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ScienceDirect Neurophysiol. Lab. xxx (2017) xxx–xxx
Technische Entwicklungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Praxis Technological advancements and their clinical value in deep brain stimulation Frank Steigerwald ∗ , Dalal Kirsch Neurologische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg, Josef-Schneider-Str. 11, 97080 Würzburg Eingegangen am 11. Februar 2018; akzeptiert am 16. Februar 2018
Zusammenfassung Neben einer Ausweitung der Indikationsgebiete für die Tiefe Hirnstimulation (THS) hat in den letzten Jahren auch auf technischem Gebiet eine stetige Fortentwicklung der Stimulationssysteme stattgefunden. Die Handhabung der Geräte ist nicht nur für den Arzt, sondern Dank neuer Patientensteuer- und Ladegeräte auch für die Patienten einfacher geworden. Die Lebensdauer wiederaufladbarer Impulsgeber hat sich auf über 2 Jahrzehnte vervielfacht. Kürzere Impulsbreiten erlauben eine selektivere Aktivierung unterschiedlicher Axone und können so zu einer nebenwirkungsärmeren, aber auch energieeffizienteren THS beitragen. Durch das sogenannte current steering in vertikaler und seit Ende 2015 auch in horizontaler Ausrichtung kann das Stromfeld und damit das von der THS beeinflusste Hirnvolumen noch besser an die jeweilige Zielregion angepasst werden. Dies erlaubt es, die individuelle Lage der Elektroden besser zu berücksichtigen. Diese zusätzlichen Optionen sollten in vielen Fällen zu einer energieeffizienteren und gleichzeitig nebenwirkungsärmeren Therapie führen, verlangen aber auch eine sorgfältigere und damit zeitaufwändigere Austestung. Schlüsselwörter: Tiefe Hirnstimulation; Morbus Parkinson; Dystonie; Tremor; Impulsbreite; current steering
Summary Besides increasing indications for deep brain stimulation (DBS), technical innovations have found their way into DBS systems over the last years. Handling of the devices is now simpler for the physician and patients thanks to modern controllers and charging devices. Battery life time of rechargeable ∗ Korrespondenzadresse: Frank Steigerwald, Neurologische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg, Josef-Schneider-Str. 11, 97080 Würzburg. Tel.: +(0)931 201 24681; Fax: +(0)931 201 623776. E-mail: Steigerwal
[email protected] (F. Steigerwald). https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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2 · F. Steigerwald, D. Kirsch systems has multiplied to nearly 30 years. Shorter pulse widths can allow a more selective activation of varying fiber tracts and contribute to avoid side effects and achieve a more energy-efficient stimulation. Current steering in vertical and since the end of 2015 in horizontal direction helps to direct the current flow to the target region and to adjust the size and shape of the volume of activated tissue to the individual position of the electrode. For many patients, these new options should result in less side-effects and a more energy-efficient stimulation setting. Nevertheless, a thorough and more time-consuming programming is needed to find the individual best stimulation settings. Keywords: Deep brain stimulation; Parkinson’s disease; dystonia; tremor; pulse width; current steering
1. Einleitung Der Siegeszug der Tiefen Hirnstimulation (THS) wie wir sie heute kennen, begann 1987 mit der bahnbrechenden Publikation von Benabid über den Einsatz der THS im Nucleus intermedius ventralis (VIM), einem Teilgebiet des Thalamus, zur Behandlung von Tremores [1]. Entsprechend erfolgte die erste Zulassung der THS im Jahre 1995 nicht zur Behandlung des Morbus Parkinson (MP) wie man vielleicht angesichts der heute hohen Implantationszahlen unter dieser Indikation denken mag -, sondern zunächst allgemein für die Behandlung medikamentös nicht beherrschbarer Tremores durch Stimulation des VIM. Bereits 1998 erfolgte dann die Ausweitung der Indikation auf die beidseitige Stimulation des Nucleus subthalamicus (STN) oder des Globus pallidus internus (GPi) bei MP mit Wirkfluktuationen. Beides sind Zielgebiete, in denen man auch eine Wirkung auf Rigor, Bradykinese und Überbewegungen erzielen kann. Die Zulassung der Stimulation des GPi zur Behandlung von Dystonien liegt dagegen erst seit 2006 vor. Neben dem Einsatz bei Bewegungsstörungen sind mittlerweile vor allem psychiatrische Erkrankungen wie therapieresistente Depressionen oder Zwangsstörungen sowie Epilepsien in den Fokus der THS getreten. Die Stimulation des vorderen Schenkels der Capsula interna bei therapieresistenten Zwangsstörungen wurde in Europa 2009 zugelassen. 2010 erfolgte die Zulassung für die Stimulation im Nucleus anterior thalami bei therapie-resistenten Epilepsien. Im Bereich der Depression laufen vielversprechende Studien mit unterschiedlichen Zielgebieten unter anderem dem subcallosalem Cingulum [5]. Im Bereich der Demenzen wird eine mögliche Wirksamkeit durch Stimulation des Nucleus basalis Meynert [6] oder der Fornix [11] im Rahmen von doppelblinden Studien untersucht. Der Fokus dieses Artikels soll aber vorrangig auf den zugelassenen Indikationen im Bereich der Bewegungsstörungen liegen, wobei die meisten Grundlagen und Überlegungen sicherlich auch auf den psychiatrischen Einsatzbereich übertragen werden können. Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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2. Allgemeine Fortentwicklungen der Impulsgeber und Stimulationselektroden Neben der Ausweitung der Indikationen haben sich die THS-Systeme in den letzten 10 Jahren, auch dank des mittlerweile bestehenden Wettbewerbs unterschiedlicher Anbieter, enorm fortentwickelt. Konnte der erste für die Tiefe Hirnstimulation zugelassene Impulsgeber 1995 anfangs nur eine Hirnelektrode mit 4 Ringkontakten ansteuern, kam bereits 1998 mit dem Kinetra® von Medtronic® ein Impulsgeber auf den Markt, der mit 8-Kanälen eine bihemisphärische Stimulation über 2 Elektroden mit jeweils vier Kontakten ermöglichte. ® ® Erst 2010 erhielt St. Jude Medical , heute ein Teil der Firma Abbott , ® als erster Anbieter nach Medtronic eine Zulassung für seine THS-Systeme ® ® Libra (nicht wieder-aufladbar) und Brio (wieder-aufladbar) und 2012 kam mit ® ® Boston Scientific und deren wieder-aufladbaren Vercise rechargeable ein dritter ® Konkurrent auf den Markt. Ebenfalls 2012 wurde der Synapse Stimulator zuge® lassen, damals von der Firma Synaptix entwickelt, die allerdings nach kurzer ® Zeit Konkurs anmelden musste. Die Firma wurde von Nuviant übernommen, die nach einer Fortentwicklung des Stimulators nun eine Neuzulassung anstrebt. ® ® Bereits im September 2015 brachte Boston Scientific mit dem Vercise PC und ® den Cartesia -Elektroden – im allgemeinen Sprachgebrauch ,,direktionale Elektrode“ genannt - die nächste Gerätegeneration auf den Markt. Diese ermöglicht erstmals durch die Verwendung sog. segmentierter Kontakte eine Steuerung des Stromfeldes auch in horizontaler Ebene. Seit Juni 2017 ist diese Technologie ® unter dem Namen Gevia nun mit einem wieder-aufladbaren Impulsgeber verfügbar, der – unter Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorkehrung –über eine konditionale MR-Zulassung verfügt. Bis dahin war die Durchführung von MRUntersuchungen – ebenfalls nur unter Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen ® ® ® –lediglich bei Patienten mit Activa PC - oder RC -Systemen von Medtronic ® ® erlaubt. Seit 2016 ist auch von St. Jude Medical , neuerdings Abbott , unter dem ® Produktnamen Infinity ein nicht-wiederaufladbarer Impulsgeber mit direktionalen Elektroden zugelassen. Für dieses System ist bislang noch keine Freigabe für die Durchführung von MR-Untersuchungen erfolgt. Neben der Weiterentwicklung der Impulsgeber und Elektroden wurden auch die Geräte zur Programmierung fortentwickelt. Waren für die erste ImpulsgeberGeneration noch Programmiergeräte mit den Dimensionen eines Aktenkoffers erforderlich, schrumpften diese schon bald auf die Größe eines handheld-PC mit Touchscreen, der fast schon Kitteltaschenformat hatte. Mittlerweile stehen je nach Anbieter Lösungen mit Tablet-PCs mit firmeneigenen externen Antennen, handheld devices, aber auch App-basierte Programmiersoftware auf iPad oder Ipod mit Bluetooth-Übertragung zur Verfügung. Auch die Patientenprogrammiergeräte haben sich fortentwickelt und sind mittlerweile bei allen Anbietern mit LCD- oder Farbdisplays und Menüführung ausgestattet. Bei den aufladbaren Impulsgebern hat sich die Lebensdauer der Akkubatterien auf zwei Jahrzehnte Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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und mehr vervielfacht und auch die Handhabung der Ladegeräte ist einfacher und weniger störanfällig geworden. Je nach Anbieter und individuellem Strombedarf sind mittlerweile oft Ladeintervalle von bis zu 7 – 21 Tagen möglich, was für die Patienten mehr Unabhängigkeit im Alltag bedeutet.
3. Zielgebiete der THS bei Bewegungsstörungen Zurzeit werden die meisten Implantationen zur Behandlung des MP durchgeführt. Das übliche Zielgebiet ist hierbei der STN, da nur in diesem Zielgebiet sowohl Tremor, Rigor und Bradykinese so gut beeinflusst werden können, dass in der Regel eine Reduktion der Parkinsonmedikation um etwa 1/3 möglich wird. Auf Grund des etwas geringeren Risikos kann bei Parkinson-Patienten in hohem Lebensalter (>70 Jahren) auch eine GPi-Stimulation überlegt werden, falls das Hauptproblem L-Dopa-induzierte Dyskinesien sind, bzw. eine VIMStimulation, wenn ein therapieresistenter Ruhetremor für den Patienten das Hauptproblem darstellt. Letzteres gilt auch für ältere Patienten mit dem seltenen Parkinson-Subtyp des monosymptomatischen Ruhetremors, da diese nur ein geringes Risiko haben L-Dopa-induzierte Wirkfluktuationen zu entwickeln, die eine STN-Stimulation notwendig machen würden. Patienten mit Tremor-Erkrankungen werden üblicherweise im VIM implantiert, wobei die Tremor-Wirksamkeit knapp ventral des VIM, in der sog. Zona incerta, noch höher ist und die Stimulationselektroden daher oft noch etwas als tiefer unterhalb des ventralen Thalamus-Rand implantiert werden [4]. In manchen Zentren wird die Elektroden sogar bis in das sogenannte posteriore subthalamische Areal (PSA) zwischen Hinterrand des STN und Vorderrand des Nucleus ruber vorgeschoben [12]. Bei den dystonen Tremores kann die Entscheidung, ob man den VIM bzw. das PSA implantiert oder den GPi, welcher das übliche Zielgebiet bei Dystonien darstellt, schwierig sein und sollte sich nach der im Vordergrund stehenden Symptomatik richten. Inwieweit bei Dystonien auch eine Stimulation des STN sinnvoll ist, ist auf Grund der aktuellen Studienlage nicht zu entscheiden. Ein weiteres nicht unübliches Zielgebiet ist der Nucleus ventrooralis anterior (VOA) des Thalamus, der oft bei symptomatischen Dystonien oder Tremorerkrankungen anvisiert wird, bei denen der GPi oder VIM durch die zugrundliegende Pathologie zerstört wurde [10].
4. Grundlagen der Stimulationsparameter und -einstellung Nach dieser einleitenden Darstellung der allgemeinen technischen Entwicklung und den Aspekten der Zielpunktauswahl soll im Folgenden kurz auf die Grundlagen der Stimulationsparameter eingegangen werden, bevor wir auf die Fortentwicklungen der letzten Jahre eingehen. Diese Grundlagen sollten jedem, der bereits klinisch mit der Tiefen Hirnstimulation gearbeitet hat, bekannt sein, Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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so dass dieser Abschnitt von THS-erfahrenen Lesern auch übersprungen werden kann. Nach erfolgter Implantation der Tiefen Hirnstimulationselektroden kann die Stimulation über die folgenden Parameter angepasst werden: 4.1. Elektrodenpolung Im Allgemeinen erfolgt bei der THS eine sogenannte kathodische Stimulation, bei der ein oder mehrere Kontakte der Elektrode (monopolar, dipolar, multipolar) als Minuspol ausgewählt werden, und der Impulsgeber selbst als Pluspol also Anode fungiert. Man spricht dann im allgemeinen Sprachgebrauch von einer klassisch ,,monopolaren bzw. mehrpoligen“ Stimulation. Der Strom wird dabei über den/die ausgewählten Kontakt(e) im Gehirn freigesetzt, von wo er sich über ein großes Feld diffus verteilt und seinen Weg zurück zum Impulsgeber sucht. Wenn hierunter zu früh Nebenwirkungen auftreten, kann der Wechsel auf eine sogenannte ,,bipolare“ Stimulation versucht werden. Hierbei wird auch für den Pluspol ein Kontakt auf der Elektrode - meist benachbart zum kathodischen Kontakt - ausgewählt. Die Ausbreitung des Stromflusses wir dadurch auf ein kleineres Feld zwischen den ausgewählten Kontakten beschränkt, welches durch die resultierende größere Stromdichte dafür intensiver stimuliert wird. Dennoch muss die notwendige Stimulationsamplitude unter einer bipolaren Stimulation jeweils individuell neu ausgetestet werden. Je nach Lokalisation der Elektrode zum Zielgebiet können nämlich unter einer bipolaren Stimulation höhere oder niedrigere Amplituden notwendig bzw. möglich sein als unter monopolarer Stimulation. Die Umstellung auf eine bipolare Stimulation ist auch notwendig, wenn Patienten mit THS einen Herzschrittmacher erhalten oder bereits haben, um zu vermeiden, dass die Stimulationsartefakte vom Herzschrittmacher als Herzschlag fehldetektiert werden. Eine Umstellung auf eine bipolare Stimulation kann auch vorübergehend angewendet werden, wenn beispielsweise ein LZ-EKG, EKG, SEP oder ein EEG benötigt wird und eine entsprechend lange Stimulationspause vom Patienten nicht toleriert wird oder beim Ausschalten der Stimulation ein Tremor die Ableitungen stört. ® ® ® Die Impulsgeber Vercise PC und Gevia von Boston Scientific verfügen darüber hinaus auch über die Möglichkeit den Stromfluss komplett umzukehren, den Impulsgeber also als Minuspol und die Kontakte der Elektroden im Gehirn als Pluspol zu definieren. Man spricht dann von einer ,,anodischen“ Stimulation. Ob und unter welchen Bedingungen dies für Patienten von Vorteil sein könnte, untersuchen wir aktuell im Rahmen einer doppel-blinden Akutstudie bei Parkinson-Patienten. 4.2. spannungs- vs. stromgesteuerte Stimulation Während die ersten Stimulatoren sog. spannungsgesteuerte Impulsgeber waren, bei denen die Amplitude in Volt vorgegeben wurde, hat sich mittlerweile bei den neueren Geräten eine stromkonstante Stimulation durchgesetzt. Bei Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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letzterer wird der tatsächlich abgegebene Stromfluss in mA eingestellt, der auch die biologisch wirksame Größe darstellt. Bei einer spannungs-gesteuerten Stimulation ist dieser dagegen nach dem Ohm’schen-Gesetz (R = U/I; I = U/R) vom Widerstand abhängig, wobei man bei der THS korrekterweise von Impedanz spricht, da hier ja kein kontinuierlicher Stromfluss vorliegt. Kleine Schwankungen der Impedanz im Gewebe bzw. am Elektroden-Gehirngewebe-Interface durch beispielsweise unterschiedliche Hydratation oder Gliosebildung um die Stimulationselektrode führen daher bei spannungs-gesteuerten Systemen zu Änderung des Stromflusses. Bei der stromkonstanten Stimulation werden Impedanzschwankungen dagegen automatisch ausgeglichen, da der Impulsgeber die Stromabgabe konstant hält [7,13]. Ob Impedanzschwankungen im klinischen Alltag wirklich zu für den Patienten relevanten Wirkschwankungen führen, ist bislang nicht untersucht worden. In der klinischen Alltags-Erfahrung scheinen Schwankungen der Impedanz, so lange sie gering und nicht auf technische Probleme (Kabelbrüche etc.) zurückzuführen sind, eher nicht relevant zu sein. Beim sog. current steering (s.u.) ist aber eine kontrollierte und kontinuierliche Verschiebung des Stromfeldes nur mit einer stromkonstanten Stimulation und separaten Ansteuerung jedes einzelnen aktiven Kontaktes möglich. Für die Umrechnung einer Stimulationsamplitude von Volt im spannungsgesteuerten Modus zu Milliampere bei strom-konstanter Stimulation muss man gemäß dem Ohm’schen Gesetz (I = U/R) formal die Impedanz kennen. Da diese bei der THS aber in der Regel um 1000 Ohm liegen, kann man gemäß der Formel (1 V / 1000 Ohm = 1 mA) bei einer Umstellung der Stimulationsart die Amplitude im Alltag zunächst 1:1 zwischen mA und V übernehmen und dann ggf. anpassen. Entsprechend werden wir auch im weiteren Artikel bei der Angabe von Amplitudenwerten und -schritten mA und V wie im klinischen Alltag auch gleichsetzten (mA/V), da die beschriebenen Vorgehensweisen gleichermaßen auf spannungswie stromgesteuerte Stimulationssysteme zu treffen. 4.3. Stimulationsamplitude Die weiteren Stimulationsparameter, die individuell eingestellt und im Krankheitsverlauf angepasst werden können, sind die Amplitude, die sog. Impulsbreite (= Länge des einzelnen Stromimpulses in s) und die Stimulationsfrequenz (Anzahl der Einzelimpulse pro sec = Hz). Die Amplitude beeinflusst maßgeblich die Größe des Gewebevolumens, das durch Stimulation beeinflusst wird (= volume of tissue activated, VTA), wobei ab einer individuell unterschiedlichen Stimulationsstärke durch die Miterregung benachbarter Hirnregionen nicht tolerierbare Nebenwirkungen auftreten. Die Art der Nebenwirkung ist dabei von der individuellen Lage des jeweils aktivierten Kontaktes im Zielgebiet und dessen Nachbarstrukturen abhängig. So wäre eine klassische Nebenwirkung bei einer STN-THS wegen der Nähe zur Pyramidenbahn = Capsula interna die Auslösung einer tonischen Kontraktion (=Verkrampfungen, sog. Kapseleffekte). Diese treten meist zuerst im Gesichtsbereich, der Zunge und der Hand auf. Bei einer zu antero-ventralen Elektrodenlage kann es dagegen durch Mitstimulation der limbischen Anteile des STN auch zu Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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psychischen Nebenwirkungen wie Impulskontrollstörungen oder Manien kommen, die sich im Gegensatz zu den Kapseleffekten nicht immer sofort zeigen. Bei einer Stimulation im GPi ist als erste Nebenwirkung ebenfalls mit Kapseleffekten wie Kontraktionen oder Feinmotorikstörungen sowie durch die Nähe zum optischen Trakt mit dem Auslösen von Phosphenen (=Lichtblitze, Sehstörungen) zu rechnen. Die Stimulationsamplitude sollte so hoch gewählt sein, dass eine zufriedenstellende Symptomkontrolle erreicht wird, jedoch keine Nebenwirkungen ausgelöst werden. Üblicherweise liegt dies im Bereich von 2 - 6 mA bzw. Volt.
4.4. Impulsbreite Über die Impulsbreite wird ebenfalls die Größe der VTA gesteuert: umso länger der Einzelimpuls desto größer die Ausbreitung des Stromes. Darüber hinaus kommt hier aber auch das Phänomen der Chronaxie zum Tragen, die eine selektivere Erregung bestimmter neuronaler Strukturen bzw. Fasertrakte ermöglichen kann: Ob ein Axon von einem Stromimpuls beeinflusst wird, hängt nämlich auch von der Impulsdauer des Einzelimpulses ab, was wiederum maßgeblich vom Myelinisierungsgrad des Neurons beeinflusst wird. Bis vor wenigen Jahren waren jedoch Impulsbreiten unterhalb von 60 s, die für eine differenzierte Erregung notwendig sind, gerätebedingt nicht verfügbar (Tabelle 1) [9,15]. In der Regel stimulieren wir mit 60 s bei MP- und Tremor-Patienten und mit 90 s bei Dystonien. Impulsbreiten über 120 s sollten nach unseren Erfahrungen nur sehr zurückhaltend und vorsichtig eingesetzt werden, da sie meist nur zu frühen Nebenwirkungen ohne zusätzlichen therapeutischen Nutzen führen. In Einzelfällen kann dies jedoch bei Dystonie-Patienten sinnvoll sein. Da sich manche Nebenwirkungen wie Feinmotorik- oder Gangstörungen aber sehr verzögert (Tage bis Wochen) entwickeln, besteht jedoch gerade bei diesen die Gefahr, dass eine durch zu lange Impulsbreiten induzierte Nebenwirkung als Verschlechterung der Dystonie fehlinterpretiert wird und dann mit einer weiteren Erhöhung der Impulsbreite oder Amplitude beantwortet wird.
Tabelle 1. Vergleich der einstellbaren Stimulationsparameter. Parameter
um 1999
2018
Amplitude
• spannungskonstant • 0 – 10.5 V • unipolar / bipolar
Frequenz Impulsdauer Lebensdauer
• 2 - 250 Hz • 60 - 450 s • ca. 4-6 Jahre
• • • • • • • •
spannungskonstant / stromkonstant 0 – 10.5 V / 0 – 25.5 mA unipolar / bipolar / x-polar horizontales & vertikales steering 2 – 255 Hz (500 Hz) (5) 10 – 500 s ca. 3-5 Jahre wiederaufladbar, 9 / 12 – 30 Jahre
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4.5. Stimulationsfrequenz Die effektivste Stimulationsfrequenz liegt in der Regel bei 130 Hz. Nur bei der Tremorbehandlung sind unabhängig von der Art (MP, essentieller Tremor, dystoner Tremor) und dem Zielgebiet in der Regel höhere Frequenzen bis 180 Hz wirksamer. Gangstörungen bei MP unter STN-THS sprechen dagegen in Einzelfällen auch auf eine niederfrequente Stimulation um 60-80 Hz an [20]. Ebenso sollte dies bei Dystonie-Patienten die nicht oder nur ungenügend auf 130 – 180 Hz Stimulation versucht werden. Noch niedrigere Frequenzen um 20 Hz scheinen beim aktuell experimentell-untersuchten Einsatz der THS im Nucleus basalis Meynert zur Behandlung von Demenz-Erkrankungen von Bedeutung zu sein. Der technisch-mögliche und zugelassenen Frequenzbereich aller verfügbaren THS-System war jedoch schon immer sehr weit gefasst (Tabelle 1).
5. Technischen Neuerungen der letzten Jahre und deren Anwendung 5.1. Impulsbreiten unter 60 s Wie oben erwähnt ist neben der Stimulationsamplitude und der Lage eines Neurons bzw. Axons zur Elektrode auch die Impulsbreite des Einzelpulses ein wichtiger Faktor, der beeinflusst ob ein Aktionspotential ausgelöst wird oder nicht. Aus experimentellen Arbeiten zur Nerven- und Hirnstimulation ist schon lange bekannt, dass Impulsbreiten unter 60 s für die THS nicht nur ausreichen, sondern auch eine selektivere Aktivierung bestimmter neuronale Elemente ermöglichen könnten [9,15]. Die notwendige Impulsbreite oder Chronaxie korreliert dabei mit dem Grad der Myelinisierung und der Dicke des Axons. Bei der STN-Stimulation beispielsweise weisen die Axone, über die der positive Effekt der Stimulation erreicht wird, in der Regel eine niedrigere Chronaxie auf als die stärker myelinisierten Axone der Capsula interna. Durch eine Reduktion der Impulsbreite unter 60 s sollte es daher möglich sein, eine unerwünschte Miterregung der Capsula interna zu vermeiden, so dass eine höhere Stimulationsamplitude nebenwirkungsfrei möglich und ein größerer therapeutischer Effekt ® erreicht werden kann. Bis zur Zulassung der Systeme von St. Jude Medical ® ® jetzt Abbott - und etwas später von Boston Scientific 2011 bzw. 2012 waren jedoch keine Impulsgeber verfügbar, die Einzelimpulse unter 60 s generieren konnten. Mit den heute verfügbaren kürzeren Impulsbreiten (bis 10 s) konnte gezeigt werden, dass Dank der unterschiedlichen Chronaxie-Eigenschaften in den Axonen eine selektivere Aktivierung bestimmter Neurone möglich sein kann, so dass Nebenwirkungen erst bei deutlich höheren Stimulationsamplituden auftreten [14,17]. Auf Grund der kürzeren Impulsbreiten ist zwar meist eine leicht erhöhte Stromamplitude notwendig, um den gleichen therapeutischen Effekt zu erreichen, jedoch resultiert insgesamt ein geringerer Energieverbrauch. Am Ende kann für den Patienten hieraus also nicht nur ein größeres therapeutisches Fenster, sondern letztlich auch ein geringerer Energieverbrauch resultieren. Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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Wir benutzen aktuell weiterhin 60 s als unsere Standardimpulsbreite und wechseln auf kürzere Impulsbreiten, wenn auch auf der Kontaktauswahl mit dem besten therapeutischen Fenster Kapseleffekte wie Dysarthrie oder unwillkürliche Muskelkontraktionen eine notwendige Steigerung der Stimulationsamplitude verhindern. Unter energetischen Gesichtspunkten ist zu diskutieren, ob man nicht generell mit Impulsbreiten von z.B. 30 oder 40 s stimulieren sollte. Auf Grund des großen Erfahrungsschatzes mit Impulsbreiten von 60 s und mehr sowie angesichts der Weiterentwicklungen der wieder-aufladbarer Systeme tritt das Argument des geringeren Energieverbrauchs jedoch in den Hintergrund.
5.2. current steering Stimulations-induzierte Nebenwirkungen der THS sind fast immer auf eine Stromausbreitung in Strukturen zurückzuführen, die man eigentlich nicht beeinflussen möchte. Da zudem der beste therapeutische Effekt der THS häufig nicht in der Mitte der anatomischen Zielregion, sondern an deren Rändern erzielt wird (STN: dorsolateraler Anteil, VIM: ventraler Rand oder posteriores subthalamisches Areal, GPi: ventro-medialer Rand) [19], wo das Risiko für eine Mitstimulation benachbarter Strukturen hoch ist, entscheiden bei der Implantation der Elektroden schon Abweichungen von wenigen Millimetern darüber, ob eine Stimulation später erfolgreich oder durch Nebenwirkung zu früh begrenzt sein wird.
5.2.1. Vertikales current steering Aus diesem Grunde verfügte bereits das erste offiziell für die THS-zugelassene ® System von Medtronic über Elektroden mit 4 Ring-Kontakten, die bei einer Kontakthöhe von 1.5 mm in Abständen von 0.5 oder 1.5 mm an der Elektrodenspitze angeordnet waren. Somit konnte zumindest hinsichtlich der Implantationstiefe mit den vorhandenen Kontakten je nach Elektrodenmodell eine Strecke von 7.5 bis 10.5 mm abgedeckt und das Stromfeld durch Auswahl verschiedener Kontakte in der Tiefe verändert oder durch Auswahl mehrerer Kontakte auch entlang der Elektrode ausgedehnt werden (Abbildung 1). Gerade bei der Auswahl mehrere Kontakte ist jedoch zu beachten, dass bei Stimulationssystemen die nur die Gesamtstromabgabe bzw. die Spannung kontrollieren, die Stromabgabe, die wirklich über jeden einzelnen, aktivierten Kontakt abgegeben wird, von seiner jeweiligen Impedanz abhängt. Wenn man also 2 Kontakte als Minuspol definiert und einen Gesamtstrom von 6 mA bzw. Volt einstellt, ergibt dies nur dann ein symmetrisches Feld, wenn die Impedanzen beider Kontakte vergleichbar sind. Würde jedoch einer der Kontakte eine doppelt so hohe Impedanz aufweisen, würde bei einem System, dass nur die Spannung oder den Gesamtstrom steuert, über den Kontakt mit der höheren Impedanz nur 1/3 des Stromflußes resultieren, der über den Kontakt mit der niedrigeren Impedanz fließt. Es entsteht also kein symmetrisches Stromfeld sondern eher ein birnenförmiges. Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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Abb. 1. Schematische Darstellung von horizontalem und vertikalem current steering A) Schematische Darstellung einer Standard-THS-Elektrode mit 8 übereinander angeordneten Ringkontakten (Ringhöhe 1.5 mm, Ringabstand 0.5 mm). Durch monopolare Stimulation über den Kontakt 4 entsteht ein symmetrisches, sphärisches Feld (rot). B) Durch ungleiche Verteilung des Stimulationsstroms auf 2 benachbarte Kontakte (ca. 60% Kontakt 4, ca. 40% Kontakt 5) wird das elektrische Feld (rot) in die Länge gezogen und z.B. etwas birnenförmig verformt (= vertikales current steering). C) Schematische Darstellung einer sog. direktionalen Elektrode, bei der auf 2 Höhen die Ringkontakte in 3 Segmente von ca. 120◦ unterteilt sind. Durch Verteilung des Stimulationsstroms auf diese Segmente (z.B: 50% Kontakt 6, 50% Kontakt 7) kann der Strom auch in der horizontalen Ebene gerichtet abgegeben werden (= horizontales current steering. Rechts: Schematischer Querschnittsvergleich des elektrischen Feldes bei einer Ringelektrode und einer direktionalen Elektrode mit o.g. Stromverteilung. Zur Verdeutlichung des direktionalen = horizontalen steering ist die sphärische VTA bei gleichzeitiger Aktivierung aller Segmente als gestrichelte Linie über die direktionale VTA eingezeichnet. ® [adapted from Boston Scientific ] ®
®
Durch die Einführung der von Boston Scientific patentierten MICC ® Technologie (multiple independant current control) mit dem Vercise Impulsgeber wurde es 2012 erstmals möglich, den Stromfluss jedes Kontaktes der Hirnelektrode einzeln zu kontrollieren. Hierdurch kann man ein symmetrisches Stromfeld kontinuierlich über die Länge der Elektrodenspitze verschieben oder auch gezielt asymmetrische Felder erzeugen (Abbildung 1 A & B) [18]. Der übliche Terminus hierfür ist current steering. 5.2.2. Horizontales current steering Wenn man sich Anatomie und Form der meisten Zielgebiete vor Augen führt, wird schnell klar, dass man mit Ring-Kontakten, die ja immer zu einer sphärische VTA führen, nicht vermeiden kann, dass auch ein Stromfluss in Areale Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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erfolgt, die man gar nicht beeinflussen braucht bzw. möchte. Neben dem vertikalen current steering wäre daher auch ein steering in der horizontalen Ebene wünschenswert. Dies wurde 2015 durch die Zulassung von Stimulationselektro® den mit segmentierten Kontakten zunächst beim Vercise PC – System mit den ® ® ® Cartesia -Elektroden von Boston Scientific und etwas später mit dem Infinity ® ® -System von St. Jude Medical / Abbott möglich. Bei den dabei verwendeten Stimulationselektroden sind auf den beiden mittleren Ebenen anstelle eines Ringkontaktes jeweils 3 Kontakt-Segmente angebracht, die einen Radius von ca. 120◦ abdecken. Diese können einzeln oder in Kombination als Minus- oder Pluspol ausgewählt werden. Auf diese Weise ist auf der Höhe der segmentierten Kontakte eine Anpassung des elektrischen Feldes auch in der horizontalen Ausrichtung möglich (Abbildung 1C). Die VTA kann hier also auch gezielt nach vorne, hinten, medial oder lateral gerichtet werden. Es wird also ein horizontales current steering möglich, wobei man im allgemeinen Sprachgebrauch von ,,direktionaler“ ® Stimulation bzw. Elektroden spricht. Beim Vercise -System ist die Graduierung ® der horizontalen Ausrichtung Dank der MICC -Technologie fast kontinuierlich ® möglich, während beim Infinity -System nur größere Schritte eingestellt werden können, die auch von den Impedanzen der einzelnen Kontakte beeinflusst werden. Aktiviert man alle drei segmentierten Kontakte einer Ebene gemeinsam erhält man wiederum ein nahezu sphärisches Feld wie bei einem klassischen Ringkontakt. Erste, nicht-verblindete Pilotstudien lassen hoffen, dass hierdurch die Stimulation besser auf die jeweils unterschiedliche Elektrodenposition zur jeweiligen Zielregion zugeschnitten werden kann, so dass eine effektivere und zugleich nebenwirkungsärmere THS für die Patienten erreicht werden kann [2,16]. Darüber hinaus wird uns diese Technik vielleicht auch erlauben, die neuroanatomisch-funktionelle Untergliederung der stimulierten Kerngebiete besser zu verstehen. Eine falsche Annahme ist es aber zu glauben, dank dieser zusätzlichen Anpassungsmöglichkeiten bei der Implantation der Elektroden auf eine intraoperative Austestung verzichten zu können, zumal bei den momentanen Elektroden nur zwei Ebenen über segmentierte Kontakte verfügen. Sind diese nicht in der Höhe gewünschten Zielregion lokalisiert, werden einem die erweiterten Anpassungsmöglichkeiten der VTA in der horizontalen Ebene später, wenn überhaupt nur einen geringen Zusatznutzen erbringen. Neben einer höheren Schwelle für die Nebenwirkungen erhofft man sich durch die direktionale Stimulation auch Strom zu sparen. So reduziert man einerseits unnötigen Stromfluss in Areale, die man nicht zu beeinflussen braucht, und durch die kleineren Oberfläche der segmentierten Kontakte resultiert bei gleicher Stromamplitude eine wesentlich höhere Stromdichte und damit eine etwa 30% größere VTA als bei einem Ring-Kontakt.
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6. Programmierungsstrategien Die oben aufgeführten Fortschritte ermöglichen dem Programmierer der THS heutzutage so viele Einstellmöglichkeiten, dass eine systematische Vorgehensweise notwendig ist, um mit vertretbaren Aufwand eine möglichst optimale Stimulationseinstellung für den individuellen Patienten zu finden.
6.1. Auswahl der Elektrodenkontakte, monopolar review 6.1.1. Morbus Parkinson und Tremor Als erster Schritt sollte die günstigste Kontaktkonfiguration im Rahmen eines sogenannten monopolar review ermittelt werden. Dabei wird für jede Kontakthöhe in einer monopolaren Konfiguration (Gehäuse positiv, jeweiliger Kontakt negativ) der Amplitudenschwellenwert für den Effekt und für die Nebenwirkungsgrenze bestimmt. Frequenz und Impulsbreite werden dabei entsprechend konstant gehalten. Bei MP sollte der monopolar review im medikamentösen OFF-Zustand erfolgen, um über den Rigor ein sofort-ansprechendes Zielsymptom zu haben. Wir verwenden üblicherweise eine Frequenz von 130 Hz, bei Tremor-Erkrankung 180 Hz, und eine Impulsbreite von 60 s. Auf die Besonderheiten bei Dystonien wird weiter unten eingegangen. Beginnend mit dem tiefsten Kontakt wird die Amplitude in 0.3 - 0.5 mA/VSchritten erhöht bis sich eine mindestens 70% Reduktion des Rigors am Handgelenk bzw. des Tremors (Spirale zeichnen, Zeigeversuche, Glas zum Mund führen etc.) zeigt. Von dieser Effektschwelle wird dann weiter in max. 0.5 mA/V Schritten erhöht bis persistierende Nebenwirkungen (Dysarthrie, Sehstörungen, Muskelfaszikulationen, - kontraktionen, Ataxien, persistierende Parästhesien, Schwindel, Unwohlsein) auftreten, oder eine Stimulationsamplitude von 10 mA/V erreicht ist, die wir üblicherweise nicht überschreiten. Liegen Effekt- und Nebenwirkungsgrenze nahe beieinander oder unterscheiden sich die Grenzen der Kontakte kaum voneinander sollten die Grenzen in 0.1 mA/VSchritten bestimmt werden. Nach dem so das therapeutische Fenster (Nebenwirkungsgrenze – Effektgrenze) für den tiefsten Kontakt ermittelt wurde, wird zum nächst höheren Kontakt gewechselt, wobei man bei direktionalen Systemen zunächst alle segmentierten Kontakte auf einer Höhe in gleichen Anteilen, also im Ringmodus, zusammenschaltet. Die Stimulationsamplitude wird dabei für jeden Kontakt zunächst wieder auf 0 gesetzt und ggf. abgewartet bis sich wieder ein guter Ausgangsrigor einstellt. Dies kann i.d.R. durch Willkürbewegungen auf der Gegenseite (z.B. schneller, repetitiver Faustschluß, sog. Froment-Manöver) beschleunigt werden. Ein Tremor stellt sich dagegen fast immer sofort nach Ausstellen, teils auch mit Rebound-Phänomen wieder ein. Auf diese Weise wird für alle Kontakthöhen einer Elektrode das therapeutische Fenster ermittelt (Abbildung 2 A). Bei Systemen die ein vertikales current steering erlauben, wird dann ausgehend vom Kontakt mit dem größten therapeutischen Fenster mittels einer 50%: Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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Abb. 2. Schematisch Darstellung eines monopolar review A) Ermittlung der günstigen Kontakthöhe: Von distal nach proximal wird für jede Kontakthöhe in monopolarer Konfiguration gegen den Impulsgeber die Amplitude für die Effektgrenze (E; mind. 70% Sympomreduktion) und die Nebenwirkungsgrenze (NW) bestimmt. Im vorliegenden Beispiels zeigt sich für den zweitobersten Kontakt das größte therapeutische Fenster (1.0 – 3.5 mA). B) Bei Systemen mit vertikalem current steering sollte durch eine 50%: 50%-Verteilung des Stromflusses für die jeweils benachbarten Höhen geprüft werden, ob eine weitere Verbesserung des therapeutischen Fenster erreicht werden kann. Hier durch ein steering nach oben, ausgehend vom zweitobersten Kontakt (0.8 mA – 3.5 mA) C) Soweit auf der zuvor ermittelten Höhe segmentierte Kontakte vorliegen, wird zunächst für jedes Segment dieser Höhe einzeln das therapeutische Fenster bestimmt. Falls die günstigste vertikale Höhe ein current steering auf einen konventionellen Ring-Kontakt beinhaltet, verteilt man nur den auf die segmentiere Höhe entfallenden Stromfluß auf die einzelnen Segmente. D) Nach dem das Segment mit dem günstigsten therapeutischen Fenster ermittelt wurde, kann durch Koaktivierung jeweils eines benachbarten Segments bzw. bei Systemen, die ein kontinuierliches current steering erlauben, durch eine gleichmäßige Verteilung des Stromflusses auf diesen sowie einen der benachbarten Segmente geprüft werden, ob durch ein weiteres horizontales Steering ein Zusatznutzen erreicht werden kann. Im vorliegenden Fall durch ein leichtes steering entgegen der Uhrzeiger-Richtung. ® [adapted from Boston Scientific ]
50% Verteilung des Stromflusses auf die darüber bzw. darunter gelegene Kontakthöhen geprüft, ob durch ein vertikales current steering nach oben oder unten das therapeutische Fenster noch verbessert werden kann (Abbildung 2 B). Für dieses ,,Feintuning“ kann es bei MP hilfreich sein auch das Ansprechen der Bradykinesie (z.B. Fingertapping, schnelle Wechselbewegungen im Handgelenk) zu beurteilen. Da bei diesen Bewegungen in der Regel aber eine schnelle Ermüdung auftritt, sollte der Patient angehalten werden jeweils nur wenige Wiederholungen Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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unter den verschiedenen Kontakteinstellungen durchzuführen. Hierzu stellen wir üblicherweise eine feste Amplitude 0.5 mA über der Effektgrenze für den Rigor ein und erlauben eine kurze Vorlaufzeit der Stimulation von 10-20 sec für die jeweilige Kontaktkonfiguration. Letztlich wird so unabhängig vom Elektrodendesign und der Art des Schrittmachers entlang der Elektrode die Höhe mit dem günstigsten therapeutischen Fenster ermittelt. Handelt es sich um ein direktionales Stimulationssystem und wurde als effektivste Höhe eine mit segmentierten Kontakten ermittelt, erfolgt nun analog die Austestung in horizontaler Ebene. Hierzu wird zunächst wieder die Effekt- und Nebenwirkungsschwelle für jeden segmentierten Kontakt (Gehäuse positiv, segmentierter Kontakt -) auf der zuvor ermittelten Höhe bestimmt. Da hier die Grenzen oft nahe beieinanderliegen, sollte dies in 0.1 mA-Schritten erfolgen (Abbildung 2 C). Nach Feststellung des Kontaktes mit dem größten therapeutischen Fenster sollte auch hier bei Systemen mit horizontalem current steering durch Verteilung von 50% des Stromflusses auf jeweils ein benachbartes Kontaktsegment bzw. bei Systemen ohne current steering durch Koaktivierung jeweils eines benachbarten Kontaktsegments geprüft werden, ob ein steering nach rechts bzw. links einen Zusatznutzen erkennen läßt (Abbildung 2 D). Neben der Ermittlung der Effektgrenze für den Rigor, sollte bei Parkinson-Patient auch hier wie oben beschrieben der Effekt auf die Bradykinese unter Anwendung einer festen Amplitude (0.5 mA über der Rigor-Effektgrenze) ermittelt werden. Auf diese Weise kann mit vertretbarem Zeitaufwand eine Kontaktkonfiguration ermittelt werden, auf der man die chronische Stimulation aufbaut. Um Zeit zu sparen beschränken wir uns in der direkt postoperativen Phase üblicherweise zunächst auf eine klassische Ringstimulation (also alle segmentierten Kontakte einer Ebene werden zusammen aktiviert) und testen erst nach Abklingen des sogenannten Setzeffektes auch in der horizontalen Ebene. Im Verlauf der Stimulationseinstellung sollte dann, insbesondere wenn sehr hohe Amplituden notwendig werden oder Nebenwirkungen auftreten, ausgehend von der so ermittelten Kontaktkonfiguration durch ein steering in 10-20% Schritten bzw. durch Koaktivierung oder Wechsel auf benachbarte Kontakte überprüft werden, ob eine weitere Verbesserung erzielt werden kann.
6.1.2. Dystonien Bei Dystonien können wir hier üblicherweise keine positiven Akuteffekte der Stimulation beobachten, weshalb hauptsächlich eine Austestung der Nebenwirkungen erfolgt. In unserer Klinik hat sich hierfür eine Impulsbreite von 90 s und eine Frequenz von 130 Hz eingebürgert. Soweit auch eine dystone Tremorsymptomatik vorliegt, testen wir mit 180 Hz. Wir beginnen auch bei Dystonien mit dem tiefst-gelegenen Kontakt in monopolarer Konfiguration und erhöhen die Stimulationsamplitude in 0.5 mA /V-Schritten zunächst bis zur Nebenwirkungsgrenze oder dem Erreichen einer Amplitude von 10 mA./V Hierbei ist insbesondere auf den tieferen Kontakten nach Phosphenen (Lichtblitze) zu fragen, die über eine Mitstimulation des ventral des Pallidum gelegenen Tractus opticus entstehen und schnell adaptieren. Die Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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Amplitude, bei der jeweils zuverlässig beim Einschalten kurz Phosphene ausgelöst werden, gilt als Nebenwirkungsgrenze, auch wenn diese bei eingeschalteter Stimulation schnell adaptieren. Nach Erreichen der Nebenwirkungsgrenze sollte die Amplitude um 0.5 mA/V vermindert und unter einer Dauerstimulation über ca. 90 s beobachtet werden, ob subjektive und/oder objektive Akuteffekte auf die dystone Symptomatik auftreten. Dies wird wie oben beschrieben für alle Kontakthöhen nacheinander durchgeführt. Soweit man eine Kontakthöhe ermitteln kann, deren Stimulation akut die Dystonie beeinflusst, sollte man diese auch für die chronische Stimulation verwenden. Nach unseren Erfahrungen ist dabei auch eine akute Verstärkung der Dystonie oft ein Prädiktor für ein gutes Ansprechen unter einer langfristigen Stimulation über diesen Kontakt. Sind keine akuten Effekte auf die Dystonie zu beobachten, sollte der Kontakt entweder basiernd auf einer Bildfusion oder den Nebenwirkungsgrenzen erfolgen. Bei letzterem sollte ein Kontakt gewählt werden, bei dem die Grenze für Phosphene oberhalb von 3 mA/V liegt, da die Stimulation sonst mutmaßlich zu ventral erfolgt. Die Schwelle für Kapseleffekte sollte nicht unter 3 mA/V und nicht über 5-6 mA/V liegen, da man sonst eine zu mediale bzw. laterale Lage annehmen muss. Die bildfusion-basierte Kontaktauswahl erfolgt mit Hilfe einer speziellen Software, mit deren Hilfe man das präoperative Planungs-MRT, in dem die Zielstrukturen sichtbar sind, mit einer postoperativen, dünnschichtigen Computertomographie fusioniert. Letztere hat die beste Auflösung hinsichtlich der Elektrodenlage, so daß man anhand der Fusion die Lage der einzelnen Kontakte innerhalb der Zielregion abschätzen kann. 6.2. Amplitude, Impulsbreite und Frequenz Nachdem man auf diese Weise die Kontaktauswahl ermittelt hat, stellt sich die Frage der richtigen Frequenz und Impulsbreite sowie Amplitude. Da für Tremores eine klare Zunahme der Effektivität mit steigender Frequenz gezeigt wurde, wählen wir bei Vorliegen einer Tremor-Symptomatik unabhängig vom Zielgebiet eine Frequenz von 160-180 Hz, ansonsten beginnen wir die Stimulation üblicherweise mit 130 Hz. Die Impulsbreite stellen wir außer bei Dystonien, bei denen wir mit 90 s beginnen, auf 60 s ein. Die Stimulationsamplitude kann bei der Dystonie- und Tremor-Behandlung direkt auf einen Wert etwa 0.5 mA/V unter der für die benutzte Kontaktkonfiguration ermittelten Nebenwirkungsgrenze eingestellt werden. Bei Stimulation im VIM bzw. der PSA muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Amplitude nicht so hoch gewählt wird, dass zielgerichtete Bewegungen durch eine stimulationsinduzierte Ataxie wieder verschlechtert werden. Bei der STN-Stimulation zur Behandlung des MP muss die Stimulationsamplitude dagegen langsam gesteigert werden, um das Auftreten von Dyskinesien zu vermeiden. Bei denovo-Patienten beginnen dabei üblicherweise mit einer Stimulationsamplitude 0.3 – 0.5 mA/V oberhalb der ermittelten Schwelle für eine mind. 70%-ige Rigorreduktion. In den folgenden Tagen kann dann 1-2mal pro Tag die Stimulation um 0.2 – 0.4 mA angehoben werden, bis eine gute und stabile Symptomkontrolle für Bradykinese, Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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Gehen und ein möglichst symmetrischer Armschwung erreicht ist. Bei Umstellungen der Elektrodenkonfiguration sollte man sich bzgl. der Amplitude neben der Effektgrenze auch an der bisherigen Stimulationsstärke orientieren. Dystonie-Patienten sollten darüber informiert sein, dass eine Stimulationseinstellungen in den ersten Tagen auch zu einer Verstärkung ihrer Symptomatik führen kann, bevor sich der therapeutische Effekt einstellt. Stimulationsanpassungen sollten daher bei Dystonien immer in großen Intervallen von Tagen bis Wochen erfolgen, um eine verzögert auftretende Wirksamkeit nicht zu übersehen. Akute Nebenwirkungen sind von dieser Regel natürlich ausgenommen und sollten zu einer sofortigen Umprogrammierung führen, da hier keine Adaption erwartet werden kann. Ziel jeder Stimulationseinstellung sollte immer der größtmögliche, aber nebenwirkungsfreie therapeutische Effekt sein.
7. Fazit Die technischen Entwicklungen und Innovationen im Bereich der THS haben in den letzten Jahren nicht nur die Handhabung der THS-Systeme für Patienten wie Ärzte vereinfacht, sondern sie erlauben es nun in deutlich größerem Maße auf die jeweiligen Unterschiede in der genauen Lokalisation der Elektrode innerhalb des Zielgebietes einzugehen und so eine nebenwirkungsärmere und wahrscheinlich auch effektivere Stimulation zu erreichen. Für den Patienten bedeutet dies eine Chance auf eine personalisierte THS mit geringem Nebenwirkungsprofil und optimalen Effekten. Dem steht momentan noch ein größerer Zeitaufwand für den programmierenden Arzt gegenüber, der nun noch mehr Möglichkeiten hat, die Stimulation anzupassen. Verbesserungen in der Bildgebung und die computergestützte Modellierung von Stimulationsfeldern sollten jedoch in Zukunft helfen, die individuelle anatomische Informationen in die oft komplexe, klinische Findung der optimalen Stimulationseinstellungen zu integrieren [3,8] und zukünftig den Programmieraufwand zu reduzieren.
Interessenkonflikt F. Steigerwald: Finanzielle Unterstützung von Forschungsprojekten durch ® ® ® Medtronic und Boston Scientific . Vortragshonorare von Boston Scientific , ® ® ® St. Jude Medical /Abbott und Medtronic . A. D. Kirsch: Finanzielle Unterstützung von Forschungsprojekten durch ® ® ® Medtronic und Boston Scientific . Vortragshonorare von Boston Scientific . Trotz des möglichen Interessenkonfliktes ist der Artikelinhalt unabhängig und produktneutral. Please cite this article in press as: F. Steigerwald, D. Kirsch, Technische EntwickNEULAB-10263; No. of Praxis, Pages 18 lungen in der Tiefen Hirnstimulation und ihre Anwendung in der klinischen Neurophysiol. Lab. (2017), https://doi.org/10.1016/j.neulab.2018.02.003
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