Biochem. Physiol. Pflanzen (BPP), Bd. 164, S. 487-499 (1973) Sektion Biowissenschaften der Martin-Luther-Universitiit Halle-Wittenberg, Fachbereich Botanik
Untersuchungen zum Aufnahme- und Transportverhalten von stereoisomeren Aminosauren in Phaseolus vulgaris L. Von ANGELICA VOLKER, STEFANIE NEUMANN und FRIEDRICH JACOB Mit 6 Abbildungen (Eingegangen am 1. Februar 1973)
Studies on Uptake and Translocation of Stereoisomeric Amino Acids in Bean Plants Summary The stereo-isomeric forms of 14 0 labelled leucin and glutamic acid were applie.d to primary leaves of Phaseolus vulgaris. The uptake of D- or L-glutamic acid was higher than that of leucin isomers during a 3 hours experiment. The content of radioactive substances in the protein fraction of leaves was 2 to 3 times higher after application of the L-isomers of both amino acids compared with the D-isomers. After application of D-Ieucin-1-140 the L-isomer was also present in the hydrolysed protein, as demonstrated by an enzymatic test with D-amino-acid-oxidase. The patterns of distribution into the plants were identical by feeding with D- or L- forms of the two amino acids. From the treated leaves only a quantity of 12 to 16 percent was translocated to other parts of the plant. In the alcohol extracts of these parts it was establIshed that translocated D-Ieucin was partially transformed into the L-isomer. The low content of D-Ieucin in the stem and root compared with that of the treated leaf and the shoot lead us to suppose that the conversion of D- to L- amino acid takes place after translocation in the different tissues.
Einleitung
Pflanzen besitzen durch das Vorhandensein spezifisch reagierender Enzyme die Fahigkeit, aus dem in der Natur vorhandenem Angebot an Substanzen nur bestimmte im Stoffwechsel zu verwerten. Diese Spezifitat ist auch gegentiber stereoisomeren Formen einer Verbindung zu beobachten. So sind in hoheren Pflanzen nur die LFormen der Aminosauren proteinogen verwertbar (BENTLEY 1969; ESCHRICH und HARTMANN 1969; MEISTER 1957), wahrend die D-Aminosauren, die in manchen Bakterien, niederen Pilzen, Insekten und Anneliden als Peptidbestandteile vorkommen (MEISTER 1957; REITHEL 1967; SCHEFFER et al. 1967; VOGLER 1968; ALDAG und YOUNG 1970) keine Rolle als ex-NH2-Donatoren spielen. Diese unnattirlichen Amino32*
.,.. 488
A. VOLKER, S. NEUMANN und F. JACOB
sauren wurden nach experimenteller Fiitterung in der Pflanze als N-Malonylverbindungen (ZENK und SCHERF 1963 und 1964; ROSA und NEISH 1968; ALDAG und YOUNG 1970; POKORNY u. a. 1970) und als die entsprechenden L-Aminosauren nachgewiesen (MIURA und MILLS 1971; ELLIOTT 1971). HASHEM und ESCHRICH (1972) fanden nach Applikation der nichtproteinogenen Aminosaure ,8-Alanin an Vicia faba das proteinogene iX-Alanin. Die Umwandlung von ,8-Alanin zu iX-Alanin erscheint prinzipiell moglich auf dem Wege iiber das Semialdehyd zur Brenztraubensaure, die zu Alanin aminiert werden kann. Wenige Angaben in der Literatur gibt es von Untersuchungen tiber Aufnahmeund Transportverhalten stereoisomerer Aminosauren. BIRT und HIRD (1956) fan den fUr den Influx von D- und L-Aminosauren reeht uneinheitliche Werte. BOLLI (1967) berichtet iiber eine hOhere Aufnahme von L-Leuein im Gegensatz zum D-Isomer in isolierte Wurzelstticken von Zea mays. Untersuchungen von ESCHRICH und HARTMANN (1969) ergaben Unterschiede zwischen D- und L-Phenylalanin im Stoffweehselund Translokationsverhalten in Vicia faba, wahrend die Aufnahme fiir beide Substanzen gleieh groB war. Bei Fiitterung der beiden stereoisomeren Formen an noch nieht ausgewachsene Blatter von Vicia faba wurde fUr das D-Isomere ein Ausstrom ins Phloem gefunden. L-Phenylalanin wird in dem jungen Blattgewebe zum groBten Teil in EiweiB eingebaut und zeigt nur eine geringe Translokation. In unserer Arbeit untersuehen wir dieses Aufnahme- und Transportproblem am Beispiel der stereoisomeren Formen von Leucin und Glutaminsaure.
Material und Methoden Pflanzenma terial: Als Versuchsmaterial dienten in Erdkultur herangezogene Pflanzen von Phaseolus vulgaris (Sorte UNDINE Hz, Saatgutbetrieb Quedlinburg). Die Anzucht erfolgte in einer Klimakammer unter folgenden Bedingungen: Temperatur 18-22 °C, reI. Luftfeuchtigkeit 65 %, Kurztag mit 9 h Licht (7000 Lux) von Leuchtstoffriihren. Radioaktive Aminosiiuren: Leucin (Leu): D-Leu-1-14C (New England Nuclear Corp., Boston) spezifische Aktivitiit 24,4 mC/mM, L-Leu-U-14C (Amersham) spezifische Aktivitiit der Priiparate 92 mC bzw. 311 mC/mM. Zu den Experimenten wurden Fiitterungsliisungen mit gleicher spezifischer Aktivitiit von 24,4 mC/mM verwendet. Die Konzentration der Aminosiiuren betrug stets 8,2. 10-4 :Nt Glutaminsiiure (Glu): D-Glu-P4C (CALBIOCH., Los Angeles), Spez. Aktivitiit 4,8 mC/mM, L-Glu-U-14C (Institut f. Forschung, Herstellung und Anwendung der Radio-Isotope, Prag), spez. Aktivitiit 95 mC/mM. Die Fiitterungsliisungen aus beiden Priiparaten besaBen eine spez. Akt. von 4,8 mC/mM und eine Aminosaurekonzentration von 5,2· 10- 4 M.
II \
t
I
I
Untersuchungen zum Aufnahme- und Transportverhalten usw.
489
Fii tterungs me tho den: a) Zur Untersuchung der Aufnahme wurden von 13-16 Tage alten Pflanzen 2 h vor Versuchsbeginn isolierte Primarblatter in Glasschalen gebracht, die mit feuchtem Filterpapier ausgelegt waren. Danach wurde die Blattoberflache zur besseren Benetzbarkeit mit einer 1: 100 verd. Fitliisung (VEB Fettchemie, Karl-Marx-Stadt) als Detergenz vorsichtig abgerieben. Die Applikation der radioaktiven Aminosauren erfolgte durch Auftropfen auf eine kreisfiirmige Flaehe von 2 cm Durchmesser unmittelbar an der Basis der Blattoberseite. Aile Versuche wurden im Licht durchgefiihrt. Die applizierten Mengen pro Blatt waren bei D- bzw. L-Leu- 14 C 50 /1l( = 1 !tC), bei D- bzw. L-Glu- 14 C 40 ttl (= 0,1 ttC). b) Zur U ntersuchung des Translokationsverhaltens der Aminosauren wurden intakte Pflanzen von Phaseolus iiber ein Primarblatt gefiittert. Die Fiitterungsstelle (0 3 cm) wurde durch einen Lanolinring abgegrenzt. Auch hier erfolgte eine Vorbehandlung mit }<'itliisung (1: 100). Die aufgetragenen Mengen pro PfJanze betrugen: D- bzw. L-Leu-14 C 50ttl (= 1ttC), D- bzw. L-Glu- 14 C 400 /1l (= 1 ttC). Aufarbeitung des Versuchsmaterials: Nach Ablauf der Versuchszeit wurde das Pflanzenmaterial gut abgespiilt, mit dem UltraTurrax (lKA- Werke Janke/Kiinkel KG, Staufen i. Er.) in 70%igem Athanol homogenisiert und 12 h bei Zimmertemperatur extrahiert. Nach mehrmaligem Abzentrifugieren wurden die Uberstande auf definiertes Volumen gebracht. Die alkoholunliislichen Proteine wurden entweder mit 1 N N aOH (1 ml) aus dem Riickstand durch 24stiindige Extraktion herausgeliist oder mit 6 N HCl 24 h bei 105°C hydrolisiert. Die Bestandteile der Alkoholextrakte und der Hydrolysate wurden an Saulen von Dowex 50 (H+-Form, X 4,50-100 mesh) und Dowex 1 (CI-Form, X 4,50-100 mesh) aufgetrennt. Papierchromatografie und Autoradiografie: Die Chromatografie der Aminosaure erfolgte mit dem Papier Schleicher-Schiill 2043 b einund 2dimensional. Ais Laufmittel dienten bei eindimensionalen Chromatogrammen: Phenol/ Wasser = 3/1, bei 2dimensionalen: 1. Richtung n-Propanol/Wasser = 3/1, 2. Richtung Phenol/ Wasser = 3/1. Die Aminosauren wurden durch Bespriihen mit Ninhydrin-Liisung (CRAMER 1953) nachgewiesen. Zur Autoradiografie kamen die Papierchromatogramme vor dem Bespriihen in Kontakt mit Riintgenfilmen. Bei geringer Radioaktivitat der Flecke wurde deren Lage durch Abtasten mit dem Diinnschicht-Scanner (D.SC. II, Laboratorium Prof. Berthold, Wildbad/BRD) ermittelt. Ra dioaktivita ts bes tim m un g: Die Radioaktivitatsmessung aliquoter Teile der Fiitterungsliisungen, Alkoholextrakte, alkoholunliislichen Fraktionen sowie samtlicher Eluate der Dowexsaulen erfolgte im Scintillationszahlgerat (TRICARB, Packard 3375). Enzymatische Methoden: Zur Identifizierung von D- und L-Leu standen L-Aminosaureoxidase (L-AO) aus Crotalus adamanteus (Boehringer, Mannheim) und D-Aminosaureoxidase (D-AO) aus Schweineniere (Boehringer, Mannheim) zur Verfiigung. Die Uberpriifung und Messung der Aktivitat beider Enzyme erfolgte manometrisch im WarburggefaB. Die Ansiitze mit D-AO wurden nach der Vorschrift von BURTON (1955) bzw. BOULANDER und OSTREUX (1962) vorberitet, die Ansatze mit L-AO nach der von RATNER (1955). Die Konfigurationsbestimmung des Leucin-14 C (Leu-HC), das in den Pflanzenextrakten aus Blatt,
490
A. VOLKER, S. NEUMANN und F. JACOB
Achse, Wurzel und Achsenspltze der mit D-Leu-l-14C-gefiitterten Pflanzen anzutreffen war, wurde enzymatisch mit anschlieBender quantitativer Aminosaurebestimmung durchgefiihrt. Dabei wurden folgende Ansatze benutzt: mit L-AO Komplett-Ansatz
mit D-AO
0,1 ml Aminosaurelosung bzw. Eluat der Leu-Flecken der Chromatogrammstreifen 1,0 ml Tris-Puffer (0,2 M, pH 7,2) ad 2,0 ml Aqua bidest. 0,1 ml L-AO (1 mgj2 ml)
Parallel-Ansatz (1)
ohne Enzym
Parallel-Ansatz (2)
ohne Aminosaurelosung
----------------------
1,0 ml Pyrophosphat-Puffer (0,1 M, pH 8,3) ad 1,5 ml Aqua bidest. 0,2 ml D-AO (0,22 mgj1 ml)
Vor Zugabe der Enzymliisung wurden die Ansatze zunachst 15 Minuten bei 38 DC temperiert, nach 90 Min. bzw. 1 h wurden die Reaktionen mit 50 III 10%iger Trichloressigsaure abgestoppt. Das Reaktionsgemisch verblieb 1 h bei 4 DC und wurde anschlieBend 30 Min. bei 6000 DjMin. zentrifugiert. Die Uberstande wurden zur Austreibung des Ammoniaks eingeengt und in 1 ml Aqua bidest. aufgenommen. Mit 0,1 ml erfolgte die quantitative Aminosaurebestimmung nach YEMM und COCKING (1955).
Ergebnisse
Aufnahme von D-Leu-l-l4C und L-Leu- U -l4C: Die sich in ihrer Konfiguration unterscheidenden Leucin-Verbindungen zeigen bei einer 3stundigen Futterung an isolierte Primarblatter von Phaseolus vulgaris keine signifikant unterschiedlichen Aufnahmeraten (Abb. 1). Diese betragen flir D-Leu-I-14C 18,0%, flir L-Leu-U-14C 20,8%, wenn man die Menge an radioaktiven Substanzen von Alkoholextrakt und Proteinfraktion zusammenfaBt. Dabei ist die gemessene Radioaktivitat in der Alkoholfraktion (Aminosauren, organ. Sauren und Zucker) nach D-Leu-I-14 C-Applikation mit 12,4 % der angebotenen Menge wesentlich hoher als nach Futterung von L-Leu-U_14C mit 5,8 %. Hohere Aufnahmewerte des gefiitterten proteinogenen L-Leucins in das pflanzliche EiweiB (Abb. 1) ergaben sich nach mit 6 N HCI durchgeflihrter Hydrolyse und anschlieBender Isolierung der proteinogen gebundenen Aminosauren mittels Ionenaustauscherchromatografie. Urn einen eventuell vorhandenen EinfluB von epiphyllen Bakterien auf unsere Aufnahmeversuche auszuschlieBen, wurden das D- und L-Isomer von Leucin an Primarblatter verfuttert, die durch vorherige Behandlung der Blattoberseite mit 96%igem Athanol und 9%iger CaOCI2 - Losung zumindest weitgehend keimfrei gemacht wurden. Die Ergebnisse nach 3stundiger Applikation zeigen, daB die Aufnahme, gemessen an der Alkoholfraktion (D = 36,5 %, L = 13,1 %), zwar groBer ist als die Aufnahmc in die unbehandelten Blatter, die Verhaltnisse von D- zu L-Leu- 14 C
Untersuchungen zum Aufnahme- und Transportverhalten usw.
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unter "sterilen" und "unsterilen" Bedingungen jedoch gleich waren. In beiden Fallen befanden sich 2,5mal mehr radioaktive Substanzen in der Alkoholfraktion der mit D-Leu-P4C-gefUtterten Blatter als nach Applikation von L-Leu-U-14C. Eine Ursache fUr die gesteigerte Aufnahme durch sterilisierte Blattflachen diirfte in der starken mechanischen und chemischen Beanspruchung der Blattoberseite bei der Keimfreimachung der Blatter liegen.
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hol- • frak-
~%
tion
~zucker rz;;1 AminOsdudfe im I:2
nactJ D-Leu-1!t- nochL-Leu-U- ,~-
Appllkation
App/ikatlOn
Abb.1. Aufnahme der radioaktiven Substanzen in die einzelnen Fraktionen nach D-Leu-l-HCund L-Leu-D-14C-Applikation an isolierte Primarblatter von Phaseolus vulgaris. Die Riickstandshydrolyse erfolgte mit 6 N HCl Applikationsdauer: 3h.
~ unloslfmktiofl
o
D
L
D
Alkoholfroktl(]fl
L
Leucin-""C G/utominsdure- '''1;
Abb.2. Aufnahme von D- und L-Leucin-14 C bzw. D- und L-Glu-14 C durch isolierte Blatter von Phaseolus vulgaris. Die Riickstandshydrolyse wurde mit 1 N NaOH durchgefiihrt. Fiitterungsdauer: 3 h.
L.
492
A.
VOLKER,
S.
NEUMANN
und F.
JACOB
Vergleich der Aufnahme von D- und L-Glu-14 C mit der von D- und LLeu- 14 C: Zur Klarung der Fragen, inwieweit sich die Aufnahmeraten von verschiedenen D- und L-Aminosauren gleichen und ob sich die bei Leucin gefundene Differenz im radioaktiven Gehalt der Alkoholfraktionen auch bei anderen Aminosauren wiederfindet, wurde die Aufnahme der beiden Isomeren von Leucin und Glutaminsaure untersucht. Bei diesen Versuchen behandelten wir den unliislichen Rtickstand der Primarblatter nicht wie im vorhergehenden Kapitel mit 6 N HCI sondern mit 1 N NaOH. Die hierdurch schwachere hydrolytische Spaltung ftihrte zu einer geringeren Ausbeute an 14C-markierten Substanzen in der unliislichen Fraktion. Abb. 2 laBt deutlich erkennen, daB die Gesamtaufnahme der D- und L-Isomeren von Glu- 14 C - gemessen in % der angebotenen Menge - bedeutend hOher ist als die des Leucins. Die Radioaktivitat in der Alkoholfraktion aus dem mit L-Glu-U-14C geftitterten Blatt ist keinesfalls geringer als die nach Applikation von D-Glu-1-14C. Hierin konnte sich eine insgesamt erhohte Aufnahme der L-Form dieser Aminosaure abzeichnen. Un tersuch ungen zum Stoffwechsel vo n a pplizierten D- un d L-Leu- 14 C in den Primarblattern: Die nach 3sttindiger Ftitterung von Primarblattern mit 14C-markierten D- und LLeucin gewonnenen Alkoholextrakte wurden an Ionenaustauschern in Amin08auren, organische Sauren und Zucker getrennt und aus den Hydrolysaten der Rtickstande die proteinogenen Aminosauren isoliert. Wie Abb. 1 zeigt, ist nach Applikation von D-Leu-1-14C ein hoherer Anteil von Radioaktivitat in den organischen Sauren und in der Aminosaurefraktion nachzuweisen als nach Applikation von L-Leu- U-14C. Dagegen liegt der Gehalt an markierter Aminosaure im Rtickstand mit 15,0 % 3mal hoher als bei D-Leu-Applikation. Die sohr geringe Aktivitat der Zuckereluate ist boi Applikation von D- und L-Leu- 14 C fast gleich und imofern nicht zu berticksichtigen, als der Abbauweg des Leu in Pflanzen zeigt, daB das ketoplastische Leucin nicht zur Neubildung von Zuckern ftihrt. Durch Chromatografie und Autoradiografie wurde versucht, die Verbilldungen aus den Eluaten zu identifizieren. So konnten wir in den Aminosaureextrakten nur Leucin als radioaktiv markierte Verbindung nachweiscn. Auch in den Hydroly~aten der Proteinfraktion war Leucin als einzige Amin08aure markiert. Konfigura tionsuntersuchungen: Auf Grund der Kenntnis, daB D-Aminosauren nicht in das Protein eingebaut werden, erhebt sich die Frago, ob die Radioaktivitat deT Proteinfraktion der mit D-Leu-1-14C geftitterten Blatter auf die Anwesenheit von markiertem D-Leu zurtick-
493
Untersuchungen zum Aufnahme- und Transportverhalten usw. Tabelle 1
Einwirkung von L-Aminosiiureoxidase auf reines inaktives D- und L-Leu sowie auf die Leu-Hydrolysate der Riickstiinde der Primiirbliitter von Phaseolus vulgaris (Angaben in y).
Substrat (S)
Ansatz ohne Enzym (E) (1)
Ansatz mit S u. E (2)
Ansatz nur E (3)
nicht umgesetzte AS (2)-(3)
Reines D-Leu
45,0 33,0
272 195
228 162
44 33
Reines L-Leu
33,4 36,2
360 172
356 161
4 11,4
29,4 24,8
40,0 42,0 -n,6
249,0 445 398
240 435 393
9,0 10,0 0,0
30,5 32,0 36,6
84,5 80,0
420 395
373 373
47,0 22,0
37,0 58,0
Hydrolysate nach Applikation von: D-Leu-1-14C
L-Leu-U-14C
umgesetzte AS (1)-(4) 1 0
zufiihren ist. ALDAG und YOUNG (1970) konnten nach D-Leu- 14 C-Applikation in pflanzlichen HCI-Hydrolysaten des unlOslichen Riickstandes nur markiertes L-Leu nachweisen. Wir fiihrten auch in unseren Versuchen Konfigurationsbestimmungen durch. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 wiedergegeben. 1m Gegensatz zur Kontrolle (reines D-Leu) reagierte das Eluat nach D-Leu-1-14C-Applikation mit L-Aminosaureoxidase, die ca. 32 y umsetzte. Die Eluate der mit L-Leu- U-14C gefiitterten Blatter reagierten mit dem Enzym im Bereich von 37 und 58 y. Diese Werte, insbeEOndere der Vergleich zwischen dem Umsatz von D-Leucin als Reinsubstanz und dem Hydrolymt des Blattriickstandes nach D-Leu-Fiitterung, lassen die Annahme zu, da13 die exogen zugefiihrte D-Aminosaure in den Blattern in die proteinogene L-Form umgewandelt worden ist. Verteilung del' Radioaktivitat nach Applikation von Leu- 14 C und GI u-14 C in Phaseol us vulgaris: Allen Berechnungen zur Ermittlung der Verteilungsmuster wurden der Grhalt an radioaktiver Substanz in beiden Fraktionen (Alkohol- und Proteinfraktion) zu Grunde gelegt. Die einzelnen Verteilungsmuster nach D- und L-Leu-14 C- sowie Dund L-Glu- 14 C-Applikation sind in den Abb. 3, 4, 5 und 6 dargestellt. Zwischen den D- und L-Formen sowohl von Glu- 14 C als auch Leu- 14 C sind keine wesentlichen Unterschiede im Translokationsverhalten vorhanden. Nach unseren Ergebnissen fallt der geringe Export an radioaktivem Material aus den behandelten Blattern bei allen lsomeren auf. Der Ausstrom betrug: bei D-Leu-1-14C 16,0%, bei L-Leu-U-14C
494
A. VOLKER, S. NEUMANN und F.
JACOB
14,7%, bei Glu-U4C 12,4% und bei L-Glu-U-14C 12,8%. Die L-Formen von Leu und Glu verhalten sich proteinogen und sind demzufolge auch in hoherem Prozentsatz in den unlOsIichen Fraktionen der Pflanzenteile enthalten. In den noch nicht ausgewachsenen, gefiitterten Primarblattern werden L-Leu und L-Glu offenbar sofort an Ort und Stelle in das Protein eingebaut (L-Leu zu 67 %, L-Glu zu 15 % der
4,0 18,1
I
~
%der oufgenommenen Menge /0 der tronsportterten Menge
~
%der ouftJenommt'l7el7 Mel7ge
/0 der trol7sportlerten Menge
.Jff...
ld...
8,0
14;1
4
3
Abb.3-6. Phaseolus vulgaris. Radioaktivitat in der Alkoholfraktion und dem Riickstandshydrolysat in % der aufgenommenen Menge nach Applikation von D- und L-Leu-uC sowie Dund L-Glu-14 C. Fiitterungsdauer: 3 h. Abb, 3. Verteilungsmuster nach Applikation von D-Leu-l-14 C. Abb.4. Verteilungsmuster nach Applikation von L-Leu-U-14C.
3,9
I~ 1
25;3
24;3
6
I %der oulqe17ommel7e17 Men(j[l ~ de' tcamp''''"",n Men",
~
%deroulgenommeael7 MBl7ge
Yo der tro!7sportlerte!7 Menge l2
211
5
6
Abb.5. Verteilungsmuster nach Applikation von D-Glu-l-14 C. Abb.6. Verteilungsmuster nach Applikation von L-Glu- U-14C.
495
Untersuchungen zum Aufnahme- und Transportverhalten usw. Tabelle 2
Phaseolus vulgaris- Verteilung von HC in Prozent der aufgenommenen Menge nach Applikation von D- und L-Leu-HC sowie D- und L-Glu-HC. Fiitterungsdauer: 3 h (a = Alkoholfraktion, u = unlosl. Frakt., g = a + u) D-Leu-1-HC
Spitze
HC-gef. Primarbl. Stiel
Spreite
U ngef. Primarbl. Stiel
Spreite
Achse
Wurzel
a u g
3,0 0,6 3,6
L-Leu-U-HC
D-Glu-1-HC
L-Glu-U-14C
1,4 4,1 5,5
1,30 0,35 1,6
0,53 0,94 1,5
a 2,04 u 0,44 g 2,5 a 72,2 u 11,8 g 84,0
0,54 1,00 1,5
0,70 0,43 1,1
0,44 2,10 2,5
17,68 67,62 85,3
84,10 3,52 87,6
72,40 14,80 87,2
a 1,10 u 0,68 g 1,8
0,60 2,68 3,3
0,10 0,31 0,4
0,26 0,88 1,1
a 0,65 u 0,17 g 0,8 a 3,62 u 0,82 g 4,4 a 2,83 u 0,34 03,2
0,55 0,58 1,1
1,01 0,96 1,9
1,23 1,35 2,6
1,68 2,34 4,0
2,16 1,04 3,2
2,37 1,61 3,9
1,04 0,46 1,5
1,58 1,50 3,1
2,00 1,25 3,3
"
gesamten aufgenommenen Aktivitat). Der Hauptanteil der Radioaktivitat nach D-Leu-p4C- und D-Glu-P4C-Applikation befindet sich in der Alkoholfraktion der behandelten Blatter (Tabelle 2). Die Frage nach der Transportform von D-Aminosauren ist noch weitgehend ungeklart. In unserem Fall ist es interessant zu erfahren, in welcher Konfiguration das aufgenommene D-Leu in der Pflanze geleitet wird. Der stereoisomere Nachweis des markierten Leucins in der Alkoholfraktion der einzelnen Abschnitte wurde mit D-Aminosaureoxidase durchgefiihrt. Der Tabelle 3 ist zu entnehmen, daB in allen untersuchten Pflanzenabschnitten nach 3stiindiger Aufnahme von D-Leu zu unterschiedlichen Anteilen die L-Konfiguration vorliegt. 1m gefiitterten Blatt und in der Spitze ist mehr D-Leucin als in Wurzel und Achse nachweisbar: in der Wurzel 22,6 %, in der Achse 13,1 %, im Blatt 46,8 % und in der Spitze 61,1 %. Die geringe Menge von D-Leu in der Wurzel und Achse geben einen Hinweis darauf, daB die Umwandlung des D-Isomers zum L-Antipoden auf dem Wege vom Applikationsort
496 Tabelle 3
A.
VOLKER,
Ansatz Ansatz ohne Enzym mit S u. E (E) (1) (2)
reines D-Leu 12,6
6,25
und F.
JACOB
Ansatz nur E (3) 5,5
nicht umgesetzte AS (2)-(3) 0,75
umgesetzte AS (1)-(4) 11,85
95
23,0 18,0
6,4 5,6
% 21,7% 23,5%
37,6 25,0
11,0 8,4 8,4 6,1
29,2 18,9
4,8 2,6
14,1% 12,0%
23,5
12,0 25,0
8,4 11,0
3,6 14,0
4,1 9,5
18,5 5,1
18,0 10,4
11,0 8,4
7,0 2,0
11,5 3,1
53,3% 40,4% 622°/ , ,0 61,1%
Wurzel
29,4 23,4
34,0 26,4
Achse
34,0 21,5 7,7
Spitze
NEUMANN
Einwirkung von D-Aminosaureoxidase auf reines inaktives D-Leu sowie auf die LeuEluate der Alkoholfraktion einzelner Pflanzenabschnitte von Phaseolus vulgaris. (Werte in I')
Substrat(S)
Blatt
S.
in diese Organe oder in ihnen erfolgt. Der hohere Anteil in der Spitze konnte durch das sehr schnelle Einwandern in diesen Pflanzenteil und eine durch hohe LeucinKonzentration verursachte geringere Umsetzung in die L-Form verursacht sein.
Diskussion
Un sere Untersuchungen crgaben keinen signifikanten Unterschied zwischen Dund L-Leucin-l4 C in der Aufnahme durch isolierte Primarblatter von Phaseolus v. nach D-Leu-P4C-Applikation sind 18,0%, nach L-Leu-U-14C-Applikation sind 20,8 % des Angebots wiederzufinden). BOLLI (1967) stellte fUr L-Leu an isolierte Wurzelstuckchen von Zea mays eine hohere Aufnahmerate als fUr D-Leu fest. Ein eventuell vorhandener EinfluB von Bakterien auf die Aufnahme kann ausgeschlossen werden, da eigene Experimente unter weitgehend sterilen Bedingungen gleiche Ergebnisse ergaben. Auch BOLLI (1967) erhielt ubereinstimmende Ergebnisse unter unsterilen und sterilen Bedingungen. Bei den Untersuchungen mit Glutamimaurel4C zeichnete sich im Vergleich zu Leu- l4 C eine starkere Aufnahme der L-Verbindung ab, denn schon in der Alkoholfrakion war der Radioaktivitatsgehalt erhOht gegenuber dem der mit D-Glu-1-14C gefUtterten Blatter. Dieses Ergebnis konnte ein Hinweis dafUr sein, daB fUr die saure Aminosaure Glutaminsaure ein anderes Aufnahmesystem als fUr die neutrale Aminosaure Leucin existiert (HEINZ 1961). Die hoheren Aufnahmewertc von Glu im Vergleich zu Leu konnten in der besonderen Bedeutung von Glu fUr den N-Metabolismus begrundet liegen. Die aufgenommenen Isomere von Leu verhalten sich in der Pflanze unterschiedlich. Es zeigte sich, daB nach D-Leu-1-
Untersuchungen zum Aufnahme- und Transportverhalten usw.
497
14C-Applikation die Radioaktivitat fast ausschlie13lich im Alkoholextrakt enthalten ist. Wahrscheinlich wird D-Leu hauptsachlich als organisches Saurederivat festgelegt. ALDAG und YOUNG (1970) wiesen nach Fiitterung von D-Leu-14C an Maisund Raigraskeimlingen nach, da13 D-Leu z. T. zur N-Malonylverbindung und
Zusammenfassung In beiden isomeren Formen wurden die 14C-markierten Aminosauren Leucin und Glutaminsaure an Primarblatter von Phaseolus vulgaris appliziert. Die Aufnahme von D- und L-Glutaminsaure erwies sich bei 3stiindigen Versuchszeiten gegeniiber den Leucinisomeren als hiiher. Der Gehalt an radioaktiven Substanzen in der Proteinfraktion der gefiitterten Blatter zeigte sich bei beiden Aminosauren nach Applikation der L-Isomeren um das 2-3fache erhiiht im Vergleich
498
A. VOLKER, S. NEUMANN und F. JACOB
zu den nichtproteinogenen D-Formen. Nach Fiitterung mit D-Leu-l- 14 0 wurde durch Konfigurationsbestimmungen mit D-Aminosaureoxidase im hydrolysierten Protein auch das 140-markierte L- Isomere des Leucins nachgewiesen. Die Verteilungsmuster der D- und L-Form von Leucin und Glutaminsiiure in PhaseolusPflanzen stimmen nach 3stiindiger Versuchsdauer weitgehend iiberein. Nur 12-26% der Substan zen wurden aus den gefiitterten Blattern in die anderen Pflanzenteile abgeleitet. In den untersuchten Alkoholextrakten dieser Abschnitte konnte nachgewiesen werden, daB appliziertes D-Leucin teilweise in das L-Isomere umgewandelt wurde. Der geringe Gehalt von D-Leu in der Achse und Wurzel im Vergleich zu dem des gefiitterten Blattes und der Spitze liiBt vermuten, daB die Umwandlung von D- zur L-Aminosaure nach dem Transport in die einzelnen Gewebe stattfindet.
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