Kongressberichte | Congress Reports
T. Ots
World Congress Integrative Medicine & Health Berlin, 3. bis 5. Mai 2017 Dieser erste Weltkongress war gleichzeitig der 10. Europäische Kongress für Integrative Medizin (ECIM) sowie der 12. International Congress of Complementary Medicine Research (ICCMR), organisiert von der European Society of Integrative Medicine (ESIM). Vorab: Ein wahrer Mammut-Kongress mit über 850 TeilnehmerInnen, davon 530 Vortragende, das Programmheft dermaßen voll mit hervorragenden parallelen Workshops, Plenarveranstaltungen, Symposien, oral abstract presentations und guided poster sessions, sodass die Auswahl zur Qual wurde. Die andere Seite: eine gewaltige Demonstration eines immer stärker werdenden und nicht mehr aufzuhaltenden weltweiten Trends hin zu einer Integrativen Medizin und Gesundheit – mit aus aller Welt angereisten TeilnehmerInnen. Weiterhin eine gewaltige Demonstration, dass dieser Trend zunehmend die politischen Entscheidungsträger sowie die Universitäten erreicht hat. Deswegen seien hier zwei Beispiele besonders hervorgehoben: Frau Prof. Dr. Wu (Universität für Chinesische Medizin, Kanton, VR China und Mc Masters University, Hamilton, Kanada). Die Regierung der VR China hat zuletzt 2016 die Integration beider Medizinsysteme zu ihrem Anliegen gemacht. Diese Integration beruht hauptsächlich auf der Bedeutung der TCMFertigarzneimittel. Diese stellen den größten wachsenden Markt im chinesischen Gesundheitswesen dar. Charakteristisch: Auch viele Ärzte der westlichen Medizin verschreiben diese „patent medicines“ der TCM, und zwar hauptsächlich auf Grundlage einer westlichen Diagnose. Noch größer ist ihr Anteil bei den OTC(over the counter) Arzneien, die ohne ärztliche Verschreibung gekauft werden können. Eine Annäherung der Theoriemodelle der beiden Medizinformen erscheint dagegen nach wie vor sehr schwierig. Prof. Dr. J. A. Dusek, Director of Patient Centered Research, Aurora Research Institute, Wisconcin, USA, mit seinem Spezialgebiet „Integrative medicine, mind/body medicine, meditation, relaxation response“ zeigte eindrucksvoll, an wie vielen amerikanischen Universitätskliniken über komplementär-integrative Gesundheit (complemantary integrative health – CIH) geforscht wird. Hier haben sich viele der führenden Universitäten zusammengeschlossen, allen voran die Harvard Medical School. Hier wurde mal wieder deutlich, dass der Weg der Anerkennung von Medizinformen oder neuen Trends nur über die Implantation an den Universitäten läuft, und damit über EBM-Forschung und die Kosten-Nutzen-Frage. Angesichts der amerikanischen Verhältnisse bleibt uns nur das Staunen und die Aufforderung, an den von diesen Gruppierungen organisierten Research Meetings intensiver teilzunehmen.
PD Klaus Linde von der TU München hatte die Ehre, eine Marja Verhoef Lecture zu halten (M. Verhoef ist Professorin an der Univ. of Calgary und eine Pionierin im „whole systems research“). Er zeigte die steigende Tendenz auf und hielt ein Plädoyer dafür, Efficacy-Studien (Testung einer Methode vs. Placebo oder Sham) zugunsten Efficiency-Studien hintanzustellen: Testung einer noch nicht ganz akzeptierten Methode wie Akupunktur gegen eine andere, etablierte Methode. Nur so kann der wahre Nutzen einer Methode beschrieben werden, auch wenn ihre genaue Wirkweise noch nicht ganz verstanden ist. Denn das führt häufig zur Wahl eines falschen Placebos bzw. zu einem schlecht gewählten Sham. Die DÄGfA als einer der Sponsoren dieses Kongresses war auch mit einem eigenen kleinen Symposium vertreten „Effects of Integrative Medicine on purinergic signalling and on the autonomic nervous system – implications for the treatment of anxiety and pain“, voran Prof. G. Burnstock aus London, der weltweit führende Forscher zur Rolle des ATP bei der Signalübermittlung; der Neurophysiologe Prof. Hans-Georg Schaible aus Jena mit neuen Erkenntnissen über das vegetative Nervensystem, PD Dominik Irnich mit dem bewährten Münchener Modell der Integrativen Schmerztherapie und DDr. Thomas Ots zur Therapie von Angststörungen mittels Akupunktur und begleitender Psychotherapie. Last, not least: Ein großes Lob an Prof. Benno Brinkhaus von der Charité, Berlin, der diesen Kongress an führender Stille organisiert hatte und dennoch äußerst entspannt hier und da zu sehen war, vortrug und an Workshops teilnahm.
Prof. G. Burnstock bei seinem Vortrag zur Rolle von ATP bei der Signalübermittlung von Akupunktur
DDr. Thomas Ots
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