieren hauptsächlich durch den Sympathikus erfolgt. Osteopathische Relevanz Um die Nebennieren zu beeinflussen, behandelt man v. a.: • die anatomischen Strukturen, die mit dem Organ in Verbindung stehen und die den Druck im Inneren der Nebennieren und das Gefäßsystem beeinflussen können: Fascia renalis, Nieren, Ansätze am Diaphragma, Leber für die rechte Nebenniere, Pankreas und Milz für die linke Nebenniere (die linke Nebenniere scheint stärker mechanisch beeinflusst zu werden als die rechte, da sie die Niere an ihrer medialen Seite mehr überdeckt) • das vaskuläre System: die A. phrenica über das Diaphragma, die A. renalis über die Nieren, die linke A. suprarenalis über die linke Niere • das Nervensystem: mit Gleit-Induktionstechniken am Truncus coeliacus und an der A. mesenterica superior
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Physiologie Jede Nebenniere umfasst zwei Teile, die Nebennierenrinde und das Nebennierenmark, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. Die Physiologie der Nebennieren ist komplex, da sie subtile und komplizierte Reaktionen auf zentraler Ebene in Gang setzt.
Nebennierenrinde Der Cortex glandulae suprarenalis produziert Steroidhormone – Mineralokortikoide, Glukokortikoide und Sexualhormone wie die Androgene. Mineralokortikoide Diese Steroidhormone regulieren den Natrium- und den Kaliumhaushalt. Das wichtigste Mineralokortikoid ist das Aldosteron, das an der Regulierung des arteriellen Blutdrucks und des Blutvolumens beteiligt ist. Es führt zur Ausscheidung von Wasserstoffionen (H+) im Urin und verhindert damit die Azidose. Die Aldosteronausschüttung steht in Wechselwirkung mit dem ReninAngiotensin-System. Die Mineralokortikoide führen zu Wasser- und Natriumretention.
• Lipolyse, aufgrund ihrer Wirkung auf die Adipozyten • Stressresistenz durch ihre Wirkungen auf die Erhöhung des Blutdrucks • entzündungshemmende und die Leukozyten hemmende Wirkung • Verminderung der Immunreaktion Androgene Androgene sind an der Herstellung der Sexualhormone wie Testosteron, Progesteron und Östrogen beteiligt. Sie stimulieren das Wachstum der Achselund Schamhaare bei beiden Geschlechtern und das Körperwachstum vor der Pubertät. Frauen schütten 20-mal mehr Androgene aus als Männer. Bei der Frau tragen die Androgene aus den Nebennieren zur Aufrechterhaltung der Libido bei, da sie in Östrogene umgewandelt werden können. Nach der Menopause, wenn die Östrogenproduktion durch die Ovarien abnimmt, werden Östrogene durch die Umwandlung von Nebennieren-Androgenen gebildet. Beim Mann wird das Testosteron vor allem in den Hoden gebildet, kleinere Mengen werden auch in den Nebennieren produziert.
Nebennierenmark Glukokortikoide Zu dieser Gruppe von Steroidhormonen gehören das Kortisol, das Hydrokortison und das Kortison. Die Glukokortikoide sind an der Regulierung des Zellstoffwechsels beteiligt. Sie tragen dazu bei, dass der Zuckergehalt unabhängig davon, ob man gerade Nahrung aufgenommen hat oder nicht, konstant bleibt. Die Kortisolsekretion variiert im Tagesverlauf, wobei morgens zwischen 3 und 5 Uhr die geringste Menge ausgeschüttet wird. Die Glukokortikoide spielen auch bei der Stressresistenz eine wichtige Rolle. Die wichtigsten Funktionen der Glukokortikoide sind: • Abbau von Proteinen in Aminosäuren • Bildung von Glukose durch die Stimulierung der Hepatozyten
Das Nebennierenmark (Medulla glandulae suprarenalis) ist funktionell ein peripheres sympathisches Ganglion. Es ist der Bildungsort der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin und verstärkt die sympathischen Reaktionen des Organismus. Diese beiden Hormone bereiten den Körper in Stresssituationen auf die Flucht oder den Kampf vor (Fight-or-Flight Reaction). Adrenalin und Noradrenalin erhöhen: • den Rhythmus und die Stärke der Herzkontraktionen • die Herzleistung • den arteriellen Druck • das zum Herz, zum Gehirn, zur Leber, zu den Muskeln und den Fettgeweben fließende Blutvolumen • die Konzentration von Glukose und Fettsäuren im Blut • die Erweiterung der Bronchien
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Osteopathische Relevanz Angesichts der zahlreichen Wirkungen der Nebennieren auf unseren Organismus wünschen wir uns natürlich, die Wirkung unserer Techniken auf diese Drüsen nachweisen zu können. Einige Auswirkungen lassen sich von einer Behandlungssitzung zur nächsten relativ leicht messen, so z. B. Blutdruck, Herzrhythmus und Blutzuckerspiegel. Andere Auswirkungen sind längerfristig und nur schwer objektiv nachweisbar. Selbst wenn sie bestehen, sollten wir bescheiden bleiben.
Häufige Pathologien Funktionelle Störungen Folgende Symptome lassen uns Veränderungen in der Funktion der Nebennieren – jenseits schwerer Pathologien – vermuten: • plötzliche oder anormale Müdigkeit oder geringe Belastbarkeit • Appetitlosigkeit • schlechte Erholung nach Aktivität • niedriger Blutdruck • niedriger Blutzuckerspiegel • Dehydratation, trockener Mund, Augenringe, stehende Hautfalten • verminderte Stressreaktion • Hyperpigmentierung der Haut (Anzeichen der Addison-Krankheit) • verstärkter Haarwuchs • Dehnungssteifen Diese Symptome sind nicht sehr spezifisch. Was uns ein funktionelles Nebennierenproblem vermuten lässt, ist die Fixierung der Niere in Verbindung mit niedrigem Blutdruck und intensiver Müdigkeit.
Manipulationen Wie alle endokrinen Drüsen bedürfen auch die Nebennieren einer ausrei-
PRAXIS chenden und effizienten Blutversorgung. Zur Erinnerung: Endokrine Drüsen erzeugen Sekrete, die über einen Kanal abgeleitet und bei den meisten Drüsen über die Blutbahn transportiert werden. Wir beschreiben die Techniken zur Stimulation der Gefäße, die der Behandlung der Nebennieren dienen. Wie erwähnt, ist es sehr schwierig, vielleicht sogar unmöglich, klare Beweise für die Effizienz unserer Behandlungen vorzulegen. Trotzdem fühlen sich manche Patienten nach der Behandlung besser und das ist doch letztlich das Wichtigste. Anmerkung Palpatorisch lassen sich die Nebennieren nicht von den umliegenden Geweben unterscheiden. Die Nebennieren wiegen ungefähr 5 g, liegen sehr tief und sind von Bindegewebe umgeben. Eine Nebenniere wiegt 26-mal weniger als eine Niere, die auch nicht immer leicht zu palpieren ist. Deshalb sollten wir mit der Behauptung, dass wir die Nebennieren palpieren können, sehr vorsichtig sein. Unsere Techniken sind indirekt und dienen vor allem der Verbesserung der Blutversorgung.
Test Man kann nicht wirklich behaupten, dass es einen Test für die Nebennieren gibt. Es sind vor allem die Symptome, die uns auf ein mögliches Nebennierenproblem hinweisen. Der lokale EcouteTest unterscheidet sich kaum vom Test für die Nieren.
Neurovaskuläre Manipulationen Bei der Blutzufuhr und dem venösen Rückfluss unterscheiden wir zwischen einem kranialen, einem mittleren und einem kaudalen Versorgungsabschnitt.
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Abb. 4: Technik im Sitzen
Kranialer Abschnitt Er entstammt der A. abdominalis und liegt unterhalb des Hiatus aorticus, auf Höhe von Th12. Der Ductus thoracicus liegt posterior der Aorta und wird damit ebenfalls mitbehandelt. Zudem glauben wir, dass wir auch die V. azygos und die V. hemiazygos beeinflussen. Technik im Sitzen Sie stehen hinter dem Patienten und legen einen oder zwei Finger jeder Hand über Th12, etwas links oder rechts der Linie zwischen Proc. xiphoideus und Nabel, um direkt über der linken bzw. rechten Nebenniere zu sein (Abb. 4). Wie beim Hiatus oesophageus versuchen wir die Finger sehr vorsichtig nach posterior zu bewegen und sie anschließend etwas nach rechts oder links in Richtung Aorta auszurichten. Es ist, als wollte man die Aorta mittels Induktion nach lateral drücken, um am Ende der Behandlung zu spüren, dass sich die Bewegung verbessert hat. Diese auf die Aorta ausgerichtete Technik zielt auf die um das Gefäß liegenden sympathischen Nervenfasern, daher sollte man sehr vorsichtig und feinfühlig vorgehen. Die A. abdominalis wird von Bindegewebe durchzogen, das sich im Laufe der Technik entspannt und weicher wird. Diese Technik darf niemals Schmerzen verursachen.
Mittlerer und kaudaler Abschnitt Man verwendet die gleiche Technik auf Höhe des nächstfolgenden Segments,
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PRAXIS d. h. L1. Die Finger liegen nahe an der A. mesenterica superior und der A. renalis. In dieser Region muss man besonders vorsichtig vorgehen, um das Pankreas nicht zu irritieren. Wir glauben, dass sich unser Tun mehr auf den Plexus mesentericus superior und den Plexus renalis auswirkt als auf die vaskularen Fasern. Die neuralen Informationen bewirken ein „Reset-Phänomen“ auf zentraler und lokaler Ebene. Cave! Die Nähe des Pankreas erfordert eine besonders vorsichtige und sanfte Vorgangsweise.
Traktion des linken Ureters und der Gefäße in Rückenlage Die linke V. renalis steht in Verbindung mit dem linken Ureter. Die Dehnung des Ureters ist sowohl für die Niere als auch für die Nebenniere von Vorteil, da die V. suprarenalis in die linke V. renalis mündet. Hinzu kommt eine positive Wirkung auf die sympathischen Fasern, die all diese Strukturen umhüllen. Das lange proximale Segment des Ureters zieht durch den retroperitonealen Raum. Es haftet dem Peritoneum an und liegt unmittelbar vor dem M. psoas major, der von dieser Dehnung ebenfalls betroffen ist.
Abb. 5: Referenzpunkte für den Ureter
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Referenzpunkt für den Ureter Der Ureter wird in Rückenlage palpiert (Abb. 5). Die Aorta abdominalis teilt sich in die beiden Aa. iliacae communes, die sich in die Aa. Iliacae externa und interna aufspalten. Die A. iliaca interna zweigt ungefähr 3 Fingerbreiten unterhalb des Nabels von der A. iliaca communis ab, hier liegt ein Schlüsselpunkt für die Manipulation des Genitalbereichs. Die A. iliaca interna ist sehr kurz, sie hat eine Länge von 4–5 cm und steigt sehr rasch in Richtung kleines Becken ab. Der Puls der A. iliaca interna lässt sich etwas medial der A. iliaca externa knapp unterhalb der Abzweigung der A. iliaca interna ertasten. Auf dieser Höhe kann man den Ureter palpieren, der an dieser Stelle die A. iliaca externa kreuzt und dabei einen nach hinten offenen Winkel formt. Von diesem Punkt ausgehend kann man die Finger vorsichtig in die Tiefe gleiten lassen. In diesem (eine Engstelle bildenden) Winkel können Steine hängenbleiben. Der Winkel dient uns als Fixpunkt. Der Ureter ist von fester Konsistenz und hat einen Durchmesser von 7–8 mm.
gestreckten Bein auf der Behandlungsliege abgelegt (Abb. 6). Halten Sie mit einem oder zwei Fingern der rechten Hand den Ureterpunkt fest. Ersuchen Sie gleichzeitig den Patienten die Hüfte zu strecken und begleiten Sie diese Bewegung mit Ihrer linken Hand. Der Patient sollte das Bein nicht anheben, sondern den Fuß über die Behandlungsliege nach unten gleiten lassen. Die Spannung des M. psoas erzeugt eine Dehnung des Ureters. Gleichzeitig drücken Sie mit Ihrem Thorax gegen das Becken des Patienten und bewegen es leicht nach anterior, um die Dehnung des M. psoas weiter zu verstärken. Wiederholen Sie diese Technik 5- bis 6-mal.
Technik in rechter Seitenlage Fixieren Sie mit einem Finger den Fixpunkt auf der A. iliaca interna und ersuchen Sie den Patienten sich auf seine rechte Seite zu legen. Das untere Bein wird ausgestreckt, das obere Bein angewinkelt und der Fuß hinter dem aus-
Dehnung der rechten Niere und Nebenniere in linker Seitenlage Der Patient liegt auf der linken Körperseite, das untere Bein ist ausgestreckt, das obere Bein angewinkelt und der Fuß hinter dem unteren Bein auf der Behandlungsliege abgelegt. Sie sitzen
Wir empfehlen diese Technik auch bei Nierensteinen, die in diesem Bereich steckengeblieben sind.
Querdehnung der Nieren Nachfolgend beschreiben wir die Technik für die rechte Niere.
Abb. 6: Technik in rechter Seitenlage
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Abb. 7: Dehnung von Nieren und Nebennieren in linker Seitenlage (erste Version)
hinter dem Patienten. Legen Sie den linken Daumen an das obere Ende des Grynfelt-Raums. Versuchen Sie zunächst nicht, Druck mit dem Daumen auszuüben, sondern bewegen Sie die rechte Schulter Richtung Daumen, der dadurch automatisch etwas tiefer in das Gewebe eindringen kann.
Abb. 8: Dehnung von Nieren und Nebennieren in linker Seitenlage (zweite Version)
Linksrotation, um den Daumen etwas weiter in die Gewebe in Richtung Niere eindringen zu lassen. Machen Sie anschließend mehrere Rechtsrotationen mit dem Körper und bewegen Sie dabei die Niere etwas nach lateral.
Ergänzende Techniken Erste Version Legen Sie Ihre beiden Daumen übereinander, um die rechte Niere nach anterior und lateral zu bewegen, und halten Sie diesen Druck aufrecht (Abb. 7). Zweite Version Führen Sie die in der ersten Version beschriebene Dehnung nur mit dem linken Daumen aus und dehnen Sie die rechten Rippen gemeinsam mit der Leber nach lateral (Abb. 8). Dehnung von Nieren und Nebennieren im Sitzen Der Patient sitzt mit herabhängenden Beinen auf der Behandlungsliege, seine Hände ruhen auf seinen Oberschenkeln oder sind vor der Brust gekreuzt. Sie sitzen etwas links oder rechts versetzt hinter dem Patienten. Zur Behandlung der linken Niere sitzen Sie seitlich rechts hinter dem Patienten und umgreifen mit beiden Händen den Körper auf Höhe der Nieren (Abb. 9). Legen Sie den linken Daumen in den linken GrynfeltRaum, achten Sie dabei darauf, nicht die untersten Rippen zu mobilisieren. Bewegen Sie den Körper in eine leichte
Um die Wirkung auf die Nebennieren zu verstärken, können folgende Techniken in die Behandlung miteinbezogen werden: • Mobilisation von Crus mediale und Crus laterale des Diaphragmas und der Ligg. lumbocostales • Mobilisation des linken Leberanteils • Mobilisation der Klemme zwischen A. mesenterica superior und Aorta für die linke Niere und Nebenniere
Osteoartikuläre Verbindungen Meist findet man Fixierungen im Bereich Th9, Th10 und Th11. Dysfunktionen der Nebennieren treten vor allem nach einem Trauma oder einer Fraktur der untersten Rippen auf. Auf der linken Körperhälfte ist es manchmal schwierig nach einer Rippenfraktur zwischen den Symptomen einer Nebennieren- und einer Milzdysfunktion zu unterscheiden. Als Hauptsymptome einer Nebennierenproblematik können die große Müdigkeit sowie Hypotonie und Mangel an Aufmerksamkeit und Reaktivität genannt werden. Rippentraumata führen häufig zu komplexen funktionellen Störungen. Quelle: Auszug aus Barral J-P. Fortgeschrittene viszerale Osteopathie, Kapitel 15. München: Elsevier, 2019 Übersetzung: Gudrun Meddeb, Tunis/ Tunesien
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Abb. 9: Dehnung von Nieren und Nebennieren im Sitzen
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