(Aus dem Botanischen Institut der Universitat Kiel)
Z ytologische Untersuchungen an einigen Formen von Poa pratensis L. In Schleswig-Holstein Von
Hildegard JuhI Mit 10 Abbildungen im Text (Eingegangen am 21. Januar 1952.)
Einleitung Die untersuchte Art Poa pratensis L. ist als extrem polymorph bekannt. 1m Bestreben, eine Ordnung in die Mannigfaltigkeit der Erscheinungsformen dieses Grases zu bringen, ist von den verschiedenen Floristen eine im einzelnen recht stark wechselnde Anzahl von Unterarten, Varietaten und Formen aufgestellt worden. Die Schwierigkeit einer Gliederung wird hierdurch schon angedeutet; sie wird aber dem, der verschiedene solcher Aufstellungen miteinander vergleicht, noch klarer durch die Feststellung, daB dieselbe Bezeichnung oft eine sehr unterschiedliche systematil'lche Bewertung erfahren hat. Eine extreme Aufteilung nimmt LINDMANN (HOLMBERG 1926) vor, der aus der einen Art Poa pratensis flinf Arten macht. Die Bewertung der verschiedenen Aussehenstypen als eigene Arten erscheint aber nicht gerechtfertigt, wie schon NANN FELDT (1934) ausflihrt. Flir Schleswig-Holstein ist als Arbeitsgrundlage die Gliederung bei JUNGE (1913) anzusehen, der seine Bezeichnungen von ASCRERSON & GRAEBNER (1898-1902) libernommen, jedoch nur die hier im Lande vorkommenden Formen ausgewahlt hat. Es erscheint aber auf Grund vieler in Schleswig-Holstein gemachter Beobachtungen angemessen, flir das Wiesen-Rispengras in diesem Gebiet auch die skandinavischen Floren heranzuziehen, entsprechend der Lage von Schleswig-Holstein als Ubergangsgebiet zwischen Nord- und Mitteleuropa. Die ersten Bestimmungen der Chromosomenzahl einzelner Pflanzen von Poa pratensis wurden von STARLIN (1929), RADELOFF (1930) und AVDULOV (1931) durchgeflihrt. Es handelt sich hierbei um euploide Zahlen. MUNTZING (1933) dagegen fand erstmalig bei sieben von acht untersuchten Biotypen Aneuploidie und stellt auf Grund seiner Ergebnisse die sichere Euploidie, die die frliheren Autoren angeben, in Frage. Seitdem sind fast aIle Zahlen zwischen 42 und 96 gefunden worden.
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Die nach kritischen, der Schwierigkeit des Zahlens entsprechenden Gesichtspunkten aufgesteUte Tabelle von AKERBERG (1942) zeigt, daB die euploiden Chromosomenzahlen durchaus nicht haufiger vertreten sind als die aneuploiden. Einen umfassenden Uberblick tiber die groBe Anzahl von Arbeiten, die sich mit den chromosomalen Verhaltnissen bei Poa pratensis beschaftigen, vermittelt TISc'HLER (1950). MUNTZING (1933) war auch der erste, der auf das Vorkommen der Apomixis bei Poa pratensis hinwies. Es ist seitdem bekanntgeworden, daB es hier keine klar zu trennenden apomiktischen und sexuellen Familien gibt, sondern daB auch bei einem gewohnlich sich apomiktisch fortpflanzenden Exemplar gelegentlich ein Embryosack befruchtet werden kann, und daB einzelne Nachkommen aus einer apomiktischen Familie voll sexuell sein konnen. Urn den EinfluB der Chromosomenzahlen auf einzelne morphologisch-anatomische, physiologisch-okologische und embryologische Eigenschaften zu studieren, wurden verschiedentlich Untersuchungen angestellt. So verglich MUNTZING (1940) triploide Zwillingspflanzen mit deren normal diploid en Geschwisterpflanzen, AKERBERG (1942) stellte eine Gruppe hochchromosomaler Pflanzen einer solchen mit relativ niedriger Chromosomenzahl gegentiber, KRAMER (1947) und NISSEN (1950) verglichen einzelne Familien (apomiktische Nachkommenschaften einzelner Pflanzen) mit verschiedenen Chromosomenzahlen in einigen wichtigen Merkmalen. Die wenigsten positiven Ergebnisse bei diesen Untersuchungen hatte KRAMER (1. c.), der nur fUr den Grad der Widerstandsfahigkeit gegen Mehltau eine Abhangigkeit von der ChromosomenzahI fand. Auch die Fortpflanzungsweise ist nicht von der Hohe der Chromosomenzahl abhangig (AKERBERG 1942). Dem Erscheinungsbilde der Pflanzen in der Natur erscheint es zunachst angemessener zu sein, solchen Betrachtungen ganze systematische Formen und nicht nur einzelne Eigenschaften zugrunde zu legen. Ftir viele Arten konnte TISCHLER (1935) auf eine Differenzierung ihrer einzelnen Rassen durch unterschiedliche Chromosomenzahlen hinweisen. Doch ist m. W. noch nicht untersucht worden, ob auch bei Poa pratensis einzelnen Formen und Varianten bezeichnende Chromosomenzahlen entsprechen. Die vorliegende Arbeit unternimmt diesen Versuch ftir bestimmte Formen des Wiesen-Rispengrases in Schleswig-Holstein. Es wird im foIgenden zunachst eine kritische morphologische Beschreibung der untersuchten Formen und eine Ubersicht tiber die Chromosomenzahlungen gegeben. Sodann wird untersucht, inwieweit Beziehungen zwischen den Erscheinungsformen und der Zahl der vorhandenen Chromosomen gegeben sind. 30'"
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Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. G. TISCHLER, miichte ich auch an dieser Stelle fiiI die tl'berlassung des Themas, das jederzeit rege Interesse und groJlziigige Entgegenkommen wahrend der Durchfiihrung der vorliegenden Untersuchungen ergebenst danken. Ferner danke ich Herrn Professor Dr. H. D. WULFF fiir manchen Rat auf zytologischem Gebiet und den Herren Dozenten Dr. h. c. W. CHRISTIANSEN und Dr. E. W. RAABE fiiI wertvolle Hilfe bei der Einarbeitung in die floristischen und iikologischen Grundlagen fiir die vorliegende Arbeit.
Systematik Wenn man verschiedene Floren miteinander vergleicht, fallen auBer der uneinheitlichen Bewertung bestimmter Formen des Wiesen-Rispengrases einzelne Divergenzen in den Synonyma auf. Dies gilt besonders fUr die blaugrUnen Formen. In der vorliegendenArbeit ist die Bezeichnung der einzelnen Typen nach JUNGE (1913) vorgenommen worden und es werden in ihr folgende Formen erwahnt: t. vulgaris GAUDIN Agrost. Helv. 1. 212 (1811). - Blatter griin, gegen die Spitze allmahlich verschmalert. Stengel rund, in der Regel 0,4-0,8 m hoch. var. costata HARTMAN Handb. Scand. FL 2. UppL (1832). - Blatter blaugriin, parallelrandig, mit Kappenspitze. Pflanze 10 cm hoch. Rispenaste mit einem oder keinem grundstandigen Zweige (1-2 Aste pro Stockwerk). t. latitolia MERT. & KOCH, Deutschl. FL 1. 612 (1823). - Blatter grUn, mit Kappenspitze. Pflanze mehr als 10 cm hoch. Rispenaste mit 2 oder mehr grundstandigen Zweigen (3 oder mehr pro Stockwerk). t. subcoerulea A. & GR. Syn. Mitt.-Europ. FL II. 1. 433 (1900). Blatter blaugrUn, mit Kappenspitze. Pflanze bis 10 cm hoch. Rispenaste wie t. latitolia. t. angustitolia SMITH FL Brit. 105 (1800). -.:.... Grlin. Blatter schmal, weniger als 3 mm breit. Pflanze 0,3-0,8 m hoch. Stengelblatter flach. Warum JUNGE die costata als einzige eine varietas nennt, ist mir nicht bekannt. 1m folgenden wild sie wie die anderen als forma bezeichnet.
Die Nomenklatur bei JUNGE (1913) erscheint unbefriedigend, wenn man sie auf die in Schleswig-Holstein zu findenden Pflanzen anwenden will. Einige wertvolle Erganzungen finden sich jedoch in der Charakterisierung durch HYLANDER (in .AKERBERG 1942). HYLANDER beschreibt vier Form-Komplexe: eupratens~, angustitolia, irrigata und alpigena. Der Form-Komplex alpigena hat rein nordische Verbreitung und kommt fUr unser Gebiet nicht in Betracht. Bei JUNGE (1. c.) fehlen vor allem blaugrUne Formen, die groBer als 10 cm sind. Es hat sich aber bei vielen Beobachtungen imGelande
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und auch beiden vorliegenden Untersuchungen gezeigt, da13 so niedriger Wuchs nur durch Vertritt und Verbi13 oder durch Bodenarmut bedingt ist. Pflanzen vom Typ subcoerulea und costata konnen auch in der Natur bis 20 cm hoch werden. Au13erdem aber gibt es gro13e blaugriine Pflanzen im Walde, was in den deutschen Floren bisher nicht erwahnt ist; Sie entsprechen der "Waldfotm" des Form-Komplexes irrigata bei HYLANDER (1. c.). Neben der Waldform unterscheidet HYLANDER (1. c.) in der irrigataGruppe noch eine Ktistenform. Diese okologische Einteilung dtirfte ratsamer und der Forderung nach einer' brauchbaren Systematik entsprechender sein, als wenn man die blaugriinen Formen auf Grund nur unzuverlassiger morphologischer, Merkmale ohne Rticksicht auf ihren Standort auseinanderrei13t. Die Anzahl der grundstandigen Rispenaste ist sicher nicht so ausschlaggebend, wie sie von ASCHERSON & GRAEBNER (1900) und JUNGE (1913) bewertet wird. HYLANDER spricht bei seiner irrigata-Gruppe (die die costata mit einschlie13t), von 2--3 Zweigen im untersten ,,,Stockwerk" der Rispe, das ist also ein Zweig mehr, als bei ASCHERSON & GRAEBNER beschrieben wird, und entspricht den VerhaItnissen besser. Man findet in einem Bestand kleiner, blaugriiner Poa pratensis-Pflanzen sowohl an der Ktiste als auch im Binnenland oft Rispen mit 2 und solche mit 3 Asten pro Stockwerk zu gleichen Teilen. Ob die Anzahl der Rispenaste durch Umwelteinfltisse oder genetisch bedingt ist, ist m. W. noch nicht untersucht worden. Bei den vorliegenden, noch kurzfristigen (2 Jahre) Untersuchungen anderte sie sich beim Umpflanzen in gute Gartenerdebei einem Teil des untersuchten Materials. , Richtet man sich nach der Anzahl der gtundstandigen Rispenaste, so sind die Formen costata und subcoerulea nicht an einen bestimmten Standort gebunden. 1m vorliegenden Material befinden sich Pflanzen sowohl von salzhaltigen Weiden schlickiger Ktisten als auch von den sandigen Magerweiden der Geest, die nur 1-2 Aste im untersten Knoten der Rispe tragen, und eben so Pflanzen mit 2--4 Asten von salzhaltigem Boden der Hallig Hooge, von einer wei13en (= sekundaren) Diine bei Fehmarnsund und von zahlreichen Fundorten im Binnenland, u. a. auch wieder von Magerweiden. In Anlehnung an H YLANDER (1. c.) wird vorgeschlagen, unter den blaugriinen Pflanzen nur die Ktistenform costata, die binnenlandischen, klein en Formen der Weiden und Wegrander subcoerulea und die gro13en Pflanzen im Walde irrigata zu nennen, wenn bei den vorliegenden Untersuchungen auch noch die bisher in Deutschland tibliche Nomenklatur angewandt wurde. Die Vettreter der latifolia- Gru ppe zeigen eine starke Varia bilitat untereinander. Wie auch HYLANDER (1. c.) bemerkt, sind 'Ubergange zur
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angustijolia-Gruppe und zu den blaugrtinen Formen vorhanden. Vor aHem scheint eine latijolia-Pflanze unter dem EinfluB von Vertritt niedrig und blaugrtin zu werden und ist dann in der Natur nicht mehr von den Formen subcoerulea und costata zu unterscheiden. Zur Charakterisierung der vulgaris-Gruppe laBt sich das Merkmal der allmahlich spitz zulaufenden Blatter, wenn auch nicht absolut fUr aIle Blatter einer Pflanze zutreffend, anwenden. Die jungen Blatter sind noch parallelrandig und besitzen eine deutliche Kappenspitze, die alteren aber sind allmahlich zugespitzt. Nach LINDMANN (in HOLMBERG 1926) ist die mit der j. vulgaris zusammengehorige j. anceps GAUD. von der ihr nahe verwandten j. latijolia durch groberen Wuchs und stark gekielte Auslauferblatter abgegrenzt. Zur vulgaris-Gruppe gehOren recht unterschiedlich aussehende Pflanzen. Besonders groBe Differenzen zwischen einzelnen Individuen zeigt die Blattlange, die von wenigen Zentimetern tiber dem Boden bei einem hohen Bltitenstand bis zu annahernd derselben GroBe wie dieser variieren kann. Hier wirkt sich z. B. der spezielle Standort aus. Auch Pflanzen mit einer Anlage fUr kurze Blatter scheinen langere auszubilden, wenn sie in einem dichten Bestand mit anderen Grasern stehen, wie es in noch brachliegenden Garten zerstorter Kieler Hauser, an Gartenzaunen und Hausmauern und in den Trtimmern leicht zu finden ist. Dies darf aus der Tatsache geschlossen werden, daB einzeln stehende Pflanzen dicht neben solchen Gruppen hoher Gewachse oft viel ktirzere Blatter bilden, in der Rispe aber keinerlei Unterschiede zeigen. Wo gelegentlicher Vertritt durch den Menschen vorkommt, sind die vulgarisPflanzen in Blatt" und Bltitenausbildung niedrig. Ftir die angustijolia-Gruppe ist bisher nicht darauf hingewiesen worden, daB sich ihre Vertreter im allgemeinen durch ein ganzliches Fehlen von Haaren am Blattgrund auszeichnen, wahrend die breitblattrigen Formen, also j. latijolia und die blaugrtinen f. subcoerulea und j. costata, am Blattgrund deutlich bewimpert sind; subcoerulea noch mehr als latijolia. Die zur breitblattrigen Gruppe gehorige j. vulgaris dagegen ist am Blattgrund nur sparlich oder, wie die angustijolia, gar nicht bewimpert. Auch durch einen relativ friihen Zeitpunkt des Bliihens scheinen sich die Pflanzen der angustijolia-Gruppe auszuzeichnen. Bei meinen Kulturen im Botanischen Garten, wo also aIle Formen von Poa pratensis unter den gleichen Bedingungen nebeneinander wuchsen, bliihten die angustijolia- Pflanzen etwa 14 Tage frtiher als die anderen. Dasselbe berichtet AKERBERG (1936), der eine gesicherte Korrelation zwischen dem Zeitpunkt des Schossens und der Blattbreite fand. Die schmal-
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blattrigen Typen unter den Pflanzen seines Materials trieben als erste die Bliitenstande. Dagegen steht allerdings die Angabe von ARMSTRONG (1937), dessen schmalblattrige Pflanzen aus Aberystwith Nr. 994 "verhaltuismaJ3ig spat" bltihten. Eine grol3e Zahl von Unterschieden zwischen den breitbHittrigen und den schmalblattrigen Formen sind bekannt, wozu die beiden eben erwahnten noch hinzukommen. Auch in der Gartenkultur bleiben diese beiden Haupttypen immer deutlich voneinander zu unterscheiden. So ist es wohl berechtigt, zwei Unterarten aufzustellen, wie man es z. B. bei MANSFELD (1940) findet: ssp. eupratensis HAY. und ssp. angustifolia (L.) HAY. Die aul3erordentliche Schwierigkeit einer befriedigenden Klassifizierung hat ihre Ursache in dem Nebeneinander von Individuen mit sexueller und mit apomiktischer Fortpflanzung, wohinzu noch erwahnt werden mul3, dal3 die Apomixis durch gelegentliche Befruchtung einzeIner Embryosacke unterbrochen werden kann. So wird man immer wieder Exemplare finden, bei denen die Merkmale in anderer Weise miteinander kombiniert sind, als es die allgemeine Beschreibung der Formen erwahnt, doch kann gegen diese Schwierigkeit auch nicht eine noch starkere Gliederung in einzelne Varianten mit besonderen Namen helfen.
Material und Methode Das Untersuchungsmaterial wurde in den Jahren 1948 und 1949 aus vielen TeHen Schleswig-Holsteins gesammelt. Es stammt von den verschiedensten okologischen Standorten, jedoch nur von solchen Stellen, wo es als wildwachsend vermutet werden konnte, also nicht aus frisch eingesatem Griinland. Etwa 200 Pflanzen sind beobachtet und morphologisch und zytologiseh untersueht worden. Die hier veroffentliehten Ergebnisse bringen nur die als sicher anzusehenden Chromosomenzahlen (absolut sichere Zahlen konnen nicht angegeben werden), die aber sehr oft von anderen Pflanzen bestatigt worden.sind, die an der gleichen Stelle gesammelt waren und ein gleiches Aussehen hatten, nur daB diese parallelen Zahlungen ihrer geringeren Genauigkeit wegen nieht mit aufgefiihrt worden sind. Zum Fixieren der Wurzelspitzen fiir die zytologische Untersuchung wurden die gesammelten Pflanzen im Botanischen Garten in Kiel in Blumentiipfe gesetzt, zum Teil wurde dabei je ein Exemplar des gleiehen Materials zum Vergleieh ins Herbar gelegt. Die Fixierung wurde in NAWASOHINscher Losung (1 %ige Chromsaure, Eisessig, 40%iges Formalin im Verhaltnis 10: 1: 4) vorgenommen. Naeh der Dehydrierung in Benzol wurden die Wurzelspitzen in Paraffin eingebettet und in einer Dicke von 10 '" gesehnitten. Die Metaphaseplatten wurden mit dem ABBEsehen Zeichenapparat in Hohe des Objekttisches gezeichnet, wobei ieh jede Platte mehrmals zeichnete, bis eine moglichst getreue Wiedergabe der haufig vorkommenden unklaren Stellen erreicht war. Dann wurden die Chromosomen auf der Zeiehnung gezahlt. Diese Untersuchung wurde bei einer VergroBerung von ca. 2000 x durchgefiihrt.
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Die Zithlungen aus dem Winter 1949/50 wurden im Winter 1950/51 nachgepriift und notfalls berichtigt. Die Abbildungen der Chromosomenplatten wurden bei einer VergroJ3erung von ca. 3000 X gezeichnet.
Die gefundenen Chromosomenzahlen und ihre Beziehung zu einzelnen Formen von Poa pratensis Auf die Schwierigkeit beim Bestimmen der Chromosomenzahlen von
Poa pratensis ist schon verschiedentlich hingewiesen worden (z. B. MUNTZING 1933, RANCKEN 1934, AKERBERG 1942). Die ChromosomeIi sind relativ klein. AuBerdem sind sie oft sehr zahlreich und liegen nicht aIle in der Aquatorialebene, sondern ragen zum Teil mit einem Schenkel heraus oder Hegen tibereinander. Die Zahlungen konnen nur mit Hilfe von Zeichnungen durchgefiihrt werden, die man sich mit dem Zeichenapparat herstellt. Durch mehrmalige Wiederholung der Zeichnung und genaue Beobachtung jedes unklaren Punktes auch mit verschiedenen VergroBerungen konnte auch in der vorliegenden Arbeit eine Genauigkeit erzielt werden, die es gestattet, die ermittelten Chromosomenzahlen mit einer Schwankung von ± 1 Chromosom anzugeben. Die niedrigen Werte konnen verstandlicherweise mit groBerer Sicherheit angegeben werden. In zwei Fallen (T 124 und T 92) wurden nur je eine Metaphaseplatte untersucht, die tibrigen Zahlen basieren auf der Untersuchung und Zeichnung von 3-10 Platten. Die folgende Tabelle gibt einen Uberblick tiber die gefundenen Chromosomenzahlen mit Angabe von systematischer Stellung, Fundund Standort der zugehOrigen Pflanzen. Die Chromosomenzahlen liegen zwischen 38 und 96. Die auffallige Tatsache, daB keine euploiden Zahlen vorhanden sind, mag auf einem Zufall beruhen. Das Fehlen von Werten zwischen 2n =60 und 70 ist nur ein scheinbares. Es sind im vorliegend untersuchten Material zwei Pflanzen mit Chromosomenzahlen in dieser GroBenordnung vorhanden gewesen, deren Zahlen aber wegen ihrer ungentigenden Sicherheit nicht veroffentlicht werden konnen. Es handelte sich hierbei um breitblattrige Pflanzen. Bei der Untersuchung von Poa pratensis hat sich, wie die Tabelle zeigt, ergeben, daB die gleiche Chromosomenzahl bei verschieden aussehenden, also zu verschiedenen Formen gehorigen Pflanzen vorhanden ist, und daB umgekehrt Pflanzen gleichen Erscheinungsbildes, die somit zur gleichen Form gehOren, sehr unterschiedliche Chromosomenzahlen haben. Als einzige Beziehung laBt sich erkennen, daB bei der tiberwiegenden Mehrzahl der angustifolia- Pflanzen die gefundene Chromosomenzahl um 2n = 60 liegt. Dieser Befund stimmt mit den Ergebnissen von AKER-
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Tabelle
Ubersicht iiber die fiir Schleswig-Holstein ermittelten Chromosomenzahlen von Poa pratensis im Verhaltnis zur fIoristischen Bezeichnung und dem Standort der untersuchten Pflanzen 2n (±)
38 38 38 40 50 50 54 54 58 58 72 78 80 84 86 86 86 88 88 92 94 96
Form (nach
JUNGE)
latifolia costata-latifolia latifolia costata-latifolia angustifolia angustifolia angustifolia angustifolia vulgaris latifolia angustifolia subcoerulea costata costata-latifolia latifolia costata costata subcoerulea-latifolia subcoerulea-latifolia costata subcoerulea-latifolia costata
Fund- und Standort
Pflanzenkennzahl
Holnis, Kliff, Ackerrand Langballig, Sand am FuB des Kliffs PIOn, Kiesgrube Schiilp, Dauerweide 13 Riisterbergen, Kanalboschung Fehmarnsund, Primardiine Bottsand (Kieler Forde), Deich Riisterbergen, Kanalboschung Schiilp, Dauerweide 15 Dollerup, LandstraBe Sielbek, Abhang zum See Sielbek, Wegrand Bottsand, brackige Weide Schiilp, Da.uerweide 17 Sielbek, Kahlschlag Holnis, Salzweide (JuncetumGerardi) Amrum, Salzweide Schiilp, Dauerweide 16 Fehmarnsund, Diine Langballigau, salzige Wiese des Baches Fehmarnsund, Schwarzerdekliff Fehmarnsund, Salzweide
T 161 T 141 T 29 T 222 T 230 T 124 T 1 T 206 T 192 T 158 T 82 T 92 T 9 T211 T 90 T 172 T 55 T 191 T 115 T 155 T 118 T 107
BERG (1942, 2n = 50 fUr eine Pflanze des angustifolia-Komplexes) und BROWN (1939, 2n meist zwischen 49 und 56 fUr Pflanzen seiner Serie I) iiberein. Da.6 aber die Form angustifolia nicht ausschIie.6Iich auf Zahlen um 50 beschrankt ist, zeigen die Zahlungen 2n = 70 bei AVDULOV (1931) und 2n = 72 in der vorIiegenden Arbeit fiir je eine angustifolia-Pflanze, au.6erdem der schon erwahnte schmalblattrige Weidetyp aus Aberystwith bei ARMSTRONG (1937) mit 2n = 84. Eine Verallgemeinerung der aufgeziligten Beziehung ist also nicht zuHissig. In der gleichen Gro.6enordnung wie die angustifolia befinden sich die vulgaris-Pflanzen. In der vorliegenden Tabelle ist nur ein Exemplar erwahnt, es lassen sich also keine weiteren Schliisse ziehen. Doch mag bemerkt werden, da.6 die drei Bestande bei AKERBERG (1942), die zwischen angustifolia und eu-pratensis stehen, und schmale, etwas starre Blatter, die aber breiter als bei der echten angustifolia sind, und gro.6ere Ahrchen als die angustifolia besitzen, vielleicht unserer f. vulgaris gleichzusetzen'sind, und ebenso die zwei Typen von BROWN (1. c.), die zwischen seiner Serie I (= angustifolia ?) und Serie II (= latifolia oder subcoerulea irrigata ?) liegen. Fiir diese Pflanzen fand AKERBERG (1. c.)
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2n = 50 und BROWN (I. C.) 2n = 50 und 56. Damit ware eine Ubereinstimmung mit der hier veroffentlichten Zahl 2n = 58 gegeben. Das Vorkommen der Chromosomenzahl 2n = 58 auch bei einer Pflanze der latifolia-Gruppe (T158) wird in der Diskussion zu erortern sein. Die erste Gruppe in der Tabelle bilden vier Pflanzen mit den Chromosomenzahlen 2n = 38 und 40. Diese Zahlen sind die niedrigsten bisher in der Natur gefundenen - Aberrante aus der Nachkommenschaft sexueller Pflanzen und haploide Zwillingspflanzen nicht berucksichtigt(vgl. AKERBERG, 1942, p. 87 und TISCHLER 1950). Die Anga be 2 n = 28 fur eine angustifolia - Pflanze bei AVDULOV (1931) wird von AKERBERG (1942, p. 111) als fraglich bezeichnet, da sie kein zweites Mal gefunden worden ist. Bei der Notiz "NIELSEN 1944" fUr eine Pflanze mit 28 Chromosomen bei TISCHLER (1950) handelt es sich, wie Herr Prof. TISCHLER mir freundlicherweise miindlich mitteilte, urn die haploide Zwillingspflanze mit n = 14 aus NIELSENS Veroffentlichung in Bot. Gaz. 106, 1945 (erste Hefte des Bandes sind 1944 erschienen), die nur irrtumlich nicht in die Fu.l3note gekommen ist. Die von mir gefundenen vier Pflanzen mit Chromosomenzahlen von 38 und 40 gehoren zur latifoliaGruppe, wenn auch zwei von ihnen Abb. 1-10. Metaphaseplatten aus den Wurzelspitzen verschiedener Exemplare von Poa pratensis L. (ca. 1500 x). Abb.1. 2'1'1 = 38. f. costata-latifolia. Langballig, Sand am Kliff (T 141). - Abb. 2. 2 n = 38. f.latifolia. PIon, Kiesgrube (T 28). - Abb. 3. 2'1'1 = 50. f. angustifoZia. Fehmarnsund, Primardiine (T124). Abb. 4. 2'1'1 = 54. f. angustifolia. Bottsand, Deich (T 1). - Abb. 5. 2n = 58. f. vulgaris. Schiilp, Dauerweide (T 193). - Abb. 6. 2ft = 72. f. angustifoZia. Sielbek, Abhang zum See (T 82). - Abb. 7. 2'1'1 = 78. f. stWcoerldea. Sielbek, Wegrand (T 92). - Abb. 8. 2n = 80. f. costata. Bottsand. Salzweide (T 9). Abb.9. 2n = 86. f.latifoZia. Sielbek, Kahlschlag (T 90). - Abb. 10. 2n = 96. f. costata. Fehmarnsund, Salzweide (T 107).
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(T 141 und T 222) klein und blaugriin waren, als sie gesammelt wurden. Die in der Tabelle benutzte Bindestrichbezeichnung erschien angezeigt, weil die betreffenden Pflanzen (s. auch T 212, 191, 115 und 118) ihr Erscheinungsbild im Topf gegeniiber dem Naturzustand nicht unerheblich gewandelt haben. Die dritte, groBte Gruppe in der Tabelle bilden die Pflanzen mit Zahleri von 72 bis 96. Hier ist nun keinerlei Beziehung zwischen Chromosomenzahl und systematischen Formen oder Erscheinungstypen zu erkennen. Die f. latifolia besitzt die niedrigsten und auch fast die hochsten Werte (denn T 118 ist als tThergangsform zwischen subcoerulea und latifolia mit in diese Gruppe zu rechnen), ohne daB den Pflanzen dieser gewohnlich so wichtige Unterschied auBerlich anzusehen ist. Und die salzertragende Kiistenform (costata-Pflanzen T 9, 173, 55, 155 und 107) ist nicht etwa auf die hOchsten Zahlen beschrankt, sondern hat Vertreter mit 2n = 80 bis 2n = 96, und zwischen diesen Werten liegen Zahlen von ~flanzen von nicht salzhaltigen Boden nahe der Kiiste und im Binnenland. Wie AKERBERG (1942, p. 119) erwahnt, gehoren seine beiden typischen irrigata-Bestande zur Kiistenform, sind also wohl unserer f. costata gleichzusetzen. Fiir diese beiden gibt AKERBERG 2n = 90 und 90-95 Chromoso men an. Die hochste Chromosomenzahl fUr die f.latifolia ist beiAKERBERG (1942) 2n = 87, bei A. & D. LOVE (1942) 2n = 90, bei BOOHER & LARSEN (1950) 2n = 95und in der vorliegenden Arbeit (T 118) 2n = 96. Die breitblattrigen Formen bei BROWN (1939) haben Chromosomenzahlen von 41 bis 45. Er stellt diese als niedrig-polyploide den "hochpolyploiden" angustifolia-Pflanzen (bis 2n = 64) gegeniiber. Die hOchsten Chromosomenzahlen aus Nordamerika fUr Poa pratensis zahlte HARTUNG (1946) bei einer klein en, dunkelgriinen, breitblattrigen Kiistenform, namlich 2n = 81 und 84. In Europa dagegen steigt die Chromosomenzahl bis 96, in einigen Fallen noch dariiber hinaus, an. 1m Gegensatz zu AKERBERG (1942), der bei ,9 von 11 untersuchten deutschen Pflanzen Chromosomenzahlen unter 70 fand, gibt die hier veroffentlichte Tabelle fiir 12 von 22 Bestanden Zahlen zwischen 72 und 96.
Besprechung der Ergebnisse Von vielen Autoren ist auf die auffallige Tatsache hingewiesen worden, daB Poa pratensis sehr unterschiedliche Chromosomenzahlen besitzt, ohne daB ein entscheidender EinfluB auf irgendwelche morphologischen oder embryologischen Eigenschaften zu bemerken ware. Bei einer Reihe der untersuchten Bestande waren auBerdem Unregelmil.Bigkeiten in der Meiose zu beobachten; trotzdem war der Pollen,
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allerdings besonders bei hoch-chromosomigen Pflanzen (MUNTZING 1940), zum gro13en Teil fertil, war also auch bei verschiedenen Chromosomenzahlen funktionsttichtig. Die flir die vorliegenden zytologischen Untersuchungen von ihrem nattirlichen Standort in Topfe verpflanzten Individuen zeigten interessante Reaktionen auf diesen Umweltwechsel. Sie gediehen aIle besser, doch war der Grad der Variation bei den einzelnen Pflanzen sehr verschieden. Von jeder floristisch beschriebenen Form von Poa pratensis gibt es Exemplare, die nach dem Verpflanzen - bis auf einen etwas kraftigeren Wuchs - konstant bleiben, und solche, die sehr viel tippiger werden. Die klein en blaugrtinen Pflanzen aus den Dauerweiden wurden haufig so viel gro13er und rein grtin, da13 vielleicht vermutet werden darf, da13 in vielen Fallen die Formen subcoerulea und costata nicht erblich bedingt, sondern nur durch Beweidung und Vertritt modifizierte ech te latifolia- Pflanzen sind. Diese Untersuchungen haben gezeigt, da13 man bei in der Natur gefundenen Pflanzen von Poa pratensis niemals ohne weiteres sagen kann, ob das Aussehen eines Exemplares durch Einfltisse des spezieUen Standortes oder durch Erbfaktoren hervorgerufen wurde. Auch das Nachprtifen der Chromosomenzahl kann nicht sicheren Aufschlu13 geben, da keine der Formen eine oder einige wenige charakteristische Zahlen besitzt. Ebenso la13t ein bestimmter Standort nicht auf eine bestimmte Form oder eine bestimmte Chromosomenzahl schlie13en, denn selbst auf den salzhaltigen BOden der Ktiste siedeln verschiedene Formen; und der Fund einer 50-chromosomigen angustifolia-Pflanze von einer Primardtine bei Fehmarnsund deutet an, da13 nicht nur hochchromosomale Pflanzen den Salzfaktor ertragen konnen. Da erst ein Verpflanzen in andere okologische Verhaltnisse Auskunft dartiber verschafft, inwieweit eine bestimmte morphologische Differenzierung genetisch bedingt ist, lassen sich bei einer Gliederung der Art Poa pratensis au13er der oben erwahnten Einteilung in zwei Unterarten keine Rassen oder erblichen Varianten aufstellen. Statt dessen kann man auch den Haupterscheinungstypen nur den Wert einer "Form" zu schreiben , wobei die Konstanz ihrer Merkmale sowohl beim Verpflanzen des Individuums als auch bei der Vererbung auf seine Nachkommen unberticksichtigt bleibt. Wie wenig kennzeichnend flir einzelne Formen die Chromosomenzahl ist, deutet die Tatsache an, da13 die gleiche Chromosomenzahl (2n = 58) flir zwei Pflanzen verschiedenen Aussehens, von denen die eine zur f. vulgaris, die andere zur f. latifolia gehort, gefunden wurde. Auch AKERBERG (1942) berichtet von einer Pflanze des Form-Komplexes
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eu-pratensis eine Chromosomenzahl in dieser Gro.l3enordnung (2n = 53). Die latifolia- Pflanze des vorliegenden Materials (T 158) stand am Rande einer Landstra.l3e und fiel durch ihre besondere Uppigkeit und die sehr hohen Stengel zusammen mit breiten Blattern der sterilen Triebe auf. Es bestatigt sich hier, was KRAMER (1947) folgenderma.l3en ausdruckt: "The relative chromosome numbers, together with the genes they carry, may be widely different for different plants, even though total chromosome numbers may be similar." Diese Verhaltnisse hangen mit der Apomixis, unterbrochen von gelegentlicher Sexualitat, der Moglichkeit des Verlustes oder des Verdoppelns einzelner Chromo so men und der Funktionstuchtigkeit von Pollenkornern mit verschiedenen, aus unregelma.l3iger Meiose resultierenden Chromosomenzahlen zusammen. Auch BROWN (1939) rechnet mit der Moglichkeit, daB die gleiche Chromosomenzahl nicht identisches Erbgut andeutet, wenn er versucht, eine Beziehung zwischen Chromosomenzahl und Morphologie durch Annahme zweier Genome zu linden. Von zwei Pflanzen mit annahernd gleicher Chromosomenzahl (50± 1 und 49) gehOrt die eine zu Serie I (= angustifolia?), die andere steht intermediar zwischen Serie I und II (= vulgaris ?). Bei der Beurteilung der Genome erhalt die angustifoliaPflanze den Satz AAA/BBBB, die vulgaris-Pflanze dagegen AAAA/BBB. Andererseits erhalten Pflanzen annahernd gleichen Aussehens auf Grund ihrer unterschiedlichen Chromosomenzahlen jede eine andere Genomkombination. So soIl die andere Intermediare (2 n = 56) AAAA/BBBB besitzen und unterscheidet sich damit keineswegs von den anderen angustifoZia-Pfianzen (Serie I) mit 56 Chromosomen, die aIle einen A-Satz mehr haben als die oben erwahnte 49chromosomige. Von den beiden intermediar zwischen Serie I und II stehenden Pflanzen soIl also die eine die Genome AAAA/BBB, die andere AAAA/BBBB besitzen. Von den angustifolia-Pflanzen wird der einen AAA/BBBB, den anderen AAAA/BBBB zugeschrieben. Dieser Versuch einer Erklarung zeigt geradezu, daB man nicht zwei feste Genomsii.tze annehmen kann. (VgI. auch die Kritik von AKERBERG 1942, p. 118.)
Der bei einem Vergleich der Arbeit von AKERBERG (1942) mit den hier vorliegenden Ergebnissen auffallende Unterschied im Anteil hoher Chromosomenzahlen bei aus Deutschland stammenden Poa pratensisPflanzen giht vielleicht einen interessanten Hinweis auf die geographische Verteilung hoch- und niedrigchromosomaler Individuen dieser Art. Herr Professor AKERBERGhat mit dankenswerterweise brieflich eine Liste seiner deutschen Sammelpunkte ubermittelt, die ich hier wiedergeben mochte. Miincheberg-Umgebung ................ Klein-Blumenau. . . . . . ... ... . . . .. . ... .. Jena ......•............... ........... Heidelberg ......... ;................. Haiteisbach am Rhein ................ ThaIe, Harz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urach................................ Landsberg a. Lech .................... Hohenheim (Stuttgart, Samenprobe)....
3 21) 2 1 1 1 1 1 1
50 54 50 54 (sexueH) 79 64 62 78
50 54 124 65 64
1) wovon die eine als Poa imgata bestimmt wurde, Chromosomenzahl ± 124.
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HILDEGARD JUHL,
Hieraus geht hervor, daB diese Pflanzen alle aus mehr kontinentalen Gebieten Deutschlands stammen, wahrend das vorliegend besprochene Material in dem atlantisch-maritim beeinfluBten Schleswig-Holstein gesammelt wurde. Nach den bisher vorliegenden Daten erweist sich dieses Land auch in dieser Beziehung als Ubergangsgebiet: Bestande mit 2 n Kontinental beeinfluBte Gebiete Mittel- und Ostdeutschlands .. . Schleswig-Holstein ............. . Siidwest-Schweden ............. .
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Autor AKERBERG
1942
Verf. AKERBERG
1942
Die Frage, die AKERBERG (1. c.) aufwirft, ob diese Verschiebung des Anteils hochchromosomaler Bestande von Poa pratensis in der Gesamtbesiedlung einzelner Landschaften geographisch oder okologisch bedingt sei, kann mit dem gegenwartig bekannten Material aber noch nicht entschieden werden. Wie MUNTZING (1936, p. 286) betont, liegt die Grenze flir ein Anwachsen der Chromosomenzahl bei den einzelnen Arten bei einem verschiedenen Grad der Polyploidie. Fur Poa pratensis vermutet es BROWN (1939) auf Grund seines Materials nahe der hexaploid en Stufe, STARLIN (1929) dagegen fUr die ganze Gattung Poa etwas oberhalb der Octoploidie. Diese Angabe STARLINS konnte AKERBERG (1942) durch morphologische Untersuchung einer Reihe von Familien bestatigen. Die Gruppe von Familien mit der hOheren Chromosomenzahl war in allen von ihm gemessenen GroBen kleiner als die mit 2n = 50-60. NISSEN (1950) fand eine negative Korrelation zwischen ChromosomenzahI und Hohe des Stengels, doch beruht diese, wie er ausfUhrt, lediglich auf der Tatsache, daB vier niedrig-chromosomale Bestande besonders hohe BIutenstande besitzen. Da NISSEN (1. c.) keine Messungen tiber die BIattbreite angibt, laBt sich nicht entscheiden, ob es sich dabei vielleicht um unserer angustifolia entsprechende Pflanzen handelt. Die Familien mit niedrigen Chromosomenzahlen in dem von AKERBERG (1. c.) durchgefuhrten Vergleich gehOren wahrscheinlich nicht zur angustifolia (Blattbreite der sterilen Triebe 3,14 mm wie bei denen der hochchromosomalen Familien). KRAMER (1947) fand keine Beziehung zwischen Chromosomenzahl und PflanzenhOhe. Auch nach dem vorliegenden MateriallaBt sich keine solehe Beziehung aufstellen, wenn man nieht die angustifolia- und die vulgaris-Pflanzen mit den Zahlen 50-58 als Ausgangspunkt nehmen wollte. Doch ist das sieher nicht kennzeiehnend genug, da die angustifolia, auf Grund vieler morphologiseher Besonderheiten oft als Unterart oder gar als Art (LINNE, LINDMANN in HOLMBERG 1926, RAUNKIAER 1950) abgetrennt, nicht
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mit den viel starkere Variation zeigenden breitblattrigen Typen zu vergleichen ist. Stellt man aber die vier latifolia-Bestande mit 2n = 38 und 40 den breitblattrigen Formen, die Chromosomenzahlen von 80-90 aufweisen, gegentiber, so ist kein positives Ergebnis zu gewinnen. Dies zeigt, daB zumindest keine allgemeingtiltige GesetzmaJ3igkeit vorhanden ist, daB hohe Chromosomenzahlen niedrigen Wuchs bedingen. Hochpolyploide, aber trotzdem groBe Pflanzen werden auch bei AKERBERG (1942), dessen "strain 5303" 78 Chromosomen bei einer Pflanzenhohe von 77 cm besitzt, und bei BOCHER & LARSEN (1950) erwahnt, die 95 Chromo so men flir "a very tall grass" zahlten.
Zusammenfassung Es wurden die Chromosomenzahlen einzelner Formen und Varianten von Poa pratensis aus Schleswig-Holstein bestimmt. FUr die Beschreibung der Formen wurden deutsche und skandinavische Floren benutzt. Besonders bei den blaugrtinen Formen scheint die Aufteilung bisher zu weit und nach zu belanglosen Merkmalen gegangen zu sein. Doch laBt sich auch auf anderem Wege keine befriedigende Gliederung innerhalb der Art erreichen, es sei denn, daB man den okologischen Standort der im speziellen Fall zu bestimmenden Pflanze als Grundlage nimmt. Die ermittelten Chromosomenzahlen flir Pflanzen aus SchleswigHolstein liegen zwischen 38 und 96. DaB keine euploiden Zahlen darunter sind, mag auf einem Zufall beruhen. Beim Vergleich mit den systematischen Formen (nach JUNGE 1913) hat sich ergeben, daB die gleiche Chromosomenzahl bei verschieden aussehenden, also zu verschiedenen Formen gehorigen Pflanzen vorhanden ist, und daB umgekehrt Pflanzen gleichen Erscheinungsbildes, die somit zur gleichen Form gehoren, sehr unterschiedliche Chromosomenzahlen haben. Ebenso laBt ein bestimmter Standort nicht auf eine bestimmte Chromosomenzahl oder auch nur deren GroBenordnung schlie Ben. Auch flir den EinfluB der Chromosomenzahl auf einzelne Merkmale wurde nirgends ein Anzeichen gefunden. Insbesondere zeigt das vorliegende Material, daB es bei Poa pratensis keine allgemeingtiltige Regel ist, daB hohe Chromosomenzahlen niedrigen Wuchs bedingen.
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Anschrift der Verfasserin: Dr. HILDEGARD. JUHL, Kiel, Hegewischstraf3e 3, Botanisches Institut.
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