Probleme einer Theorie der Hagiographie

Probleme einer Theorie der Hagiographie

Russian Literature XXXIX (1996) 235-260 North-Holland PROBLEME EINER THEORIE DER HAGIOGRAPHIE WOLF-HEINRICH SCHMIDT I. Was ist Hagiographie aus l...

2MB Sizes 0 Downloads 152 Views

Russian Literature XXXIX (1996) 235-260 North-Holland

PROBLEME

EINER THEORIE DER HAGIOGRAPHIE

WOLF-HEINRICH

SCHMIDT

I. Was ist Hagiographie aus literaturwissenschaftlicher Sicht? Wenn man die Masse des von einem Einzelnen kaum mehr zu iiberblickenden wissenschaftlichen Schrifttums zum Heiligenkult durchforstet, st6Bt man regelm~il3ig auf zwei Definitionen, eine weite und eine enge. Nach der ersten ist Hagiographie der Gesamtkomplex des Schrifttums fiber Heilige, nach der zweiten handelt es sich um einen Sammelbegriff, der nur Texte einer Gattung umfal3t, n~imlich die Heiligenvita, also die Lebensbeschreibungen von Heiligen. Die Heiligenverehrung und der Heiligenkult als komplexe Institution, die von unterschiedlichen sozialen Gruppen und religi/Ssen Gemeinschaften getragen wird, ist seit langem Forschungsobjekt h0chst unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen und Methoden. Ich nenne hier nur Theologie und Religionswissenschaft, Geschichtswissenschaft, Volkskunde, Kunstgeschichte, Byzantinistik, Philologien wie die Germanistik, Romanistik, Anglistik, Slavistik usw., in deren Rahmen zahlreiche zusammenfassende Untersuchungen und Einzelstudien zu hagiographischen Texten erschienen sind. Im Gesamtzusammenhang der einschl~igigen Forschung ist der literaturwissenschaftliche Anteil aber eher unterentwickelt. Arbeiten, die den Heiligenkult und seine Texte in ihrer Verbindung und in ihrem gegenseitigen Zusammenhang systematisch untersuchen, sind immer noch die Ausnahme. Dies gilt ganz besonders fiir die Erforschung der slavischen mittelalterlichen Literaturen. D. M. Bulanin (1985) hat in einer zusammenfassenden Darstellung seiner Arbeit am W6rterbuch der altrussischen Literatur festgestellt, dab von allen Gattungen dieser Literatur die Heiligenvita am 0304-3479/96/$15.00 © 1996 - Elsevier Science B.V. All rights reserved.

236

Wolf-Heinrich Schmidt

wenigsten erforscht sei. Der gr/SBte Teil der Werke sei bis heute nicht ediert, Untersuchungen zur Textgeschichte und -iiberliefemng l~igen kaum vor, desgleichen kaum Beitr~ige zu den Besonderheiten der Poetik der Gattung. Die bekannte Monographie des Historikers V. O. Klju~evskij aus dem 19. Jahrhundert (1871) stelle bis heute f'tir viele adtrussische Viten das letzte Wort der Wissenschaft dar. Fiir die russische und sowjetische Forschung ist diese Situationsbeschreibung zutreffend. Den GriJnden daftir kann ich hier nicht nachgehen. Sie sind durchaus nicht nut ideologischer Natur, erkl~en sich also nicht allein aus ideologischer Reserve gegen0ber religi6ser Literatur, da der vorherrschend geistliche Charakter mittelalterlicher Literatur in der sowjetischen Forschung kaum mehr emsthaft bestritten wird. Auf Klju~evskij, dessen Handbuch auch nach fiber hundertzwanzig Jahren noch zu Recht ads "nastol'naja kniga" for jeden gilt, der sich der russischen Hagiographie zuwendet, komme ich noch zuriick. Bezieht man die anderen slavischen Literaturen in die Betrachtung mit ein, insbesondere die serbische und die bulgarische, erweist sich die Perspektive ads nicht ganz so duster, wie von Bulanin geschildert, obwohl auch bier grundlegende "Defizite" zu verzeichnen sind, wie es bei einem, allein yon der handschriftlichen Obedieferung her gesehen, hochkomplexen Gegenstand wie der Hagiographie auch gar nicht anders sein kann. Die serbische und die bulgarische Medi~ivistik verfiigen fiber Handbiicher und grundlegende Darstellungen des Kults der nationaden Heiligen (Beispiele: die historisch-ethnographische Monographie yon L. Pavlovi6 1965 und die Arbeit yon S. Mileusni6 1989), fiber repr~isentative Anthologien des hagiographischen Schrifttums in seiner ganzen Breite (Beispiel" die Anthologie yon K1. Ivanova), umfassende Untersuchungen der hagiographischen Produktion einzelner Perioden (Ivanova 1979) und auch systematische Beitr~ige zur Poetik der Gattung (Beispiel: die Abschnitte fiber die Hagiographie in der Poetik der altbulgatischen Literatur von K. Stan~ev [1982]). Was die Editionst~tigkeit betrifft, so sieht die Situation allerdings im wesentlichen nicht anders aus ads in tier sowjetischen Medi~ivistik. Das h/ingt natiirlich mit dem spezifischen Forschungsaufwand zusammen, den die Sichtung des handschriftlichen Materials nun einmad verlangt. Wollte man etwa ein Repertoire allein der altrussischen hagiographischen Texte erstellen, wie es fiir andere Disziplinen (etwa die Byzantinistik, vgi. Ehrhard 19371957) schon vorliegt, wiirde man leicht auf ein paar tausend Werktitel kommen. Das verdeutlicht, welche Text- und Handschriftenmassen hier von tier Grundlagenforschung zu bew~iltigen w~en, wenn denn eine solche einmad in koordinierter Form zustandek/ime. Die grol]e Masse der hagiographischen Texte sind aus dem Griechischen iibersetzte Texte, w/ihrend die "originalen" Werke im Gesamtkorpus des Obeflieferten kanm auffadlen, darin nicht mehr darstellen ads einen Tropfen im Meer. Nut soviel zu den

Probleme einer Theorie der Hagiographie

237

quantitativen Dimensionen der Obedieferung, die auch eine Theorie angemessen zu beriicksichtigen hat. Theoretische Anslitze zur Durchdringung des Gegenstandes gibt es in fast allen Disziplinen, die sich mit der Heiligenverehrung befassen. Ich nenne hier nur die Theologie, auf deren Forschungsergebnisse die Literaturwissenschaft in besonderem MaB angewiesen ist, um das P h ~ o m e n der Heiligkeit und die Figur und den Typus des Heiligen in literarischen Texten iiberhaupt eingrenzen und bestimmen zu k6nnen. Die Theologie befaBt sich mit der christlich-kirchlichen Konzeption von Heiligkeit in ihrer Herausbildung und Entwicklung von der fdihchristlichen Zeit bis heute, ihren unterschiedlichen Auspdigungen, den einzelnen Kategorien und Typen von Heiligen, unterschiedlichen Formen von Fr6mmigkeit innerhalb des Kultes usw. Wie diese theologische Konzeption des Heiligen in tier Heiligenverehrung konkret aussieht, l~il3t sich in jedem theologischen oder religionsgeschichtlichen Reallexikon oder ~nlichen Handbiichem nachlesen. Fiir das slavische Mittelalter verweise ich in diesem Zusammenhang auf einfiahrende Darstellungen wie Fedotov 1931, 1959 und das Stichwort "Heiligenverehrung" im W6rterbuch von K. Onasch (1981). Eine typische Unterscheidung, der auch der Literaturwissenschaftler st~indig begegnet, ist beispielsweise die Abgrenzung der "offiziellen", kirchlich institutionalisierten Verehrung der Heiligen v o n d e r sog. "VolksfriSmmigkeit". Es gibt auch im slavischen Mittelalter eine ganze Reihe von Viten, deren angebliche Abweichungen vom offiziellen Modell in Inhalt, Sill und Form mit diesem letzteren Begriff erklart werden, ohne dab letztlich klar wiirde, worin diese Volksfr6mmigkeit, vor allem im Mittelalter, eigentlich besteht. Da dr~ingt sich denn doch der Eindruck auf, besonders angesichts der sparlichen Quellen ftir diese Form der Fr6mmigkeit, dab hier doch zu einem nicht geringen Teil Mystifikation betrieben wird. Ich denke vor allem an die Diskussionen fiber "volkstiimliche" Viten als eigene Gattung der Hagiographie, etwa in der bulgarischen Medi~ivistik. Was aus solchen Unterscheidungen fiir ein literaturwissenschaftliches Vorgehen zu folgern ist, ware doch: Es gibt innerhalb der institutionalisierten Heiligenverehrung durchaus unterschiedliche Einstellungen und Verhaltensweisen gegentiber dem Hei1.i.gen. Philologisch greifbar wird dieses Phanomen etwa in der regelm~il3igen Uberarbeitung von Viten ein und desselben Heiligen, in den unterschiedlichen Textfassungen und Redaktionen. Womit hat es nun eine literaturwissenschaftliche Theorie der Hagiographie zu tun? Da ware zunachst ein Problem zu bezeichnen, das ebensosehr das mittelalterliche Schrifttum als Ganzes wie die Hagiographie im besonderen betrifft, ein Problem, dessen L6sbarkeit meist stillschweigend vorausgesetzt wird: K6nnen wir hagiographische Texte, Heiligenviten tiberhaupt verstehen?

238

Wolf-Heinrich Schmidt

FiJr das Gebiet der slavischen mittelalterlichen Literaturen gibt es bisher noch keine eigene Hermeneutik, die diese Frage grunds~itzlich kl~en k6nnte. Die bisherige Forschung hat jedenfalls, abgesehen von Verst~indnisschwierigkeiten im einzelnen, wie sei bei jeder handschriftlich iJbedieferten Literatur immer auftreten, prinzipielle Grenzen des Verstehens nicht entdecken k6nnen. Das Heiligenleben wird ja auch meist als eine Gattung prasentiert, die rhetorisch durchorganisiert, durch Topoi, Formeln, Schematismus vielf~iltig gep~gt ist und in niichtem-trockener Aufzahlung die Heiligkeit des jeweiligen Protagonisten nachzuweisen unternimmt. Verstehensprobleme grunds~itzlicher Art scheinen derartige Texte, von denen es in tier Hagiographie zweifellos nicht wenige gibt, offenbar nicht aufzuwerfen. Auf der anderen Seite findet man aber zahlreiche Texte, deren Wirklichkeitsbezug die Forschung (und zwar Theologen, Historiker und Literaturwissenschaftler) mit dem Attribut "phantastisch" kennzeichnen, weil das Wunderbare, Obernatiirliche, Erdichtete, Fiktive sozusagen in geballter Form aufzutreten scheint. Ich erinnere an eine der grol3en Autorit~ten der Forschung zur Hagiographie, den Bollandisten H. Delehaye, der einen grol3en Teil der Viten grunds~itzlich fur "phantastisch" hielt und unter dem phantastischen Beiwerk den realhistorischen Kern des Kults freilegen wollte (vgl. hierzu den theoretischen Beitrag von Senderovi~ 1988). Fiir einen Historiker, der den Quellenwert solcher Texte untersucht, ist dies eine legitime Einstellung, obwohl sie sich gerade bei Klju~evskij (und das macht das Besondere seiner Methode fiir das 19. Jahrhundert aus) nicht findet, weil er den literarischen und den Gattungs-Charakter "seiner" Vitentexte voll in Rechnung stellt. Die hermeneutische Frage wiirde dagegen lauten: Verstehen wir mittelalterliche Heiligenviten adaquat, wenn wit "Phantastisches" in ihnen finden? Was heil3t das angesichts einer Mentalit~t, fiar die Zeichen, Wunder, heilsgeschichtliche Eingdffe in die Realit~it jederzeit mtiglich sind? Wo w~e schliel31ich ftir den modernen Betrachter ein sicheres Kfiterium fiir die Unterscheidung von Phantastischem und Nichtphantastischem zu finden? Das vermeintlich Phantastische in den Texten existiert doch trotz einiger Hinweise auf eine kritische Haltung der Kirche gegeniiber iiberschieBender Volks-"Phantasie" in der Heiligenverehrung vorwiegend nur in der Sicht des modernen Betrachters. Es ist auch nur ein Aspekt im Gesamtrahmen des Verstehens hagiographischer Texte, der allerdings bezeugt, in welcher Weise dem Gegenstand anachronistisch-modemisierende Begfiffe unterschoben werden. Dies ist angesichts der prinzipiellen Grenzen, die unsere Lebenswelt von tier mittelaltedichen trennt, in gewisser Weise unvermeidlich. Was die literaturwissenschaftlichen Anstrengungen zur Erfassung der Hagiographie angeht, mug man insgesamt feststellen, daB sie zu einem betr~ichtlichen Teil aus solchen anachronistischen Hilfskonstruktionen und modernisierenden Modellen besteht, die den Gegenstand nur teilweise treffen

Probleme einer Theorie der Hagiographie

239

oder ihn sogar ganz verfehlen. Als Beispiel ffir das Letztere m0chte ich die Darstellung der altrussischen Hagiographie im ersten Band der Geschichte der russischen Literatur von Stender-Petersen (1957) anffilaren, die in dieser Hinsicht typische Auffassungen enthalt, die bis heute nicht ausgestorben sind, besonders nicht in der mediavistischen Forschung Osteuropas. Stender-Petersen war der Ansicht, dab die Hagiographen keineswegs nur erbauliche, sondern vor allem kfinstlerische Intentionen verfolgten. Er versucht dies durch Hinweise auf die Komposition, dramatische Spannung, die Figurencharakterisierung und sogar sog. tragische Effekte in Vitentexten zu belegen. Weiterhin ist die Rede von novellistischen, abenteuerhaften Elementen der Heiligenlegenden, von ihrem demokratischen Charakter, da sie sich an ein breites Publikum wendeten und weitgehend frei von rhetorischem Stil seien usw. Ffir die ffinfziger Jahre war dies durchaus eine anerkennenswerte Position, da sie immerhin, in welcher "Verfremdung" auch immer, Heiligenviten dezidiert als literarische Texte zum Gegenstand machte, was durchaus keine Selbstverst~indlichkeit war. Anachronistische Konzepte und Begriffe in diesem Kapitel fiber die Hagiographie sind etwa das Legendenmodell, die Betrachtung der Viten als Kunstwerke, die einfache Obertragung moderner Kategorien des Erz~ihlens und entsprechender Gattungsbegriffe (Novelle; seit dem 19. Jahrhundert existiert auch in der osteurop~iischen Forschung eine Richtung, die die Hagiographie als Vorl~iufer des modemen Romans ansieht, vgl. etwa Hodrovfi 1978) auf mittelaltediches Schrifttum, der auch heute noch in der einschl~igigen Forschung beliebte Begriff des "Demokratischen" etc. Das Legendenmodell ist etwa in der westlichen literaturwissenschaftlichen Forschung zur Hagiographie, also in der Germanistik, Romanistik, Anglistik bis heute das einfluBreichste Modell. Legenden gelten hier als religi/Ss-dichterische Erzahlungen fiber den Lebensweg heiliger Personen, die ungeachtet ihrer Bezogenheit auf den Kult eine ~isthetische Funktion intendiert haben oder doch wegen ihrer literarischen Qualit/iten als Kunstwerke betrachtet werden kt~nnen (vgl. stellvertretend ffir viele Arbeiten Rosenfeld 19723). Es gibt jedoch auch Auffassungen, die betrachtlich von diesem Schema abweichen. So schreibt etwa Ulrich Wyss, Verfasser einer "Theorie der mittelhochdeutschen Legendenepik" (1973), in seinem Aufsatz fiber die Legenden im Rahmen des Handbuchs Epische Stoffe des Mittelalters (1984): Legendenerz~len ist aber gerade deshalb ein Problem fiir die Literatur, weil es mit der Literatur eigentlich nichts zu tun hat. Es stellt sich zun~ichst als kultpraktische Notwendigkeit schon des friJhen Christentums dar: Religitis besonders qualifizierte Verstorbene sollten bei Gott Fiirbitte fiir die Lebenden einlegen. [...] Bilder der Heiligen, die Oberreste ihres Leibs und ihres Lebens kOnnen

Wolf-Heinrich Schraidt

240

AnlaB zu Andacht und Verehrung werden; vor allem aber entstehen spezifische Kultdiskurse: preisende Hymnen zum einen, andererseits die Erz~lung vom aul~ergew6hnlichen Leben, das der Heilige gef'tihrt, und von den Wundern, die er gewirkt hat. Dazu kommen die Wunder, die noch nach seinem Tod an der ihm geweihten Kultst~itte geschehen sind: als nachtr~igliche Beweise ftir die Wirksamkeit der Fiirbitte, die der Heilige zu leisten vermag. Auf Treue zur historischen Faktizit~t kam es dabei kaum an. (41) Weiter heiBt es dann: Auf literarische Qualit~it mul3ten es die Autoren von Heiligenviten nicht abgesehen haben; die Besch~ftigung mit Heiligenleben war ein Teil der praktizierten Religion, Spielraume fiir poetische Phantasie schien es da nicht zu geben. (ebd.) Das ist nun also das andere Extrem, das doch sehr anschaulich zeigt, in welches selbstgeschaffene Dilemma eine Literaturwissenschaft ger~it, die ihren eigenen, begrenzten und an den modernen Typus literarischer Kommunikation gebundenen Literaturbegriff als MaBstab verallgemeinert, um groBe Gruppen von Texten wegen ihres nichtliterarischen Charakters von vornherein aus der Betrachtung auszuschlieBen. Die zweite Frage, die sich eine literaturwissenschaftliche Theorie der Hagiographie vorlegen miiBte, k6nnte also lauten: In welcher Weise sind hagiographische Texte, Viten insbesondere, literarische Texte? Um es nochmals zu betonen: "Modernisierung", anachronistische Begriffsbildung, Versuche, der mittelalterlichen Literatur den modernen Literaturbegriff usw. zu unterschieben, sind prinzipiell nicht zu vermeiden. SchlieBlich ist praktisch das gesamte Instrumentarium und die Terminologie der modernen Literaturwissenschaft im Zusammenhang mit der modernen Literatur und Literaturauffassung (Literatur als Kunst, sch6ne Literatur, "Belletristik" usw.) entwickelt und dann im Gefolge eines verstarkten Interesses am literarischen Charakter von Texten aus friiheren Epochen auch auf eine Literatur wie die mittelalterliche iibertragen worden, die mit dem, was in der modernen Zeit von den an der Literatur beteiligten Gruppen als "Literatur" angesehen wird, nicht viel mehr als den Namen gemein hat. Kann man also dem geschilderten Dilemma iiberhaupt entgehen, beispielsweise, indem man prinzipiell konzediert, dab alle modernen Konzepte, Modelle, Beschreibungsverfahren immer nur Annaherungswert gegeniiber einer zutiefst fremdartigen Literatur haben k6nnen, oder auch indem man sich auf "neutrale" Strukturbeschreibungen der hagiographischen Texte verlegt und dabei die Frage der literarischen/nichtliterarischen Funktion oftenlaBt? In dem Zitat aus der Arbeit von Wyss ist die Alternative implizit schon ausgesprochen. Es ist der Hinweis auf den Kult und auf dessen spezifischen

Probleme einer Theorie der Hagiographie

241

Diskurs. Wer innerhalb der Forschung vor der voreiligen Obertragung moderner Beurteilungs- und Bewertungskriterien warnt, tut dies in der Regel unter Berufung auf die Verankerung des Korpus der hagiographischen Texte im Kult (vgl. etwa die Beispiele bei Rosenfeld 19723:8 ft.). In dem angefiihrten Zitat wird ein Gegensatz zwischen Literatur auf der einen, Praxis des Kults auf der anderen Seite konstatiert. Texte, die der Kultausiibung dienen, ktnnen bzw. miissen keine literarischen Texte sein. Sind sie es dennoch, dann handelt es sich eher um Ausnahmen sozusagen neben den oder auBerhalb der Normen und Anforderungen des Kults. Es ktinnte aber sein, dab ein solcher Gegensatz fiJr die mittelalterlichen Autoren, Leser und auch Htirer hagiographischer Texte gar nicht bestanden hat, und dab er wieder nur modernem Trennungsdenken entspringt, dab also das Literarische dieser Texte nur innerhalb des Kultes entschieden und gekl/irt werden kann. Das wiJrde bedeuten, dab die am Heiligenkult beteiligten Akteure, d. h. der literarisch aktive Teil der Institution (die Autoren, Abschreiber, Bearbeiter usw.), fiber eigene, spezifische Kriterien des "Literarischen" verfiJgt haben, fiber Regeln zur Abfassung, Einordnung, Identifizierung hagiographischer Texte, also fiber ein GattungsbewuBtsein. Die Sammlung und Auswertung solcher Hinweise und Signale, sofern sie in den Quellen enthalten sind, die systematische Rekonstruktion dieses GattungsbewuBtseins, miiBte zu den vordringlichen Aufgaben einer Theorie dieses Schrifttums gehtiren. Dal3 es solche Quellen gibt, n/imlich die mehr oder weniger ausfiihrlichen Vorworte und Nachworte der Hagiographen, sogar spezielle Erz~ihlungen fiber die Herstellung von Viten und die Schwierigkeiten, die dabei auftauchen (vgl. das unter dem 16. April in die GroBen Lesemen~ien des Makarij aufgenommene 'Slovo o sotvorenii Zitija na~ah,nikov soloveckych'), ist seit Klju~evskij kein Geheimnis mehr. Schon aus seiner Darstellung wird klar, dab es sie zu Hunderten gibt. In der Forschung wird h~iufig beklagt, dab die mittelalterliche Literatur, anders als die Literatur der Neuzeit (der Klassizismus usw.), fiber keine explizite Poetik, keine eigenen poetologischen Traktate verfiige. In diesen Quellen hat man eine Poetik in nuce vor sich, eine Art mittelalterlicher Theorie der Hagiographie. Die Frage ist nur, warum, von Einzelausnahmen abgesehen (vgl. Dmitrieva 1982), solche Texte bisher kaum publiziert, geschweige denn ausgewertet wurden. Interessant is auch der Umstand, dab solche abgehobenen Meta-Aussagen bei anderen, nichthagiographischen Gattungen, kaum oder in weit geringerem Umfang anzutreffen sind. Dies h~ingt wohl mit dem besonderen Verh~iltnis des Hagiographen zu seinem Gegenstand zusammen, das dazu fiihrt, dab hagiographisches Erz~ihlen als in besonderem MaB der Legitimation bediirftig erachtet wurde. Viele Hagiographen halten es fiar erforderlich, darzulegen, warum sie die M(ihe der Aufzeichnung eines heilig-miiBigen Lebens auf sich genommen haben. Fiir den modernen Betrachter ist nich dies

242

Wolf-Heinrich Schmidt

das Befremdliche, nicht der Heiligenkult als solcher (er l~iuft ja noch in der Gegenwart wenigstens teilweise in den gleichen Formen ab wie im Mittelalter), nicht die Darstellung von Heiligkeit an sich, die es ja auch in modemen "Legenden"-Texten gibt. Fremdartig ist in erster Linie, dab der Hagiograph grunds~itzlich nicht als Individuum auftritt, dab er sich fraglos den Normen des Kults und damit der betreffenden Gemeinschaft unterordnet. Damit habe ich schon vorgegriffen auf das Problem der kommunikativen Funktion der Gattung. Ich will aber nochmals auf die bisherige (insbesondere slavistische) Forschung zur Eigenart hagiographischer Texte zuriickkommen, um festzustellen, welche theoretischen Probleme hier nach wie vor noch of fen sind. Da w~e zun~ichst die Frage: Was geh/Srt alles zur Hagiographie? Und zwar nicht oder nicht allein nach modernen Begriffen, nach moderner Systematik, sondem nach dem mittelalterlichen Bewul3tsein, soweit es sich rekonstruieren laBt. Die Antwort kann nach dem bisher Ausgefiihrten nur lauten: Alle Texte, alle Gattungen, die am Heiligenkult beteiligt sind, also etwa: Das Offizium mit dem Hymnenmaterial ("slu~ba"), Viten ("~,itie"), Martyrium ("mu~enie"), Predigten ("pochvah,noe slovo"), Translationsberichte ("pren6senie mo~tem~,"), Mirakel ("~udo"). Das w~ire also die zu Anfang genannte weite Definition. Vielleicht geh6ren auch die sog. Ikonenlegenden in diesen Zusammenhang (vgl. Ebbinghaus 1990), mit Sicherheit aber nicht die Paterika, die einen ganz anderen Gegenstand haben, v o n d e r Forschung aber h~iufig noch dazugerechnet werden (vgl. etwa die Anthologie von Onasch und Freydank [1977]). Diese Aufzahlung ist nicht vollst~ndig. Es besteht in der Forschung letztlich noch kein Konsensus iiber die Frage der Zugehtirigkeit. Sie kann auch nur geklart werden durch systematische Sichtung der handschriftlichen Uberlieferung und der darin sichtbar werdenden Ordnungs-, Einteilungs- und Gliederungsprinzipien. Hier miiBten also zun~ichst die schon vorhandenen Beschreibungen hagiographischer Sammelhandschriften und der sog. "sbomiki" gemischten Inhalts ausgewertet werden. Die Stellung der genannten Genres innerhalb des Kults und auch ihr Verhaltnis untereinander ist bisher nicht klar herausgearbeitet worden. Nach wie vor ist beispielsweise unklar, was die Gattung Martyrium v o n d e r Gattung Vita unterscheidet. Poetik und Gattungskonstituentien des Heiligenlebens werden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus einer h6chst beschr~inkten Materialbasis entwickelt, so etwa in der russischen und serbischen Medi~ivistik aus zwei Dutzend "Meisterwerken" oder sonst aus dem Rahmen fallenden Texten, die in allen Handbtichern, Literaturgeschichten usw. wiederkehren. Noch immer geistert das sog. kanonische Kompositionsschema der Heiligenvita (I. Rhetorische Einleitung, II. Biographischer Mittelteil, III. Posthume Wunder plus Lobrede), das dem Simeon Metaphrastes zugeschrieben und von Forschern wie Loparev (1910:191 ff.) fiir das hagio-

Probleme einer Theode der Ha#ographie

243

graphische Schrifttum der Orthodoxie verallgemeinert wurde, als zentrales Gattungsmerkmal durch zahlreiche einschl~igige Darstellungen. Der Gattungscharakter der Vita wird in einem durchgehenden, mehr oder weniger rigiden Schematismus von Komposition, Sill und Handlungsentwicklung gesehen, wie er in der Aussage eines amerikanischen Medi~ivisten sehr anschaulich zum Ausdruck kommt: "when you've read one saint's life, you've read them all" (J. W. Earl nach Hennessey Olsen 1980: 410). Schematismus ist gerade bei einem Genre wie der Heiligenvita, das starker als andere Gattungen einer institutionellen Reglementierung unterworfen war, weder zu bestreiten noch zu tibersehen. Die Frage ist nut, welchen Stellenwert er fiir die Gattung als Ganzes besitzt. Hier gibt es schon seit Klju~evskij (vgl. Klju~evskij 1871:361 ft.) eine Gegenrichtung, die sich bisher nicht durchgesetzt hat und die, gestiJtzt auf die Breite der handschriftlichen Oberlieferung, vonder Vielfalt der Formen und Funktionen der Hagiographie und der Viten insbesondere ausgeht. Ich verweise auf die Monographie von Vav~inek (1963: u. a. 23 ft.) fiber die Viten der Slavenapostel Kyrill und Method und auf die jiingst erschienene Untersuchung von G. Lenhoff (1989) fiber den Kult der Heiligen Boris und Gleb als soziokulturelle Institution, die eine FiJlle htichst unterschiedlicher Texte fiber diese beiden Heiligen produziert hat. Lenhoff kommt sogar zu dem SchluB, dab Abweichungen von Schema und Standard, von Topik, Symmetrie, Gattungskonstanten die Regel gewesen seien ('Anomaly as Rule', 1989:20 ft.), da die mittelalterliche Gemeinschaft fiber ein GattungsbewuBtsein als solches gar nicht verfiigte und fiir die Hagiographen nicht literarische Kriterien von ausschlaggebender Bedeutung gewesen seien, sondem die Typologie des jeweiligen Heiligen innerhalb des Kults und individuelle Ereignisse seiner realen Biographie (27). Dieser letzten Feststellung ist natiJrlich zuzustimmen, da sie die dominierenden auBerliterarischen Vorgaben umfaBt, denen sich der Hagiograph im ProzeB der Abfassung einer Vita gegeniibersah. Insgesamt zeigt die Betonung von Schematismus auf der einen, Anomalie auf der anderen Seite aber, dab die Eigens~ndigkeit und die Komplexit~it des Gegenstandes die Literaturwissenschaft dazu verleiten, bestimmte Einzelgesichtspunkte zu verabsolutieren, die sich zudem noch gegenseitig ausschlieBen. Schon die Durchsicht des bisher publizierten Vitenmaterials offenbart, dab es eine durchgehend einheitliche Vitenstruktur nicht gibt, dab Strukturen und Kompositionsschemata in Abh~ingigkeit von den jeweiligen Typen und Funktionen der Viten variieren. Die aus den Handschriften ablesbare Zweiteilung in Kurzviten fiJr den liturgischen Gebrauch und ausfiihrliche Viten fiir den auBerliturgischen Gebrauch l~iBt dabei noch eine Reihe weiterer formaler Varianten zu. NatiJrlich laBt sich der Hagiograph in der Regel von einer bestimmten Konzeption von Heiligkeit leiten, die nicht nur durch den Kult, sondern, bei einem einigermaBen entwickelten Schrift-

244

Wolf-Heinfich Schmidt

tum, dann auch schon durch die Tradition vorgegeben war. Es handelt sich um die bekannte biographische Abfolge von Stationen der Heiligkeit vonder Geburt bis zum Tod und dariiber hinaus, ftir die die besondere Begnadung von vornherein feststeht und nur noch schrittweise sichtbar gemacht und dokumentiert werden muB. So z ~ l t etwa Epifanij Premudryj in der Vorrede seiner Vita des Stefan von Perm' diese Stationen, tiber die er berichten werde, im einzelnen auf, um mit der Versicherung zu enden, dab seine Darstellung "alles Geziemende" ("i eliko podobnaa sim1,") umfassen werde. Das ist eine der Varianten der Formulierung eines GattungsbewuBtseins. Eine einheitliche Grundstruktur der Heiligenvita ergibt sich daraus jedoch nicht. Entsprechende Differenzierungen nach Typus, Funktion usw. von Viten sind auch hinsichtlich eines m6glichen Gattungsstils der Heiligenvita geltend zu machen. Topoi, Formeln und dergleichen ktinnen keine Gattung konstituieren, da sie als solche gattungsiJbergreifend sind (vgl. Lenhoff 1989: 26 ff., 91). Andere Stilmerkmale, etwa Rhetorisierung im Sinne schweren Schmucks, sind auf bestimmte Vitentexte beschr~inkt, so dab nach wie vor offenbleibt, was einen solchen Gattungsstil eigentlich ausmacht. Wir k/Snnen diese Er6rterungen dahingehend abschlieBen, dab das Verh~iltnis von Struktur, Stil und Funktion eine systematische Beschreibung auf dem Hintergrund des Korpus in seiner realen Breite und Differenzierung bisher nicht gefunden hat, da immer nur einzelne Aspekte einzelner Textgruppen in den Blick gekommen sind. Es gibt natiirlich noch eine ganze Reihe weiterer Aspekte, ftir die sich eine Theorie der Hagiographie interessieren miil3te, literarische und nichtliterarische, etwa das Problem der Stellung der Hagiographie innerhalb der mittelalterlichen Literatur, das Verh~iltnis zu anderen (geistlichen und weltlichen) Gattungen, etwa zur Historiographie, der Komplex der Entwicklung der Gattung, der bisher kaum aufgearbeitet ist. Unter den nichtliterarischen Aspekten ware vordringlich zu nennen das Verh~iltnis von Heiligenkult und Herrschaft, da hagiographische Texte und Viten im besonderen geistliche und weltliche Herrschaft legitimieren. Eine Legitimierung weltlicher Herrschaft aus den Normen des Heiligenkults erfolgt z. B. in der Fiirstenvita, die seit der Jahrhundertwende in der russischen Medi~ivistik als eigenst~indige Gattung der Hagiographie gilt. Trifft man also h~iufig noch auf die Verabsolutierung von Einzelgesichtspunkten in der Forschung, hat sich doch andererseits auch eine Tradition der synthetischen Erfassung des Zusammenhangs von Heiligenkult, hagiographischem Korpus und "Poetik" der Hagiographie wenigstens im Ansatz herausgebildet. Hier ware wieder an Klju~evskij zu erinnern, der lange vor entsprechenden Versuchen in der westlichen Medi~ivistik eine solche methodologische Synthese skizziert hat. Seine Monographie bringt zun/ichst eine Bestandsaufnahme der (damals) hundertfiinfzig nordrussischen Viten, die als solche heute weitgehend fiberholt ist. Im SchluBkapitel seines

Probleme einer Theorie der Hagiographie

245

Buches legt er jedoch Ans~itze einer Theorie der Vita (in seiner Terminologie: "agiobiografija") vor, die als Forschungsprogramm bis heute nicht eingel6st ist und alle grundlegenden Aspekte umfal3t: Das Autorenbewul3tsein, die "literaturnye priemy", die Differenzierung von Formen und Funktionen, die Adressaten, die Rolle der Kirche im Kult als "kontrollierendes Milieu" ("kontrolirujulEaja sreda"), den Sill, die Entwicklung der Vita in Abh~ingigkeit von der Evolution des Kults usw. In dieser Hinsicht, n~nlich angesichts der Kombination von Bestandsaufnahme, Theorie und Beschreibung der "Literarizit~it" der Vita, kann die Devise also nur lauten: zurfick zu KljuEevskij! Was in der russischen und sowjetischen Forschung nach Klju~evskij kommt, auch die jtingsten Ans~itze zur theoretischen Erfassung der Hagiographie (z. B. Berman 1982 mit seiner Konzentrailon auf den Kanon), rtickt meist nur Einzelaspekte in den Vordergrund. Eine solche Tradition der synthetischen Erfassung des Heiligenkults und seiner Texte exisilert auch in der westlichen Forschung, und zwar in einigen Arbeiten, die vonder kommunikativen Funktion der Gattung, d. h. dem Zusammenhang von "Heiligenlegende" und Gemeinschaft, ausgehen. Vorl~iufer einer solchen Sicht war das Kapitel fiber die Legende in dem bekannten Werk von A. Jolles iiber die Einfachen Formen (Jolles 1930). Der Heilige ist nach Jolles durch die Gemeinschaft und fur die Gemeinschaft da. Seine Verehrung wird von unterschiedlichen Gemeinschaften getragen, vom urspriinglich begrenzten lokalen Milieu der Genese bis hin zur allgemeinen Verbreitung in der ecclesia universalis. Er stellt fiir die Gemeinschaft die t~itige Tugend dar, wird von ihr als imitabile gewertet. Wo der Heilige nicht als imitabile gewertet werden kann, sei er eben kein Heiliger, und die sprachliche Form, die ihn als Heiligen vertrete, k6nne ihn dort nicht fassen. Die Struktur der Vita wird von Jolles erklart als Aufbau des "Historischen" gem~il3 einer durch das Prinzip der Imitabilit~t bedingten Reihenfolge (35 ft.). Dies deckt sich weitgehend mit Formulierungen bei Klju~evskij (366) fiber den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Vita und der gesellschaftlich sanktionierten Vorstellung vom heiligen Leben. Nut dieses allein konnte, so Klju~evskij, zu Recht beanspruchen, in der Form des "~itie" dargestellt zu werden, eine Darstellung, fiir die weder "kritika" noch "fakti~eskoe izu~enie" als solche erforderlich waren (ebd.). Kult und "Legende" werden von der Gemeinschaft geschaffen und getragen. Dieses Ergebnis des theoretischen Ansatzes yon Jolles ist von H. R. Jauss aufgegriffen und in seiner Theorie der kleinen literarischen Gattungen des romanischen Mittelalters zu einem Kommunikationsmodell der "Legende" ausgebaut worden (vgl. Jauss 1977). Von den zw61f Kategorien, die Jauss in seinem Schema zur Beschreibung der Gattung "Legende" entwickelt hat, sollen hier in erster Linie diejenigen interessieren, die zu den Bereichen "Kommunikative Situation" und "Sitz im Leben" gehtiren.

246

Wolf-Heinrich Schmidt

1. Kommunikative Situation: Die Fragen "Wer spricht? Zu wem wird gesprochen" sind nach Jauss wie folgt zu beantworten: Anonymer Zeuge zu der Gemeinschaft der Gl~iubigen. Der modus ch'cendi der Legende sei das Bezeugen eines heiligen Lebens. Die Botschaft der Legende sei die Antwort auf die Frage: Wie kann Tugend in einem Menschen sichtbar werden? 2. Sitz im Leben: Modus recipiencli der Gattung sei die admirative Identifikation, Verhaltensmuster das Imitabile, wo Tugend t~tig, meflbar, fagbar werde, gesellschaftliche Funktion die Ausbreitung und Best~tigung des Glaubens; praktisch: Anrufbarkeit yon Heiligen (Namensheilige, Nothelfer). Die Systematik von Jauss, die er selbst als vorl~iufig ansieht, kann hier nicht im einzelnen diskutiert werden. Ausschlaggebend ist allein, was fiber die Rolle des Hagiographen im Verh~iltnis zu seinem Adressaten, der Gemeinschaft der Gl~iubigen, ausgesagt wird: Seine Rolle ist die des Zeugen, wobei der Ausdruck "anonym" nicht im strengen Sinn, nicht w6rtlich zu nehmen ist, da die Verfasser zahlreicher Viten namentlich bekannt sind. Gemeint ist, dag er nicht als Individuum auftritt, rich, mit den Worten von Klju~evskij (1871: 403), verbirgt "pod chodja~imi ~ertami ob~ego tipa". Der Hagiograph bezeugt ein heiliges Leben und stellt es gleichzeitig als Muster zur Nachfolge (imitatio) dar. Dariiber hinaus tr~igt er dazu bei, dab die Gemeinschaft sich an den Heiligen als F~irsprecher/Nothelfer wenden kann. Das sind die zentralen Funktionen der Vita, wobei die Dokumentation, das Bezeugen und der Nachweis der Heiligkeit, die Basisfunktion darstellt: "Saints' lives were, first and foremost, a kind of official dossier" (Lenhoff 1989). Auch fiir Lenhoff ist das Verh~iltnis der Texte zur Gemeinschaft oberstes Prinzip. Ihr soziokulturelles Verfahren der Untersuchung aller Kulttexte fiber die Heiligen Boris und Gleb setzt sich zum Ziel, den Gesichtspunkt der Gemeinschaft zu rekonstruieren, die diese Texte produziert habe (Lenhoff 1989: 16). Lenhoffs Untersuchung hat es erkl~irtermaflen nicht mit Gattungen zu tun (deren Existenz im mittelalteflichen slavischen Schrifttum sie bestreitet), sondern mit einem durch zahlreiche Texte h~chst unterschiedlicher Form und Funktion reichlich belegten Kult. Dieses Vorgehen fiihrt dazu, dab letztlich nicht "the viewpoint of the community" (16) im Vordergrund steht, sondem die Ebene des Einzeltextes, "the writers' perception of real events" (16) als die entscheidende auBerliterafische Vorgabe fiir die Genese und die Formen der Kulttexte. Die Gemeinschaft, das zeigt Lenhoffs Untersuchung zur Geniige, ist nun kein durchweg homogenes Gebilde. Es gibt in ihr in bezug auf den Kult unterschiedliche Rollen, Aufgaben, Bediirfnisse, Verhaltensweisen, Abhangigkeiten, Hierarchien, da eine Vita eben nicht im herrschaftsfreien Raum reiner Fr/Smmigkeit funktioniert. Dies hat schon Klj@evskij klar erkannt, als er feststellte, dab der Hagiograph prinzipiell zwischen zwei Milieus stehe, dem kontrollierenden (kirchlichen) und dem lesenden (1871: 402).

Probleme einer Theorie der Hagiographie

247

Die Sicht der Gemeinschaft realisiert sich auf allen Ebenen eines Kults, nicht allein auf der des Einzeltextes. Die Einordnung von Vitentexten in unterschiedliche Schichten des hagiographischen Korpus nach bestimmten Prinzipien wird ebenfalls von Gemeinschaften getragen. Aber schon der Einzeltext als die unterste Ebene enth~ilth~iufigeine Reihe expliziter und/oder impliziter Verweise auf grunds~itzliche Aspekte im Verh~iltnis des Hagiographen zur Gemeinschaft, die nicht nur die Konzeption der Heiligkeit als solche umfassen, sondem auch die Prinzipien ihrer literarischen Darstellung. Dies soil hier anhand des Kults des hi. Naum von Ochrid und seiner Viten ausgefiihrt werden. II. Der Kult des Naum von Ochrid ist schwach belegt, was die schriftlich fixierten Texte angeht. Bisher sind vier Viten bekannt, zwei altbulgarische, die in der Kurzform vorliegen, und zwei in griechischer Sprache (eine in der Lang-, die andere in der Kurzform). Die griechischen Viten wurden von E. Trapp ediert (Trapp 1974). Die altbulgarischen Viten sind mehrfach ediert worden, u. a. yon J. Ivanov (1931), auf dessen Ausgabe bier zuriickgegriffen wird. Im Mittelpunkt der Betrachtung soll hier die erste und ~ilteste Vita des Naum aus dem 10. Jahrhundert stehen. Der Grund der Auswahl ist prinzipieller Natur: Es handelt sich ganz offensichtlich nicht um eine "fertige" Vita, ein Umstand, dessert sich der Autor voll bewul3t ist. In der Forschung seit J. Ivanov (1931: 20) gilt speziell diese erste altbulgarische Vita als schlichter, faktenreicher Text, der sich von den anderen Viten des Naum durch seinen einfachen Stil, den Verzicht auf die vitentypische rhetorische "ukrasa", und seinen hohen historischen Quellenwert zur Slavenmission in Mahren und zum weiteren Schicksal der Schiiler der Slavenapostel Kyrill und Method auszeichnet. Diese erste Vita entspricht etwa jenem Typ hagiographischer Aufzeichnungen, den KljuEevskij in seiner Typologie der Vitenformen als einfache biographische Aufzeichnung kennzeichnet ("prostaja biografiEeskaja zapiska", 1871: 361). Sie tr~igt den Titel 'Am 23. Tag des Monats Dezember. Ged~ichtnis [pametb] unseres heiligen Vaters Naum'. Der Titel bzw. die Funktionsbezeichnung ("pamjatb") verweist in der Regel darauf, dab es sich um einen Text aus dem Prolog handelt, eine Sammelhandschrift hagiographischer Kurztexte, zum grol3en Teil Kurzviten, die entsprechend dem Kultgebrauch nach Monaten geordnet sind. So stammt denn auch dieser Text iiber Naum aus einer Prolog-Handschrift des 15. Jahrhunderts aus dem Gebiet von Debar im weiteren Umkreis von Ochrid. Der Titel bezeichnet das offizielle kirchliche Gedenken am Festtag (Todestag) des Naum und stammt von sp~iteren Abschreibern, ist also nicht dem Verfasser der Vita zuzurechnen. Diese selbst ist nur in dieser einen Handschrift iiberliefert, die innerhalb des Korpus fiber Naum isoliert dasteht. Die Aufnahme in den Prolog deutet zwar auf eine Verwendung als Vita hin, der

248

Wolf-Heinrich Schmidt

Umstand der Ubediefemng in nur einer Handschrift 1/iBt aber durchaus auf gewisse Reserven der Kultgemeinschaft gegenfiber dem Text schlieBen. Er bietet auch sonst eine ganze Reihe yon Merkwtirdigkeiten im Vergleich mit den anderen, sp~iteren Aufzeichnungen fiber Naum. Der Text setzt abrupt ein mit dem Satz: Und dies also, meine Briider, auf dab der Bruder dieses seligen Kliment und der Gef~ihrteund Miterdulder nicht ohne Ged~ichtnisbleibe, mit welchem er viele N6te und Leiden von den H~etikern erduldet hat, dieser Presbyter Naum. (Ivanov 1931: 306) Mit "Kliment" ist Kliment von Ochrid gemeint. Die Forschung hat diesen Anfang so gedeutet, dab der Verfasser des isoliert iiberlieferten Textes fiber Naum gleichzeitig Autor einer Vita des Kliment von Ochrid war, zu der der vorliegende Text einen Nachtrag, eine Erg~inzung darstellt, ein zweifellos naheliegender Schlul3. Uber Naum wird in diesem Text relativ wenig gesagt. Wo er erwahnt wird, wird er zusammen mit Kliment erw/ihnt. Von der sechs Abschnitten des Textes befassen sich nur zwei direkt mit der Person des Naum. Der Text zerf/illt in zwei Teile ann~ihemd gleichen Umfangs, von denen der erste, dokumentarische Teil Ereignisse aus dem Leben des Naum und die Vertreibung der Schfiler der Slavenapostel aus M~ihren durch die "H~etiker" (den fr~inkischen Klerus) schildert. Der zweite Teil beschreibt die Genese der Vita und die Schwierigkeiten ihrer Abfassung. Er bringt in Form eines Rechenschaftsberichts alle jene Informationen, die sich sonst in den Vorworten oder Nachworten ausfiJhrlicher Viten ffir den nichtliturgischen Gebrauch finden: Angaben fiber den Autor, seine Quellen, Auftraggeber, fiber Anla8 und Zweck der Abfassung, Aufruf an die Gemeinschaft zur Nachfolge usw. Aus dem Leben des Nauru, der in den dreil]iger/vierziger Jahren des 9. Jahrhunderts geboren wurde, werden nur die letzten beiden Jahrzehnte (von der Vertreibung aus M~ihren 886 his zum Tod im Jahre 910) in stark geraffter Form dargestellt: Die Einsetzung als geistlicher Lehrer dutch den bulgarischen Zaren Simeon, die Griindung des Klosters am Ochrid-See durch Naum, die letzten Jahre als M6nch in diesem Kloster, der Tod am 23.12. sechs Jahre vor dem Bischof Kliment. Den Rest des ersten Teils nimmt eine ausffihdiche Schilderung der Vertreibung der Schiiler der Slavenapostel und ihrer Leiden sowie des Untergangs des m~rischen Landes nach der Eroberung durch die Ungam ein, womit M/ihren gem/iB einer Prophezeiung des Methodios die Strafe ffir seine Gesetzlosigkeiten und Haresien empfangen habe. Vor allem dieser Teil hat durch seinen Faktenreichtum die Hochsch~itzung des Textes als historische Quelle durch die Forschung begriindet.

Probleme einer Theorie der Hagiographie

249

Ober Geburt, Kindheit, Jugend, den Beginn der geistlichen Karriere Naums, die Anfange der Slavenmission usw. wird nichts berichtet. Vereinzelt gibt es Ansatze, die Liicken in der Biographie durch Standartformeln zu verdecken, so etwa, wenn es zu Beginn heil3t, dab Naum von seiner Kindheit bis zu seinem Ende Jungfraulichkeit geiJbt habe, ein Verfahren, dessen sich die spateren Viten Naums in weit gr6Berem Mabe bedienen, weil die Entwicklung des Kults inzwischen gr6gere "Vollstandigkeit" erforderte. Was jedoch in den spateren Viten an biographischen Informationen nachgetragen wird, ist eher diirftig. Nirgends steht die Person des Naum als solche im Mittelpunkt. Ausfiihdichere biographische Schilderungen sind stets nur der Slavenmission gewidmet, wo Naum ein Akteur unter anderen ist. Oberhaupt ist sein Kult nicht nur mit dem des Kliment, sondern auch mit dem Kult der anderen aus der heiligen Siebenzahl ("sedmoEislennici") eng verflochten. Worin besteht die Heiligkeit des Naum nach den Angaben des Verfassers der ersten Vita? Wo ist der Ort des Naum in der Typologie der Heiligen? Da w~en zunachst die allgemeinen gottgefalligen "podvizanija" (306) und m6nchischen Tugenden wie Jungfrauligkeit ("d6vstvo"), Reinheit ("~istota") und Demut ("sm6renie") zu nennen, dann die Tatigkeit als geistlicher Lehrer ("u~itelbstvo"). Sie wird, wie auch in den Viten der Slavenapostel und in den Viten des Kliment, besonders herausgestellt. Hinzu kommen Elemente des Martyrerstatus: Es wird im einzelnen ausgefiihrt, wie die Haretiker die Schiller der Slavenapostel marterten ("mu~ite mnogo"), und auf die Leiden verwiesen, die die seligen Vater (d. h. Kliment und Naum) fiar den g6ttlichen rechten Glauben erdulden mul3ten ("strasti", "postradate", 306 und 307). Der Komplex "u~itelbstvo" steht jedoch innerhalb der Attribute der Heiligkeit klar im Vordergrund, so dab es gerechtfertigt ist, die Viten des Naum mit denen des Kyrill und Method und des Kliment zu einer besonderen Kategorie von Heiligenviten, der der "prosvetiteli" zusammenzufassen (vgl. etwa die Anthologie von K. Ivanova [1986]). Aus der altrussischen Literatur wiirde etwa die Vita des Stefan von Perm' in diese Kategorie geh6ren. Ein weiteres unerlal31iches Attribut der Heiligkeit, die Wundertaten, werden in der ersten Vita des Naum kaum erw~nt. Hierzu heil~t es im zweiten Teil nur ganz pauschal, dab die Vater (Kliment und Naum) viele Zeichen ("znamenia") gewirkt hatten. In der zweiten altbulgarischen Vita, erhalten auch nur in einer einzigen Handschrift (16. Jh.), liegen die Verhaltnisse schon ganz anders. Es handelt sich wiederum um eine Prolog-Vita, die den Titel tr/igt: "Am 23. Tag des Monats Dezember. Gedachtnis [pamet] unseres heiligen und gotttragenden Vaters Naum, des groBen Wundertaters..." (Ivanov 1931: 312). Diese Vita beschreibt denn auch die wunderbare Wiedererweckung eines Toten durch die Gebete der nach Bulgarien geflohenen SchiJler der Slavenapostel und verweist am Ende auf grol3e posthume Wundertaten des Naum (Wunderheilungen, Teufelsaustreibungen). In den beiden griechischen Viten wird dies noch weiter ausgebaut. Hier, wie

250

Wolf-Heinrich Schmidt

auch in der zweiten altbulgarischen Vita, wird in meist formelhafter Weise all das nachgetragen, was die erste Vita nicht darbot oder bieten konnte: Geburt und Abstammung, Erziehung durch vornehme und wohlhabende Eltem, Riickzug aus der Welt usw. Insbesondere die ausf'tihrliche gfiechische Vita, die wohl aus dem Umkreis der gfiechischen Erzbisch6fe von Ochrid im 14. Jahrhundert stammt, ist ein Musterbeispiel einer theologisch gelehrten Hagiographie im Sill iJppiger Rhetorisierung, der es auf das Bezeugen dessen, was in der ersten altbulgarischen Vita als "historischer Kern" pr~isentiert wird, gar nicht mehr ankam. Die Gemeinschaft als Tr~iger des Kults ist hier offensichtlich eine ganz andere als im 10. Jahrhundert. Die bulgarische Forschung (u. a. DujEev 1969) hat aus der ver~inderten hagiographischen Schreibweise und dem hohen Sill des Werkes den SchluB gezogen, dab es sich hier in erster Linie, v o n d e r Intention des Autors her, um ein Kunstwerk handele bzw. dab diese griechische Vita sich v o n d e r ersten und zweiten altbulgarischen Vita des Naum vor allem durch ihre "chudo~estvenost" unterscheide. Als Argument daf'tir wird nicht nur der rhetorische Stil, sondern auch die Komposition angefiihrt, w~ihrend die Komposition der ersten Vita als h/Schst unausgewogen ("nestrojna") beschrieben wird (ebd.). Der Autor der ersten Vita ist ein anonymer Zeuge im Sinne von Jauss. Er nennt seinen Namen nicht. Auch die Autoren der anderen drei Viten bleiben anonym. Was den Autor der ersten Vita auszeichnet, ist sein besonderer Zeugenstatus. Er kannte die "seligen V~iter" (Kliment und Naum) perstinlich, war ein SchUler des Kliment und zeichnet eingestandenermaben nur das auf, was sie ihm selbst erz~ihlten, w ~ r e n d sie anderes verborgen haben wegen ihrer Demut. Er wisse aber, dab die V~iter viel mehr als dieses getan und viele Zeichen gewirkt haben. Der Autor gibt sich damit zufrieden und berichtet der Gemeinschaft, den "bratie", an die er sich wendet, von seinen Bem~ihungen, auch andere Quellen zu finden, insbesondere schriftliche. Er habe um des Ged~ichmisses dieser V~iter willen grogen Schmerz empfunden und daher ihr Leben vollst~ndig aufgezeichnet finden wollen ("~itie ichl, v~,se napisanno"). Was "vollst~indig" heiBt, wird anschlieBend erl~iutert. (Er habe es finden wollen) bei denen, die ihr ganzes Leben ("vl, se ~.itie") kannten "vom Beginn und ausfiihrlich und bis zum Ende" ("ot naEela.., jako na dh, zE i do konEiny"). Er habe es aber nicht finden ktinnen. Wenn aber jemand etwas von anderen niedergeschrieben findet, so m/Sge er es "unserer Armut und Unbildung" nicht verdenken. Dieses Eingest~indnis der Unvollstandigkeit wird noch zus~itzlich durch den Satz bekr~iftigt "ich war gentitigt zu schreiben und wagte es doch nicht" ("nu~dachb se pisati i ne sm6jach"). Die Autoren der iibrigen drei Viten haben solche Skrupel offensichtlich nicht gehabt oder nicht zu haben brauchen. Sie haben beztiglich der Biographie des Naum nachgetragen, was gemW3 ihrem BewuBtsein von Voll-

Probleme einer Theorie der Hagiographie

251

st~tndigkeit fehlte, und verfiigten dar0ber hinaus tiber andere Quellen, insbesondere hinsichtlich der posthumen Wunder. Was den Autor der ersten Vita gen6tigt hat, einen auch fOr das mittelalterliche Bewu6tsein unvollst~indigen Text vorzulegen, wird nich gesagt. Man kann es jedoch vermuten angesichts der von ihm beschriebenen Auftragssituation. Er teilt mit, dab er sich selbst verpflichtet gefiihlt habe ("sam donudich se"), mehr noch aber habe ihn der Bischof von Devol (siidlich vom Ochrid-See), Marko, (iberredet, ebenfaUs ein Sch(iler des seligen Kliment, der vierte Bischof fOr das slavische Volk. Beide h~itten sie sich von den seligen V~itern Fiirsprache und Barmherzigkeit erhofft und von Gott Gnade und Vergebung der SiJnden. Verpflichtung und Auftrag werden anschlieBend mit Bibelzitaten legitimiert, u. a. mit dem Pauluswort aus Hebr~ier 13:7: "Gedenket Eurer Lehrer, welche Euch das Wort Gottes gesagt haben, ihr Ende schauet an und folget ihrem Glauben nach." Die imitatio wird hier durch das Verb "podobiti se" ausgedrOckt. Der Text schlielBt mit einem entsprechenden Aufruf an die Gemeinschaft: Folgen deshalb auch wir, ihr Briider, dem guten Wandel dieser Seligen nach [podobim se (...) dobromu ~itiju], [...] auf dab auch wir mit ihnen das ewige Heil erlangen m6gen [...]. Die Tatsache, dab der zust~indige Bischof sich einschaltet und mehr oder weniger als Auftraggeber in Erscheinung tritt, bedeutet nicht unbedingt, dab der Text der Vorbereitung der Kanonisierung dient. Dagegen wtirde der Kontext sprechen. Die Unvollst~indigkeit der Vita wird fiir beide V~iter (Kliment und Naum) beklagt. Gegen eine solche Funktion des Textes spricht auch der Umstand, dab Wunderbeschreibungen fehlen. Der vage Hinweis auf "Zeichen" wiJrde ftir einen solchen Zweck nicht ausreichen. Es ist daher durchaus m6glich, dab diese "defekte" Vita abgefabt worden ist fOr das feierliche "Ged~ichtnis" der Heiligen in einem der von ihnen gegriindeten K16ster, wie das schon DujEev (1969: 264) vermutet hat. Das BewuBtsein des Autors setzt sich aus einer ganzen Reihe zusammenwirkender Komponenten zusammen: Ein gesamtorthodoxes BewulBtsein, wie es in jeder Vita vorkommt und sich meist schon im Titel ausdriickt ("Ged~ichtnis unseres hi. Vaters [...] unsere seligen V~iter"). Hier kommt noch das Sprechen aus der Position der "Rechtgl~iubigen" gegen die "Haretiker" hinzu. Ein slavisches oder slavobulgarisches BewuBtsein (Erwahnung des rechtgl~iubigen Zaren Simeon, Marko als vierter Bischof des slavischen Volkes), wie es in einem Grenzgebiet zum byzantinischen Reich nicht verwunderlich ist. Ein lokales BewuBtsein, das vermuten l~iBt, dab der Autor in erster Linie zu einem iaberschaubaren lokalen Kultpublikum spricht, weil er lokale Gegebenheiten nicht erkl~irt, w~ihrend die sp~iteren Viten fur ihren Adressatenkreis Erklarungen

252

Wolf-Heinrich Schmidt

einffigen, etwa genau die geographische Lage des von Naum gegriindeten Klosters angeben. Im Titel der zweiten Vita wird das T~itigkeitsgebiet des Naum bezeichnet als "im Livan [Libanon] von D6voh,, nahe der Stadt Ochrid". Mit der m6nchischen Anrede "bratie" kann eine lokale Klostergemeinschaft gemeint sein, vor der sich der Autor rechtfertigt, an die er appelliert und die er zur Nachfolge auffordert. Gleichzeitig wird jedoch ein gr6Beres, allgemeines Kultpublikum direkt angesprochen: Und auch dies m6ge bekannt sein allen, die [sie] verehren ["vusemb po~itajustomu", k6nnte auch heil3en: allen, die dies lesen - W.-H.S.], wie wit zuvor geschrieben haben, dab die H~retiker die einen viel gemartert und die anderen den Juden verkauft haben, Presbyter und Diakone. Eine derartige Kommunikationsstruktur ist eigentlich typisch fiir eine Vita im Moment der Erstaufzeichnung, wenn in der Entwicklung des Kults eine Situation eintritt, ffir die mUndliche Oberlieferung, miindliche Kommunikation iiber den Heiligen nicht mehr ausreicht und eine schriftliche Fixierung seiner Taten erforderlich wird. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Gemeinschaft, in der der Heilige ursprfinglich gewirkt hat, sein Wirken nach augen hin darstellen und dokumentieren will oder mug. Gew6hnlich wird diese Aufgabe der Aufzeichnung jemandem innerhalb oder auBerhalb der Klostergemeinschaft anvertraut, der auBer iiber die erforderlichen Infonnationen auch tiber eine entsprechende literarische Kompetenz verftigte. Wie die Vorworte und Nachworte zu Viten zeigen, greift der Hagiograph in der Regel auf eigene und/oder fremde Beobachtungen, mfindliche und/oder schriftliche Quellen zurfick, je nachdem, auf welcher Stufe in der Entwicklung des Kults die Aufgabe an ihn herangetragen wird. Auch der Autor der ersten Naum-Vita hat neben eigenen und fremden Beobachtungen und m~indlichen Quellen auch schriftliche/literarische Quellen verwendet, allerdings nicht solche fiber das Leben von Naum (und Kliment). Im Gegensatz zu anderen Hagiographen, die explizit erkl~iren, dab vor ihnen niemand das Leben des betreffenden Heiligen aufgezeichnet habe (vgl. etwa Nestor in der Einleitung zur Vita des Feodosij PeEerskij), schlieBt er jedoch keineswegs aus, dab Aufzeichnungen durch anderen existieren. Auch dies ist ein indirekter Hinweis darauf, dab sich der Kult des Naum nicht mehr im Anfangsstadium befindet. Miindliche Kommunikation innerhalb des Heiligenkults hat durchaus ihren eigenen Stellenwert innerhalb einer Epoche, die durch eine starke Vorherrschaft der Miindlichkeit gegenfiber der schriftlichen Kommunikation gepr~igt ist. Mfindliche Oberlieferung fiber einen Heiligen kann, wie KljuEevskij an Beispielen gezeigt hat (1871: 372), oft alleiniger Oberlieferungs-

Probleme einer Theorie der Hagiographie

253

tr~iger sein, bis irgendwann einmal, hundert oder sogar zweihundert Jahre nach dem Tod eines Heiligen, seine Vita aufgezeichnet wird. Durch die Aufzeichnung versiegt die mfindliche Obedieferung nicht. Sie lauft weiter innerhalb des Heiligenkults und wirkt wieder auf diesen zurtick, wie etwa die mfindlich verbreiteten Geschichten fiber die posthumen Wunder des Heiligen zeigen, die Bestandteil der Vita werden oder die Abfassung einer neuen Vita effordeflich machen oder sogar als eigenstandiger Mirakelzyklus fiberliefert werden. Auch die Viten des Naum sind dutch solche Kommunikationsprozesse beeinflul3t worden. Was die Vita (Viten) des Naum innerhalb der Kommunikation fiber den Heiligen zum literarischen Text macht, ist zun~ichst einmal der Umstand, dab diese Texte, im Gegensatz zu denen der mtindlichen Oberlieferung, in der Literatursprache (altbulgarisch/kirchenslavisch bzw. griechisch) abgefaBt sind. Das allein reicht jedoch nicht aus. Die Abfassung einer Vita kann eigentlich nur dann unternommen werden, wenn "Vollstandigkeit" gegeben ist, wie dies der Autor der ersten Vita des Naum besonders anschaulich bezeugt. Diese "Vollst~indigkeit" wird um des Ged~ichtnisses willen erfordert und sie wird auch von der Gemeinschaft, von den "Brfidem" erwartet. Andernfalls wfirde der Autor sich nicht rechtfertigen und Argumente daftir anftihren, warum er eine solche Vita nicht vorlegen konnte. Seine Vorstellung von Vollstandigkeit (von Anfang bis zum Ende und in aller Ausffihrlichkeit) l~il3t den SchluB zu, dab er ursprOnglich eine ausffihrliche Vita ffir den nichtliturgischen Gebrauch abfassen wollte. In der weiteren Rezeption ist sein Text jedoch als Kurzform aufgefal3t und entsprechend in den Prolog eingeordnet worden. Die urspriingliche Intention war dies jedoch offenbar nicht. Die Einordnung in den Prolog als "Ged~ichtnis des Naum" mul3 nicht auf einem Mil3verst~indnis des Textes beruhen. Es kann auch sein, daB ein Text ~iber das Leben des Naum ben6tigt wurde und man auf keinen anderen Text zurfickgreifen konnte. Im Bereich einer handschriftlich verbreiteten, direkt gebrauchsorientierten Literatur kommen solche Verwendungen eines Textes entgegen der urspriinglichen Intention dutch Einordnung in einen neuen Kontext weit h~iufiger vor als im Bereich der modernen literarischen Rezeption. Die Vollst~indigkeitsvorstellung, auf die der Autor mehrfach zurfickkommt, ist nicht nur eine Vorstellung vom Gegenstand, den er darstellen soil. Sie ist unter mittelalterlichen Produktionsbedingungen durchaus als literarisches BewuBtsein zu sehen, ein Bewul3tsein, das er mit der Kultgemeinschaft oder doch Teilen davon teilt, das er auch bei anderen (den Autoren m6glicher anderer Viten) voraussetzt und das er wiederum seinem Adressatenkreis vermittelt. Es besteht ja nicht nur aus dieser Vorstellung. Hinzu kommen auch noch andere wesentliche Momente wie der bezeugend-dokumentan'sche Stil und die klare Vorstellung fiber die Nachfolge als Funktion solcher Texte. Zusammen mit der Konzeption der Heiligkeit von Naum (und Kliment) er-

254

Wolf-Heinrich Schmidt

gibt dies letztlich, wie rudiment~r auch immer, ein GattungsbewuBtsein der Vita, das besonders noch dadurch bekr~tigt wird, dab der Autor often eingesteht, den entsprechenden Normen nicht genfigen zu k6nnen. Solche "Irrl~iufer" ohne klar definierten Status dilrften im Bereich hagiographischer Oberlieferung keine Seltenheit gewesen sein. Ober einen vergleichbaren Fall berichtet der PriestermOnch Dosifej in seinem Bericht fiber die Abfassung der Vita der Grfinder des Klosters auf den Solovki-Inseln Zosima und Savvatij ('Slovo o sotvorenii ~itija na~alnik Soloveckych Zosimy i Savatija'). Dieser in mehreren Handschriften fiberlieferte Bericht fiber die einzelnen Stationen und Vofformen einer Vitenaufzeichnung w~'e durchaus eine ausffihrliche Untersuchung wert. Der Autor Dosifej war ein Schiller des hl. Zosima und teilt zu Beginn des Berichts mit, dag der Erzbischof von Novgorod, Gennadij, ihn verlassen habe, das Leben der beiden Heiligen aufzuzeichnen, u n d e r sich auch selbst dazu verpflichtet gefilhlt babe Ci az ponudich sebe na delo sie", Dmitrieva 1982: 132). Die Auftragssituation ist also die gleiche wie in der ersten Vita des Naum. Auch sonst gibt es eine Reihe auff'~illiger Parallelen, etwa die, dab es sich in beiden F~illen um einen Text fiber zwei Heilige handelt. Dosifej kann auger auf eigene Beobachtungen auch auf mfindliche Berichte des M6nches German zutiickgreifen, eines Gef~rten des hi. Savvatij. German war nach Aussage des Dosifej "ot prostych ~elovek" und daher der Schrift nicht kundig Cne umea kni~nago pisania", 135), so dab schriftkundige Kleriker seine Berichte aufzeichnen mugten, was sie ausschlieglich urn des Ged~chmisses der seligen V~iter willen taten ("to~iju pamjati radi", 135). Da die Erz~lungen des German in einfacher Rede Cprostoju re~iju") gehalten waren, kfimmerten sich die Kleriker nicht welter datum und machten sich sogar darilber lustig ("glumja~6esja o napisanii i v smech polagachu", ebd.). Soweit der Bericht nach den Grogen Lesemen~ien des Makarij. In einer anderen Handschrift (GBL, Volokolamskoe sobranie, Nr. 659) berichtet Dosifej dariiber, dab er alles, was ibm German fiber das Leben und teilweise fiber die Wunder des Savvatij erz~lt habe, aufgezeichnet habe, und zwar ausschlieglich um des Ged~ichtnisses willen ("no toliko pamet radi", 133). Seiner Unbildung wegen habe er diese Darstellung nicht verbessem k6nnen Cnedoumevach sie udobriti"), sie so aufgezeichnet, wie er sie geh6rt habe, ohne sie stilistisch auszuschmficken ("ne ukra~aja pisania slovesy", 133). Anschliegend wird erz~hlt, wie ein ausw~irtiger M6nch sich einige Zeit im Kloster aufhielt, sich die Aufzeichnungen lange Zeit auslieh und bei seiner Abreise mitnahm, so dab die M6nche wiederum "ohne Ged~ichtnis" Cbes pameti") blieben, da German inzwischen gestorben war. Als Dosifej eine Reise nach Novgorod untemehmen mug, erstattet er dort dem Erzbischof Gennadij mfindlich Bericht fiber die Geschichte des Klosters und das Leben und die Wunder der Klostergriinder. Es folgt der Auftrag durch Gennadij, und Dosifej macht sich daran, alles nach der Erinnerung aufzuzeich-

Probleme einer Theorie der Hagiographie

255

nen, empfindet jedoch Skrupel, den Text in der vorliegenden Form dem Erzbischof zu iibergeben. Er habe zwar die Wahrheit geschrieben, sich aber nicht imstande gesehen, sie in der angemessenen Form darzustellen ("sty~usja, pone~e istinu napisach, no udobriti jako ~.e by slo~no nedoumechsja", 133). Seine ganze Sorge geht dahin, einen Mann ausfindig zu machen, der imstande w~e, seine Darstellung so auszuschmiicken, wie es sich geziemt ("ukrasiti, jako ~e podobaet", 133). Seine Wahl f'~illt auf den ehemaligen Metropoliten von Kiev, Spiridon. Diesem legt er seine ungelenken Aufzeichnungen ("gruboe pisanie") vor, und Spiridon, ein weiser und in der Schrift erfahrener Mann, gibt dem Ganzen die angemessene Form ("napisa dobre, jako ~.e podobno", 134). Das Problem for den Autor der ersten Naum-Vita war vor anem die "Vollst~indigkeit" von Anfang bis Ende. Der Autor Dosifej dagegen sieht sich schon einer anderen Situation gegen(iber. An "Vollst~ndigkeit" mangelt es ihm offensichtlich nicht. Seine Anforderungen und die anderer an eine Vita bezeichnet er mit dem Terminus "ukra~enie". Es ware sicher eine reizvolle Aufgabe, an solchen und ahnlichen Texten im einzelnen herauszuarbeiten, was "ukra~enie" als literansche Norm im Bereich der Hagiographie alles bedeuten kann. FOr den hier behandelten Problemzusammenhang ist nur von Bedeutung, dab damit eine von unterschiedlichen literarischen Anforderungen der Kultgemeinschaft bezeichnet wird. Der Bericht des Dosifej beschreibt nicht nur die Produktionsbedingungen der Hagiographie (das tut die erste Naum-Vita auch). Er zeigt auch, dal3 im Rahmen der Entwicklung und Ausbreitung der Heiligenverehrung auf unterschiedlichen Stufen und in unterschiedlichen Milieus unterschiedliche Typen von Aufzeichnungen bis hin zur vod~iufigen offiziellen Endstation Vita angefertigt werden. Diese wiederum werden von unterschiedlichen Teilen und Gruppen der Gemeinschaft unterschiedlich bewertet. Dosifejs Darstellung (und auch die des bulgarischen Autors) belegt, dal3 solche Unterschiede schon im Bereich der Aufzeichnung "um des Ged~ichtnisses willen" auftreten k6nnen. Eine Aufzeichnung in "einfacher Rede" (d. h. nicht in der Literatursprache) nur for die M/Snche des Klosters des Heiligen weckt den Unmut der Schriftkundigen. Die literarische Kompetenz des Dosifej, der zu diesen Schriftkundigen geh6rt, reicht wiederum nicht aus fiir seinen "externen" Auftraggeber usw. In dem einen Fall fallen bestimmte Aufzeichnungen der "Zensur" der Gemeinschaft zum Opfer, im anderen Fall l~ilBtman sie passieren und bringt sie in Umlauf und sie geraten, wie die erste Vita des Naum, aus irgendeinem Grund sogar in die Monatsbiicher des orthodoxen Kultus. Auf der anderen Seite gibt es sogar Beispiele literarischer Polemik gegen "einfache" Schreibweise im Bereich der Hagiographie. So polemisiert etwa Evtimij von TiIrnovo in der Einleitung seiner Vita des Ioann von Rila gegen diejenigen seiner Vorg~inger, die das Leben des Heiligen "nechytr~" und "grub6" dargestellt

256

Wolf-Heinrich Schmidt

haben, w~ihrend er sich an das Prinzip der Angemessenheit halten wolle ("po lepot~, jako~e klju~imo estb", vgl. Katu~niacki 1901: 7). Diese Beispiele und Beobachtungen lieBen sich vermehren. Sie zeigen, dab die Forschung hinsichtlich dessen, was innerhalb der literarischen Kommunikation im Bereich des Heiligenkults als das Literarische galt, noch l~ingst nicht zu einem AbschluB gekommen ist. Die Griinde dafiir sind teils methodologischer Natur, teils liegen sie, wie gezeigt, in der selektiven Aufarbeitung der Uberlieferung nach Kriterien, die ihr selbst nicht abgewonnen wurden.

LITERATURVERZEICHNIS Berman, B.I. 1982 Bulanin, D.M. 1985

'{~itatel' ~itija (Agiografi~eskij kanon russkogo srednevekov'ja i tradicija ego vosprijatija)'. Chudo~.estvennyjjazyk srednevekov~ia (Red. V. A. Karpugin). Moskva, S. 159-183. 'Iz opyta raboty nad "slovarem kni~nikov i kni~nosti Drevnej Rusi"'. Trudy Otdela drevnerusskoj literatury, XXXIX. Leningrad, S. 9-17, S. 15.

Delehaye, H. 1921 Les passions des Martyrs et les genres litt6raires. Bruxelles. 19554 Les l6gendes hagiographiques. Bruxelles. Dmitrieva, R.P. 1982 '"Slovo o sotvorenii ~itija na~alnik soloveckich Zosimy i Savatija" Dosifeja'. Russkaja i armjanskaja srednevekovye literatury. Leningrad, S. 123-136. Duj~ev, I. 1969 'Prostranno grficko ~itie i slu~ba na Naum Ochridski'. Konstantin Kiril Filosof. Jubileen sbomik po slu~aj 1100-godigninata ot smtYrtta mu. Sofija, S. 261-279. Ebbinghaus, A. 1990 Die altrussischen Mafienikonen-Legenden (Ver6ffentlichungen der Abteilung fiir Slavische Sprachen und Literaturen des OsteuropaInstituts an der Freien Universit~itBerlin, Bd. 70). Berlin. Ehrhard, A. 1938-1952 Oberlieferung und Bestand der hagiographischen und homiletischen Literatur der griechischen Kirche yon den AnFdngen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Bd. 1-3. Leipzig.

Probleme einer Theotie der Hagiographie Fedotov, G.P. 1959 Hannick, Ch. 1985a

257

Svjatye Drevnej Rusi (X-XVH st.). New York.

'Hagiographie. III. Orthodoxe Kirchen'. Theologische Realenzyklop~die, Bd. XIV. Berlin-New York, S. 371-377. 1985b 'Heilige/Heiligenverehrung, VI. Die orthodoxe Kirche'. Theologische Realenzyklopadie, Bd. XIV. Berlin-New York, S. 660-664. Hennessey Olsen, A. 1980 '"De Historiis" Sanctorum: A Generic Study of Hagiography'. Genre, XIII, 3, S. 407-429. Hodrowi, D. 'Hagiografie a roman. P~edpoklady vzniku rom~inu ve starorusk6 1978 literature'. Slavia. ~asopis pro slovanskou tilologii, XLVII, S. 250-259. Ivanov, J. 1931 Btllgarski starini iz Makedonija. Vtoro doptllneno izdanie. Sofija, S. 305-313. Ivanova, K. Agiografskata produkcija na T~rnovskata kni~ovna gkola (Kand. 1979 Dis.). Sofija. '~itija na Naum Ochridski'. KMlo-Metodievska enciklopedija, 1985 Bd. 1 (A-Z). Sofija, S. 698-704. '~itijata v starata btalgarska literatura'. Stara btllgarska literatura, 1986 Bd. IV. ff~itiepisni tvorbi. Sofija, S. 5-34. Jauss, H.-R. Alterit~t und Modernit~t der mittelalterlichen Literatur. Gesam1977 melte Aufs~tze 1956-1976. Miinchen, S. 9-47, vgl. S. 34-47. Jolles, A. 19582 Einfache Formen. Legende/Sage/Mythe/R~tsel/Spruch/Kasus/Memorabile/Miirchen/Witz (1930). Darmstadt. Kalu~.niacki, E. Werke des Patriarchen von Bulgarien Euthymius (1375-1393). 1901 Nach den besten Handschriften herausgegeben yon E.K. Wien. Karlinger, F. 1986 Legendenforschung. Aufgaben und Ergebnisse. Darmstadt. Klju~evskij, V.O. 1871 Drevnerusskie ~.itija svjatych kak istori~eskij isto~nik. Moskva (Nachdruck: Slavistic Printings and Reprintings, Vol. 115, The Hague-Paris 1968). So~inenija v vos'mi tomach, t. VI. Special'nye kursy. Moskva, S. 1959 65-81 (Vorlesungen X und XI, zur Hagiographie). Kusseff, M. 'St. Nahum'. The Slavonic and East European Review, 29, S. 1391950 152.

258 Lenhoff, G. 1989

Wolf-Heinrich Schmidt

The Martyred Princes Boris and Gleb: A Socio-Cultural Study Of The Cult And The Texts (UCLA Slavic Studies, Bd. 19). Columbus, Ohio. Link, J., Link-Heer, U. 1980 Literatursoziologisches Prop~deutikum. MiJnchen, S. 232-240: 'Die Mittelalterliche Heiligenlegende'. Loparev, Ch. M. 'Vizantijskie ~itija svjatych VIII-IX vekov'. Vizantijskij vremen1910 n/k, 17, S. 1-224. 1911 'Vizantijskie ~itija svjatych VIII-IX vekov'. Vizantijskij vremennik, 18, S. 1-47. 1912 'Vizantijskie ~itija svjatych VIII-IX vekov'. Vizantijskij vremennik, 19, S. 1-151. Marinkovi6, R. 1986 'Hagiografija'. Enciklopedija Jugoslavije, Bd. 4. Zagreb, S. 660662. Mayer, G. 1971 Morphologie der Vita (Habilitationsschrift, unver6ffentlicht), 2 Teile. Bochum. Mileusni6, S. 1989 Sveti srbi. Kragujevac. Onasch, K. 1977 Altmssische Heiligenleben. Berlin, S. 11-19. 1981 Kunst und Liturgie der Ostkirche in Stichworten unter BerOcksichtigung derAlten Kirche. Wien-K61n-Graz, S. 153-155: 'Heiligenverehrung'. Pavlovi6, L. 1965 Kultovi lica kod Srba i Makedonaca (Istorijsko-etnografska rasprava). Smederevo. Poljakova, S.V. (Hrsg.) 1972 'Vizantijskie legendy kak literaturnoe javlenie'. Vizantijskie legendy. Leningrad, S. 245-273. Rosenfeld, H. 1961/19723 Legende. Stuttgart. SenderoviE, S. 1988 'Opyt teoreti~eskogo vvedenija v sravnitel'noe izu~enie agiografii'. American Contributions to the Tenth International Congress of S1avists. Sofija, September 1988. Literature (Ed. J. G. Harris). Columbus, Ohio, S. 333-349. StanEev, K. 1982 Poetika na starob~llgarskata literatura. Sofija, S. 42-85, 86-143. 1985 Stilistika i t_anrove na starobtllgarskata literatura. Sofija, S. 85-89. Stender-Petersen, A. 1957 Geschichte der russischen Literatur, Bd. 1. MiJnchen, S. 64-76: 'Die hagiographische Literatur'.

Probleme einer Theorie der Hagiographie

Suchanek, L. 1991

259

'Model' ~anra i ego individual'naja realizacija (na primere agiografii)'. Gattungen und Genologie der slavisch-orthodoxen Literaturen des Mittelalters (Hrsg. K. D. Seemann). Dtitte Berliner Fachtagung 1988. Wiesbaden.

Toporov, V.N. 1989 'Ideja svjatosti v Drevnej Rusi: Vol'naja ~ertva kak podra/.anie Chrism - "Skazanie o Borise i Glebe"'. Russian Literature, XXVI, S. 1-102. Trapp, E. 1974 'Die Viten des hl. Nauru von Ochrid'. Byzantinoslavica, XXXV, S. 161-185. Vavi~nek, V. 1963 Staroslov~nske ~ivoty Konstantina a Metod~je. Praha. Ward, B. 1987 Miracles and the Medieval Mind. Philadelphia. Wyss, U. 1973 Theorie der mittelhochdeutschen Legendenepik (Edanger Studien, 1). Edangen. 1984 'Legenden'. Epische Stoffe des Mittelalters (Hrsg. V. Mertens und U. Miiller). Stuttgart, S. 40-60.