Plastinationshistologische Untersuchungen zur Insertion der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis an den dreigliedrigen Fingern

Plastinationshistologische Untersuchungen zur Insertion der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis an den dreigliedrigen Fingern

ANNALS Or ANATOMY Plastinationshistologische Untersuchungen zur Insertion der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis an den dreigliedrigen Fingern ...

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ANNALS Or ANATOMY

Plastinationshistologische Untersuchungen zur Insertion der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis an den dreigliedrigen Fingern C. Frenz, H. Fritsch* und J. Hoch Plastische Chirurgie an der Klinik ftir Chirurgie und *Institut ftir Anatomie der Medizinischen Universitfit zu Liibeck, Ratzeburger Allee 160, D-23538 Ltibeck, Germany

Zusammenfassung. Mit der Technik der Plastinationshistologie wurden 14 dreigliedrige Finger aufgearbeitet und die Insertionsweise der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis untersucht. Es konnte gezeigt werden, dab neben der bekannten Insertion der Strecksehnenfasern an der Basis der Endphalanx und der Gelenkkapsel weitere Verbindungen zum Nagelhalfter bestehen und ein bisher nicht bekannter periostal-diaphys~irer Ansatz existiert. Schliisselw6rter: Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis Plastinationshistologie - Endphalanxbasisfraktur (,,Kn6cherner Strecksehnenabrig")

Plastination-histological investigations on the inserting pars terminalis aponeurosis dorsalis of the fingers Summary. With the help of thick transparent cross-sections of fingers, manufactured by plastination histology, it has been shown that fibres of the extensor aponeurosis insert not only the way described in current textbook on the basis phalangis distalis and on the capsule of the distal interphalangeal joint. Our studies prove that parts of the dorsal extension plate insert dorsally to the nail matrix and others run over the edge of the basis phalangis to the proximal part of the diaphysis where they intermingle with the periost of the phalanx.

Einleitung Geschlossene Verletzungen der Streckaponeurose in H6he des Endgelenkes mit und ohne kn6cherne Beteiligung zfihlen zu den hfiufigsten Strecksehnenverletzungen an den dreigliedrigen Fingern (Verdan 1976; Geldmacher und K6ckerling 1992). Beim ,,kn6chernen Strecksehnenabrig" wird v o n d e r Vorstellung ausgegangen, dab bei einem Trauma die Streckaponeurose mitsamt einem dorsalen Fragment an ihrer Insertion an der Basis der Endphalanx ausreigt (Abb. 1). Nach dem in anatomischen und chirurgischen Lehrbfichern bisher beschriebenen Insertionsmodus der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis an der Basis des Endgliedes und an der Endgelenkskapsel wfire beim ,,kn6chernen Strecksehnenabrig" eine komplette (90 °) Beugestellung der Endphalanx im Endgelenk zu erwarten, d.h. eine Streckhemmung. Wir beobachteten jedoch direkt nach dem Trauma und auch noch Wochen spfiter unabh~ngig yon der Gr6Be des ausgerissenen kn6chernen Fragmentes Minderungen der Streckffihigkeit im di-

Key words: Insertion of the dorsal extension plate - Plastination histology - Mallet-finger

Korrespondenz an: J. Hoch

m

Ann Anat (1999) 181 : 69-73 © Urban & FischerVerlag

http:llwww.urbanfischer.deljournalslannanat

Abb. 1. IJbliche graphische Darstellung des kn6chernen Strecksehnenabrisses in Lehrbtichern und Ver6ffentlichungen. 0940-9602/2000/182/1-69 $12.00/0

Abb. 2. Darstellung des Frakturspaltes mit einer Kant~le von dorsal. Makroskopisch sichtbare, erhaltene Fasern der Streckaponeurose auch distal der Fraktur.

Abb. 3. R6ntgenbild (seitlicher Strahlengang) der Fraktur.

Material und Methoden

stalen I n t e r p h a l a n g e a l g e l e n k von weniger als 20%. Fern e r sprachen intraoperative, durch Lupenprfiparation im A n s a t z b e r e i c h der Streckaponeurose g e w o n n e n e Beobachtungen dafter, dab bei diesem Trauma bislang nicht beschriebene Fasern funktionell wirksam sind (Abb. 2 u n d 3). Diese prfi- u n d i n t r a o p e r a t i v e n B e o b a c h t u n g e n fiihrten zu speziellen a n a t o m i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n der Pars terminalis der A p o n e u r o s i s dorsalis an den dreigliedrigen F i n g e r n mit der Zielvorgabe, detaillierter die Insertionsweise zu erforschen u n d dadurch ein gewebeschonenderes O p e r a t i o n s v e r f a h r e n zu begrtinden (Hoch et al. 1994).

Die anatomischen Untersuchungen wurden an 14 dreigliedrigen Fingern von Frauen und Mfinnern unterschiedlichen Alters durchgeftihrt. Acht Pr~iparate stammten von K6rperspendern aus dem Institut ftir Anatomie, sechs Amputate von verletzten Patienten der Klinik fiir Plastische Chirurgie der Medizinischen Universitfit zu Lfibeck, bei denen eine Replantation nicht m6glich war. Bei zwei Fingern wurde durch Einschlagen einer Kerbe mit dem MeiBel von palmar an der Basis der Phalanx distalis das Fragment beim ,,kn6chernen Strecksehnenausrig" imitiert und bei zwei weiteren Amputaten wurde der bisherige dorsale operative Zugang nachgeahmt, in dem Haut, Unterhaut und Dorsalaponeurose unmittelbar distal der Basis der Endphalanx durchtrennt wurden.

Abb. 4 Plastinationshistologischer Sagittalschnitt, Serie H, Schnitt 11(500 gm). Die Haut ist nach distal bis in H6he des dorsalen operativen Zuganges zur Fraktur abgel6st (Imitation des dorsalen Hautschnittes). Vergr. 6 x. Pd = Phalanx distalis, Pm = Phalanx media, M = Matrix unguis, U = Unguis, A = Aponeurosis dorsalis Abb. 5. Plastinationshistologischer Sagittalschnitt, Serie P, Schnitt 14 (500 gm). Imitation der Fraktur. Die dorsale Kortikalis der Phalanx distalis wurde zur Schonung der inserierenden Fasern nicht gebrochen. Vergr. 6 x. Pd = Phalanx distalis, Pm = Phalanx media, M = Matrix unguis, U = Unguis, A = Aponeurosis dorsalis Abb. 6. Plastinationshistologischer Sagittalschnitt, Serie H, Schnitt 8 (500 ~tm). Die zur Nagelmatrix (M) ziehenden Streckaponeurosenfasern weichen einer Vene (schwarzer Pfeil) aus. Vergr. 8 x. Abb. 7. Plastinationshistologischer Sagittalschnitt, Serie H, Schnitt 15 (500 pro). Auf diesem ulnaren Randschnitt ist die Verwebung zwischen Streckaponeurosenfasern und Nagelhalfter (weil3er Pfeil) und Fixation dieser Strukturen am Periost (schwarzer Pfeil) dargestellt. Vergr. 8 x. 70

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Die Finger wurden entsprechend der Technik der Plastinationshistologie aufgearbeitet (Fritsch 1988, 1989; Fritsch und Hegemann 1991), wobei im Austausch des Gewebewassers und Gewebefettes durch einen h~irtbaren Kunststoff die bindegewebigen Grenzschichten detailliert dargestellt werden k6nnen (yon Hagens 1979, 1985, 1987). Die plastinierten B16cke wurden mit einer Diamant-Drahtsfige der Firma Well, Mannheim, in 500 gm dicke Scheiben zerlegt. Nach Schleifen und Polieren der Oberflfiche konnten die Pr/~parate mit Methylenblau/Azur II und basischem Fuchsin gefiirbt werden (Fritsch 1990). Durch diese Ffirbung liegen sich die unterschiedlichen Gewebearten voneinander abgrenzen; sie konnten unter Sicht des Mikroskopes markiert und fotografiert werden.

Perioslol-diophys~re Insertion

Verbindung zum Nagelholfter I Chondral-apophys&e Insertion Verbindung J , | zur Gelenkkapsel

Ergebnisse Aus den 14 Fingern wurden insgesamt 246 Sagittalschnitte hergestellt. Die Auswertung ergab folgende Befunde: Abb. 8. Graphische Darstellung der vierfachen Insertion der Pars terminalis Aponeurosis dorsalis.

1. Wie in der bisherigen Literatur beschrieben, inseriert der aberwiegende Tell der kollagenen SehnenfaserNindel der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis unmittelbar distal der Gelenkfl~iche an der Basis der Phalanx distalis (Abb. 4 und 5). 2. Proximal dieser Insertion strahlen Sehnenfaserbtindel in die Gelenkkapsel des Endgelenkes ein (Abb. 4 und 5). 3. Einige Strecksehnenfasern ziehen nach distal und gehen dorsal tiber das Nagelhalfter eine Verbindung zur Nagelmatrix ein (Abb. 4 und 5). 4. Regelm~igig k6nnen paramedian ulnar und radial kleine GeffiBe aus den Arcus arteriosus et venosus dorsalis nachgewiesen werden, die proximal dutch die zur Nagelmatrix ziehenden Sehnenfasern verlaufen. Es finden sich auf diesen Paramedianschnitten keine Sehnenfaserverl~iufe zum Nagelhalfter (Abb. 6). 5. Ein Teil der Fasern der Streckaponeurose zieht fiber die Kante der Basis der Endphalanx zum proximalen Abschnitt der Diaphyse und verflechtet sich dort mit dem Periost. Die distale Grenze dieser in gesamter Breite des Endgliedes an der Knochenhaut ansetzenden Fasern liegt in H6he der fiuBerlich sichtbaren Grenze des Fingernagels (Abb. 4 und 5). 6. Die periostal inserierenden Fasern der Streckaponeurose gehen am ulnaren und radialen Rand der Endgliedbasis eine Verbindung mit dem Nagelhalfter ein, welches auf den 5ugersten Randschnitten am Periost fixiert sichtbar ist (Abb. 7). 7. Auf den Pr~iparaten, bei denen ein Hautschnitt entsprechend einem dorsalen operativen Zugang gew/~hlt wurde, ist sichtbar, dab durch die Inzision die zur Nagelmatrix verlaufenden und die ins Periost einstrahlenden Sehnenfasern in ihrer Kontinuit/~t durchtrennt werden (Abb. 4). 8. Bei den zwei Fingern, bei denen der ,,kn6cherne Strecksehnenausrig" durch AufmeiBelung imitiert wurde, liegt die Stelle der ins Periost einstrahlenden Streckaponeurosenfasern distal des artifiziellen Frakturspaltes (Abb. 5)

Die Zusammenfassung der oben aufgezeigten einzelnen Befunde ergibt eine bisher nicht bekannte Dreidimensionalit~t der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis. Ihre vierfache Insertionsweise ist graphisch in der Abb. 8 dargestellt.

Diskussion Als Insertion der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis wird auch noch in der jfingeren Literatur lediglich die Basis der Phalanx distalis angegeben (Schmidt und Lanz 1992). Von klinischer Seite vermutete Stack (1958) eine ,,Verwachsung" des distalen Teils der Sehne mit dem Periost des Endgliedes palmar des proximalen Teiles des Nagelbettes. In Beschreibungen tiber Aufbau und Struktur des Fingernagels und des Nagelhalfters (M~rike 1955; Horstmann 1955, 1957) und der Hautb~nder (Schmidt und Fritsch 1990) werden die am Nagelhalfter inserierenden Fasern der Streckaponeurose nicht ausdrficklich als funktionell wirksame Strukturen der Pars terminalis der Streckaponeurose gedeutet. Erst mit Hilfe der Technik der Plastinationshistologie lieBen sich die zum Teil sehr zarten bindegewebigen Strukturen in topographischem Zusammenhang detailliert darstellen. Unsere anatomischen Untersuchungen zeigen, dab der Hauptteil der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis an dem aufgeworfenen proximalen Rand der Endphalanxbasis ansetzt (chondral-apophys~ire Insertion). Proximal davon ist eine Anheftung bzw. eine direkte Einstrahlung der Fasern in die Endgelenkskapsel sichtbar. Einige Faserbfindel verlaufen dorsal des chondral-apophys~ren Ansatzes tiber die Basis der Endphalanx hinweg und verweben sich mit dem Periost (periostal-diaphys~re Insertion). Ferner ziehen Strecksehnenfasern nach dorsal/ 72

distal, wo sie sich mit dem Nagelhalfter verbinden. Auf den Pr~iparaten entsteht der Eindruck, dab die zum Nagelhalfter ziehenden Strecksehnenfaserbtindel das Nagelhalfter zentrieren. Paramedian radial und ulnar werden die zum Nagelhalfter ziehenden Fasern durch Geffige der Arcus arteriosus et venosus dorsalis proximalis unterbrochen. Die Prfiparate, bei denen ein dorsaler Hautschnitt entsprechend einem dorsalen operativen Zugang durchgeftihrt wurde, zeigen, dab durch diese Schnittftihrung die distal der Endphalanxbasis inserierenden Anteile der Dorsalaponeurose durchtrennt werden. Die an der Diaphyse der Endphalanx und an der Nagelanlage ansetzenden Strecksehnenfasern scheinen beim Trauma weitgehend unversehrt zu bleiben und erklfiren die noch erhaltene Streckfunktion im Endgelenk. Mit den nachgewiesenen anatomischen Strukturen und neuen Erkenntnissen zur Insertion der Streckaponeurose kann die Theorie des Unfallmechanismus eines axialen Aufpralltraumas gesttitzt werden, bei dem das KOpfchen der Mittelphalanx ,,meigelartig" die dorsale Endphalanxbasis spaltet. Von handchirurgischer Seite haben die aufgezeigten Ergebnisse der plastinationshistologischen Untersuchungen zur Insertion der Pars terminalis der Aponeurosis dorsalis an den dreigliedrigen Fingern zu einer )knderung der bisherigen Operationsmethode beim sogenannten ,,kn0cherhen Strecksehnenausrif3" geftihrt. Der dorsale Zugang mit iatrogener Durchtrennung der von uns nachgewiesenen, noch erhaltenen funktionell wirksamen Strukturen der Pars terminalis wurde nicht mehr durchgeftihrt und durch einen gewebeschonenden mediolateralen Zugang ersetzt. Dadurch konnte die postoperative Nachbehandlung, insbesondere die Art und Dauer der Ruhigstellung des verletzten Fingers, verktirzt und im Vergleich zu frtiheren Techniken gtinstigere Ergebnisse erzielt werden (Hoch et al. 1994; Hoch et al. 1999). Gleichzeitig konnte

Abb. 9. Korrekte graphische Darstellung des ,,kn6chernen Strecksehnenabrisses", der nach unseren Erkenntnissen als Fraktur der dorsalen Endphalanxbasis zu betrachten ist.

im Kontext mit den pr~i- und intraoperativen Befunden nachgewiesen werden, dab es sich bei dem Trauma nicht um einen ,,kn6ehernen Streeksehnenabril3", sondern um eine Fraktur der dorsalen Endphalanxbasis handelt (Abb. 9).

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