Experimentelle Untersuchungen über die „Wollstreifen” des Apfelkerngehäuses

Experimentelle Untersuchungen über die „Wollstreifen” des Apfelkerngehäuses

Phytopathologisches Institut der Martin-Luther-Universitiit, Halle (Saale) Experimentelle Untersuchungen tiber die "Wollstreifen" des Apfelkerngehaus...

18MB Sizes 0 Downloads 48 Views

Phytopathologisches Institut der Martin-Luther-Universitiit, Halle (Saale)

Experimentelle Untersuchungen tiber die "Wollstreifen" des Apfelkerngehauses Von

L. Behr Mit 12 Abbildungen im Text (Eingegangen am 28. 10. 1958)

A. Einleitung Ende Januar 1956 wurden unserem Institut Apfel der Sorte "Boskoop" gebracht. Sie entstammten dem Winterlager, waren normal groB, ihre Schale zeigte keinerlei Faulstellen und auch im Innern war das Fruchtfleisch vollig intakt. 1m Bereich der Stielgrube wies die Schale einen Hohlraum auf, der sich, wie nach Uingsaufschneiden der Frucht zu erkennen war, bis in das Kerngehause fortsetzte. man das KernOffnete gehause durch einen Langsschnitt, und zwar so, daB 2 gegeniiberliegende der insgesamt 5 Karpelle median getroffen wurden, so erkannte man mit bloBem Auge auf der Innenseite der . Endokarpien einen ± dichten, samtartigen, weiBen Belag, der bei fliichtiger Be- Abb. 1. "Gelber Bellefleur", liings aufgeschnitten, trachtung einem Pilzmycel mit" Wollstreifen" im Kerngehiiuse; natiirl. GroBe. Flora, Bd. 147

12

I 168

L.

BEHR

glich (Abb. 1). Dieses war der AnlaJ3, die "kranken" Frlichte unserem Institut zu liberbringen, damit hier der "Fiiuleerreger" identifiziert werde.

,

B. Das Krankheitsbild und die Entstehung der "Wollstreifen" Die Tatsache, daJ3 der als Mycel gedeutete Belag das Endokarp immer in Gestalt bogig verlaufender Streifen bedeckte (Abb. 2), sprach von vornherein gegen die Existenz eines Pilzes. Flinf und mehr solcher "Wollstreifen" (SORAUER 1886) konnten auf einer Karpellhiilfte geziihlt werden. Sie nahmen ihren Ausgang von der Plazenta und erstreckten sich in Richtung auf die Rlickennaht des Fruchtblattes.

I

l ,



• I

,

1

Abb.2. "Wollstreifen" auf dem Endokarp des "Boskoop"; etwa 12fach.

Eine Probe des samtartigen Belages wurde yom Endokarp abgeschabt und unter dem Mikroskop betrachtet. Er bestand aus zahlreichen, regellos in- und durcheinanderwachsenden, schlauchartigen Gebilden, die man'abgesehen vonihrer relativen Dicke - mit den Hyphen eines Pilz-Plectenchyms vergleichen konnte (Abb. 3). Sie waren mehrzellig, meist dlinnwandig, turgeszent und mit hyalinem Plasma versehen, die Wand der endstiindigen Zelle wolbte sich kalottenfOrmig empor. Auffallend waren Zapfen oder Papillen, die der AuJ3enwand der Zellen aufsaJ3en und besonders hiiufig an den Endzellen vorkamen. Sie hatten Halbkugel- oder Kegelgestalt, sie waren auch Jang-fingerformig oder kugelig und dann gestielt, es kamen auch solche mit unregelmiiJ3igen Umrissen vor (Abb.4). Da sich die "Wollstreifen" im Fruchtinnern, also praktisch von der AuJ3enluft so gut wie abgeschlossen und damit in einem Raum mit stiindig

, 'I

I

j

t

Experimentelle Untersuchungen iiber die" Wollstl'eifen" des Apfelkerngehauses

169

Abb.3. "Wollstreifen" und Mesokal'pzellen vom "Boskoop"; etwa 100fach.

Abb.4. Zapfen an der Spitzenzelle einer Intumeszenz, Sorte "Gelber Bellefleur"; etwa 750fach.

hoher Luftfeuehtigkeit entwiekelt hatten, wurden sie als Intumeszenzen angesehen und vorderhand aueh so benannt. Ob es bereehtigt ist, sie im Sinne von KUSTER (1925) als solehe zu bezeiehnen, sei zunaehst dahingestellt. Da es keine Sehwierigkeiten bereiten solI, Intumeszenzen experimentell zu erzeugen (KUSTER 1903, 1906), wurden Versuehe mit entspreehender 12*

170

L.

BERR

Zielsetzung durchgefiihrt. Sie werden in einem besonderen Kapitel besprochen, nur soviel sei hier schon gesagt, daB die Abnormitat des Kerngehauses nicht sortengebunden sein kann, da sie in gesunden Frtichten folgender Apfelsorten angetroffen wurde: WeiBer Klar, Landsberger, Gelber Bellefleur, Breuhahn, Berlepsch, London Pepping, Golden Delicious, Erwin Baur, Winterbanane und Ontario. Zwischen dem Rcifegrad eines Apfels und dem jeweiligen Entwicklungszustand der Intumeszenzen bestand eine enge Korrelation. Wahrend in jungen, mit dem Dilatationswachstum gerade beginnenden Frtichten die "Wollstreifen" noch auBerst zart waren, so daB sie ohne Zuhilfenahme einer Lupe kaum gesehen werden konnten, nahm die Hohe der Polster mit dem Alter rasch zu. Waren sie im reifen "WeiBen Klar" im August schon voll ausgebildet, so fingen sie zum gleichen Zeitpunkt in einer Spatsorte, z. B. im "Ontario", erst an, sich zu entwickeln. In der ausgewachsenen schon lagernden Frucht der Sorte "Gelber Bellefleur" betrug die Hohe der "Wollstreifen" > 800 fl, beim "Boskoop" knapp 700 fl, "Bellefleur" wies mitunter Intumeszenzen auf, die fast 2 mm hoch waren. Endokarpien mit dichten Belagen wurden geschnitten und unter dem Mikroskop betrachtet. Vielleicht war es dabei moglich, etwas tiber den Ursprung der abnormen Gewebe auszusagen. Auf medianen Langsschnitten war zu sehen, daB es tiberall dort, wo sich die Gewebewucherungen befanden, Risse aufwies, und zwar in ciner Breite, die derjenigen eines jeden "Wollstreifens" entsprach. Es lieB sich nachweisen, daB sich die Intumeszenzen nicht aus dem Endokarp entwickelt hatten. Da sich dieses ausschlieBlich aus toten Ze11en aufbaute, ware aus ihm heraus eine Bildung neuen Ze11materials nicht denkbar. Die Intumeszenzen entstanden vielmehr aus dem Mesokarp, d. h. einem Gewebe lebender, noch teilungsfahiger Zellen (Abb.5). Es erhob sich nunmehr die Frage, wie es zur Entstehung der breiten Endokarprisse, die spater von den "Wollstreifen" ausgefiillt wurden, kam. Unter der Voraussetzung, daB sich die Wucherungen aus Mesokarpzellen bildeten, war eine Erklarung zur Hand, wenn auch der Vorgang des Wachstums der langen, schlauchartigen Gebilde und ihr "Durchbruch" durch das Endokarp mikroskopisch nicht verfolgt werden konnte. Gedanklich lieB sich dieser ProzeB rekonstruieren, dadas mikroskopische Bild eines Langsschnittes nur fUr ein gewaltsames ZerreiBen des Endokarps unter dem Druck der aus den Mesokarpzellen herauswachsenden Intumeszenzen zu sprechen schien. Damit war auch eine Erklarung fUr das spontane Vorkommen vereinzelter Steinzellen gegeben, die gelegentlich inmitten der ~,Wollstreifen" lagen (vgl. Abb. 3). Wahrscheinlich waren sie beim Sprengen

Experimentelle Untersuchungen iiber die" Wollstreifen" des Apfelkerngehauses

171

des Endokarps von den nachdrangenden Intumeszenzzellen mitgerissen und dann zwischen diesen abgelegt worden. Weitere Beobachtungen zeigten, da13 diese tJberlegungen nicht den Tatsachen entsprachen. Wahrend namlich das Endokarp a usgewachsener oder reifer Apfel ausnahmslos Risse aufwies, die schon mit unbewaffnetem Auge zu erkennen waren, war das Kerngehause junger, etwa hasel- bis hochstens walnu13gro13er Fruchte noch vollig intakt. Das das Endokarp aufbauende Parenchym ist, solange die Fruchte noch klein sind, nicht oder nur sehr schwach verholzt. Setzt aber nach Erreichen von etwa Walnu13gro13e der Verholzungsproze13 am Kerngehause und das rasche Dilatationswachstum der Fruchte ein, so kommt es, je starker die Zellen des Endokarps verholzen, zu einem Zerrei13en der jetzt nicht mehr plastischen

Abb.5. Medianer Liingsschnitt durch das Meso- und Endokarp bei "Ontario", Bildung der "Wollstreifen" aus den Zellen des Mesokarps; etwa 150fach.

Schichten. Die Risse verliefen bogenformig und erstreckten sich von den Plazenten zur Mittelnaht des Endokarps; ihr Verlauf deckte sich also. genau mit demjenigen der "Wollstreifen". Die Endokarprisse sind also der Ort, an welchem die Intumeszenzen entstehen. Die wuchernden "Wollstreifen" sprengen also nichtdas Endokarp, vielmehr geben erst die Risse Anla13 und Moglichkeit zu deren Entstehung. Ob dabei ein Wundreiz (Wundhormon) von Einflu13 ist, der die Mesokarpzellen zur Bildung der Wucherungen veranla13t (HABERLANDT 1913, 1921, 1923), wurde nicht entschieden.

172

L.

BEHR

C. Experimenteller T eil 1. Mikrochemische Untersuchungen liber die Histologie der "Wollstreifen" a) Die Zellwand Ratte sich herausgestellt, daB die Intumeszenzen ihre Entstehung dem aus lebenden Zellen bestehenden Apfelmesokarp verdanken, so muBte diese Erkenntnis durch eine weitere Beobachtung wieder in Frage gestellt werden. In jungen "Wollstreifen" hOchst selten, um so Mufiger in alten, traten Zellen auf, die durch stark verdickte, von Tiipfelkanalen durchzogene Wande auffielen (Abb. 6). In Chlorzinkjod farbten sie sich niemals

Abb. 6. Zelle einer Intumeszenz mit stark verdickter Wand und mit TiipfelkaniUen. In Sudan III; etwa 750fach.

blau, sondern gelb, was Verholzung vermuten lieB. Keineswegs waren es Zellen, die hier und da in den "Wollstreifen" versprengt lagen und, wie schon beschrieben, aus dem Endokarp stammten. Es handelte sich vielmehr um sklerenchymatische Elemente, die am Aufbau der Intumeszenzen ebenso beteiligt waren wie die iibrigen Zellen. Dieser Tatbestand vertrug sich nicht mit den bisher an den "Wollstreifen" gemachten Erfahrungen, die ein "plektenchymatisches" Geflecht diinnwandiger, mehrzelliger Schlauche darstellten, deren Wande auf Zellulose positiv reagierten. Um die Frage, aus welchen Substanzen sich die Intumeszenzen aufbauten, klaren zu konnen, wurden mikrochemische Untersuchungen angestellt. 1m folgenden wird hiiufig von "jungen" und "alten" Intumeszenzen gesprochen. Unter ersteren sollen noch im Wachstum befindliche, reinweiLle, watteartige "Wollstreifen" verstanden sein, "alte" Intumeszenzen wurden dagegen in vollreifen oder

Experimentelle Untersuchungen iiber die" Wollstreifen" des Apfelkerngehauses

173

schon langere Zeit lagernden Friichten angetroffen, wo sie das Kerngehause in Gestalt schmutzigweiBer bis gelbbrauner, dicht-samtartiger Polster auskleideten.

Wie bemerkt, reagierten die Wande j unger "Wollstreifen" auf Chlorzinkjod mit violetter Farbe, gleiches traf flir die Zapfen zu. Beide bestanden also aus Z ell ul 0 s e. Auch andere Zelluloserea,genzien ergaben positive Reaktion, z. B. Jodschwefelsaure und Hamatoxylin nach GILTAY (MOLISCH 1923, S. 336 bzw. 21; Wande und Zapfen blau bzw. violett). Junge Intumeszenzen losten sich, wenn auch nur nach vorherigem Kochen in konz. KOH (vgl. S. 177/178), in frischem Kupferoxydammoniak (SCHNEIDER und ZIMMERMANN 1922, S. 257). Nicht immer farbten sich die "Wollstreifen" in Chlorzinkjod gleichma.l3ig violett. Es kam vor, daJ3 sich einzelne Spitzenzellen, seltener auch solche aus der Basis oder der mittleren Region, anders verhielten. Es wurde schon darauf hingewiesen, da./3 sie durch ihre stark verdickten, von Ttipfelkanalen durchsetzten Wande, die ein nur sehr enges Lumen zurticklieJ3en, auffielen. Da sie sich einschlieJ3]ich der Wandzapfen in Chlorzinkjod ebenso gelb farbten wie das Endokarp, muJ3ten sie als verholzt angesehen werden. Die Reaktion auf Phloroglucin-Salzsaure fiel aber nur selten positiv aus: farbte sich, wie nicht anders zu erwarten war, das gesamte Endokarp intensiv rot, so traf dies flir die meisten der dickwandigen Intumeszenzzellen nicht zu, ihre Wande und Zapfen nahmen vielmehr einen schwach-gelblichen bis orangefarbenen Ton an. Der Befund sprach also gegen eine Verholzung, woran auch die Tatsache, daJ3 die Zellen in konz. HCl weder verquollen noch sich lOsten, nichts anderte. MOLISCH (1923, S. 350) flihrt an, daJ3 viele verkorkte Membranen Holzstoffreaktion geben. Dies schien flir die meisten der Intumeszenzzellen mit verdickten Wanden zuzutreffen. Da an ihnen der gewohnliche Holznachweis miJ3]ang, sie sich aber in jodhaltigen Substanzen immer gelb farbten, blieb als einziger SchluJ3 die Annahme, daJ3 ihre Wande nicht verholzt, sondern verkorkt waren. Verholzte Elemente fehlten aber den Intumeszenzen nicht ganz. Auf Grund ihrer auffalligen Wandstruktur wurde bei einigen Zellen der "Wollstreifen" mit Phloroglucin-Salzsaure und Anilinsulfat der Ligninnachweis geflihrt. Mit Rot- bzw. Gelbfarbung der Wande fiel er positiv aus (Abb. 7). Schon jetzt sei bemerkt, daJ3 sich in beiden Reagenzien die Wandzapfen niemals mitfarbten. Es lag nahe, ein mit dem Alterwerden der Intumeszenzen zunehmendes Verholzen ihrer Wande anzunehmen. Junge Gewebe mtiJ3ten demnach solche aus reiner Zellulose aufweisen, die spater verkorken und schlieJ3lich verholzen. Um die Frage zu klaren, wurden Ende Marz die "Wollstreifen"

174

L.

BEHR

der Sorten "Landsberger" und "Winterbanane", also cines mittelfruhen und spaten Apfels, mikrochemisch untersucht. "Winterbanane", eine zu diesem Zeitpunkt noch frische Frucht mit straffer Schale und festern Fleisch, hatte in seinem Kerngehause uppige, watteartig-lockere, reinweiJ3e Belage entwickelt (vgl. Abb. 2), deren Wande sich in Jodschwefelsaure einheitlich blau farbten. 1mbereits geschrurnpften und murben "Landsberger" bildeten sie dagegen ein dem Endokarp dicht aufliegendes, bereits schmutzig-gelb aussehendes, festes, sarntartiges Polster und farbten sich in Jodschwefelsaure uberwiegend gelb, in Phloroglucin-Salzsaure rot. Die lnturneszenzen dieser Sorte, die auf dem Lager fruher gealtert war

Abb.7. Verholzte, in Phloroglucin-Salzsaure gefarbte TerminalzelIen aus einer Intumeszenz von "Landsberger"; etwa 225fach.

als die spate "Winterbanane", waren also zu jenern Zeitpunkt schon stark verholzt. Fruhsorten, deren ReifeprozeJ3 rasch ablauft, erreichten dies en Zustand bedeuten'd eher als Spats orten. Selbst im spaten Fruhjahr waren die "Wollstreifen" der letzteren noch sehr zartwandig, so daJ3 sie, wie es "Boskoop" des tifteren erkennen lieJ3, mit J-haltigen Substanzen fast ausschlieBlich Zellulosereaktion gaben. Aber selbst in ein und derselben Frucht konnten "Wollstreifen" unterschiedlichen Alters angetroffen werden. 1m April am "Boskoop" durchgeflihrte Versuche zeigten, daJ3 die Mehrzahl der lnturneszenzwande auf Zellulosereagenzien positiv reagierten. Dicke, von Tupfelkanalen durchsetzte Wande erschienen hingegen leuchtend bersteingelb; sie waren ver kor kt. Letzteres traf jedoch nur flir einen Teil der Zellen zu, da sich die Wande der ubrigen in Phloroglucin-Salzsaure als bereits ver holzt erwiesen.

Experimentelle Untersuchungen iiber die" Wollstreifen" des Apfelkerngehiiuses

175

b) Die Zapfen Konnte tiber die Morphologie und den chemischen Bau der Intumeszenzen weitgehend Klarheit geschaffen werden, so blieben deren Zapfen zunachst noch ohne die Moglichkeit einer Deutung. Urn eine solche herbeizuftihren, wurden folgende Untersuchungen angestellt. Die Zapfen, die papillenartig die AuJ3enwand der Intumeszenzen bedeckten, aber auch Kugel-, Kegel- oder Fingergestalt aufwiesen, waren auf den Endzellen besonders groJ3 und haufig (Abb. 8), basalwarts wurden sie unscheinbar und konnten auch ganz verschwinden. Mitunter nahmen sie Tropfenform an, so daJ3 es aussah, als begannen sie an der AuJ3enwand der Intumeszenzen herabzulaufen (Abb. 9). Es wurde deshalb geprtift, ob die Zapfen Plasmapartikel waren, die tiber die Abb. 8. Zapfen der endstandigen Zelle einer Ttipfelkanale mit dem Zyto- Intumeszenz von "Boskoop"; etwa 135Ofach. plasma der "Wollstreifen"-zellen in Verbindung standen. Dies war nich t der Fall, da sich das Plasma der Zelle in 1 mol KNO s spharisch abrundete (Endstufe der Konvexplasmolyse) und von der gleichzeitig mit Hamatoxylin nach GILTAY (vgl. S. 173) gefarbten Wand abhob Abb.9. Wandzapfen (mitunter in Tropfenform [Pfeile)) (Abb. 10). Der kontra- auf Intumeszenzen der Sorte "Erwin Baur"; etwa 60Ofach . hierte Protoplast war

176

L.

BEHR

deutlich sichtbar, die Zapfen wurden aber ebensowenig wie eine etwa in ihr befindliche plasmatische Substanz "nachgezogen". SORAUER (1886) glaubte, die tropfeniihnlichen Protuberanzen seien Pektinwiirzchen. Da sie sich aber in Hel (36 'Yo) und konz. HN0 3 nicht losten und in kalter konz. KOH nur verquollen, muBten sie aus einer anderen Substanz bestehen1). Die Zapfen j unger Intumeszenzzellen reagierten auf Zellulose positiv, in Hiimatoxylin nach GILTAY (vgl. S. 173) fiirbten sie sich kriiftig blau. Gleichzeitig konnte mit Jodschwefelsiiure die Kutik1l1a der Intumeszenzen nachgewiesen werden. Sie schob sich als dtinneMembran zwischenZapfen und Zellwand und hatte, da sie Korksubstanz enthiilt, leuchtend-gelbe Farbe angenommen Abb. 10. Endzelle einer Intumeszenz aus (Abb.11). Die Zapfen standen "Winterbanane". Plasmolyse in 1 mol KN0 3 , also nicht unmittelbar mit der Wand mit Hiimatoxylin nach GILTAY gefiirbt; etwa 1500fach. Zellwand in Verbindung, sie entsprangen vielmehr einer Kutikula, die die "Wollstreifen", aus dem Parenchym des Mesokarps entstandene Gewebewuchekontinuierlich rungen, tiberzog. Hieraus wurde, unAbb. 11. Intumeszenz von" Winterbanane", gefiirbt geachtet einiger sich dieser in Jodschwefelsiiure. Zapfen blau, darunter die gelbDeutung entgegenstellengefiirbte Kutikula, unter dieser die stark gequollene, blaugefiirbte Zellwand, innen: Cytoplasma; etwa der Bedenken, der SchluB 600fach. gezogen, die Zapfen seien Bildungen der Kutikula. Traf dies zu, so muBten sie, wenn nicht gerade junge Intumeszenzen untersucht wurden, auf "Kork" positiv reagieren. Da sich aber an den "Wollstreifen" gezeigt hatte, daB deren noch jugend1) Der Pektinnachweis in Rutheniumrot muBte unterbleiben.

Experimentelle Untersuchungen iiber die" Wollstreifen" des Apfelkerngehauses

177

lichen Wande aus Zellulose bestanden, die mit zunehmendem Alter verkorkten und schliel3lich verholzten, konnte dieser nattirliche "AlterungsprozeB" auch von den Zapfen erwartet werden. Es stellte sich jedoch heraus, daB die Zapfen alter Intumeszenzen weder mit Phloroglucin-Salzsaure noch mit schwefelsaurem Anilin positiv reagierten. Sie verholzten also niemals, obwohl sich die Wande alter Zellen, sofern sie tiber das Stadium der Verkorkung hinaus waren, intensiv rot bzw. gelb farbten. Daftir ergaben die Zapfen aber, wie ein Versuch an der Sorte "Landsberger" im Marz zeigte, eine einwandfrei positive Korkreaktion. Ihre "Wollstreifen" waren zu jenem Zeitpunkt schon alt, die Wande sehr dick, nur z. T. reagierten sie auf Jodschwefelsaure mit Blaufarbung. Die meisten Zapfen nahmen einen leuchtend-gelben Farbton an, ·ebenso die relativ dicke Kutikula; sie bestanden also beide aus der gleichen Substanz. Da sich die Kutikula pflanzlicher Objekte mit Sudan III leicht nachweisen laBt, wurden junge und alte lntumeszenzen (Sorten "Winterbanane" bzw. "Breuhahn"), letztere mit zum Teil scholl stark verdickten Wanden, mit dem Reagens behandelt. Nur die Wande sowie die darauf befindlichen Zapfen farbten sich orange. Dieser Befund erlaubte keinen Zweifel mehr daran, die Zapfen als Derivate der Kutikula zu betrachten und sie in ihren ;spaten Entwicklungsstadien als verkorkt anzusehen. Auch ihre Resistenz gegentiber HCl sowie gegen kochende 5 % H2Cr04 deutete auf Korksubstanz hin. Junge Intumeszenzen verquollen dagegen in verdtinnter HCl und losten sich ganz auf, in H2Cr04 lOsten sie sich langsam und verschwan den . beim Kochen sofort. Es erhob sich die Frage, ob die verkorkten Zapfen aus Kutin oder Suberin bestanden. Da sie in starken Mineralsauren nicht hydrolysierten (ZETZSCHE 1932, S. 219) und in SCHULZES Gemisch (MOLISCH 1923, S. 20, ZETZSCHE 1932, S. 219) erhalten blieben, wahrend die Zapfen junger Intumeszenzen aufgelost wurden, waren sie, wie auch die AbschluBgewebe . der meisten Landpflanzen, aus Kutin aufgebaut. Anhand eines weiteren Versuches gelang es, mit Hilfe der Kalireaktitm die in der Korksubstanz enthaltenen Fettsauren zu verseifen (MOLISCH 1923, S. 348, SCHNEIDER und ZIMMERMANN 1922, S. 268). Alte und junge Intumeszenzen ("Boskoop" bzw. "Winterbanane") wurden in konz. KOH gekocht: die "Boskoop"-Zapfen verschwanden vollig, die der anderen Sorte blieben erhalten. Alle Kutinstoffe, auch die der Kutikula, wurden verseift und erschienen wahrend des Kochens und hinterher in Gestalt groBer, gelber Tropfen aus K-phellonat, die nach Absaugen der KOH und Zugabe von aqua dest. zerflossen. Diese Reaktion wies eindeutig auf Kork

178

L. BEHR

als Inhaltsstoff der alten Zapfen ("Boskoop") und einiger Zellwande hin. Bereits verholzte Zellen blieben dagegen beim Kochen in KOH unverandert erhalten, nur ihre Zapfen verschwanden. Jetzt wurde auch klar, weshalb es anfangs nicht ohne weiteres gelang, selbst junge Intumeszenzen in SCHWEIZERS Reagens zu losen (vgl. S.173). Erst nachdem die "Wollstreifen" in konz. KOH gekocht und die Kutinstoffe aus der Kutikula "herausgelOst" worden waren, konnten die Intumeszenzwande verquellen, um nach 2 Std. vollig in Losung zu gehen (vgl. dazu RICHTZENHAIN 1955, der ahnliches tiber verholzte Zellwande berichtet). Den endgiiltigen Beweis dafiir, daI3 die Zapfen der "Wollstreifen" Kutikulabildungen sind und im Alter aus Kork bestehen, erbrachte die Einwirkung von Alkannin (MOLISCH 1923, S.349). In 95% Alkohol (nicht 50 %, wie MOLISCH angibt) gelost, farbten sie sich nach 5sttindigem Bad intensiv rot, ebenso aIle Zellen, dereh Wande verkorkt waren. AIle jungen Zapfen und alle bereits verholzten Wande nahmen nur schwach-gelbe Farbe an.

2. Zur experimentellen Erzeugung der "Wollstreifen" KUSTER (1903) teilte mit, daI3 "bisher .... aIle Intumeszenzen unter der Einwirkung feuchter Luft" entstanden. Die Mitwirkung von Wasser, genauer gesagt: einem unzeitgemaI3en tJberschuI3 an Wasser, machte auch SORAUER (1886) flir die Entstehung der "Wollstreifen" verantwortlich. Diese Erkenntnis ausntitzend, wurde zu Beginn der eigenen Versuche ahnlich verfahren, wie KUSTER (s.o.) es tat. Etwa walnutlgrotle Apfel (am 4. Juli geerntet) der Sorte "Boskoop"l) wurden in abs. Alkohol gewaschen, abgeflammt, steril geOffnet, die zu diesem Zeitpunkt noch viillig intakten Endokarpien steril herausprapariert und mit einer sterilen Lanzettnadel verletzt. Mit der Innenseite nach oben schwammen sie in einer Feuchtkammer auf sterilem aqua dest., sterilen Rohrzucker- und Dextroseliisungen (3 bzw. 2 %). Da sich gezeigt hatte, dati das Mesokarp die Intumeszenzen bildete, wurdender Halfte der herauspraparierten Endokarpien einige Mesokarpschichten belassen, bei dem Rest (Kontrolle) wurden sie sorgfaltig und steril abgekratzt. Vgl. dazu KUSTER (1906), der auf Pisum-Fruchtschalen keine Intumeszenzenbildung erzielte, wenn er vom Perikarp das starkereiche Parenchym entfernte.

Nach einer Woche war in fast allen Schalchen starkes Pilzwachstum eingetreten, Intumeszenzen hatten sich nicht gebildet. Der Versuch wurde mehrmals, jedoch erfolglos wiederholt. 1) Fiir die in diesem Kapitel geschilderten Untersuchungen stellte mir das Institut fiir Obst- und Gemiisebau unserer Universitat regelmatlig Apfel zur Verfiigung. Dem Direktor, Herrn Prof. Dr. G. FRIEDRICH, und Herrn Dipl.-Landw. M. REICHEL sei an dieser St~lle verbindlichst gedankt.

Experimentelle Untersuchungen iiber die" Wollstreifen" des Apfelkerngehauses

179

In einem weiteren Versuch wurden den Endokarpien der gleichen Sorte, die sich in 25 ml-Kiilbchen im Dunkeln auf dem Institutsdach befanden, verschiedene chemisch definierte Nahrlosungen geboten (vgl. JANKE 1946, S. 126 und 127). AuBerdem gelangten die Endokarpien auf rohen und 1- bzw. 3mal im Dampftopf sterilisierten ApfelpreBsaft bzw. Apfelsaft. Er wurde aus dem Fleisch der gleichen Apfel hergestellt, deren Endokarpien IntumeszenzbiIdung zeigen sollten (pH 2,5).

Da Unsterilitaten auftraten, muBte der Versuch abgebrochen werden. Nach 14 Tagen war an keinem der sauber gebliebenen Endokarpien Intumeszenzbildung erfolgt. Auf isolierten Endokarpien schien also keine ,.. Wollstreifen"-bildung moglich zu sein. Deshalb wurden Friichte ("Boskoop") unterschiedlichen Alters nach vorheriger auBerlicher Desinfektion steril median geoffnet, die Endokarpien mittels Lanzettnadel steril verletzt1 ), beide Fruchthalften wieder geschlossen, mit Leukoplast verklebt und im Dunkelnl) in Neubauerschalen auf dem Institutsdach aufgestellt.

Wahrend die Anfang und Mitte Juli geernteten, etwa hasel- bzw. walnuBgroJ3en Frtichte noch intakte Endokarpien ohne jegliche "Wollstreifen"-bildung aufwiesen, zeigten die Frtichte der 3.,4. und 5. Versuchsserie, geerntet Ende Juli bzw. am 23. August bzw. am 11. September, bereits kraftige und zahlreiche Endokarprisse. Die Apfel hatten einen Durchmesser von etwa 5 bzw. 7 bzw. 8-9 cm und lieBen im Kerngehiiuse makroskopisch dichte Intumeszenzrasen erkennen. Mit einem sterilen Skalpell wurden die" Wollstreifen" der Ende Juli, im August und im September geernteten Apfel abgekratzt, die Fruchthiilften mit Leukoplast verschlossen und, wie oben geschildert, weiterbehandelt.

Die Versuchsdauer betrug 14 Tage bis 3 Wochen. Bis auf eine Frucht waren die Apfel in allen Versuchsserien sauber geblieben. Ein Nachwachsen der Intumeszenzen konnte nicht beobachtet werden. Aus diesen Untersuchungen geht hervor, daB die" Wollstreifen"-bildung wahrscheinlich niemals in einer vom Baum gepfltickten, sondern nur in einer im ununterbrochenen Wachstum und noch am Baum befindlichen Frucht erfolgen kann. Sicher werden dabei auch dem Mesokarp Stoffe zugeftihrt, die die Gewebewucherungen zu ihrer Entstehung und Existenz benotigen. Da die "Wollstreifen"-bildung immer erst einsetzte, wenn das Zellteilungswachstum der Frtichte aufgehOrt hatte und durch das rasche Dilatationswachstum das AufreiBen des Endokarps erfolgt war, trat auch hier der Gedanke an die eventuelle Mitwirkung sogenannter Wundhormone (vgl. S. 171) mehr in den Vordergrund. Sie wtirden demnach nur in der 1) KUSTER (1906) gibt zwar an, daB die Intumeszenzen auf Pisum-Endokarpien im Hellen wie im Dunkeln wuchsen und eine Verwundung der Fruchtschalen ohne Einflu.B blieb.

180

L. BEHR

wachsenden Frucht gebildct und dann zum Aufbau der Wucherungsgewebe zur Verfiigung gestellt werden. Auf Grund dieser Uberlegung wurde nunmehr der Versuch unternommen, die Apfelintumeszenzen auf ciner synthetis~hen, also auch Wuchsstoffe enthaltenden Nahrlosung wachs en zu lassen. Kulturmedium war eine Liisung nach WHITE (1954, S. 74), die zu je 5 ml auf insgesamt 36 25-ml-Kiilbchen abgefiillt wurde. Voll ausgewachsenen, am 18. November dem Lager entnommenen "Boskoop"-Apfeln wurden unter aseptischen Bedingungen (vgl. S. 178) die Endokarpien mit einigen noch anhaftenden Mesokarpschichten entnommen und in die Versuchskiilbchen iibertragen. Die "Wollstreifen"-bildung in den Endokarprissen war iiberall auBerst sparlich, sie konnte mit bloBem Auge nicht erkannt

Abb. 12. Frischer Zuwachs des Intumeszenzgewebes auf dem Endokarp von "Boskoop" nach 2monatiger Kultur auf einer Nahrliisung nach WHITE; etwa 80fach. werden. Nachdem die Kiilbchen zu je 12 in 3 groBe, desinfizierte Exsikkatoren gestellt worden waren, wurden die Stiipsel entfernt, die Exsikkatoren unmittelbar darauf verschlossen und je einer an eine O2- bzw. CO 2-Bombe angeschlossen. Mit dem "dritten Exsikkator, der als Kontrolle diente, geschah dies nicht, in ihm standen 12 fest verstopfte Kiilbchen. Wahrend der Versuchsdauer von 66 Tagen wurde taglich zweimal iiber je 2 vorgeschaltete Wattefilter ein kriiftiger O2 - bzw. CO 2-Strom durch die Exsikkatoren geschickt, so daB angenommen werden konnte, daB sich die Endokarpien ununterbrochen in einer frischen O2- bzw. CO 2-Atmosphare befanden.

Samtliche Kolbchen aller Exsikkatoren blieben bis zum Versuchsende steril. Ohne Zuhilfenahme einer Lupe erkannte man langs der Risse einiger Endokarpien kleine, frische, rein-weiBe Tupfen, die sich unter dem Mikroskop deutlich als ffischer Zuwachs junger Intumeszenzen erwiesen (Abb.12). Der Zuwachs war unabhangig von der Begasungsart eingetreten und auch in dem nichtbegasten Kontrollexsikkator erfolgt.

Experimentelle Untersuchungen iiber die" Wollstreifen" des Apfelkerngehauses

181

Als wichtiges Ergebnis dieser letzten Untersuchungen war festzustellen, da.6 die "Wollstreiien" des Apfelkerngehauses auf synthetischen NahrlOsungen, die der Frucht neben Mineralstoffen vor aHem Vitamine boten, zum Wachstum angeregt werden konnten. Es war sehr sparlich und bei weitem nicht mit demjenigen zu vergleichen, welches LETHAM (1958) an jungen, isolierten Apfelexplantaten erzielte, welche sich ebenfaHs auf WHITEschem Medium, aber mit Zusatzen von Cystein, Ca-pantothenat, Inosit, Biotin, 2,4-D und Kokosmilch befanden.

D. Diskussion Die vorliegenden Untersuchungen befa.6ten sich mit einer Erscheinung, die SORAUER (1886) als "Wollstreifigkeit im Apfelkernhaus" beschrieb. GRAEBNER Ubernahm 1921 diese Notiz fUr die Neubearbeitung des "Handbuches der Pflanzenkrankheiten", die 6. (letzte) Auflage (PFEIL 1934) enthalt nichts mehr als den Hinweis (S. 127), da.6 bei der "Wollstreifigkeit" der Apfel Beziehungen zu einem WasserUberschu.6 im Boden zu vermuten seien. Der letzte, der auf das Phanomen ausfUhrlich einging, war KUSTER (1925). Seitdem ist nie wieder darauf aufmerksam gemacht worden, obwohl, wie an Hand der vorliegenden Arbeit nachgewiesen wurde, die Erscheinung in jedem Jahr zu beobachten und keineswegs auf nur eine oder wenige Apfelsorten beschrankt war. Die "Wollstreifen" wurden in dieser Arbeit In tum e s zen zen genannt. Es fragt sich, inwieweit es berechtigt ist, sie als solche zu bezeichnen. Nach KUSTER (1925) sind Intumeszenzen Zellwucherungen, die nur an eng begrenzten Stellen auftreten und in der Regel von den Zellen des Grundgewebes ausgehen. Er beschrieb sie (1903) als Komplexe langgestreckter, schlauchformiger, dUnnwandiger Zellen. Beide Definitionen treffen fUr die "Wollstreifen" zu, da sie hypertrophierte, durch starke Vergro.6erung entstandene Zellen eines Grundgewebes, namlich des Fruchtmesokarps sind, wobei sich die hintereinanderliegenden Zellen zu schlauchartigen Gebilden anordnen. Blatter und Stengel sind Organe, an denen Intumeszenzen entstehen konnen (ATKINSON 1893, NOACK 1901, KUSTER 1903, 1925, McILRATH 1956), ferner die Rinde jugendlicher Zweige und BlUtengewebe (KUSTER 1925); nach KUSTER (1906, 1925) werden jedoch nahrstoffreiche Perikarpien bevorzugt. Da die" Wollstreifen" des Apfels ebenfalls die Innenseite des Perikarps besiedeln, war dies einer der Grtinde, sie als Intumeszenzen zu bezeichnen. Eine wichtige Tatsache spricht jedoch dagegen: Intumeszenzen sind hypertrophische Gewebe; Hypertrophien entstehen aber bekanntlich unter volligem Ausschlu.6 aller Zellteilungsvorgange (KUSTER 1903, SCHILLING 1915). Die Intumeszenzen des

182

L.

BERR

Apfelkerngehauses sind jedoch, wie die Untersuchungen gezeigt haben, vielzellig. Unter Beriicksichtigung dieser Tatsache diirften die "Wollstreifen" des Apfels nicht mehr als Hypertrophien, sondern miiBten als Hyperplasien, und zwar im Sinne von KUSTER (1925) als heteroplasmatische Gewebe bezeichnet werden!). Intumeszenzen zahlen bekanntlich zu den hyperhydrischen Geweben, d. h. zu solchen, "deren Entwicklung auf abnorm hohen Wassergehalt..... der Zellen zuriickzufUhren ist"; diese Zellen sollen "allzu reichlich Wasser aufnehmen und keine entsprechende Wasserabgabe betatigen konnen, .... " (KUSTER 1925). Vor allem sollen bisher all e Intumeszenzen bei abnorm hoher Dampfspannung der sie umgebenden Luft entstanden sein (KUSTER 1903, ferner NOACK 1901, SCHILLING 1915, McILRATH 1956). Diese Bemerkung war der AnlaB zu der wohlbegriindeten Hoffnung, die "Wollstreifen" des Apfels in den eigenen Experimenten nach Dbertragung in eine Feuchtkammer und auf reinem Wasser schwimmend zum Weiterwachsen zu bewegen. Wie die Versuche, die nach jeder Richtung variiert wurden, gezeigt haben, wurde diese Hoffnung zunichte gemacht. Deshalb machten sich schon damals berechtigte Zweifel geltend, inwieweit es zu verantworten war, die Kerngehiiuseanomalie des Apfels als Intumeszenz zu bezeichnen. KUSTER (1925) zahlt die "Wollstreifen" auf Grund histologischer und atiologischer Merkmale folgerichtig zum Kallus, d. h. zu den hyperplastischen Geweben. Er bestatigt damit die eigene Auffassung iiber die Natur der "Wollstreifen", d. h. die Bemiihungen, sie auf Grund ihrer Struktureigentiimlichkeiten, ihrer histologischen und ontogenetischen Merkmale zu beschreiben, systematisch einzuordnen und sie als Hyperplasie zu bezeichnen. Es ist jedoch schwer zu verstehen, weshalb KUSTER zu guter Letzt der Meinung ist, die "Wollstreifen" hatten "histologisch und atiologisch.... viele Eigentiimlichkeiten mit den Intumeszenzen (v. Verf. gesperrt), z. B. den des Leguminosenperikarps gemeinsam". GewiB ahneln sie dem Kallus~ gewebe; Kallus entsteht aber stets an Wundflachen, wohingegen sich die Intumeszenz erst durch ihre eigene Wachstumsfahigkeit die Wunde schafft. DaB letzteres fUr die "Wollstreifen" nicht zutrifft, sondern zuerst die Wunden (Endokarprisse) da sind, durch die dann (eventuell ausgelOst durch einen Wundreiz) die "Wollstreifen" hindurchwachsen, wurde auf S. 171 dieser Arbeit dargelegt. 1) Obwohl KUSTER das Fehlen jeglicher Zellteilungsvorgange als charakteristisches Merkmal der Intumeszenzen anffihrt, beschrieb er sie (1906) als fiber 1 mm lang werdend und aus 2 oder 3, selten noch mehr Zellen bestehend.

,-_.oil

I

Experimentelle Untersuchungen iiber die" Wollstreifen" des Apfelkerngehauses

183

Respektiert man die Au.6erung von KUSTER, da.6 die "Wollstreifen" des Apfelkerngehauses in vieler Hinsicht mit Intumeszenzen zu vergleichen seien, so wiirde sich der Kreis "Intumeszenz - heteroplasmatisches Gewebe - Intumeszenz" hier schlie.6en und damit die von vornherein vorgeschlagene und vorgenommene Eingruppierung der "Wollstreifen" in die hyperhydrischen Gewebe gerechtfertigt sein. Indessen liegt hier nur ein "circul'us vitiosus" vor, denn es stimmen, wie in den eigenen Ausfiihrungen dargelegt wurde, die "Wollstreifen" keineswegs histologisch, auch nicht ursachlich, mit hyperhydrischen Geweben tiberein. Vber die Entstehung der "Wollstreifen" wurde eingangs eine ausfiihrliche Hypothese aufgestellt. Durch zahlreiche mikroskopische Befunde gesttitzt, besitzt die dort gefa.6te Meinung tiber das primare Aufrei.6en des Endokarps und das nunmehr einsetzende Wachstum der "Wollstreifen" einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Der Auffassung von SORAUER (1886), da.6 die tippig wuchernden "Wollstreifen" durch ihre hochgradige Turgeszenz das noch junge Fruchtblatt dehnen, es schlie.6lich sprengen und sich dann, "von dem Druck befreit ..... schlauchformig in die Hohle des Kernhauses hinein verliingern", mu.6 entschieden widersprochen werden. Es wurde auch niemals beobachtet, da.6 eine Faulnis des Fruchtfleisches die Folge des sukzessiven Absterbens der zarten, dtinnwandigen "Wollstreifen" sei. Trat eine solche auf, so hatte sie bestimmt andere Ursachen, die zumeist auf bekannte Erreger pilzlicher Lagerfaulen zurtickgefiihrt werden konnten. Die Papillen hielt SORAUER (1886) fiir "Quellungserscheinungen einzelner Punkte einer feinen Zwischenlamelle". Die eigenen Untersuchungen hatten gezeigt, da.6 sie wohl Bildungen einer "Lamelle", jedoch einer Abschlu.61amelle waren, namlich der Kutikula der "Wollstreifen". Wenn sich nach SORAUER die Wande der letzteren in Chlorzinkjod mattblau, mitunter auch gelb farbten oder ungefarbt. blieben, so stimmte dieser Befund mit den eigenen Ergebnissen gut tiberein, ungefarbt blieben sie hier jedoch nie. Entweder bestanden sie aus Zellulose oder sie waren verkorkt und farbten sich dementsprechend blau bzw. gelb. Da.6 bei den sklerenchymatischen Elementen der "Wollstreifen" die "warzenartigen Verdickungen" meist gar nicht vorhanden waren, konnte nicht bestatigt werden, wiesen doch gerade jene dickwandigen Zellen mitunterdie gro.6ten Zapfen auf. Nach Fertigstellung des Manuskriptes wurde Verf. auf dieUntersuchungen von LETHAM (1958) aufmerksam gemacht, dem auf WHITE die Fortztichtung von Apfelfruchtgewebe nicht gelang. Dies widersprach den eigenen Erfahrungen, die an den" Wollstreifen" des Apfelendokarps gemacht Flora, Bd. 147

13

184

L.

BERR

wurden. Es sei jedoch noch einmal darauf hingewiesen, da.13 es sich hier um einen zwar nachweisbaren, jedoch nur sehr geringen Zuwachs gehandelt hat, welcher innerhalb einer Zeitspanne von 2 Monaten zustande gekommen war. Leider war es nicht mehr moglich, zum Wachstum der "Wollstreifen" dasjenige Nahrmedium zu verwenden (vgl. S.181), auf welchem LETHAM die Bildung gro.l3er Fruchtfleischwucherungen erzielte. Der Kokosmilch ma.13 er bei den Zellteilungsvorgangen erhebliche Bedeutung zu. Es wird schwer sein, sich ein klares Bild tiber die wahren Ursachen der "Wollstreifen"-bildung im Apfelkerngehause zu verschaffen. Da.13 ein abnormer, unzeitgema.l3er Wassertiberschu.13 einer der auslOsenden Faktoren ist (SORAUER 1886), kann nicht bestritten werden. Ob es jedoch richtig ist, auch eine "tiberma.l3ige Nahrstoffzufuhr.... au.l3er Zweifel" zu stellen (GRAEBNER 1921), mti.l3ten weitere Experimente entscheiden. Bei den experimentellen Arbeiten unterstiitzte mich die technische Assistentin Fraulein HELGA PETROLL, der ich hierfiir meinen Dank sagen mochte.

E. Zusammenfassung Die Erscheinung der "Wollstreifen"-bildung im Kerngehause der Apfel wird beschrieben, die Art und Weise ihrer Entstehung auf Grund histologischer Untersuchungen weitgehend geklart. Infolge der fortschreitenden Verholzung, die das Endokarp in der wachsenden Frucht erfahrt, rei.l3t dieses auf und ist Anla.13 zur Entstehung der "Wollstreifen". Es sind dies dichte Btischel schlauchartig verlangerter, mehrzelliger Gebilde, die aus den Zellen des Mesokarps entstehen. Die Wande junger "Wollstreifen" bestehen aus Zellulose. 1m Alter konnen sie an Dicke stark zunehmen, sie sind dann von zahlreichen Ttipfelkanalen durchzogen und geben Korkreaktion. Mitunter tritt auch Verholzung der Wande ein. Die Zapfen oder warzenartigen Verdickungen der "Wollstreifen"-Zellwande bestehen anfangs aus Zellulose, spater verkorken sie (Kutin), verholzen jedoch niemals. Es wurde versucht, die "Wollstreifen", ahnlich wie die Intumeszenzen der Leguminosen-Perikarpien u. a., in feuchten Kammern tiber Wasser, Glukose-, Saccharose- und verschiedenen Nahrlosungen zum Wachstum zu veranlassen. Dies gelang nicht. In einer Nahrlosung nach WHITE, die mehrere Vitamine enthielt, konnte nach Abschlu.13 eines etwa 2 Monate dauernden Versuches Zuwachs der "Wollstreifen" beobachtet werden. Die "Wollstreifen" wurden anfangs als Intumeszenzen bezeichnet, es sprechen jedoch mehrere Grtinde dagegen. Atiologischen und histologischen Befunden zufolge sind sie zu .
ExperimentelJe Untersuchungen iiber die" Wollstreifen" des Apfelkerngehauses

185

Literatur ATKINSON, (~. F., 1893. Oedema of the tomato. Cornell univ. agric. expo sta., Bull. 53, 77-108. - GI{\EBNEH, P., 1921. Die Wollstreifen im Apfelkernhaus, in: Handb. d. Pflanzenkrankheiten, begr. v. P. 80HAUER, 1, 4. Auf!., 421-424. - HABERLANDT, G., 1913. Zur Physiologie der Zellteilung. Sitzungsber. kiinigl.-preuB. Akad. d. Wiss. Berlin, 1. Halbband, 318-345. - DPfs., 1921. Uber Ausliisung von Zellteilungen durch Wundhormone. Ebenda, 1. Halbband, 221-234. - Ders., 1923. Wundhormone als Erreger von Zellteilungen. Beitr. Z. aUg. Bot., 2, 1-53. -- JANKE, A., 1946. Arbeitsmethoden der Mikrobiologie, 1, 2. Auf!., Dresden und Leipzig. - KUSTER, E., 1903. Uber experimentell erzeugte Intumeszenzen. Ber. deutsche bot. Ges. 21, 452-458. - Ders., 1906. Histologische und experimentelle Untersuchungen iiber Intumeszenzen. Flora 96, 527-537. - Ders., 1925. Pathologische Pflanzenanatomie. 3. Auf!. .lena. - LETHAM, D. S., 1958. Cultivation of apple-fruit tissue in vitro. Nature 182, 473-474. - McILRATH, W. 1., 1956. Cotton stem intumescences as a result of flooding. Plant dis. reptr. 40, 65--67. - MOLISCH, H., 1923. Mikrochemie der Pflanze. 3. Auf!. Jena. - XOACK, F., 1901. Eine Treibhauskrankheit der Weinrebe. Gartenflora SO, 619-622. - PFEIL, E., 1934. Ungiinstige Bodenverhaltnisse als Ursache fiir Pflanzenkrankheiten, in: Handb. d. Pflanzenkrankheiten, begr. V. P. SOHAUER, 1, 2. T!., 6. Auf!., 80-167. - RICHTZENHAIN, H., 1955. tTber die Frage der LigninKohlenhydrat-Bildung im Holz. Z. Pflanzenernahrung 69, 25-32. - SCHILLING, E., 1915. Uber hypertrophische und hyperplastische Gewebewucherungen an SproBachsen, verursacht durch Paraffine . .lahrb. wiss. Bot. So, 177-258. - SCHNEIDER, H., 'md ZIMMERMANN, A., 1922. Die botanische Mikrotechnik. 2. Auf!. Jena. - SORAUER, P., 1886. Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 2. Auf!., 1. 1'1., 295-298. - WHITE, P. R., 1954. The cultivation of animal and plant cells. New York. - ZETZSCHE, F., 1932. Kork und Cuticularsubstanzen. in: Handb. d. Pflanzenanalyse, herausgeg. V. G. KLEIN, 3, 2. T!., 1. Hiilfte, Wien.

Anschrift des Verfassers: Dr. L. BEHR, Phytopath. Institut der Martin-Luther-Universitat, Halle a. S., Ludwig-Wucherer-Str. 2.

13*