Sepsis – neue Definition, neue Kontroversen

Sepsis – neue Definition, neue Kontroversen

Projekt RAI (Rationaler Antibiotikaeinsatz durch Information und Kommunikation) Im Vordergrund dieses Projektes der Charite/Berlin und der Universit€...

47KB Sizes 2 Downloads 96 Views

Projekt RAI (Rationaler Antibiotikaeinsatz durch Information und Kommunikation) Im Vordergrund dieses Projektes der Charite/Berlin und der Universit€at Jena stand die Entwicklung von Konzepten im ambulanten, station€aren und veterin€armedizinischen Bereich. Beispielhaft wurden sog. ,,Infozepte‘‘ genannt, die in der Hausarztpraxis an Patienten anstelle eines AntibiotikaRezeptes abgegeben werden k€onnen. Die Infozepte enthalten konkrete Tipps f€ur Patienten mit Erk€altungskrankheiten. Die Patienten haben so die M€oglichkeit, den Heilungsverlauf selbst positiv zu beeinflussen. F€ur Veterin€armediziner wurde ein Podcast entwickelt, das Informationen zum Thema Antibiotika, Antibiotikaresistenz und Landwirtschaft bereitstellt, die z. B. w€ahrend der Autofahrt zwischen zwei H€ofen geh€ort werden k€onnen. Im Anschluss an die Vortr€age wurde ausf€uhrlicher €uber die Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial (Brosch€uren, Flyer) f€ur Patienten oder die Allgemeinbev€olkerung diskutiert. Brosch€uren f€ur die Allgemeinbev€olkerung werden auch von der BZgA (Bundeszentrale f€ur gesundheitliche Aufkl€arung) erstellt. Derzeit gibt es von der BZgA Brosch€uren zu den Themen Hygienetipps, MagenDarm-Erkrankungen und Atemwegsinfektionen sowie ein Plakat zu Antibiotika-Resistenzen und ,,Erregersteckbriefe‘‘ zu MRSA und MRGN. Fazit W€ahrend es bei MRSA seit 2010 eine Tendenz zur Verringerung der Inzidenz von MRSA-bedingten Infektionen und Resistenzraten gibt, weisen die vorliegenden Daten auf eine weitere Zunahme bei Besiedelungen mit MRGN hin. Besonders bemerkenswert ist, dass im Fall von 4MRGN mit einem nicht sicher quantifizierbaren Anteil von Patienten zu rechnen ist, bei dem keiner der bisher definierten Risikofaktoren (z. B. Auslandsanamnese) vorliegt. Hier k€onnen die Netzwerke durch gezielte Aufmerksamkeit und geeignete Projekte zum Erkenntnisgewinn beitragen. Ebenso sind die Situation sowie das Risikoprofil der betroffenen Patienten bei VRE weiter

186

aufmerksam zu beobachten. Die Pr€avalenz von VRE in der hospitalisierten Bev€olkerung sollte aufmerksam beobachtet und analysiert werden. Zur Pr€avention der Weiterverbreitung von VRE in Krankenh€ausern erarbeitet die KRINKO, wie auch f€ur C. difficile, in der laufenden Berufungsperiode eigene Empfehlungen. Die regionalen MRE-Netzwerke sind weiterhin wichtige Motoren und Koordinatoren der Pr€avention der Weiterverbreitung von MRE und des sachgerechten Umgangs mit Antibiotika in den durch Zuweisung von Patienten vernetzten Strukturen und Einrichtungen des Gesundheitswesens. Zu diesen Strukturen geh€oren insbesondere Krankenh€auser, Altenpflegeeinrichtungen, Rehakliniken, der ambulante Pflegedienst und die € Praxen niedergelassener Arzte. Der Gedankenaustausch der Moderatoren machte erneut deutlich, dass eine Bearbeitung des Themas im Kontext der Zuweiserstrukturen und € gemeinsam mit Arztekammern und KV im Hinblick auf die Umsetzung von Maßnahmen und die Kreativit€at bei der Probleml€osung sowie die Anpassung an regionale Besonderheiten sinnvoll ist. Neben Projekten zur Datenerhebung und zur Reduktion des AntibiotikaVerbrauchs wurden Aktivit€aten rund um die MRE-Qualit€atssiegel sowie hilfreiche Instrumente und Hilfsmittel vorgestellt, die die Arbeit vor Ort erleichtern k€onnen und die auf den Internetseiten der Netzwerke auch anderen Nutzern zur Verf€ugung stehen. Die Webseite zu den MRE-Netzwerken (www.rki.de/ krankenhaushygiene > Regionale Netzwerke) wurde vom RKI neu € aufgebaut, um die Ubersicht zu erleichtern. Der Mitgliederbereich f€ur die Netzwerktreffen, in dem die Berichte und Vortr€age aller Treffen hinterlegt sind, ist €uber ein Passwort zug€anglich, dieses kann von den Teilnehmern €uber das ,,[email protected]‘‘ angefordert werden. Ein wichtiges Fazit der Tagung war auch, dass der Erfolg der Netzwerk-Arbeit stark vom Engagement der einzelnen verantwortlichen Personen, vor allem aber auch von deren Unterst€utzung vor Ort abh€angig ist, und dass aufgrund der begrenzten Ressourcen eine Konzentration auf die effektivsten Maßnahmen geboten erscheint – ganz nach dem Motto ,,Weniger ist mehr‘‘, das schließlich auch f€ur den gezielten Einsatz von Antibiotika gilt.

Krh.-Hyg. + Inf.verh. 39 Heft 5 (2017): 176–191 http://www.elsevier.com/locate/khinf

[2_TD$IF]Literatur im Original Vorgeschlagene Zitierweise; Stoliaroff-Pepin A, Arvand M, Mielke M: Bericht zum Treffen der Moderatoren der regionalen MRE-Netzwerke am Robert Koch-Institut Epid Bull 2017;41:465 – 470 j DOI 10.17886/EpiBull-2017-053 (aus: Epidemiologisches Bulletin Nr. 31 v. 3. August 2017, Seite 309 - 310)

(BW)

Sepsis – neue Definition, neue Kontroversen

Einleitung Sepsis ist die schwerste Verlaufsform von Infektionserkrankungen. Sie kann sich aus jedem Infektionsfokus entwickeln, am h€aufigsten aber aus Lungen-, Bauchraum- und Harnwegsinfektionen. Staphylococcus aureus und Escherichia coli sind dabei die h€aufigsten ausl€osenden Mikroorganismen, gefolgt von Pilzen und Viren. Die weltweite Inzidenz von Sepsis wird auf circa 19 Millionen pro Jahr gesch€atzt. Inwiefern die Zunahme an berichteten Sepsisf€allen und die Reduktion der Mortalit€atssraten auf eine vermehrte € Wahrnehmung des Syndroms bei Arzten und Patienten und somit einer h€aufigeren Kodierung, auf der Implementierung strukturierter Behandlungsleitpfade oder beidem beruht, ist unklar. Trotz alledem betr€agt die Letalit€at der Sepsis in L€andern mit hohem Einkommen 20 – 30%. Ein septischer Schock wird allerdings auch bei optimaler Therapie nur von ca. der € H€alfte der Patienten €uberlebt. Uber Sepsis in Schwellen- und Entwicklungsl€andern ist nur wenig bekannt. Die vorliegenden Daten weisen allerdings auf deutlich h€ohere Inzidenzund Mortalit€atsraten hin. Diese sind wahrscheinlich durch Komorbidit€aten wie Malaria und HIV sowie eine

schlechtere medizinische Versorgung, vor allem aufgrund des Fehlens von intensivmedizinischen Abteilungen, bedingt. Im Hinblick auf die angestrebte Fr€uherkennung und die Entscheidung €uber die zeitkritischen erforderlichen Maßnahmen der Diagnostik und Therapie sowie der Erfassung des Therapieerfolges kommt der Definition von Begriffen und deren korrekter Anwendung bei der Sepsis eine große Bedeutung zu. Neue Definition Sepsis-3 Der Begriff Sepsis beschreibt ein komplexes klinisches Syndrom, das seit der 1. Konsensuskonferenz 1991 als systemische Inflammationsantwort (Systemic Inflammatory Response Syndrom, SIRS) auf eine Infektion definiert wurde. Eine Dekade sp€ater wurden klinische und laborchemische Parameter eingef€uhrt, die die unterschiedlichen pathophysiologischen Vorg€ange in der Sepsis besser widerspiegeln sollten. Ohne Zweifel haben diese Definitionen zur Verbesserung der Behandlung von Patienten mit Sepsis, zu einem signifikant besseren Outcome und zu einer vermehrten Wahrnehmung der Sepsis als relevant klinisches Syndrom gef€uhrt. Die Bedeutung des konzeptionellen Einordnens der Sepsis als schwerstm€oglicher Infektionsverlauf, der rasche therapeutische und diagnostische Schritte erfordert, kann nicht genug betont werden. Vor eineinhalb Jahren ver€offentlichten die European Society of Intensive Care Medicine (ESICM) und die Society of Critical Care Medicine (SCMM) Ergebnisse einer Konsensuskonferenz, deren Ziel es war, die bisher bestehende Sepsisdefinition zu €uberarbeiten und neue grundlagenwissenschaftliche und klinische Erkenntnisse in die Betrachtung der Sepsis einfließen zu lassen. Nach der neuen, als Sepsis-3 bekannt gewordenen Definition, ist Sepsis eine lebensbedrohliche Organdysfunktion, die durch eine fehlregulierte Wirtsantwort auf eine Infektion verursacht wird. Dabei liegt eine Organdysfunktion bei € einer akuten Anderung des SequentialOrgan-Failure-Assessment(SOFA)-Scores um mindestens 2 Punkte vor. Bei station€aren Patienten geht man von

einer Mortalit€atsrate von > 10% ab einem SOFA-Score von 2 aus. Patienten ohne zugrundeliegende Organdysfunktion wird initial ein SOFAScore von 0 zugeschrieben. Diese Definition entspricht in etwa der einer ,,schweren Sepsis‘‘ der €alteren Definition. Der Terminus schwere Sepsis soll nicht mehr verwendet werden, denn alle Sepsisformen gehen nach der neuen Definition mit einer Organdysfunktion einher. Die Begriffe ,,Septik€amie‘‘, ,,Sepsissyndrom‘‘ oder ,,Bakteri€amie‘‘ als Synonym von Sepsis, waren bereits in den €alteren Definitionen verlassen worden. Auch die Definition des septischen Schocks wurde ge€andert. ,,Septischer Schock‘‘ beschreibt das Auftreten von zirkulatorischen (Aufrechterhaltung des Mittleren Arteriellen Druckes > 65 mmHg nur mit Vasopressoren trotz ad€aquater Volumensubstitution) und zellul€ar/ metabolischen Dysfunktionen (Laktat > 2 mmol/l), die zu deutlich erh€ohten Mortalit€atsraten f€uhren. Dieser Ansicht liegt zugrunde, dass sich gezeigt hat, dass die Sepsis allein durch immunologische Vorg€ange nicht ausreichend erkl€art wird. Stattdessen geht man inzwischen davon aus, dass maladaptive metabolische Vorg€ange das Ausmaß der Organdysfunktion bestimmen und der Pathogenese zugrunde liegen. Daraus folgt, dass der Erkrankungsverlauf der Sepsis maßgeblich von der Kapazit€at des Organismus bestimmt wird, Schaden zu begrenzen. Dies wird im Englischen auch als Tissue Damage Control bezeichnet. Unterst€utzt wird dieser Ansatz durch das Fehlschlagen von klinischen Studien, die zum Ziel hatten, die Infektionsassoziierte Inflammation zu beeinflussen. Die weithin als SIRS-Kriterien bekannten Parameter: Fieber ( 38,0 8C)/ Hypothermie ( 36,0 8C), Tachykardie, Tachypnoe und Leukozytose/Leukopenie, sind nicht mehr Bestandteil der Sepsisdefinition. Die Pr€adiktion des Sepsisverlaufs anhand der SIRS-Kriterien hatte sich als zu unzuverl€assig herausgestellt. Best€atigt wurde diese Ansicht unter anderem durch Churpek et al. die zeigen konnten, dass die Sepsissterblichkeit unabh€angig von der Anzahl der vorliegenden SIRS-Kriterien war und jeder achte Patient gar nicht als Sepsisfall erfasst worden w€are. SIRSKriterien sollen jedoch weiter zur

klinischen Identifikation von Infektionen herangezogen werden, deren fr€uhzeitige Behandlung die Entwicklung einer Sepsis vermeiden kann. In diesem Kontext ist auch zu betonen, dass die Therapie einer Infektion zeitnah eingeleitet werden muss und nicht erst bei Auftreten einer Organdysfunktion erfolgen darf. Sepsis Screening Tool qSOFA Mit Vorstellung der Definition Sepsis-3 wurde ein neues Screening Tool f€ur die Sepsis vorgeschlagen, das als quick Sequential Organ Failure Assessment Score (qSOFA) bezeichnet wurde. Im Gegensatz zu einigen ver€offentlichten Meinungen m€ochten wir darauf verweisen, dass der qSOFA nicht Teil der Sepsis-3 Definition ist. Stattdessen wurde der Score f€ur die Konsensuskonferenz genutzt, um das Konzept generell zu €uberpr€ufen und hat zum Ziel, die Diagnose einer Sepsis rasch zu erw€agen und weitere diagnostische und therapeutische Schritte einzuleiten. SIRS-Kriterien hingegen waren vorher Bestandteil der Sepsisdefinition und besaßen eine zu geringe Spezifit€at und zu große Sensitivit€at. So erf€ullen fast alle Patienten, die auf eine Intensivstation aufgenommen werden und fast die H€alfte aller Patienten w€ahrend des Krankenhausaufenthaltes ein oder mehrere SIRS-Kriterien. Tachykardie, Fieber, Hypotonie und Leukozytose sind und bleiben unzweifelhaft Zeichen der Infektion. Damit dienen SIRSKriterien und der qSOFA unterschiedlichen Zwecken, n€amlich einerseits der Fr€uherkennung einer Infektion (SIRS) bzw. einer sich entwickelnden Organdysfunktion (qSOFA). Ein wesentliches Merkmal der qSOFAKriterien ist, dass sie (im Gegensatz zu den SIRS-Kriterien) evidenzbasiert in einer retrospektiven Analyse anhand der Daten von €uber 70.000 Patienten aufgestellt wurden. Die einzelnen Werte korrelierten dabei entweder mit erh€ohter Krankenhausmortalit€at bzw. einer Aufnahme auf die Intensivstation. Eine k€urzlich ver€offentlichte prospektive Studie mit 152 Patienten bei denen eine Infektion vermutet wurde, zeigt, dass die Anwendung des qSOFA den SIRSKriterien hinsichtlich der Pr€adiktion von Mortalit€at und der Erforderlichkeit einer Aufnahme auf eine Intensivstation €uberlegen war.

Krh.-Hyg. + Inf.verh. 39 Heft 5 (2017): 176–191 http://www.elsevier.com/locate/khinf

187

Ziel des qSOFA ist es dabei nicht, komplexere und genauere Scores zu ersetzen. Stattdessen soll eine einfache, rasche und unkomplizierte Identifizierung von Patienten mit potenziell schweren Infektionsverl€aufen allein mit klinischen Mitteln m€oglich werden. € Auff€allig ist dabei die Ahnlichkeit des qSOFA zum CRB-65, der bereits seit Jahren zur Risikostratifizierung routinem€aßig bei ambulant erworbener Pneumonie eingesetzt wird. Eine m€ogliche Erkl€arung lautet, dass bei einer Pneumonie die Lunge immer prim€ar durch den Erreger und die lokale Entz€undung gesch€adigt wird, und eine geringf€ugige Erh€ohung der Atemfrequenz nicht zwangsl€aufig Ausdruck einer Organsch€adigung durch systemische Inflammation mit sekund€arem Organschaden sein muss. € Die Ahnlichkeit von qSOFA und CRB-65, die an unterschiedlichen Patientenkohorten (Sepsis vs. Pneumonie) unter verschiedenen Betrachtungsweisen entwickelt wurden, ist plausibel, da die Pneumonie die h€ aufigste Ursache einer Sepsis ist. Dies unterstreicht die Validit€at einer klinisch rasch erfassbaren Organdysfunktion f€ur die Prognose des Schweregrades im Verlauf der Infektion. Kontroversen Die neue Sepsisdefinition und der qSOFA wurden von vielen Fachgesellschaften €ubernommen. Gleichzeitig begann eine lebhafte Debatte vor allem bei Intensivund Notfallmedizinern und Infektiologen. Kritisiert wurde unter anderem, dass die inzwischen gut etablierten SIRS-Kriterien angeblich ersetzt werden und Kliniker nicht mit dem neuen Screeninginstrument vertraut seien. Daher k€onne es bei alleiniger Anwendung des qSOFA zur Verz€ogerung der fr€uhen Identifikation und Behandlung mit nachfolgend erh€ohter Mortalit€at kommen. Außerdem w€urde der qSOFA die fr€uhen Phasen der Sepsis, in denen m€oglicherweise noch keine Organdysfunktion vorliegt, nicht abbilden. So beschreiben Haydar et al., dass bis zum Erfassen des qSOFA-Scores fast doppelt so viel Zeit verging als zum Erfassen der SIRS-Kriterien (84 min vs. 47,1 min). Das ist umso erstaunlicher, als dass der qSOFA ohne Laborunterst€utzung allein

188

durch die klinische Untersuchung rasch erfasst werden kann. Bei n€aherem Blick in die Studie zeigt sich, dass es nicht klar ist, inwiefern die Kriterien bereits bei Eintreffen in die Notaufnahme vorlagen und erfasst wurden. Zusammenfassend l€asst sich sagen, dass die SIRS-Kriterien nicht mehr Bestandteil der Sepsisdefinition sind. So lange der Mangel an Sensitivit€at und Spezifit€at beachtet wird, sind sie aber weiterhin sinnvoll um Patienten mit einer Infektion €hzeitig zu identifizieren. Der fru €ber hinaus als qSOFA dient daru Screening-Werkzeug um Patienten mit Organversagen rechtzeitig zu erkennen, bei denen eine Sepsis €nnte. vorliegen ko Neue Definition – neue Therapien? Eine neue Definition f€uhrt nicht automatisch zu neuen Therapien. Gerade am Beispiel der Sepsis zeigt sich jedoch wie eine Definition die Entwicklung von Therapieans€atzen vorantreibt. Die Tatsache, dass die Inflammationsreaktion im Mittelpunkt der Betrachtung stand und vielversprechende tierexperimentelle Daten vorlagen, f€uhrte zu mehreren nicht erfolgreichen Studien, in denen das € Uberleben der Patienten durch Beeinflussung der Zytokinantwort verbessert werden sollte. Die Sepsistherapie ruht stattdessen weiterhin auf den 3 Pfeilern: zeitnaher Breitspektrumantibiose, Fokussanierung und supportiver Organersatztherapie. Auch bei ad€aquater Antibiotikatherapie stirbt jeder vierte Patient mit Sepsis, bei septischem Schock sogar bis zu jeder zweite Patient an den Folgen des Organversagens. Im Hinblick auf die steigenden Raten der Antibiotikaresistenzen auch gegen neue Antibiotika ist davon auszugehen, dass ohne innovative Therapieans€atze, keine wesentliche Verbesserung eintreten wird. Unter Ber€ucksichtigung der neuen Definition der Sepsis als Organdysfunktion r€uckt ein langer €ubersehener Abwehrmechanismus gegen Infektionen in den Vordergrund. Krankheitstoleranz oder Resilienz bezeichnet eine Abwehrstrategie, die in der Botanik seit €uber 120 Jahren bekannt ist und auf Mechanismen

Krh.-Hyg. + Inf.verh. 39 Heft 5 (2017): 176–191 http://www.elsevier.com/locate/khinf

beruht, die den Infektionsschaden reduzieren, ohne direkt gegen die pathogenen Mikroorganismen gerichtet zu sein. Die pharmakologische Manipulation von Resilienz stellt einen neuen Ansatz dar, € um das Uberleben von Patienten mit Infektionserkrankungen und somit auch Sepsis zu verbessern und deren Krankheitsfolgen zu verringern. Im Gegensatz zu den herk€ommlichen antiinfektiven Strategien ist ein wesentlicher Vorteil, dass kein Selektionsdruck auf die pathogenen Mikroorganismen ausge€ubt werden sollte und dadurch die Entstehung von Resistenzen gegen die eingesetzten Mittel unwahrscheinlich ist. Tierexperimentelle Sepsisstudien zeigen, dass dieser Ansatz durchaus erfolgreich sein kann. So k€onnen Anthrazykline, eingesetzt in einer deutlich geringeren Dosis als im Rahmen einer Chemotherapie €ublich, die DNA-Schadensantwort aktivieren und die Sterblichkeit bei polymikrobieller Peritonitis und Pneumonie verringern. Wir konnten k€urzlich zeigen, dass auch Apoferritin in der Sepsis eingesetzt werden kann, ohne eine antimikrobielle Wirkung zu haben. Dies ist in Einklang mit der neuen Sepsisdefinition und zeigt, dass Arzneimittel unter Umst€anden in geringeren Dosen und bei ver€anderter Indikation die zellul€are Schadensantwort induzieren k€onnen, so dass begleitend auch der Sepsisschaden verringert werden kann. Es ist daher m€oglich, dass durch die Erforschung von Resilienzmechanismen und durch zuk€unftige klinische Studien neue Therapieprinzipien die wirtsspezifisch in die Pathogenese eingreifen, aufgedeckt werden. (gek€urzt wiedergegeben aus: Epidemiologisches Bulletin Nr. 37 v. 12. Sept. 2017, Literatur im Original) (BW)

Impfempfehlungen der STIKO €ffentlicht €r 2017/2018 vero fu Aus der Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts vom 24.08.2017 Die St€andige Impfkommission am Robert Koch-Institut hat ihre neuen