Dynamisches Verhalten der Actinfibrillen von Nitella auf Grund schneller Filament-Rotation

Dynamisches Verhalten der Actinfibrillen von Nitella auf Grund schneller Filament-Rotation

Biochem. Physiol. Pflanzen 170, S. 111-131 (1976) Dynamisches Verhalten der Actinfibrillen yon Nitella auf Grund schneller Filament-Rotation ROBERT J...

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Biochem. Physiol. Pflanzen 170, S. 111-131 (1976)

Dynamisches Verhalten der Actinfibrillen yon Nitella auf Grund schneller Filament-Rotation ROBERT JAROSCH

Botanisches Institut II der Universitat SaJzburg, Osterreich

Dynamic Behaviour of the Actin Fibrils of N itella Based on Rapid Filament Rotation Key Term Indt'x: actin fibrils, movement mechanics, protein filament rotation, protoplasmic streaming, negative-phase contrast microscopy; Nitella flexilis

Summary The active movable actin fibrils in cytoplasmic drops squeezed out of Nitella flexilis internodial cells were observed under the best optical conditions in negative-phase contrast. As far as possible, motion picture analysis was done. The following new observa,tions have been made: Ramifications may also travel with the waves along the linear fibrila.r loops having adhearing particles. The linear fibrilar bundles without adhearing particles always arise in the vicinity of chloroplast accumulations and extend from here to other parts of the cytoplasmic drop. They generate a particle stream on their surface which always runs in one direction. The angles of this kind of fibrils apparently move as waves in the opposite direciton to the particle stream. This is no true wave motion but a displacement of the whole loop. La,teral ramifications otten show slow rotations or pendulum motions around the main fibril. The angles of these fibrilar bundles are variable. Like joints they are obviously the only flexible points along the fibrils. The thin fibrils behave quite differently than the thick ones. They are much more dynamic: The points of branching run along the main fibril in the direction of the particle stream. This can cause velY rapid changes in the fibrillar network. Slender fibrils show a rolling motion over the other ones in a direction perpendicular to their long a,xis. Most slender fibrils lose their stiffnes and begin to flutter very strongly. The ability to generate a particle stream is lost at the same time. This behaviour is often reversible. The fluttering fibrils show an extreme elasticity and capability of self-branching. The interpretation of the protoplasmic streaming as a displacement along very rapidl y rotating helical protein-filaments is fully confirmed by the observations on the most slender fibrils. Many phenomena may be imitated to the last detail in model-experiments with rotating helical springs, In order to understand the phenomena on the thicker fibrila.r bundles, it is necessary to distinguish between intertwined filaments and filaments which only lie side by side in the bundle in parallel contact. Accordingly the particle-transport along the fibrils and therewith the cause for the "active shearing" or "sliding force" is the submicroscopic wave motion on the single rapidly rotating helical filaments which are jointed together in the bundle. The behaviour of the most slender elements indicates that isolated filaments may show, by mechanical reasons only, a rotation without submicroscopic waves. That means they can move by a drilling motion and branch by self-intertwining. The possible molecular reasons for the rotation are discussed in relation to structural changes in the helical configuration of the filaments. Fiir die freundliche Korrektur der englischen Zusammenfassung danke ich Herrn Dr. RUETzjTeisendorf herzlich.

WOLFHARD

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R.

JAROSCII

Zusammenfassung Die aktiv beweglichen Actinfibrillen in den ausgepreBten Plasmatropfen von Nitella flexilis wurden lichtmikroskopisch unter den besten optischen Bedingungen im negativen Phasenkontrast beobachtet und nach }liiglichkeit kinematogmphisch analysiert. Es wurden folgende neuen Beobachtungen gema.cht: An den geradlinig versteiften, mit Teilchen behafteten Fibrillenringen konnen auch Verzweigungen wellenformig weiterlaufen. Die geradlinig versteiften, nicht mit Teilchen beha.fteten Fibrillenbiindel entstehen stets in der Nahe von Chloroplastenansammlungen und reichen von hier in die iibrigen Teile des Tropfens. Sie erzeugen an ihrer Oberflache eine stets einseitig gerichtete Partikelstromung. An abgewinkelten Fibrillen dieser Art laufen die Ecken scheinbar als Wellen stets entgegengesetzt zu der Partikelstrornung weiter. Dies ist aber keine echte Wellenbewegung, sondern eine Verschiebung des ganzen Fibrillenbiindels. Seitenzweige fiihren oft langsarne Rota,tionen oder Pendelbewegungen urn den Hauptast aus. Die Winkel an dies en Fibrillenbiindel sind veranderlich. Sie sind offenbar - wie Gelenke - die einzigen biegsamen Stellen entlang der Fibrillen. Feine Fibrillen zeigen gegeniiber den dicker en Biindeln ein ganzlich anderes Verhalten, wie auch eine bedeutend groBere Dynamik: Verzweigungen laufen mit der Partikelstromung am Hauptast weiter, wodurch ein N etzwerk sehr schnell verandert werden kann. Sehr feine Faden rollen senkrecht zu ihrer Hauptachse iiber andere. Feinste Elemente verlieren ihre Steifheit und beginnen heftig zu flattern. Zugleich geht die Fahigkeit verloren Partikelstromung zu erzeugen. Dieses Verhalten ist vielfa.ch reversibel. Die flatternden Faden zeigen eine extreme Elastizitat und vermogen sich selbst zu verzweigen. ,Die Interpreptation der Protoplasmastromung als eine Verschiebung entla.ng von sehr schnell ro.tierenden helikalen Protein-Filamenten wird durch die Beobachtungen an den feinsten Faden vollaufbestatigt: Viele Phanomene lassen sich bis ins Detail in Modellversuchen mit rotierenden Schraubenfedern nachahmen. Urn a,uch die Erscheinungen an den dicken Fibrillenbiindeln verstehen zu konnen, ist es notwendig, zwischen sich urn wind end en Filamenten llnd nur im Parallelkontakt im Biindel nebeneinander liegenden Filamenten zu unterscheiden. Der Partikeltransport entlang der Fibrillen und damit die Ursache der "active shearing" oder "sliding force" ist demnach die Folge des submikroskopischen Wellenablaufes an den einzelnen schnell rotierenden und zu einem Biindel vereinigten helikalen Filamenten. Das Verhalten der feinsten Elemente weist damuf hin, daB vereinzelt liegende Filarnente aus mechanischen Griinden nur mehr zu einer Rotation ohne submikroskopischen Wtlllenablauf befahigt sind, d. h., sie vermogen sich noch bohrend fortzubewegen bzw. durch Selbstumwindung zu verzweigen. Die rnoglichen rnolekularen Ursachen fiir die Rotationen werden in Beziehung zu strukturellen Anderungen in der helikalen Konfiguration der Filamente diskutiert.

Einleitung 1m Protoplasma der Characeen sind Mikrofilamente, wie sie heute elektronenmikroskopisch vielfach gefunden werden, als aktiv bewegliche bz,,". die Plasmastromung bewirkende Fibrillenbiindel relativ leicht auch im Lichtmikroskop zu sehen (JAROSCH 1955, 1956a, 1956b, 1957, 1958, 1960, KAMIYA 1959,1960,1962, KURODA 1964, KAMITSUBO 1966a, 1966 b, 1972, ALLEN 1974). Die schwierige elektronenmikroskopische Darstellung der Fibrillellbiindel gelang zuerst NAGAI und REBHUN (1966), sowie PICKETTHEAPS (1967). Neueste Untersuchungen (WILLIAMSON 1974, PALEVITZ et a1. 1974, PALEWITZ und HEPLER 1975) haben erhartet, daB es sich hier urn Aktinfibillen handelt. Es besteht kein Zweifel, daB der Mechanismus der Plasmastromung, wic auch anderer Lebensbewegungen aufs engste mit dem Verhalten di?ser Fibrillen verb un den ist. Die vorliegend~ Arbeit bringt neben schon bekannten, einige an der Grenze def lichtmikroskopischen Darstellbarkeit liegtllde mue Beobachtungen, die bisher unbekallnte Eigen-

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schaften der Fibrillen verraten. 1hrt Bewegungsmechanik wird von Modellen diskutiert.

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an Hand

Material und Methodik Es wurde frisch eingebrachte Nitella flexilis aus dem Hellbrunner Bach bei Salzburg verwendet. Langere Zeit im Aquarium kultivierte Algen erwiesen sich als weniger geeignet, da hier nach dem Ausquetschen des Zellinhaltes viel weniger Plasmatropfen iiberlebten. Die Lebensdauer dieser Tropfen war meist auch vermindert. Das Ausquetschen des Zellinhaltes erfolgte nach der bei J AROSCH (1956 b) beschriebenen Methode: Abtrocknen einer groBen lnternodialzelle mit Filterpapier, Abschneiden in der Nahe eines Endes, Ausquetschen des Zellinha1tes mit der Pinzette direkt auf einen Objekttrager. Lag im Zellsaft geniigend iiberlebendes Plasma (mikroskopische Kontrolle bei schwacher VergroBerung), so wurde mit einem groBen Deckglaschen bedeckt. Der Zellsaft wurde nun so lange mit Filterpapier abgesaugt bis die Schichtdicke im Praparat 10 bis 16.um betrug. Durch dieses Pressen werden zwar viele Plasma.tropfen zerstort, die iiberlebenden zeigen aber beste optische Beobachtungsbedingung.en. Zur Verhinderung der Verdunstung wurden die Rander des Deckglaschens schlieBlich mit Hilfe eines feinen Pinsels mit Knochenol bestriehen. Die Beobachtung erfolgte mit dem AnoptralPhasenkontrast (Olimmersions-Objektiv 100mal) am Zetopan von Reichert. Fiir die Filmaufnahmen und zur besseren Darstellung der feinsten Fibrillen kam der Hochstdruckbrenner HBO 200 der BinoluxcEinrichtung von Reichert in Verbindung mit einem monochroma.tischen Griinfilter von Schott (545 Am) zur Verwendung. Aufgenommen wurde mit einer Bolex 16 mm Spiegelreflexkamera mit 18 bis 32 Bildern/sec auf Koda,k Plus X N egativ Film. Leider wa.ren viele Beobachtungen an den feinsten Fibrillen kinematogarphisch nicht mehr erfaBbar, so daB sie nur zeirhnensch dargestellt werden konnten.

Ergebnisse

1. Untersuchungen an den dickeren Fibrillen KnuTsuBo (1972) unterscheidet aus Griinden der Ubersicht undulierende Ringe von rotierenden Ringen, die aber in einander umgcwandelt werden konnen. Bei den undulierenden Ringen zeigen die kleinen Teilchen der Umgebung entweder keine ausgepriigte Bewegungsrichtung, oder sie bewegen sich entgegengesetzt zur Welle, oder sie bewegen sich in der gleichen Richtung wie die Welle (selten). Es lassen sich also drei Bewegungen untcrscheiden: Die Bewegung der Fibrillen selbst (Ringrotation), die Wellenbewegung an den Fibrillen und die Verschiebung der Teilchen in der Umgebung der Fibrillen. Man kann auch anders unterscheidel1, namlich mit Teilchen behaftete Fibrillen und unbehaftete Fibrillen. Bei den Teilchen handelt es sich urn Sphiirosomen oder Prosphiirosomen (JAROSCH, 1961). Eine andere Einteilung ware: ringfOrmig gebogene Fibrillen (flexible Fibrillen) und geradlinig versteifte (steife Fibrillen). Feine steife Fibrillen sind gewohnlich unbehaftet. Urn die Beobachtungen besser zu gliedern, werden in den folgenden Abschnitten die beiden letztgenannten Terminologien verwendet. Flexible, behaftete Fibrillen Bei frisch ausgepre13ten Plasmatropfen sieht man vielfach flexible, behaftcte Fibrillenringe mit Wellen. Gelegentlich bewegen sich Teilchcn der Umgebung mit gleicher Geschwindigkeit und Richtung mit den Wellen mit. Dies entspricht wahrschcinlich dem zuletzt beschriebenen Typ nach KAMITSUBO (1972). Wenn diese Ringe rotieren,

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R. JA Rosell

was haufig der Fall ist, so laufen die Wellen meist der Ringrotatioll Voraus. KURODA (1964) besehreibt dagegen, daJ3 die Wellen gewohnlieh entgegengesetzt zur Richtung der Rotation ablaufen. Dies hat der Verfasser selten und nur bei langsamer Rotation beobachtet. Flexible und steife Fibrillen konnen an ein und demselben Ring auftreten, z. B. wenn an einem flexiblen Ril'g eine geradlinige Versteifung wellenformig herum lauft (vgl. Abb. 4c bei JAROSCH, (1956b).

Steife, behaftete Frbrillen Abb. 14a-d zeigt einen typischen behafteten Fibrillenring, an dem die geradlinigen Versteifungen wellenformig im Sinne des Uhrzeigers herum laufen. Der groJ3te Durchmesser des hier unregelmaJ3igen Polygons ist durch einen groJ3en Pfeil bezeichnet. Ein eingebautes Teilchen (kleiner Pfeil) bleibt an der gleichen Stelle. Es kommen hier Polygone verschiedenster Gestalt und GroJ3e vor, deren Dimensionen und dynamische Parameter von KURODA (1964) und KAMITSUBO (1972) sehr genau beschrieben worden sind. In kleinen Plasmatropfen kann die Gestalt der Polygone die Tropfenoberflache ausbuchten, die dann wellenformig bewegt erscheint. Dies hat schon YOTSUYANAGI (1953) beobachtet, noch ehe die fibrillare Natur der Polygone bekannt war (KAMIYA 1959, KAMITSUBO 1972). Treten Verzweigungen in Form von Spaltungen und Vereinigungen am Fibrillenbiindel auf (Abb. 15a-d, vgl. dazu auch Abb. 3a), so laufen diese (groJ3er Pfeil in Abb. 15) gegeniiber den eingebauten Teilchen (kleiner Pfeil) wellenformig weiter.

Steife, unbehaftete Fibrillen Die unbehafteten, steifen Fibrillen, die im Dunkelfeld diffus leuchten (JARosc;H 1956 b), sind in frisch ausgepreJ3ten Plasmatropfen noeh kaum in dickeren Biindeln ausgebildet. Diese formieren sich erst nach mehreren Minuten oder Stunden. Dabei treten sie in diekeren Strangen nur in Plasmatropfen auf, die groJ3e Mengen an Chloroplasten enthalten. Sie gehen meist von der Oberflaehe der Chloroplastenhaufen aus (vgl. Abb. 3e) wie es auch fUr die Aktinfibrillenbiindel von PALEVITZ und HEPLER (1975) angegeben wird. Sicher handelt es sich hier urn die "linear fibrillar structure" bzw. die rotierenden "fibrillar loops" von KAMITSUBO (1972) da sie sieh, wie er beschreibt, haufig in feinere Fibrillen verzweigen (Abb. 1 und Abb. 3). Charakteristisch fUr sie ist die stets in einer Richtung erfolgende Partikelstromung an ihrer Oberflache. Dies::) Stromung ist in Abb. 3 dureh die kleinen Pfeile angedeutet. KA~nTsuBo beschreibt sehr genau, daJ3 sich der Teilchenstrom bei 20°C mit 10 bis 15 pm/sec bewegt, daJ3 aber gelegentlich Teilehen mit 2- bis 3mal groJ3erer Gesehwindigkeit den normalen Strom iiberholen. Die Eeken dieser Fibrillen sind bogenformig abgerundet (Abb. 1). Diese Ecken scheinen oft wellenftirmig weiterzulaufen, und zwar stets entgegengesetzt zur Partikelstromung (dickere Pfeile in Abb. 3a, b, e). Aufspaltungen (vgl. Abb. 3a) scheinen ebenso in der gleiehen Richtung mitzulaufen. Eine genauere Untersuehung zeigte, daJ3 hier keine echte Wellenbewegung vorliegt, sondern eine Verschiebung bzw. Rotation, wie es auch KAMITSUBO (1972) fUr schnell rotierende Polygone gefunden hat. Verfolgt man namlieh ein scheinbar wellenbewegtes, mehrfach abgewinkeltes Fibrillenbiindel bis zu seinem "basalen"

Fiiamentrotation der Adinfibrillen von Xitella

Abb.1. Steife ullbelwftete Fibrillenbundel mit Winkeln. Abb. 2 a und 2b. Anderung eines Winkels, Bildabstand ca. :2 min links ein Kern.

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e Abb.3. Das Verhalten der steifen unbehaftetell Fibralenbiindel. a) Scheinba,rer Wellenablauf der Ecken sowie von Verzweigungen entgegengesetzt (grolle Pfeile) zur Partikelstriimung (kleine Pfeile). b) Ahnliches Verhalten eines mehrfach abgewinkelten Biindels. c) Der basale, an den Ohloroplasten (Oh) entspringende Abschnitt S zeigt diese scheinba,re Wellenbewegung nicht. Der Winkel ex ist veriinderlich. d) Ein dickes Fibrillenbiindel spaltet sirh in mehrere feine Aste auf. e) Pbsmatropfen mit Ohloroplastenansammlung, von der ein Fibrillenbiindel ausgeht, das typische "Pendelbewegungen" ausfiihrt. Die Periode eines Umlaufes (runder Pfeil) ist ca. 1 Minute. f) Langsame Rotation von Seiteniisten (runde Pfeile) urn einen Hauptast (Periode ca. 2 Minuten).

Filamentrotation der Actinfibrillen von Nitella

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Ursprungsort an den Chloroplasten, so wandert die letzte Abwinkelung (beim Winkel IX in Abb. 3c) nicht mehr wellenformig weiter: Die Lange der Strecke S bleibt konstant. Die scheinbare Wellenbewegung im "distalen" Teil der Fibrille ist offensichtlieh die Folge der gegenlaufig zur Partikelstromung geschobenen Fibrillen, ahnlich der Bewegung eines frei endellden Wasserschlauche8, durch den Wasser unter Druck ausstromt. Die Fibrillenversehiebung ist nur moglich, weil sich die Winkel (z. B. IX in Abb. 3c) verand3rn lassen (vgl. den Winkel des dicken Fibrillenbtindels in Abb. 2a und 2b). Man hat d~n Eindruck, daB die Winkel passiv geandert werden, als s()ien sie die einzigen weichen Stellcn (ahnlich Gelenken) der sonst starren Fibrillen. Diese Anderung der Winkel ist bereits in Fig. 2 bei KAMITSUBO (1966 b) enthalten. Haufig zeigen die Fibrillenbtindel auch eine langsame rotierende Bewegung oder ein Pendeln. III Abb. 3e ist dies durch den rundeil Pfeil angedeutet. Die Dauer einer llicht immer vollstalldigen Umdrehung kann ein bis mehrere Minuten betragen. Abb. 3f stellt zwei Seitenarme eiEer Hauptfibrille dar, die, wie die gebogenen Pfeile andeuten, langsam urn die Hauptfibrille kreisen. Ob diese Bewegung eine passive Verschiebung war oder ob hier ein aktives Drehmoment in der Hauptfibrille erzeugt wurde, konnte nieht entschieden werden. 2. Verhalten der feinsten Fibrillenkomponentell Feinste fibrillare Elemente, di ~ sich von den bisher beschriebenen abspalten konnen, sind nur unter besten optischen Bedingungen im nieht von aEderen Teilchen tiberstrahlten Bereichen des Plasmatropfens sichtbar. Solche Bereiche sind ei11erseits der Raum tiber Vakuolen (Abb. 4) und andererseits der optisch leere periphere Bereich in alteren Plasmatropfen (Abb. 5 und 6), bei denen sich das Plasma zentral verdichtet (zu diesrl11 Vorgang vgl. Abb. 9 bei JAROSCH 1961). Die feinen fibrillaren Elemente zeigen, vergliehen mit den diekercn Fibrillenbiindeln, ein vollig anderes dynamisches Verhaltell:

Verzweigungen lauren mit der Partikelstromung Unbehaftete Fibrillenbogen, die oft von den Chloroplastenhaufen in den optiseh leeren Raum der Plasmatropfen-Peripherie ragen, zeigen hiiufig charakteristische Aufspaltungen. In Abb. 7 a wurde z. B. die feine Fibrille A - B yom Hauptstrang abgespal·· ten, und die Verzweigung wanderte im Verlauf von ca. 2 sec mit der Partikelstromung von B iiber D nach Fund G und weiter. Eine erstaunliehe Dynamik dieser Art zcigten besonders haarnadelformige FibrillenbOgen (Abb. 7b). Hier bewegten sich feinste Fibrillen (ihr Durchmesser diirfte bei O,1,am liegen) wie die EinzelfasefJl beim Spinnen z. 13. eines Wollgarnes am Hauptstrang entlang. Durch das schnelle Wandcrn der Venw'igungspunkte kann sich eine netzformige Verzweigung sehr schnell verandern, wie dies in Abb. 7 c, in zwei, im Abstand von 1 bis 2 sec gezeichneten Stadien zu sehen ist. Dieses Verhalten erinnert sehr an die Veranderungen am Verzweigungsmustor sehr friner Filopodien. Eine ahnliche VeranderUl~g zrigt Abb. 7 d in vier StadieE (Zeitraum ca. 5 sec), die nach Filmbildern gezeichnet worden sind. Polygone spalteten sich manchmal in feine Komponenten auf, so daB ein zirll1lich kompakter "Fibrillenkorper" entstand, in dem keine Plasmateilchen sichtbar waren

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J~\HOSCH

Abb. 4-6. J?einsie fibrillare Kompollenien. Abb.4 im nicht iiberstrahlten Raum iiber Vakuolen, Abb. i) und 6 im peripheren Bereich des Plasmatropfens. Die feinen Komponenten bilden ein stark flatterndes Netzwerk zwischen dickeren, versteiften Fibrillenbiindeln. Spater Zustand mit geringer Verschiebungsaktivitat.

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(Abb. 7 e, f zeigt das ungefahre Aussehen). Die feinen Fibrillen bewegten sich hier oft senkrecht zu ihrer Achse (kleine Pfeile) - sie rollen gleichsam ubereinander, wodurch das Nctzwerk dauernd verandert wurde. AuBerdem zeigten sie zeitweilig eine flatternde Bewegung, wie gleich beschrieben wird.

Verlust der Steifheit Ab einer gewissen Feinheit der Fibrillen verlieren sie ihre geradlinig versteifte Gestalt und beginnen heftig zu flattern. Dieses Flattern erinnert an die starke Brownsche Bewegung z. B. von sehr feinen Myelinfiguren. Das Flattern erscheint oft nur kurzfristig, ist also reversibel. Eine Seite eines sehr zarten Polygons begann z. B. kurzfristig zu flattern (Abb. 7g). Dabei trat auch eine wellenformige Bewegung in Richtung der Pfeile auf (Zeichnung nach Filmbildern). Hat sich von einer Hauptfibrille ein zartes Netzwerk abgespalten (z. B. Abb. 7h), so flattert es meist. Beim Ubergang von der Steifheit zur Flexibilitat der Flatterbewegung ist oft eine extreme Dynamik im Netzwerk zu erkennen: es verandert durch Verschiebung der Verzweigungspunkte ungemein schnell sein Maschenwerk. Spater ist das flatternde Maschenwerk vielfach nur mehr an den noch steifen Hauptfibrillen verschiebbar. Das Flattern der feinen Fibrillen ist in alteren Plasmatropfen irreversibel. Abb. 5 und 6 zeigt ein Netzwerk dieser Art, wobei die Unscharfe auf die schnelle Flatterbewegung zuruckzufuhren ist. Feine flatternde Fibrillen konnen sich auch parallel zu einer Hauptfibrille abspalten (Abb. 7i), was wahrscheinlich schon fruher als "fibrillare Degeneration" oder "Schleifenbildung" beschrieben worden ist (JAROSCH 1958, bei Dunkelfeldbeobachtung). Vielleicht hat auch schon YOTSUYANAGI (1953) Ahnliches gesehen und als Myelinfiguren eingeordnet. Wichtig ist, daB die Fibrillen beim Ubergang in den flatternden Zustand die Fahigkeit verlieren, eine Partikelstromung zu erzeugen. Dies konnen offen bar nur die versteiften Fibrillen. Das elastische Verhalten und die Fiihigkeit zur Selbstverzweigung Im Gegensatz zu den ziemlich starr erscheinenden dicken Fibrillenbundeln zeigen die feinsten Elemente eine groBe Elastizitat. In Abb. 7 jist z. B. in drei Stadien ein zuerst flatternder Seitenzweig an einem steifen Fibrillenbundel gezeichnet, welcher plOtzlich zu einem langcn geradlinigen Faden ausgezogen wurde, der dann wieder in den ursprunglichen Zustand zuruckschnellte. Es drangt sich hier unwillkurlich der Vergleich mit einer gedehnten und plOtzlich losgelassenen Gummischnur auf. Zugleich kann man haufig an den flatternden Fibrillen Verzweigungen beobachten, wobei ein Seitenzweig senkrecht zur Fibrille - manchmal unter pendelndcr Bewegung - herauswachst (Abb. 7k, I). 1m abgebildeten Fall zeigte der Seitenzweig ein charakteristisches bogenformiges Auswachsen, verbunden mit seitlicher Verschiebung ("Abrollen" Abb.7m, kleine Pfeile). Oft treten an den flatternden Fibrillen gleich mehrere Seitenzweige auf (Abb. 7n). Dieses verzweigte Material wurde an noch steifen Fibrillen haufig zusammen8 geschoben (Abb. 70, vgl. dazu auch Abb. 5 und 6). Beim Absterben, z. B. Platz en der Plasmatropfen bleiben die dicken steifen Fibrillenbundel noch eine zeitlang erhalten, wogegen sich die feinen Fibrillen sofort auflosen oder globular verformen. 8 Biochem. Physiol. Pflanzen, Bd. 170

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JAROSCH

E

E

g

Abb.7. Das Verhalten feinster Fibrillenkomponenten. a) Eine feine Fibrille A-B wurde von der Hauptfibrille abgespalten und wandert schnell mit der Teilchenstromung (kleine Pfeile) von B nach G und weiter. b) Ahnliches Verhalten an einer haarnadelformigen Fibrillenschlinge. c) Schnelle Verschiebung von vier Verzweigungspunkten (A, B, C, D). Die zwei Stadien wurden iill Abstand von ca. 2 Sekunden gezeichnet.

Filamentrotation der Actinfibrillen von Nitella

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Diskussion

Das zentrale Problem der fibrillaren Bewegungsmechanik ist die Frage nach der parallel-Iangsverschiebenden Kraft, der "active sliding force", die bei den Fibrillen des Characeen-Protoplasmas so deutlich in Erscheinung tritt, wahrscheinlich aber auch bei :.tnderen an fibrillare Elemente gebundene Lebensbewegungen wirksam ist (JARosc;H 1957). Man kann die Hypothesen zur Erklarung der "active sliding force" in zwei Gruppen teilcn: solche, die eine mechanische Krafttibertragung annehmen und solche, die mit elektrischen Kraften operieren. Auf die elektrischen Hypothesen (HEJNOWICZ 1970) solI hier nicht naher eingegangen werden. Ftir die mechanische Dbertragung wurden einerseits aktiv bewegliche Seitenarme postuliert. Solch eine zuerst den Querbrticken zwischen den Muskelfilamenten zugesprochene Funktion (HUXLEY 1969) wurde auch flir die Querbrticken zwischen Microtubuli diskutiert (ROTH ct al. 1970), eben so flir die "Speichen" im Axonema eukaryotischer GeiBeln (WARNER and SATIR 1974). Andererseits sind tiber die Characeen-Fibrillen laufende rnikroskopische Tranversalwellen - ahnlich wie sie tiber GeiBeln ablaufen - als Verschiebungsursache angenommen worden (ALLEN 1974). Der Verfasser hat die von ihm registrierten mikroskopischen Transversalwellen an den Chloroplastenketten der Characeen (JAROSCH 1960) nicht flir die Ursache der Stromung des Endoplasmas gehalten, wie es mehrfach irrttimlich zitiert worden ist. Nach KAl\IITSUBO (1972) ist diese Schwingung passiv. In der ungestorten Zelle liegt die fibrillare Substanz hauptsachlich den Chloroplasten nach innen zu an, doch konnen undulierende Fibrillen auch im stromenden Endoplasma nachgewiesen werden (ALLEN 1974). Diese Undulation stationarer Fibrillen im Strom des Endoplasmas laBt sich aber auch als passives Phanomen interpretieren, ahnlich wie ein loses Segel im Wind flattert. SchlieBlich bleibt noch die Hypothese der tiber die Fibrillenelemente laufenden subrnikroskopischen Transversalwellen (JAROSCH 1960) zu erwahnen, die danll

d) Eine ahnliche Veranderung des Verzweigungsmusters, dargestellt in vier Stadien in einem Zeitraum von ca. 5 Sekunden. e, f) Polygone bilden durch Abspaltung feinster Fibrillen "Fibrillenkiirper". Die feinsten Fibrillen bewegen sich vielfach senkrecht zu ihrer Langsachse (kleine Pfeile). g) Eine Seite eines sehr feinen Polygons verliert kurzfristig ihre Steifheit und zeigt im mittleren der drei abgebildeten Stadien flatternde, wellenfiirmige Bewegung (Pfeile). h) Feine flatternde Fibrillen haben sich von einem steifen Biindel abgespalten und ein Netzwerk gebildet. i) Achsenparallele Abspaltung vieler flatternder Fibrillen. j) Ein zuerst flatternder Seitenzweig wird geradlinig ausgezogen (mittlere Abbildung) und schnellt dann elastisch wieder zuriick. k, 1, m) Einfache Verzweigung einer flatternden Fibrille. Der Seitenzweig wachst unter Pendelbewegung (runder Pfeil) heraus. Bei griiBerer Lange bewegt er sich auch quer zu seiner Achse (kleine Pfeile in m). n) Mehrfache Verzweigung 0) Die Verzweigungen wurden an der steifen Hauptfibrille zusammengeschoben. 8*

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R. J AROS(,]1

zu der Vorstellung gefiihrt hat, daB die Fibrillen aus schnell rotierenden heli7calen Proteinfilarnenten bestehen (JAROSCH 1963, 1964a, 1964b, 1966): Die Rotation einer Helix hat ja den Ablauf helikaler Transversalwellen zur Folge. Einzelne F-Actinfilamente zeigen bekanntlich eine schraubige Konfiguration. Die beiden Helices der Doppelhelix iiberkreuzen sich im Abstand von etwa 350 A. Die GanghOhe ist somit ca. 700 A (HANSON and Lowy 1963). Da die nach Glyzerinbehandlung mit HMM dekorierten Actinfilamente von Nitella cine arrow-head Periode von 380 A aufweisen (PALEWITZ and HEPLER 1975), wiirde dies einer GanghOhe von 760 A entsprechen. Die an Actinfilamentell verschiedener Herkunft gemessenen Werte variieren etwas, ebenso die Werte an den Filamenten gleicher Herkunft (HANSON 1967). Die strukturanalytischen Untersuchungen - hauptsachlich mit Rontgenstrahlen - der diinnen Filamente des Muskels haben in neuester Zeit Einblicke ermoglicht, die auch fiir die "Actinfilamente" des Protoplasmas sicher von groBter Bedeutung sind. Es hat sich gezeigt, daB jede Actinhelix von zwei Tropomyosinhelices 3. Ordnung begleitet wird, die jeweils in den beiden oberflachlichen Rinnen der Actinhelix liegen und aus je zwei Alpha-Helices bestehen, die eine Compound-Helix aus umeinandergewundenen Helices 2. Ordnung bilden (Uberblick bei CO;HEN 1975, McLACHLAN and STEWART 1975). Die Alpha-Helices laufei1 also entlang der ganzen Filamentlange durch, wobei es noch offen ist, ob sich die Molekiilenden etwas iiberlappen oder nicht. Dieses System liegt nun in zwei reversibel ineinander umwandelbaren Strukturzustanden vor, die durch die vorhandene Ca++ -Konzentration bestimmt werden und dem kontrahierten bzw. entspannten Muskelzustanden entsprechen. Die Ganghohe der Actinhelices in Parakristallen vermindert sich z. B. urn ca. 8 %, namlich von 768 A bei 10-5 M Ca++ zu 709 A bei 10-6 M Ca++ (GILLIS and O'BRIEN 1975). Ebenso wurden deutliche Strukturveranderungen an der 3. und 2. Helixordnung des Tropomyosins gefunden (PARRY and SQUIRE 1973, COHEN 1975). Aus sterischen Griinden konnen solche Anderungen nur moglich sein, wenn auch bestimmte Wasserstoffbriicken in der Alpha-Helix ihre Lange andern (JARosc;H 1969), und dies fiihrt unbedingt zum Auftreten einer Torsionsspannung (JAROSCH 1963, 1964a). Beim Tropomyosinfilament geniigt es, wenn nur oberflachlich gelegene H-Briicken z. B. durch Ladungsanderungen der polaren Seitenketten, ihre Lange andern. Die in der Compound Helix innen gelegenen H-Briicken konnen unverandert bleiben, wie auch die

Abb.8. Filamentkontakt durch gegenseitige Umwindung einzelner Filamenie eines Biindels in der Zelle. Aus Fig. 4 bei NAGAI und REB HUN (1966) herausvergroBert. Der Dnrchmesser eines Filamentes betragt ca,. 50 A. Abb.9. Verzweigung durch Umwindung von zwei Schraubenfedern im Modellversuch. N ach Rotation der Schra.nben (runde Pfeile in Abb. 9 a,) hat sich der Verzweignngspunkt in Richtung der Schra,nbenwellen verschoben (Abb. 9b). Abb. 10. Beim Parallelkontakt zwischen zwei rotierenden Schrauben lauren die Schraubenwellen ebenso ab, doch kommt es zu keiner Verschiebung der Verzweigung.

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Abb.11. Flexihilitiit und hohe Elastizitiit sou'ie das Ferzweigungsverhalten der feinsten Fibrillenkomponenten. Sie werden besser durch eine tordierte Gummisrhnur imitiert als durch Schrauben a,us Stahldraht. Vermindert man a.n der tordierten Gummischnur (Abb. 11 a) die Zugspannung, so entstehen sofort seitliche Verzweigungen ("Telefonschnur-Phiinomen" vgl. dazu Abb. 7k-n).

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innenliegellden apolaren Seitenketten, weshalb die Filamentlange konstant u leibt. Fiir die Bewegungsmechanik sind die Veranderungen am Tropomyosin sicher wichtiger als die, wahrscheinlich passiven, am Actin. Denn die beschriebene Lageanderung der globularen Actineinheiten bedeutet nur eine ganze Drehung fUr das freie Ende eines 1,u langen Actinfilamentes (O'BRIEN et al.1975). Geringste Anderungen in den Tropomyosin AlphaHelices ergeben dagegen fine bedeutend groBere Anzahl von Rotationen. Die fUr die Erzeugung der Torsionsspannung notwendige Flexibilitat in den Parametern der AlphaHelix ist heute gut bekannt (FRASER and MACRAE 1973). Wenll also einige H-Briicken in den Alpha Helices des Tropomyosins infolge der Ca-Bindung ihre Lange andern und ein Tropomyosinmolekiil (Lange ca. 410 A) dadurch nur eine halbe Torsionsdrehung auszufUhren vermag, so bedeutet dies fiir 1,um Filamentlange 12 Rotationen, fUr 1 mm 12000 und fUr 1 cm 120000 Rotationen. Nun konnen die durch die Nitella-Zelle ziehenden Filamente mit Sicherheit mehrere cm lang sein, so daB sich eine enorme Torsionskapazitat ergibt. Berechnet man die RotationsVerschiebung geschwindigkeit der helikalen Filamente nach der Formel: Drehzahl = Gangh··h 0 e und setzt fUr die GanghOhe 760 A, so gelangt man zu ungemein hohen Drehzahlen (200/sec und mehr). Den Filamenten vielleicht iiberlagerte Helices 4. Ordnung, als deren Folge man mikroskopische Wellen erwarten konnte, wie sie von ALLEN (1974) als aktiv angenommen werden, wiirden gering ere Drehzahlen ergeben. Nach den elektronenmikroskopischen Befunden von NAGAI und REB;HUN (1966) besteht ein Fibrillenbiindel in der Nitellazelle aus 50 bis 100 Eillzelfilamentell von ca. 50 A Durchmesser, "which may be twisted relative to each other". Diese Umwilldung kannnur durch Filamentrotation erfolgt sein! Abb. 8 zeigt einen solchen KOlltakt (Pfeil). Andere Bilder lassen eine parallele Lage der Filamente ohne Querverbindungen erkennen (PALEVITZ and HEPLER 1975). Diese Unterschiede sind verstandlich, da es verschiedene Moglichkeiten der Kontaktaufnahme zwischen Helices gibt (JAROSCH 1965): 1. Die windungsentsprechende Umwindung, W'elche dem nicht trellnbaren Kontakt plectonemischer Schrauben von SPARROW et al. (1941) entspricht. Die Rotation dieser Schrauben (Abb. 9a) fUhrt hier zur Verschiebung des Verzweigungspunktes (Abb. 9b) in Richtullg der Schraubellwellen (genauer: Scheillwellen, die bei der Rotation jeder Schraube ablaufen). 2. Die nicht windungsentsprechende Umwindung. Hier umwinden sich die Schrauben ohne Riicksicht auf die Ganghohe der Einzelschrauben. Bei der Rotation kann sich hier der Verzweigungspunkt viel schneller verschieben als die Schraubenwellell ablaufen.

3. Beim Parallelkontakt, welcher dem leicht trennbaren Kontakt paranemischer Schrauben llach SPARROW (1941) elltspricht, besteht keine Umwindung. Bei gleichsinniger Rotation (Abb. lOa) andert sich llichts (Abb. lOb), da die Schraubenwellen parallel zueinander ablaufen. Das beschriebene Wandern der VerzW'eigungspunkte sehr feiner Fibrillen mit der Partikelstromung weist auf eine windungsentsprechende Umwilldullg zwischen zwei

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Abb.13. Darstellung einer Rotation mit Wellen im Modell. Hier bleibt die Schraube an der gleichen Stelle - der kleine Pfeil weist auf das Ende der Schraube. Die ausgebuchtete Sepa,ra,tions-Zone und ihre Verzweigungen wand ern aber wellenformig in Richtung des Uhrzeigers (groBer Pfeil). SchlieBlich lOst sich der die Separation bewirkende Konta.kt (in e). Dieses Modell imitiert sehr genau die Phanomene an den behafteten Fibrillenbiindeln (vgl. Abb. 14 und 15).

Abb. 12. Modell eines Fibrillenringes. Modell hergestellt aus einer Schra.ubenfeder, die durch Kontaktnahme (Umwindung) mit sich selbst in eine Schlinge gelegt wurde. Wahrend ihrer Rotation wandert die Schraube mit einem a,nhaftenden Teilchen (kleiner Pfeil) in Richtung gegen den Uhrzeiger die Schlinge entlang (= Rotation ohne Wellen). Die Gestalt der Schlinge ka.nn hier durch innere Spannungen deformiert werden. Diese Deformation (der groBe Pfeil bezeichnet den groBten Durchmesser) kann dann wellenformig abla,ufen.

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oder wenigen Einzelfilamenten hin. Die Riehtung der Partikelstromung entsprieht offenbar stets dem Ablauf der submikroskopisehen Sehraubenwellen. Naeh einer anderen Theorie als der Rotationstheorie miiBte man die beim Wandern des Verzweigungspunktes erfolgende Verlangerung oder Verkiirzung des Seitenzweiges durch schnelle Polymerisation oder Depolymerisation von Filamentsubstanz erklaren - eine bei einem hochdynamischen Fibrillennetz sehr unwahrscheinliche Annahme! In den Fibrillenringen werden die feinen Fibrillen aufgespult und treten so in Kontakt mit sich selbst. In den Drahtmodellen der Abb. 12 und 13 wurde an einer Schraubenfeder durch windungsentsprechende Umwindung eine Schlinge gebildet. Nun gibt es zwei extreme Modifikationen der Schraubenrotation (JAROSCH 1964b, 1966), die vor allem von der Festigkeit oder dem Widerstand in der Umgebung der rotierenden Schrauben bestimmt werden.

Die Rotation ohne Wellen Hier bohrt sich die Schraube wie ein Korkzieher im Kork, durch das Medium vorwarts. An unserem Modell (Abb.12) wandert sie mit einem zur Markierung an ihr befestigten Teilchen (kleiner Pfeil) durch die Schlinge. Diese Form der Bewegung tritt auch bei der Selbstumwindung infolge von Torsion auf, wobei ein oder mehrere Seitenzweige entstehen. Dieses "Telefonschnur-Phanomen" ist an fibrillaren Strukturen der Zelle weit verbrfitet (vgl. dazu JAROSCH 1965, 1966, 1971, 1972). Die feinen flatternden Fibrillen zeigen genau dieses Verha1ten (Abb. 7k, 1, m, n), was auf eine innere Torsionsspannung hinweist. Um im Modellversuch ihre groBe E1astizitat besser nachzuahmen, wurde eine tordierte Gummischnur verwendet (Abb. Ha, b). Die Stahldrahtschrauben sind hier zu steif. Wahrscheinlich schmiegen sich einzelne der flexiblen und elastischen Filamente den Plasmamembranen an und konnen sich infolge ihrer wellenlosen Rotation durch das ER oder andere Zellorganellen hindurch bewegen. Mechanisch an ihnen haftende groBere Teilchen konnen diese Bewegung sieher nicht mitmachen, wohl aber chemisch an sie gebundene kleine Molekiile! 1st in den rotierenden Schrauben eine Spannung vorhanden, so kann dies auch bei der Rotation ohne Wellen zu einer Gestaltanderung fiihren, die wellenformig den Ring deformiert (gro.l3er Pfeil in Abb. 12a, b). Wenn die Spannung die Filamente zu einer Superschraube deformiert, so treten groBe Schraubenwellen auf, wie man sie ill den helikalen Pseudopodien von Amoben (BOVEE 1964, JAROSCH 1971) und am Aktinfortsatz 3.

Abb.14. Behafteter Firbrillenring mit wellenformig in Richtung des Uhrzeigers herumlaufender polygonaler Gestalt. Der gro.6e Pfeil bezeichnet den gro.6ten Durchmesser. Dem Ring anhaftende Teilchen (kleiner Pfeil) bleiben an der gleichen Stelle. Abb.15. Eine Verzweigung (groper Pfeil) wandert wellenformig am Ring entlang, obwohl die anhaftenden Teilchen (kleiner Pfeil) verharren. Vgl. dazu Abb. 13. Abb.14 und 15 sind Negativwiedergaben von im Anoptralkontrast hergestellten Filmaufnahmen. Der Abstand zwischen den einzelnen Bildern betriigt ca. 1/, sec.

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des Limnlns-Spermiums (TILNEY 1975) findet. Die Deutung der Wellen an den Fibrillenring en der Characeen in diesem Sinne (vgl. Fig. 22 bei JAROSCH 1964a) ist nach der jetzigen Einsicht falsch. b. Die Rotation mit Wellen Konnen die Windungen der Schraube bei ihrer Rotation ungehemmt ablaufen, so bleibt die Schraube an der gleichen Stelle, es verschieben sich jedoch alle echten Verzweigungen mit den Schraubenwellen (Abb. 9a, b). An einem Ringmodell wandern jetzt die Verzweigungen bzw. ein kontaktfreier Schraubenbereich (in Abb. 13 durch den gro.6en Pfeil bezeichnet) wellenformig weiter. Das Ende der Schraube (kleiner Pfeil) bleibt an der gleichen Stelle, wobei sich der Kontakt schlie.6lich durch Abwinden losen kann (Abb. 13e). Ein Teilchen, das mit diesem Modell Kontakt aufnimmt, kann bei gutem Kontakt von den "Wellen" mitgenommen werden. Bei schlechtem Kontakt wird es aber zuriickbleiben und die " Wellen" werden ihm vorauslaufen. Ein Verhalten dieser Art findet man an den behafteten Fibrillenringen, wo Wellen und Verzweigungen unabhan-

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Abb.16. Schematische Darstellung eines Fibrillenbiindels, dessen einzelne Filamente sick im Parallelkontakt befinden. a) Die Rotation der Elemente (runde Pfeile) bewirkt einen submikroskopischen Wellenablauf, der Partikelstromung (Pfeile) zur Folge hat. b) 1st das Fibrillenbiindel als Einheit beweglich (dargestellt wurde hier ein Eck eines Polygons), so wird es entgegengesetzt zur Partikelstromung verschoben. Dies kann eine Wellenbewegung der Ecken (groBer Pfeil) vortauschen. c) Bei hoher Viskositat bzw. Fixierung der Teilchen in der Umgebung, wird keine Partikelstromung auftreten. Nur die scheinbare Wellenbewegung der Ecken (groBer Pfeil) bzw. die Rotation des Polygons wird sichtbar.

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gig von den anhaftenden Teilehen weiterwandern oder ihnen vorauslaufen konnen (Abb.14 und 15). Aueh Gestaltanderungen und Ring-Auflosungen findet man hier haufig. Die Partikelstromung der unbehafteten Fibrillen ("linear fibrilar substance" von KAMITSUBO) muJ3 dagegen als Folge der submikroskopisehen Sehraubenwellen gedeutet werden, die an den vielen in Parallelkontakt zu einem Bundel vereinigten Filamenten ablaufen (Abb. 16a). DaJ3 es uberhaupt zum Partikelstrom und damit zur Plasmastromung kommen kann, ist offenbar die Folge des Parallelkontaktes. Wahrseheinlieh konnen die Filamente nur gemeinsam den Widerstand im Medium uberwinden und so den Wellenablauf erst moglieh maehen (JAROSCH 1972). Vermutlieh ist aueh die geradlinige Versteifung die Folge der Bundelbildung. Ein alterer Versueh, diese Versteifung dureh superkontrahierte Sehrauben zu erklaren (vgl. Fig. 21 bei JAROSCH 1964a) ist naeh den neuen Beobaehtungen weniger wahrseheinlieh. Frei bewegliehe Filamentbundel, wie z. B. die unbehafteten Polygone, werden als stabile Einheit entgegengesetzt zum submikroskopisehen Wellenablauf rotieren (groJ3er Pfeil in Abb. 16 b), wodureh eine Wellenbewegung der Eeken vorgetauseht wird, die entgegengesetzt zur Partikelstromung geriehtet ist (vgl. Abb. 3a-e). B~i starkerem Widerstand in der Umgebung werden die Polygone aIle in rotieren (Abb. 16c), ohne daJ3 gegenlaufige Partikelbewegung auftritt. Dureh die genannten Arten von "Wellen" lassen sieh die oben zitierten, von KAMITSUBO (1972) besehriebenen versehiedenen FaIle der Relation zwischen Teilehenbewegung und Wellenbewegung an den Fibrillenringen relativ einfaeh verstehen: Die Versehiedenheiten durften im untersehiedliehen Kontakt zwischen den Filamenten (Umwindung - Parallelkontakt) bzw. im versehieden innigen Kontakt zu den umgebenden Teilehen liegen. Umwandlungen von rotierenden zu undulierenden Fibrillenringen und umgekehrt, wie sie KAMITSUBO (1972) dureh 10 % Methanol, Essigsaure und niedere Temperatur (0°) erzielt hat, konnen in diesem Sinne duren Viskositatsanderung in der Plasmaumgebung verstanden werden.

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