AUGUST SCHLEICHER UND EINIGE RICHTUNGEN DER HEUTIGEN SPRACHWISSENSCHAFT *)
Zu~ammen/assung ~¢~h_leichers Glottik beruhte auf dessen Auffassung der Sprache als Naturorganismus, welche sich, obwohl die Erkenntnis der Menschenbedingtheit der Sprache ihr den Boden entzogen hat, in den Ansichten de Saussures und seiner Epigonen noch auswirkt. Einen Durchbruch in dieser Auffassung bfldete die Stammbaumtheorie, die zu einer geschichtlichen, der Wirklichkeit entsprechenden Anschauung der Sprache ftihrte, wie sie tiber J. Schmidt und andere bci Schuchardt und tMrtoli auftaucht. Lautgesetzentheorie und Rekonstruktionsverfahren, die Schleicher auf der Grundlage der Naturorganismusauffassun~ ausbaute, werden dennoch, umgedeuta~t uncl nm~rI~eh+ ,~,~¢~o~w;~_ ,~enschaft ihren Charakter yon exakter Disziplin auch bei der geschichtlichen Anschauung der Sprache zu verleihen fortfahren. ~.s
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In seiner beriihmten Schrift fiber die Darwinsche Theofie und die Sprachwissenschaft 1) riihmte sich Schleicher aus den Btichern yon Botanikern und Zoologen gelernt zu haben, was Entwickelungsgeschichte sei: ,,Bei den Naturforschern kann man einsehen lernen, dass ftir die Wissenschaft nur die durch sichere, streng objective Beobachtung festgestellte Thatsache und der auf diese gebaate richtige Schluss Geltung hat; eine Erkenntniss, die manchem ~aeiner Collegen von Nutzen ware. Subjectives Deuteha, haltloses E~!ymologisieren, vage Vermuthungen ins Blaue hinein, kurz ",dles, wodurch die sprachlichen Studien ihrer wissenschaftlichen Strenge beraubt und in den Augen einsichtiger Leute herabgesetzt, ia sogar l~cherliich gemacht werden, wird demjenigen grfindlich verleidet, der sich auf den oben angedeuteten Standpunkt nfichterner Beobachtung zu stellen gclernt hat. Nut die genaue Beobachtung der Organisn~en und ihrer Lebensgesetze, nut die v611ige Hingabe an das wissenschaftliche Object soll !ie Grundlage *) Einer Einladung Herrn Prof. Reichling Folge leistend, ver6ffentliche ich hier in deutscher Uebersetzung einen Aufsatz, der in italienischer Sprache schon in ,,Paideia" IV (1949), 297B319 erschienen ist. Ein Paar Nachtritge in den Anmerkungen sind in eckigen Klammern gesetzt 1) Aug. Schleicher, Die Davwinsche Theorie und d~ie Sprachwissenschalt 3, 1873, S. 6. (Die erste Ausgabe ersehien 1863). 22
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auch unserer Disciplin bilden; alles noch so geistreiehe Gerede, das ]enes festen Grundes entriith, ist jedes wissenschaftlichen Werthes bar und ledig". Man kann sagen, dasses Schleicher gelungen ist dies Programm der Wissenschaf+!ichkeit ftir sich zu verwirklichen und es der Sprachwis. senschaft als Siegel aufzudriicken" welche auch die von dieser angenommenen Richtungen und Aussehen sind, unterscheidet sich unsere Disziplin sch~,rf von den anderen philosophisch-historischen Wissenschaften dutch eine Methodenstrenge, die sie den mathematisch. physischen nigher riickt. Diese ihre Eigenschaft schuldet sic eben Schleicher, der dex" sich tummelhaft dutch die gliinzenden Entdeckungen der ersten Sprachvergleicher ausbauenden Linguistik eine Methodik und eine Problematik schaffen konnte, zum Preis ihrer Abwendung yon der Ceschichte. ,,Die Sprachwi~senschaft"," sagte er in der Einleitung zu seiner Deutschen Sprache ~), indem er die Grenze zwischen die~er
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eine nat'arhistorische Disciplin. Ihr Object ist nicht das geistige V61kerleben, die Geschichte (im weitesten Sinne), sondern die Sprache allein; n~cht die freie Geistesthiitigkeit (die Geschichte), sondena die vonder Natur gegebene, unab/inderlichen Bildungsgesetzen unterworfene Sprache, deren Beschaffenheit eben so sehr ausserhalb der Willensbestimmung des Einzelnen liegt, als es z.B. der Nachtigall unm6gllch ist ihren Gesang zu/indern, d. h. das Object der Glottik ist ein Naturorganxsmus". Die Idee, dass die Sprachen Naturorganismen seien, war keineswegs neu" mar,. kann sagen, dass diese Anschauung auI jene antiken Denker zuriickgeht, die glaubten, dass die Spraehe q~6octsei und sie daher dem menschlichen Wille absprachen (sie dachten aber nur an die Ursprtinge, nicht an die sp/itere Entwicklung, wovon sie keine klare Vorstellung besassen) ; und in den ersten Dezennien des XIX. Jahrhunderts taucht die Auffassung der Sprache als etwas an sich, ausser der sie sprechenden Mensclaen L e b e n d e s - eine Auffassung, die besonders von den Sen*) Aug. Schleicher, Die deutsche Sprache s, 1874, S. 120. (Die erste Ausgabe erschien 1859). Die Behauptung, dass nicht die Geschichte, sondern nut die Sprache der Gegenstand der Sprachwissenschaft ist, kehrt im beriihmten Satz wieder, womit de Saussures Cours de linguistique gdndrale schliesst" ,,Lalinguistique a pour unique et v6ritable objet la langue envisag6e en elle m~me et pour elle-mSme".
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sisten der voraufgehenden Zeit bekitmpft worden war in der romantischen Terminologie wieder auf und wir linden sie bei Linguisten ~4e Fr. Schlegel 3) und Ft. "Bopp. Auch Max MtiIler in seinen Vorlesunget, fiber die Wissenscha/t der Sprache vom Jahre 1860 behauptet, dass diese eine Naturwissenschaft ist, und unterstreicht emphatisch 4) die Unabhiingigkeit der sprachlichen Evolution vom Willen der Menschen. Niemand aber hatte bisher wie Schleicher beteuert, dass ,,die Sprachen Naturorganismen sind, die, ohne vom Willen des Menschen bestimmbar zu sein, entstunden, nach bestimmten Gesetzen wuchsen und sich entwickelten und wiederum altern und absterben" 5), und aus dieser Definition eine Reihe theoretischer und praktischer Folgerungen gezogen. Grundlegend unter diesen Schlussfolgerungen ist, dass die Sprache als Naturorganismus, sogar als der au~ lautlichem Stoffe gebildete hSchste aller Naturorganismen 6), sich in fortw/~hrender Entwicklung befindet und diese Entwicklung nach bestimmten Gesetzen stattfindet, die zu formuiieren nStig ist. Und diese Gesetze sind die sogenannten Lautgesetze, die sich au*. der Beol:,achtung griinden, dass in zwei aufeinanderfolgenden Perioden einer sprachlichen Ueberlieferung ein Laut oder eine Lautgruppe bei gleichen Umst~inden denselben Ver~.nderungen in den verschiedensten Worten, die ihn, bzw. sie enthalten, unter~vorfen ist" z.B. ist lat. c vor a i m Anlaut zu franz. ch geworden, vgl. char champ cher chien ch~vrc chose usw. aus carrus campus carus canis capra causa usw. Fiir Schleicher besteht sogar der Sprachwandel iiberhaupt in den Lautgesetzen, die die W6rter einer best/indigen Abnutzung, besonders in den End ~g~n unterwerfen, und damit es notwendig machen, die EndungeT~ ,lurch Komposition zu emeuern (z. B. it. /arb 'ich werde machen' au.,;/acere habeo) oder sie dutch Umschreibungen zu ersetzen (z. B del padre start patris) 7); nur in zweiter Linie weist er auf die Analogie, wonach schwach vertretene morphologische Kategorien yon anderen bes,;er vertretenen ersetzt werden, und auf die Verei~lfachung solcher Kategorien (z. B. der Bes) Vgl. B. Terracini, Guida allo studio delia lin~,uistica storica, I. Profilo storico-critico, 1946, S. 16. 4) Max Mtiller, Letture sopra la scienza del i'inguaggio, traduz, di G h e r a r d o l~Terucci, 1864, S. 38. s) Die Darw. Theorie, S. 7. *) Die d. Sprache, S. 33. ~) Die d. Sprache, S. 67.
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seitigung des Duals) hin. Abet diese Kr~ifte, die sich letzten Endes aus einer Neigung des Menschen nach Bequemlichkeit und Ersparung des Muskelt~itigkeit 8) erkl~iren lassen, und denen das Sprachgeffihl, n~imlich das,,Gefiihl fiir die Function der einzelnen Elemente des Wortes" 0) einen wirksamen Widerstand entgegensetzen kann, haben nur mit dem Eintritt des Menschen, besser der einzelnen VSlker in die Geschichte zu wirken angefangen: aus der richtigen Beobachtung, dass sich in geschichtlich bewegteren Zeiten die Entwicklung einer Sprache rascher vollzieht, hat Schleicher seine Theorie entnommen, wonach sich in vorhistorischer Zeit die verschiedenen Sprachen der Menschheit ausgebildet haben und dabei eine grSssere oder inindere Vollkommenheitsstufe erhielten (er unterscheidet drei Stufen: isolierende, agglutinierende und flektierende Sprachen), w~ihrend zusammen mit dem Eintritt in die Geschichte der Ausbildungsprozess, nunmehr ffir aUe Zukunft aufgehalten lc), vom Verfallsprozess, der eigentlich Verlust der ,,lautlichen Integrit~it" 11) ist, abgelSst wird. ,,Sprachbildung und Geschichte" sagt Schleicher ,,sind sich ablSsende Th~itigkeiten des Menschen, zwei Offenbarungsweisen seines Wesens, die nie zugleich stattfinden, sondern von denen stilts die erstere der zweiten vorausgeht" 1~), und genauer ,,in Sprachbildung und Geschichte... offenbart sich das We~en des Menschen und das jedes VSlkerstammes insbesondere... Sprache und Geschichte eines Volkes zusammen geben den Begriff seiner Nationaht~it. Derselbe Geist, der in seinem Gebundensein an den Laut die Sprache bildete, derselbe wirkte in seiner Freiheit die geschichthche En twicklung. Daher kommt es, dass zwischen Sprache und Geschichte eines Volkes ein unverkennbares Band gekniipft ist" ~3). Es sind das Ideen, die, wie jedermann sieht, bekannte Prinzipien Hegels, dessen Anh~inger Schleicher war, weiterentwickeln, gleichzeitig abet, ,venn auch gewaltsam sie zwingend, Humboldts Vorstellung yon der SprachschSpfung seitens dcr Nationen aufnehmen. Nachdem er solcherweise eine Theorie aufgestellt hatte, wonach die Sprachver~inderungen wie alle Naturgesetze nach absolu~en Gesetzen 8) Die 9) Die lo) Die 11) Die 12) Die •l~) Die
d. d. d. d. d. d.
Sprache, Sprache, Sprache, Sprache, Sprache, Sprache,
S. 50. S. 63. S. 36. S. 36.
S. ~,5. S 36 f.
341 stattfinden, b e t m c h t e t e es Schleicher als Aufgabe des Sprachforschers die Entwicldung der verschiedenen Sprachen zu studieren, da die Ver~nderungen das eigene Wesen der Natu:rorganismen ausmachen, welche wit erst dann ~ n d l i c h kennen, sagt er, Ms wit die Summe ihrer Veriinderungen kennen t4). Nun, da wit das Latein kennen, ist es fiir uns m~glich die zwischen diesem und einer romanis~hen Sprache wie dem Italienischen oder dem Franz~sischen liegende (~eschichte wiederherzustellen: wir haben doch keine direkte KeDntris der Sprache, die den Ausgangspunkt ffir Latein, Griechisch, Sans~ilt usw. bildet, und die Schleicher Indogermanisch nannte. Gerade Oie Tatsache, dass wit aus der Vergleichung der Laute in den abgeleiteten Sprachen die Laute der Muttersprache erschliessen und das fes~e Verhiiltnis bestimmen k6nnen, das den Lautgesetzen zufolge zwischen diesen und jenen be"-'- - - wozu ~oemerKt :-~- ~ovia~ltc - - -'-- :~-~ stent . . . . ~ x weruen "~ -,~ou, " dass jtue /iil~ eigenen Lautgesetze hat, denn sonst wtirde es keine Differenzierung gegeben haben t,) _ _ gerade diese Tatsache erlaubt uns die Muttersprache, insofern ihre Elemente in den abgeleiteten Sprache:i noch fortbestehen, zu rekonstruieren" so z. B., da nach Schleicher ein ur~prachliches a im Sanskrit a, im Griechischen s oder o, im Latein c o d e r o ergeben hat, die Gruppe kv zu 9v, resp. m~ und qu geworden, ein auslautendes s ~berall geblieben ist, erschloss er aus dem Vergleich der 'Pferd' bedeutenden W6rter, n~mlich skr. arras gr. (~:o¢ lat. equos die i,,dogermanische ,,Ur"form akvas 'Pferd' Schleicher blieb aber nicht bei dieser Re~:~o~struktion stehen, die, was die Methode betrifft, ungeffihr die noch heute geiibte ist. Das Indogermanische, wozu uns die Vergleichung fiihrt, war nach il~m aus einem ursprtinglicheren Zustand, demjenigen n~mlich, wo die Sprache i~hre Vollkommenheit erreicht hatte, schon weiter entwickelt. Daher, sagt Sc]fleicher, ,,hat die wissenschaffliche d~rstellung der indogertaanischen declination [und das gilt fiir die g:~nze Flexion] die aufgabe die im vor ligenden stande der sprache enge verwachsenen elemente wider auf zu 16sen; mit anderen worten, sie muss die ~lteren und ~iltesten formen wider her stellen, auss denen die sp~teren erwachsen sind. Nur so kiSnnen die casusformen klar g efasst werden. So ist z.b. der instr, pl. varkais [den Schl. aus dem Vergleich von lat. lupus gr. x4) Die Darw. Theorie, S. 9 f. xs) Die d. Sprache, S. 58.
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~6×o~¢ skr. v.rkais usw. erhielt] entstanden auss varkabhis, und diss varka-bhi-s wol auss 21terem var-ka-bhi-sa; vark ist die wurzel, vavk.a. der nominalstamm (wolf), -bhi- das casussuffix, -sa das pluralzeich~n. Urspriinglich relchte vark aUein fiir alle beziehungen auss; scdann traten ar dise w. vark als n~ihere bestimmungen die anderen warzeln an, die endlich mit der selben und unter sich enge verwuchsen" ~e). Bekanntlich sind fiir Schleicher, der darin Bopps Theorie fortsetzt, die bildenden Elemente, Suffixe n~imlich und Endungen, nichts anderes als alte, meistenteils pronominale Wurzeln, die beim Uebergang der Sprache yore isolierenden zum agglutinierenden Stadium zum Rang morphologis,:her Besfandteile des Wortes herabgesunken sind. So z.B. steUt eine re:~.~nstruierte Form wie -bharas [woher lat. -/er in li~ci-/er usw.! die Zusan~menschmelzung eines ~ilteren bhar-a-sa dar, wo ,,bhar die wurzel . . . . . . i.qt . . .rnif der function ""'~"""'" ~',~s~,,, a ist ein determinierendes pronominales element, bier den t~iter bezeichnend; sa ist ein demonstrativ, das belebte genus im nominativ an deutend" ~7). Die angedeutete Theorie einmal gegeben, n~Jnlich class das Sprachleben aus einer vorhistorischen Ausbauperiode, worin die Lautgesetze keine Wirksamkeit haben, und einer historischen Verfallspefiode besteht, k6nnen wir den Schluss ziehen, dass Schleicher, nachdem er den vollkommenen Zustand wiederhergestellt und analysiert hatte, die Vorgeschichte des Indogermznischen (und das war, wenigstens in der Theorie, auch fiir andere 5p:achfamilien m~iglich) zu kennen meinte seit den ersten Anf/ingen des Sprechens in jener Menschengruppe, in der diese Sprache entstanden ist; denn er dachte, dass die yon den verschiedenen Sprachfamifien (Indogermanisch, Semitisch, Ugrofinnisch, Chinesisch usw.) vertretenen Sprachtypen unabh~ingig yon einander in verschiedenen, jeder ffir sich aus unteren Gattungen entwickelten Menschengruppen entstanden sind. Die Unterschiede zwischen den Sprachtypen wiirden sich aus diesem verschiedenen Urspru~ g erkl~iren, der nicht nur die Ursache, dass die anf~ngliehen onom~ top/iischen Monosyllaba und somit die Wurzeln des isolierenden Zustaads, woher die vollkommeren Zust~inde entwickelt sind, yon ]eher unter sich verschieden waren, sondern auch die Determination tier sp~iteren Sprachtypen ist. Als er n/imlich fiber die Unterschiede spricht, die zwischen la) August Schleicher, Compendium der vevgleichenden Crvammatik der indogermanischen Sprachen a, 1871, S. 497 f. (Die erste Ausgabe erschien 1861). I~) Compendium, S. 496.
343 den Sprachen der ersten Menschen bestehen sollten, behauptet Schleicher I,), dass sie ,,nicht bloss im Laute zu Tage traten, sondern beruhten vor aUem auch darin, dass yon Anfang an eine verschiedene Entwickelungsf~igkeit in den Sprachen vorhanden war; die eine trug die Potenz zu h6herer Ausbildung in sich als die andere, obgleich die F o r n aUer Sprachen ursprtinglich dieselbe gewesen sein muss, wie z. B. d,~r Same der elendesten einfachen Aster dermassen demjenigen der prachtvollsten geffillten Riesenaster gleich ist, dass nicht einmal der beste Botaniker sie voneinander tmterscheiden kann, und dennoch ist in diesen scheinbar v611ig gleichen Objecten die ganze kiinftige verschiedene Entwickelung an sich schon enthalten". Damit deutet Schleicher auf seine, yon ihm in einem Aufsatz tiber das ,,Ansichsein in der Sprache" ~9) gcnauer entwickelte Theorie hin, die, ohne viel!eicht yon deren Ursprung zu wissen, Meillet wieder eingefiihrt hat, wo er von Convergence des ddveloppements linguistiques spricht s0), und die im so oft angewendeten Begriff yon Tendenz zum Vorschein kommt. Doch glaubte Schleicher zu sehen, dass die verschiedenen Typen, auch wenn in verschiedenen Sprachfamilien vertreten, geographisch gruppiert sind und dachte ~1), dass dies v o n den Raumbedingungen abhing, worin die Ursprachen entstanden und aufgewachsen waren : eine Einzelheit, die ganz genau im Rahmen des Schleicherschen Determinismus passt, die abet, ich weiss nicht ob ~:~fallig, eine Meinung Epikurs wieder aufnimmt o~). Sein Rekonstruktionsverfahren grfindete Schleicher, ausser auf den Lautgesetzen, auch auf der ;og. Stammbaumtheorie, welche die Bildung der Einzelsprachen at~s der Muttersprache betrifft. Indem er aus der Auffassung der Sprache als Naturorganismus a u ~ n g , kntipfte Schleicher an dern yon Darwin und dessen Vorl~u~ern vor den andern Zoologen und Bot anikern erzielten Fortschritt an, wenn diese ein Leben nicht nut den Individuen, sondern auch den Arten und Gattungen zuschrieben, die allm~ihlich geworden sind und Ver~inderungen nach bet,) Dis d. Sprache, S. 41. 19) ,,Beitr~ge zur vergleichenden Sprachforschung" III, 186.3, S. 282 ff. 20) Antoine Meillet, Linguistique historique et linguistique gdndrale 2 1927, S. 61 If. ,1) Die d. Sprache, S. 44. **) Diogenes Laertius X 75, p. 284 E; vgl. V. Pisani, L'etimologia, 1947, S. 24.
344 stimmten Gesetzen unterworfen wurden, und meinte, dass aus der urspr/inglichen indogermanischen Sprache, dank dem Zuwachs und sich Ausbreiten des sie sprechenden Volkes und den verschiedenen Ver~ndemngen, denen sie daher in den verschiedenen Gegenden ausgesetzt war, zwei oder mehrere Sprachen entstanden, davon aber nur zwei am Leben blieben, und deren eine jene war, die sich daraufhin auf gleiche Weise in Germanisch und Lituslavisch spaltete; die andere dagegen erzeugte einerseits das Arische, woher sp[iter das Indische und Iranische entstunden, andererseits eine Sprache, worauf Griechisch, Italisch und Keltisch zuriickgehen. Dann spaltete sich jede dieser Sprachen aufs Neue, z.B. das Germanische in Nordisch, Deutsch und Gotisch, da:~ Deutsche in Hoch- und Niederdeutsch und so fort zs). Das i'ekonstruktive Verfahren muss daher nicht, z. B., ein lateinisches mit einem neud~utschen und einem Sanskritwort vergleichen, sondern diese, m~giichst durch den Vergieich mit ~Lhniichen Formen aus anderen Zweigen der einzelnen Abteilungen, jedenfaUs die yon den Lautgesetzen verursachten Ver~zlderungen riickw[ixts verfolgend, auf die jewefligen vorangehenden Phasen zuriickfiihren, so die lateinische aui die italische, dann auf die griechisch-italisch-keltische, welche mit der arischen Form verglichen werden kann, worauf das Sanskritwort zuriickgeftihrt worden ist: somit erh~t man die Form h~ einer der zwei Sprachen, worin sich die Muttersprache gespalten hat, welche zusammen mit der Form der anderen Sprache, wozu man vom Deutschen aus dutch das Germanische gelangt sein wird, die gesuchte indogermanische Urform zu erschliessen erlaubt. Auf diese Weise hatte Schleicher der Sprachwissenschaft ~ und besonders der indogermanischen Sprachwissenschaft--eine solide Problematik und Methodik geschaffen. Die Problematik rei~hte yon der Erforschung der Anf~nge des Sprechens bis zur Wiederherstellung der Muttersprache einer Sprachfamilie und zur langen Geschichte, die yon dieser bis zu den daraus abgeleiteten, ~ogar den neuesten reicht; die Methodik zwang den Forscher, der sich rrit dcm Werden der Sprachen befasste, lfings der festen Geleise der Lautgesetze die yon den verglichenen Formen schon durchwandelten Wege zuriick durchzulaufen und machte somit phantasiereichen und sogar gl~kuzenden, aber der Geschichte wenig treuen Spekulationen ein Ende. sa) Die Darw. Theorie, S. 15 f.
345 Ich habe so ausfiihrlich die Schleicherschen Theorien behandelt, well sie, wenn auch durch aUerlei Reaktionen, die Entwicklung der Sprachwissenschaft ebenso in der Theorie als in der Praxis bestimmt haben und daher uns gewisse heutige Richtungen dieser Disziplin verstehen helfen werden. Das Interessante dabei ist, dass was den Schlussstein des Schleicherschen Systems bildete, n~imlich die Auffassung der Sprache als Naturorganismus, l~ingst und at:.f immer untergegangen ist. Schon Whitney in seinen zwei haupts~ich'~ich gegen Max Mtilier gefichteten Bfichern fiber die Sprache 24) hatte behauptet, dass diese nicht in die Naturerscheinungen gehSrt, vielmehr eine gesellschaftliche Institution ist; und die Junggrammatiker, die um 1880 die Ergebnisse der yon Schleicher (t 1867) und seinen Zeitgenossen kodifizierten Sprachvergleichung umsttirzten, sahen richtig ein, dass die Sprache yon den Menschen gemacht wird, ia dmas sie nut in den Sprechakten der Ehlzeimenschen existiert. Hier l:,eginnt aber die Geschichte eines langen Ungemachs in der vergleichenden Sprachwissenschaft. Dieselben Junggrammatiker hatten yon Schleicher die rekonstruktive Methode und damit die Stammbaumtheorie und die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze geerbt. Nicht nut, abet, wenn jener v,~ral~ssetzte, dass solche 6esetze, als Naturgesetze, keine Ausnahme duldeten, doch in der Praxis stillschweigend Abweichungen zuliess, bek~impft¢.~~ diese jede l~issige Deutung der Lautgesetze und erhoben zum Do!.:r~a die Ausnahmslosigkeit mit unbestreitbarem Gewinn der Methode, v
346 eine notwendige Folge der Schleicherschen Sprachauffassung, doch
schien sie derjenigen der Junggrammatiker gerade entgegengesetzt; und diese, auf der $uzhe einer theoretischen Rechtfertigung ihres Pfinzips vom Sprachgeselz, fanden ihn in der Physiologie, auch hier einem Winke Sch]~ichers f,flgend, wonach die Phonetik die Sprachwissen. schaft mit Anatomic and Physiologie eng verbindet, und die Natur der Laute und ihrer Ver~inderungen nur dann verst~dlich ist, wenn man die T~itigkeit unserer Lau~:organe beim Hervorbringen derselben genau kennt 26). ,,Jede lautliche neigung" schrieb K. Brugmann ira J ahre 1879, ,,welche in einer Sprache aufkommt, wirkt b 1 i n d . . . . Man hat zu erwarten, dass allemal der g a n z e sprachstoff, der yon den sprechenden den sprachorganen unterworfen wird und demgem~iss zur a u s s p r a c h e kommt, von dieser rein mechanischen 'lautnei~ang' CL~,,,,LCU wc~u~, vvenn also z.o. eine reihe von individuen in einem bestimmten zeitpunkt ein r, welches sie bis dahin regelm~issig dental ausgesprochen haben, in ein gutturales r verwandeln.., so nimmt diese bewegung nicht bei einzelnen bestimmten w~rtern ihren anfang, so dass, was zuerst nur fiir diese einzelnen bestimmten w~Srter gilt, erst allm~hlich auch auf andere w~rter iibertragen wird, sondern die be,,vegung beginnt b e i d e n s p r a c h o r g a n e n selbst, und Inan hat zu erwarten, dass jedes bis dahin dental gesprochene r .... wenn es die sprachwerkzeuge passiert, die ab~nderung erf~hrt" (die Sperrungen wie in Brugmanns Text). Es ist nicht notwendig, dass wit hier haltmachen um zu zeigen, dass die Wirklichkeit das gerade Gegenteil ist, dass die Ver~.nderungen sich durck Einzelw~3rter im Innern einer Sprachgemeinde verbreiten, wie die Beobachtung der Tatsachen gezeigt hat, und was bier Brugmann sagt, nur ffir ein Individuum stattfinden kann, dem eine Krankheit oder ein Zufall wie z. B. ein furchtbarer Faustschlag pl6tzlich einen Teil des Mundes entstellt hat' was wir hier unterstreichen m6chten ist, dass die Junggrammafiker, auf der Suche eines N a t u rprinzips, woran sie die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze anknfipfen k6nnten, dem Schleicherschen Mythus des Naturorganismus denjenigen der Physiologie des Mundes und der anderen Lautorgane substituiert haben, ohne doch zu sagen, wie denn in A--.~..~" gg . . . . . . .
-1 A
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1_
Gebiete der indogermanischen Sprachen, I, 1878, S. X I I I und Brugmanns unten angefiihrte Worte. 26) Die d. Spmche, S. 126. s~) ,,Zeitsehrift ftir vergleichende Spraehforsehung" XXIV, I87% S. 4.
347 emer Sprachgemeinde ungef~.hr dieselben Laute ausgesprochen werdeu (da ja ein SF.rachforscher, wenn er vom l oder r einer gegebenen Sprache redet, die genauen Verwircklichungen dieses Lautideals in jedem Sprechakt eines jeden Sprechenden nicht beobachtet) ungeachtet der grossen Un,t:erschiede in den physiologischen Z~igen der zu jener Sprachgeme!inde gehSrigen ~ndividuen, and wie denn eine Gruppe yon Menschen, die bis zu einem gewlssen Tage ein dentales r ohne Schwierigkeit ausgeswochen hat, nun plStzlich ihre Laltorgane entstellt haben muss, dass diese sie 2: w i n g e n, statt des alten dentalen ein gutturales r hervorzubringen! Die Junggrammatiker haben nicht daran gedacht, dass, wenn d~!,e Physiologie, ausser fiir die individuelle Aussprache, auch fiir die Ver~nderungen, die solche Aussprache in der beziiglichen Norm der anderen Teilnehmer an der Sprachgemeinde hervorruft, verantwortlich sein k a n n (nicht: muss!), sie uns das Aufkommen einer Ver~nderung in der g a n z e n Sprachgemeinde nicht erkl~en kann, oder h6chstens vermag ,.sie uns zu sagen warum die in einem Individuum aufgekommene \'er~nderung leicht von anderen Individuen, die gtinstige physiologische Anlagen besassen, nachgebildet werden konnte. Wir werden sp~iter sehen, zu welchen Ergebnissen man ge!angen kann in be2!ug auf die Laut~>~,.~zfrage. Gegenwartig wollen wir die Entwicklung der Schleicher> i~,~n Ideologie betreffs des Begriffs yon der Sprache verfolgen: was vo~ ausserster Bedeutung ftir die Sprachwissenschaft ist, sei es vom thco~etischen StandpunkL aus, well es sich ]a darum handelte, den Gegenstand selbst der \Vi:;s~-~chaft zu bestimmen, sei es vom praktLchen Standpunkt aus, da man ja in der Sprachwissenschaft, ganz besonders in der vergleichenden, gew6hr, lich mit Sprachen, nicht mit einzelnen Sprechakten operiert" die ZerstSrung des Schleicherschen Mythus drohte diesen Wesenheiten, den Sprachen, worauf die Lingui,.;ten ihre Spekulationen aufbauten, jede Grundlage zu e n t z i e h e n .
W/ihrend die Junggrammatiker, wie wit sahen, den Ausgangspunkt der Sprache ins Individuum legten abet, mit ihrer absurden Auffassung eines yon physiologischen Gesetzen, die fiir ganze Gruppen von Sprechenden gleich waren, beherrschten Werdens den Begriff Sprache unver/indert beibehalten konnten, da ja ftir sie, wie schon fiir Schleicher, das sprachliche Werden yon wesentlich lautlicher Natur war, suchte de Saussure das ,,verlorene Paradies" mit der scharfen Schei-
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dung zuriickzugewinnen zwischen der individuellen $precht~tigkeit, die er parole nennt und deren Studium er der Stilistik, d. h. der Philologie iiberl~isst, und dem gesellschaftlichen Ph~inomen der Sprache (einem schon von Whitney vertretenen Begrift), das den eigentlichen Gegenstand der Sprachwissenschaft ausmacht. Diese Teilung der Aufgaben geht auf Sch]teicher zuriick, dessen Sprachauffassung mit ihren wesentlichen Ziigen in jener de Sanssures und der auf diesen sich berufenden franz~sischen Schule, besonders MeiUets, unter d~r soziologischen Maske wiederkehrt. Ohne sich zu fragen, welche Tatsache sich unter dem Begriff von Sprache verbirgt, geht Meillet mit den Sprachen als mit gut definierten, untereinander undurchdringlichen Wesenheiten urn, wie das schon Max MiiUer behauptet hatte, der jedoch - - man muss das zu seiner Rechtfertigung hervorheben w yon einer Naturauffassung der Sprache ausging ~s). Diese Auffassung der Sprachen als gut definierter Wesenheiten ging auf de $aussure zuriick, der das System yon Gegens~tzen und gegenseitiger Bestimmung richtig erkannt hatte, wonach eine Gruppe an sich gleichgiiltiger Schallerscheinungen (es ist kein Grund vorhanden, warum kane eher ein Tier [ital. cane] a!s eine Ermunterung zum Singen liar. cane.] oder ein Gef~ss [dr. Kanne] bedeuten muss) Zeichenwert erh~ilt. Indem sie aber das System mit denjenigen Mythologemen gleichstellten, die die Natio:aalsprachen wie Italienisch, Franz6sisch usw. sind oder besser, indem sie es stiUschweigend zur Grundlage der Betrachtung solcher My~hologeme als Tatsachen nahmen, glitten de Saussure und seine Schiller dariiber hinweg, class jede Spracherscheihung, daher auch jeder Spreehakt in sieh ein System schliesst, das, wenn es auch oft im GJamde demjenigen anderer Teilnehmer an derselben Sprachgemeinde gleich ist, nichtsdestoweniger besagter Erscheinung eigen, ja ausschliesslich eigen ist. Der Stil eines Malers yore Quattrocento kann demjenigen vieler seiI~er Zeitgenossen sehr ~ihnlich sein" aber wenn wir von einem Stil der M:;derei jenes Jahrhunderts sprechen, indem wir an alle in den SchiSpfimgen jener Maler wiederkehrende gleiche Ztigen denken, dann haben wir deswegen niclht im Gedanken etwas Aeusserliches, eine Wesenheit 'Stil', die eiv_.autonomes Dasein im Gegensatz zu den verschiedenen Kunstwerken besitzt, sondern ~ind dessen bewusst, dass die Aehnlichkeiten nut insofern 2s) Lett'are, S. 73 f.
349 stattfinden, als jeder Maler, um seine kfinstlefische Absicht zu realisieren, Ausdrucksmittel ins Werk gesetzt hat, die er aus vorhandenen eigenen oder fremden Werken entnommen und bei jener Realisierung durchgear'tmitet hat. Wie dem auch sei, wenn die in der desaussureschen Linguistik dem synchronisehen System erteilte Bedeutung diese praktische Anwendung erhalten hat, die man auftauchen sieht in den verschiedensten Versuchen eine Wesenheit Sprache autonom und den individuellen Sprechakten entgegengesetzt hinzustel!en, zuletzt in G. Nencionis interessantem Buch ldealismo e realismo neIla scienza del linguaggio 29), so fiihrte sie auch zum Studium des Systems als solchem, unabhgngig yon jeder diachronischen, d. h. geschichtlichen Voreingenommen_.b_..d~ns .... mlt" der ,~c,c,,,c,te heir und daher yon }edem Ge ,,n ~ ~;n r-~,-:-~ , in voiier Ausfiihrung des Programms, das de Saussure der Sprachwissenschaft vorgehalten hatte, sich mit der Sprache und nur damit zu beschMtigen. Daraus entsteht die P h o n o 1 o g i e Trubetzkoys und der Prager Schule, die uns gelehrt hat in jedem Lautsystem eine Reihe Gegens/itze und wechselseitigec Begrenzungen von Ideallauten, davon die Laute der einzelnen Sprechakte praktische ~'erwlrkhchunge sind mit unendlichen Spielarten im Inneren einer Sphere, deren Grenzen nut yon dem Verbot, die Grenzen einer anderen Sph/ire zu tiberschreiten, bestimmt sind; und weiter der 5 i~r u k t u r a 1 i s m u s Br6ndals und der Kopenhagener Schule, welcher in der Suche eines aUgemeinen morphologischen Schemas ffir jeden linguistiscbcn Ausdruck an die Grammaire g6n6rale des XVII][. Jahrhunderts efinnert und dabei dieselben 6efahren wie andere Gelehrte, z. B. Marry l~uft, n~mlich abstrakte, der sprachlichen Verwirklichung vorausgehende Schemen zu schaffen, w~hrend jede Sprache oder besser ieder einzelner Sprechakt s,_m ~" eigenes System immer yon Neuem schafft. Wenigstens ging was Meillet !,ingtfistique g~n6rale nannte, die unter ihren F6rderern den Phonetisten Grammont und ausserhalb Frankreichs Jespersen z~ihlte, yon den Tatsachen der geschichtlichen Sprachen aus, um aus den diesen allen innewc,hnenden Tendenzen eine Theofie zu erhalten" auch sie gelangte iedoch zu einem abstrakten Schematismus, der demjenigen der Kopenhagener Schule pr~iludiert, z. B. in diesen Worten Meillets" ,,A la morpholo~e g~nfirale, il faudrait une terminologie propre qui en ferait T
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~9) Florenz 1946; vgl. ~,Paideia" II, 1947, S. 159.
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S50 apparattre le ca_xact~re tout abstrait" w). Es ist fibedlfissig zu sagen, d a ~ die Suche nach best~digen Tendenzen, die wit bei M~llet trod Grammont u. a. finden, oder nach allgemein~ Prinmpien wie dem~enigen der geringsten m~glichen Au~rengung und ~ r m/~glic~ten Deutlichkeit, ~ e nach Jespersen (welcher an ~ t n e y und ~elen andern axdmiipft) den Aufzug des sprac~chen Werde~ a ~ a c h t 3I), neue Sch~sslinge sind von Schleichers und Max M~lers N aturge~tzen. Dutch de Saussure werden wir andererseits auf Schleicher zurfickgeffflart als Forscher nach dem Ursprung yon Muttersprachen ~ie deu~ Indogermaniz~hen, worauf sich iibligens solche Forschungen beschr~y~ken, wenn man die sp~iter zu besprechenelen Versuche M~llers und Cunys ausnimmt. In der $chleicherschen Ideologie, die sich aui der Aufi~sung der Sprache als vor dem Eintritt in die Geschichte entstandenem Naturorganismus gr~ade:e, war diese Forschung, ~-ie ~ir gesehen haben, legitim; der neue, von den Junggrammatikern ~ d fiberhaupt yon der sp/iteren Linguistik angenommene Gesichtspunkt nahm ihr den Boden weg, und mit Recht verzichteten die Junggrammatiker auf solche Spekulationen, die sie als Gl3ttogonie brandrnarkten. In der Tat, wie konnte man daran denken, die Anf/inge einer gegebenen Sprache zuriickgewinnen, als der Schleichersche Mythus der Herausbildung des Naturorganismus bereits untergegangen war ~tnd jeder sprachliche Zustand nunmehr als ein D lrchgangszustand erschien, zwischen denen, die vorausgegangen urd denen, die gefolgt sind, gleich in Wfirde jenen und diesen, da sie a~le das Ergebnis eines fortw/ihrenden Sch6pfungsprozesses waren ? Wahrlich hatte de Saussure nicht beansprucht die Ursprfinge des Indogermanischen wiederzufinden. Es will doch ~;,n beriihmter Mgmoire sur le syst~me prim#i/ des voyelles (1879), welcher auf dem in allen Werken des C,enfer (]elehrten t/itigen Systemsgeist begrtindet ist, aus Altemationen wie yon terund tr in lat. renter ventris oder yon es und s in est sunt, weiter yon e undo in tego toga einen ursprfinglichen Zustand wiede,:gewinnen, der solehen Alternationen vorausgegangen sein sollte; und wenn Hirt, in eigenem Auftrag diese Forsehungen vorwfirts fiihrend, zu einem systematischen Versuch gelangt ist, die Vorgesehichte der idg. Flexion so) Linguistique historique et linguistique ggndvale, II, 1938, S. 35. sl) Otto Jespersen, E//icienc.y in linguistic gkange, 1941. Vgl. Terraciini, Guida, S. 99.
35I
herzttste~en, welchert Versuch jetzt Specht in seinem Buch fiber den Ursprung der idg. Deldination emeuert, w~ihrend/:.hniiche \'ersuche in F~-ch Benvenkste angezettett hat, dieser mehr im Einklang mit den tier Saussureschen Forschungen, indem er eine Theorie der Wurzel und der Stammbildung des Indogermanischen aufstetlte, so geht das ailes ss) zweifellos auf die Forschungen tiber den Ablaut, d. h. dem Ganzen besagter Alternationen zurtick, nach dem richtigen Spruch Hilts ira Vorwort zu seiner Indogermanisclzc,z Gr,~mma,:,~, wo der Versuch einer Vorgeschichte am ansftihrtichsten gemacht wurde' ,,Der Ablaut, an dem so ,dele Forscher gearbeitet haben, ist zweifeUos ein glottogonisches Problem": wenigstens der Art nach, fiigen wit hinzu, wie er yon vielen Gelehrten behandelt worden ist' denp, z. B. hat der lunggrammatiker Brugmann, im Einklang re_it seiner anriglatmg,~nisdlen Steltung, in der zweiten Auflage seines Gru,~drisses die Behandkmg des Ablauts zu einer einfachen Darsteltung der Tatsachen beschrgnkt. Eine Rekonstruktion von frfiheren Zust~inden als jene, die wit mit der historischen Methode, d. h. der \'ergleichung, erreichen k~mnen, wurde vom DS.nen M611er und besonders yore Franzosen Cunv angestrebt as). nun handelt es sich bei diesen nichtum sozusagen glottogonische Systeme, sondern u~ :~ewi:~hnlicheRekonstruktion nach dem Prinzip der Stammbaumtheo~ic, ,aur dass bier der Horizon chronologisch erweitert ist insoweit d~e~ Gelehrten annehmen dass das Semitische, die vermeintliche Mutter der semitischen Sprachen wie das Indogermanische der indogermanischen, mit dem Indogermani:~chen auf eine weitere Muttersprache zuriickgeht, deren Elemente es sich handelt durch die fibliche Vergleichung wiederherzustei]en, wenn auch die Ergebnisse yon Forschungen wie diejenigen de Saussures fiber den Ursprung des idg. V okalismus zu Hilfe nehmend. bemerken, die Im Schlemhersche bystem ist ~:inc Inkongruenz zu ~" " n .....
" ~e I~zdo~ermanische G m m m a t i k . ss) H i r t in versc.~-edenen SchnIt n, darunter , .~ r tschen E:ekiination. w Y O-~ l ~ t ...... ~ ' * ' " 8. ~ " 7 Bde, 1921 II.,. F r a n z Specht, Der r, ;~,dogerman 1944; E m i l e B e n v e n i s t e , Origines de ia /ormatio~ des noms en indo-europden, I, 1935. n) Vgl. zuietzt Albert Cuny, In.citation ct I'dtude comparative d.es !angues indo.europ~ennes et des langues chamito-sdmitiques, 1946 und meinen Aufa s t z ' I n d e u r o p e o e camito-semitico, in ,.Annali dell'Istituto Universitario Orientale di Napol.i", Neue Reihe III, 1949, S. 333 ft.
3s2
doch, indem sie auf der Beobachtung der Tatsachen fu.,~te,in sich ihre Rc~htfertigung trug. Die Tatsache, class aus einer Muttersprache verschiedene Sprachen entstehen, war vom Jenaer Meister so erkl~irt 84): ,,Diese gesetzrn~issige Ver~derung der urspriinglJichen Laute, sowie die Ver~inderung der Sprachen iiberhaupt.., findet sogar auf dem Gebiete einer und derselben Sprache durchaus nicht in v~llig adequ~iter Weise statt, vielmehr wandelt sich die Sprache auf verschiedenen Theilen ihres Gebietes in einer mehr oder minder nur dicsern Gebiete eigenthiimlichen Weise; so entstehen aus einer Sprache bloss dutch das l~ingere Leben derselben mehrere Sprachen". Das ist mit dem System in Widerspruch: wie k~innen in einem vom Menschen unabhlingigen und von Naturgesetzen, die dazu einem sozusagen vorherbestimmten und fatalen Plan - - was Schleicher mit dem Wort yore Ansichsein der Sprache ausdriickte--entsprechen, gelenkten Organismus dergleichen Unterschiede entstehen? Und doch wird die Sache v o n d e r praktischen Erfahnmg erwiesen: aus dem Latein sind die romanischen Sprachen entstanden usw. Das lud ein die Ursachen dieser Differenzierung der Sprache im Raum ausser als in der Zeit aufzusuchen. G. I. Ascoli erkannte solche Ursachen in der Wirkung des Substrats an, d. h. jener andersprachigen V61ker, die eine fremde Sprache zwar annehmen, aber dabei in deren Gebrauch artikulatorische Gewohnheiten bringen, die aus ihrer Sprache kommen. Das klassische Beispiel war ihm yon den romanischen Sprachen dargeboten, die ungef~ihr den verschiedenen V61kern, denen die R6mcr ihre eigene Sprache tibermittelten, entsprechende Differenzierungen des Lateins darstellen. Daher haben wit in Italien einen Dialekttypus, den piiemonte~ischlombardisch-emilianischen, welcher da gesprochen wird, wo eir~mal eine gallische BeviJlkerung ansiissig war; das Venetische im Sitz der alten Veneter, das Toskanische in jenera der Etrusker; die s(idlicheu Mundarten, wo einmal oskisch gesprochen wurde; und so !iort. Nun konnten Ascoli und andere beweisen, dass einige fiir d iese Dialekte charakteristische Lautveriinderungen in charakteristischen Z(igen der Subsu-atzprachen lhre Entsprechungen linden" z. B., wie man i:~1den mittleren und sUdficiten Dialekten quanno aus lat. q~,ando sa!~t, so entsprach im Oskischen (und "~hnlich im Umbrischen) lateinL,~chem 34) Die d. Sprache, S. 58.
35,3
einheimische s a k r a n n a s . Diese Tatsachen sind nicht wegzudisputieren; und wenn man auch der Ascolischen Lehre entgegenhalten kann, dass die Ausbildung yon Dialektgruppen, die den Gebieten aRer Vtilker entsprechen, daraus kommt, dass im Inner,. des r6mischen Reichs und besonders inch dessen Sturz jene Gebie*e noch immer Verwaltungs- und Wirtscha~tseinheiten bildeten, die nach gewissen Hauptott:en gravitierten, muss man doch anerkennen, dass o:[!t in tier neuen Sprache Erscheinungen begegnen, die der ~lteren, vom Latein verdrlingten Spraciae eigneten. Die Junggrammatiker versuchten sich das Ascolische, yon seinem Urheber gegen sie gerichtete Prinzip anzueighen, indem sic im Einfluss des Substrats die Reaktion der physiologischen Veranlagungen einzelner V61ker anerkannten: was gewiss falsch ist, wenn auch in einigen besonderen F~fllen die Wirkung des Rassenelements nit;ilL "-'-" ZU ~ " ist, ~,,~o, Gebi~t~ .... eine Mehrheit von ~eugne,, A,,~ in • emem • mit besonderer Mundform odg|. versehenen Individuen darbietend, das Entstehen und Sichvorpflanzen yon, solchen physiologischen Veranlagungen geeigneteren Artikulationen fSrdert: gewShnlicher ersah man in besagtem Einfluss die Ueberftihrung in den Gebrauch der neuerworbenen Sprache yon beim Gebrauch der einheimischen Sprache gewonnenen Artikulationsgewohnheiten, eine yon den Sprechenden ausgefiihrte Ueberftihrung derweil beide Sprachen nebeneinander gebraucht waren: das ist ja ein,~ ]~r~cheinung, die uns ]eden Tag entgegentritt, wenn wir eine Spraying: mit mundartlicher Artikulation spreehen hSren; woher man ersieht, dass die Substratserscheinung in die allgemeinere des Bilinguismus gehSrt. Uebrigens gilt, was Ascoli und seine AnhS.nger in bezug auf die Phonetik behaupteten, ftir das ganze System der Sprache. Was aber wit hier zu konstatieren haben, ist, dass mit Ascoli die Betrachtung der Sprachver~inderungen aus de:ca Gebiet des Naturalismus endgiiltig auswanderte, um in dasjenige d er s~randas
das
Geschichte einzutreten. Die Differenzierung der ~-l~)rachenhatte Schleicher auch ~eine Stammbaumtheorie eingegeben. Hier wurde der Umsturz nicht ,on einer Ver~inderung der Theorie, sondern von deren praktischen Folgen verursacht. Es war gerade die Beobachtung, dass beim Anwenden des Sehleicherschen Pnnzips verschiedene Stammbiiume der alten idg. Sprachen entworfen werden konnten und tats~ichlich yon vielen Sprachforschern entworfen waren, und dass jeder dieser Stammb~iume seine Rechtfertigung hatte, die einen Schtiler Schleichers, Joh. Schmidt, 23
354 dazu veranlasste, die sog. WelJ theorie zu formulieren: die Tatsache z. B., dass die baltoslavischen ST,rachen e ~ g e gemeinsame Neuerungen
einerseits mit den germanischen, andrerseits ~ t den mdoi~anischen Sprachen aufweisen; die Tatsache, dass die mdoiranischen Sprachen auf ~hnliche Weise nicht nur mit den b~tisch-slavischen, sondern auch mit dem Griechischen vereinigt sind, usw., d i ~ Tatsachen nun, im Einklang mit dem, was aus dem Studium der neueren, bes. der deutschen Dialekte erh..'~'~.,~, offenbarten Schmidt, dass solche Teilent•sprechungen unter iilmlichen Sprachen nicht mit der Zurfickfiihrung auf abstrakte Ver~n3erungen abstrakter Naturorganismen, sondern durch das wirkliche Benehmen der Neuerungen zu erkl~iren sind, die einzeln in verschiedenen Punkten eines Gebietes entstehen und sich •
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Teich gefallencr Kt;~er entstehen l~sst (daher der Name von Wellentheofie); infolge dessen, wenn sich zu einem get~c~nen .... ' Augenblick Grenzen zwischen mehreren Menschengruppen bilden und somit immer mehr sich differenzierende Sprachen entstehen, insoweit sie ~ich nunmehr gesondert entwickeln, wird jede yon ihnen einige Elemert'e zusammen mit den Nachbarsprachen besitzen, die zuvor mit ihr ein einheitliches, von verschiedenen Punkten ausgehenden Neuerungen durchzogcnes Gebiet bildeten. Zu gleichen Ergebnissen, welche, was die gegenseitigen Verh~iltnisse dec idg. Sprachen betrifft, yen einem Sch(iler Schmidts, n~tmlich P. Kretschrner in den ersten Kapiteln seiner Einleitung in die Geschichte der griechischen Spracke vertieft gatrden, gelangte S~:huchardt durch die Beobachtung der romani~chen Sprachen ~). Derseibe Schuchardt sollte die so erworbene Erkenn~nis ss) Johannes Schmidt, Die Vevwa.tscka]tsverhdlt.isse de~ i.dogermanische,~ Spmchen, 1872; Paul Kretsehmer, Einleitung in die Geschichte dev gviecMsche~2 Spmche, 1896; Hugo Schuehardt, Dev Vokal~smus des Vulgdvlateins, III, 186~, S. 32 ff. Die Beob:tehtungen, worauf Sehmidt seine Theorie fundierte, stimmen zur kurzen Konstatierung yon H. Ebel am An~ang seines Aufsatzes" Die Stellun~g des Celtischen in den ,,Beitragen zur vergl. Sprachforschung" II, 1861, S. 137" ,,Die europ~iischen glieder des arischen sprachstammes bilden eine kette, deren beide enden nach A.*fien hiniibergreifen; unverkennbar zeigt die meisten beriihrungen mit den asiatischen sprachen das griechische, wogegen das slavische wohl die meisten speciellen iibereinstimmungen mit den iranischen" aufweist. Ebenso wie hier schliessen sich auch innerhatb dieser kette die n~ichstgelegenen glieder anerkanntermassen zun~ichst an einander an, griechisch und
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der Verbreittmg sprachlicher Erscheinungen zu ihren letzten Folgen fiihren und so die L6sung des Hauptproblem.~ unserer ~ k,senschaft, das Verhifltnis niimlich zwi~hen Individualsch6pfung und was man Sprache nennt, giinzlich oder wenigstens zum Teile herbeischaffen. Sctkmidts Ergebnisse fiihrten eine Ver-Mrrung in die Methoden der Sprachwissenschaft ein, als welche sie yon Schleicher die Junggrammatiker geerbt hatten. Wenigstens in wirrer Weise ahnten diese, dass ihr ganzes Rekonstruktionsverfahren bedroht war, sei es weft sich die schablonenhaften Schemen der einzelsprachlichen Lautgesetzen mit der MSglichkeit komplizierten, dass solche Lautgesetze durch einen Kausalnexus mit denjenigen benachbarter Sprachen verbunden waren, sei es weft sich der Begriff von Muttersprache -- entweder de1 idg Opl-~t.;ut:at iati ~utLcll uucl ""1"" ucIjclti~,ciJ, "~"-" " t4:^ die .ll~
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slavischen, germanischen usw. Sprachen b i t d e t e n - in viele unter sich riiumlich und z(!flich verschiiedene Isoglossen aufl6ste" geschweige denn, dass die Idee der A~,Jsbreitung eines Lautgesetzes ihr Prinzip tier physiologischen Natur solcher Gesetze und damit jenes yon ihrer absoluten Notwendigkeit zerst6rte. Der ersteren Gefahr suchte Brugmann vorzubeugen in einem Aufsatz 36), darin er sich bemtihte zu beweisen, dass die Teilentsprechungen unter benachbarten Sprachen dem .... verdankt werde~ k,linnen• ~a. , s ]a fiir einige Einzelerreinen ZufMl scheinungen nicht verneint zu ',v~ ~~:ie~braucht ; abet Brugmann vei'gass uns zu sagen, wie denn dieser Spassvogel yon einern Zufall soviele ParaUelismen genau unter b_-nachbarten Sprachen hervorgerufen hat" und seine Behauptungen sind jetzt beinahe yon allen aufgegeben, mag auuh MeiUet versucht haben sie einigermassen aufzufri.,;chen, einerseits indem er die Parallelentwicklungen in rnehreren zur se]ben Familie geh6renden Sprachen auf Tendenzen, die deren F,ystem angeboren w~iren, zu#ickfhhrte (eine Exhumierung, wie wit sahen, yon Schleichers A nsichsein); andererseits indem er sie der Wirkung des:~elben,, oft sehr italisch, slavisch und litauisch, litoslavisch und deutsch. Ganz natiirlich werden sich also auch im celtischen, welches so ziemlich in tier mitre zwischen den andern liegt, die me:isten bertihrungen mit dem italischen einer-, dem deutschen andrerseits und dutch beide mit den bisher festgestellten zweigen des europ~tischen astes finden". J. Schmidt (S. 25 f.) erkennt die v611ige Uebereinstimmung z~hschen seiner Stellungsnahme und derjenigen Ebels an. s6) Karl Brugmann, Zur Frage nach den Verwandtscha/tsverhdltnissen der indogermanische,~ Spmchen, in ,,.Internationale Zeitschrif't fiir allgemeine Sprachwissenschaft" I, 1884, S. 226 ff.
356 hypothetischen Substrats auf zwei oder mehrere Sprachen anrechnete.
Aber iibrigens begrenzte sich M. diese P ~ p i e n sp~teren Entwicklungen als die Aufl6sung der indogermanischen Einheit anzulegen; irn Innern derselben Einheit liess er --- ein Mann von seiner GeLe~samkeit und yon seinem Scharfsinn konnte nicht umhin es zu tun --
das Vorhandensein yon Isoglossen, wie sie Schrnidt voraussetzte, zu" vielmehr ist dem Beweis dieses Vorhandenseins sein sch~nes Buch iil~r die idg. Dialekte s~) geweiht. Derselbe Meillet, den Fusstapfen de Saussures folgend, versuchte der von Schmidts und anderer Lehren in der Lautgesetzentheorie ge6ffneten Bresche einen Datum dadurch entgenzusetzen, dass er unter Ausbreitung und dem was er spontane Neuerung nennt, unterschied, solche spot,tune Neuerung betrachtete er, wie es die Junggrammatiker taten, deren Anh~nger MeiUet war, wenn auch mit einem Anstr~ch yon __~ll~p.moJno.r G r a m m a t i k " u n d Sozioloeie aufeef~bt .rid mod~_r~i~.i~ welcher zu seinenZeiten eine grosseNeuheit war, aber jetztimmer mehr wegf'~llt und die yon ihm verborgene Substanz hemusscheinen l~ksst. So sagt er im Anfang seineslangen Aufsatzes Commcn~ les rootsc~ngent de sens "), dass ,,le passage.du groupe fran~ais wt~ (6crit o i . . . ) ~ wa duns des cas tels que moi, roi, boire, etc., est ~t Paris le rdsultat d'un procAs phondtique spontand, et qui a dfi se r6aliser d'une mani~re inddpendente et ndcessaire en ehacun des sujets qui y on~ appris ~ parler une certaine date; ailleurs cette m~me substitution s'est rdalisde par imitation de la langue parisienne et est un f a r d'emprunt; cUe peut alors parvenir A la m~me extension qu'~t Pads; mais le phdnomtne est d'ordre diffdrent... Le second ph~nomAne manifeste la tendence qui entraine les membres d'un m~me ensemb!e social ~ se conformer les uns aux autres en tout ce qui est utile ~ r exercise de leurs fonctions communes. Le premier phdnom~ne seul, la transformation spontande, est ~ expliquer par une action identique qui a dfi s'exercer d'une m~me mani~re chez tousles enfants n~s ~ Paris durant un certain laps de temps". Natiirlich unterl~isst es MeiUet uns zu sagen, welchem Gott wir das Wunder dieser identischen Wirkung zu verdanken haben. Wir wissen aber, wer der Gott ist, der ihrn solche Prinzipien eingibt" die a lte Schleichersche Auffassung der Sprache als Naturorganismus, die Meillet unter dem Etikett der Sprache als soziales Faktum w~eder in Um~) Antoine Meillet, Les dialectes indo-europdens, Nouveau t~.rage, 1922. ;~s) Linguist. hist. I, S. 230 ff. ; die angefiihrte Stelle findet sieh a.uf S. 232 I.
357 lauf setzt, und die ihn, Durkheims Definition folgend, sagen 1/isst." ,,une langue ex~ste ind6pendemment de chacun des individus qui la parlent, et, bien qu'eUe n'ait aucune r6alit6 en dehors de la somme de ces individus, elle est cependant, de par: sa g6nerahte,' ' ' ext6rieure /L chaetm d'eux; ce qui le montre, c'est qu'il ne d6pend d'aucun d'entre eux de la changer et que toute d6viation individuelle de l'usage provoque ~ue r6action" ~9) eine Reaktion, ftigen wir gleich hinzu, die gerade darin bestehen kann, dass man seine Sprechakte nach jener Abweichung bildet und damit die Sprachen umbildet. Ganz etwas anderes Ms ,,spontane Ver/inderung"! MeiUets Gesichtspunkt, welcher, wie gesagt, schcn de Saussure eignete, ist auf der yon diesem !etzterei~ zwischen den Begriffen yon langue (Sprache: ItMienisch, Franz3sisch usw.) und parole (Rede: die Individualrede) eingef(ihrten Unterscheidung gegrtindet: eine gewiss sent nuzzncne ..... " ' ~ "" ...... ' " ". . . . . " wird , wenn sie z~r unterscnezaung, die doch f~elanrllcn Hypostasierung beider Begriffe als zweiev Realgegenst/inde fiihrt. Den direkteren Schiilern de Saussures, der Genfer Schule nitmlich yon Bally und Sechehaye, hat sie gewissermassen die Fltigel gestutzt 33utB),insoweit fiir diese die Sprache als Verkehrsmittel einer Gemeinde jedes Interesse verlor, und sie sich haupts/ichlich zum Studium der Stilistik wendeten, d. h. der Individualabweichungen ~:om Gebrauch in den Einzeliiusserungen; und damit indirekt bewie~,en, da~;s die $prache nur in den individuellen Sprechakten leb~ :nd exi~tie.,t. H. Schuchardt hat die \~:(!!~:'ntb.eorie rnit den Fragen der Lautgesetze und des Bestehens der D!ialekte in einer einheitlichen Ansct~auung des Sprachph/inomens kombiniert, davon er keine systematis, che DarsteUung gegeben hat, die abet best/~ndig und koh/irent in seiner Behandlung der vielartigen voit ihm angegriffenen Probleme wiederkehrt. So iibte er al,~ erster eine wirkungsvolle Kritik der junggrammatischen Auffassung der Lautgesetze, indem er zeigte, da~ss die Lautver/inderunL~en, insoweit sie in den Sprechakten yon mehreren Menschen erscheinen, nicht physiologischen, sondern psychologischen Ursachen zu verdanken sind, welche !etzteren des 6fteren auch den Wandel beim Einzelmenschen hervorr~lfen, und daher gebiihrt besagten ao) Linguist. hist. I, S. 230. sobts) Den Charakter eines halbunbewussten Befreiungsversuche aus den E n g e n der S;~.ussureschen Lehre hat A. Sechehayes bem.erkenswerte Schrift Les trois linguistiques saussuriennes, in ,,Vox Romanica" V, 1940, S. 1 ff.
358 Ver~ialderungen keine Notwendigkeit noch Ausnahrnsl¢~sigkeit; was dann ,den Begriif yon Dialekten bzw. Sprachen oder Sprachengruppen, die einander wie undurchdringliche Einzelwesen entgegengesetzt wgren - - ein Begriff, der zugrunde stand der Annahme ~itens Ascoli einer t~ranko-provenzalischen Gruppe, die e'me fruchtbare, einigermassen von Homing bescldossene Polemik zwischen demselben Ascoli und den Franzosen Paris und Meyer entfesselte---, bewies Schuchardt, dass es in der Wirldichkeit nur eine endlose Sprachspaltung gibt, womit endlose Sprachmischung Hand in Hand geht 4o). Dies, weft die Sprache - mid hierin ging Schuchardt fiber Schleicher auf Wilhelm yon Humboldt zuriick - - nicht eine Sache, ein ~l'ov, sondern ein best~ndiges Schaffen, eine ~v~p~,¢~x ist, die die einzelnen Individuen in ihren Spreeh~&ten austiben; und diese Sprechakten regeln sich nach vorausgegangenen Spreehakten derselben oder anderer individuen, daraus die Werkzeuge zum Gebrauchen und Anpassen --- und daher Umbilden - - in der unaufh~rlichen Arbeit entnommen s i n d - - um ein Bild $chuchardts selbst zu benutzen e). So gelangte Schuchardt zu Ergebnissen, die sich mit denen, die Croce seinerseits erreicht hatte, eng berfihrten" nut dass der absoluten Identifizierung yon Kunst und Spcache bei Croee er sein eigenes richtiges Prinzip des doppelten Antlitzes, des ~thetisehen und des praktisehen im Sprachphlinomen entgegensteUte. ,,Aus der Not geboren, gipfelt die Sprache in der Kunst", sagte er. Von beiden Meistern, dem deutsehen und dem italienischen, nimmt Vossler semen Ausgangspunkt, eher als in seinem Buch fiber Positivismus und Idealismus in der Sprachwissenschaft, wo Schw~ichen mad Unzul~inglichkeiten zu bemerken sind, irn anderen iJber Frankreichs Kultur und Sprache (1929), darin die gegenseitige Abhiingigkeit beider Erscheinungen, die ja zwei Erscheinungen des geistigen Wirkens sind, die Grundlage des ganzen Baus bildet: das war im Titel der ersten Aufiage Frankreichs Kultur im Spiegel seiner Sprachentwicklung (1913) au~,;gesprochener gesagt. Aber" Vossler, sagte einmal Schuchardt, ktimmerte sich um den homo sapientissimus, dagegen er selbst eher um den homo sapiens, der sich mit dem homo alalus beriihrt 43): Sch. bezeiehnete so seinen Unterscheid, 40) Hugo Schuchardt.Brevier :t, 1922, S. 52. 41) Vgl. Terracini, Guida, S. 215. 41) Brevier, S. 211; vgl. Ter:caeini, Guida, S. 216. ") Brevier, S. 223; vgl. Terraeini, Guida, S. 217.
359
eines Erforschers der Sprache in allen ihren Erscheinungen, von Vosslet, tier besonders die Literatursprache be~rachtete" wo ich aber nicht voriibergehen m ~ h t e ohne auf den entscheidenden Wert der Literatur bei der Bildung einer Nationalsprache hinzudeuten, wie denn in jeder Sprachentwicklmug der mit gr6sserem Ansehen versehene Sprechende es ist, der den anderen die ,,Werkzeuge", d. h. die Muster zur Bildung ihrer Einzelakte verschafft. Dieses grundlegende Prinzip des Ansehens (prestigio) war gerade yon einem Forscher der Sprache im allgemeinen, M. Bartoli, tapfer verfochten, der, in dem von seinem Lehrer Gilli6ron er6ffneten Weg vorschreitend, das sprachhche Werden in Neuerungen aufl6ste, die ~us der Kreuzung zweier Muster entstehen, und daher als ersten Punkt der geschichtlichen Forschung die FeststeUung des gegenseitigen Alters von zwei Erscheinungen bestimmte, damit aus dieser Erkenntnis zur Feststeiiung des Ausbreitungspunkts der neueren Erscheinung und fo!ghch der Ursache dieser Neuerung schreiten k6nnte. Zu diesem Behuf sollten die yon ihm aufgestellten euristischen N ormen dienen, um aus der geographischen Verteilung zweier Erscheinungen dereu gegenseitige Chronologie erhalten Q
zu kiSnnen ,~4).
Auf solche Weise verlief die historisch-geographische Beobachtung in eine Auffassung der Sprache wori~ der Begriff von geschichtlicher Sprache in die bestlindige A~-~':, ~kung yon gegenseitigen Einfltissen zwischen individuellen Sprecl~akten au geht; solcher Auswirkung ist das yon Ascoli aufgezeigte SubstratpMnomen nur eineSondererscheinung. Und natfirlieh mag es scheinen, da-,s diese Auffassung, die auf elher scharfen Beobachtung der sprachlichen Tatsachen begriindet ist, indem sie bis aufs letzte die Schleichersche Auffassung der Sprache als Naturorganismus und deren, yon uns in dieser eiligen Uebersicht beriihrte Umbildungen vernichtet, mit sich den U~nsturz der ganzen vergleichenden Methode bringen sollte, der!tenigen n~tmlich, die den m~idatigen Bau der historischen Grammatik und Cier darauf begriindeten Sprachgeschichte zu errichten gedient hat. Ein verdienter amerikanischer Forscher, R. G. Kent,, schrieb mir, indem er ein Btichlein yon mir besprach, deft Gedanken zu, dass das Indogermanisehe aus einer Anzahl leicht verschiedener Dialekte bestand - - tats~ichlich ist meine Auffassung weit radikaler ~ un'd fiigte hinzu" ,,diese ist eine verbrei44) Matteo Bartoli, Introduzione alia neoling~istica, ~925, usw. ; vgl. meinen Aufsatz" Matteo Bartoli eta linguistica spaziale, in ,,Paideia" I, 1946, S. 95 ff.
360 tete Meinung, aber sie entzieht den Boden der wissen~cbaftlichen Sprachwissenschait"" als ob die wissenschaftliche Sprach~.~senschait mit Mythen, nicht mit Tatsachen operieren sollte ~ubj,) S e ~ treffend ~ . merkte dazu der Herausgeber der Zeitschrift, B. Bloch, da~ ]ene Meinung, entfemt davon, den Boden der Wissenschaft zu ent:~iehen~ ihr festere, d. h. realistischere Grundlagen verschaffte 46). Jedenfalls vernichtet diese Auffassung keineswegs den Begriff Sprache, son,tern bringt ihn auf das, was ihm in der Realit~it entspricht. Es erneuert sich hier der alte Streit ~':~schen Nominalisten und Realisten in Bezug auf die Universalia: der Begriff Sprache ist in ~nserem logischen Verfahren notwendig um a!!es zu bezeichnen, alas einer be. stimmten Anzahl svrachlicher IndividualschSpfungen gemein ist, das was wir mit einem Wort Schuchardts Werkzeuge genannt haben, di.~ jedermann aus vc,rigen seinen und fremden Sprechakten schSpft um sick1 deren nach seinen Ausdrucksbediirfnissen zu bedienen und dabei ur:~bildet und eventuell so umgebildet anderen iiberliefert: es handelt sich somit um ein Hilfsmittel des Gedankens, das man at~r nicht als Wirldichkeit anschauen dad. Dass dies wahr ist, bezeugt die Tatsache, dass eine Sprache oder ein Dialekt zuerst definiert werden sollen, und nur nach der Definition ihre Charaktere bestimmbar sind" man kann z. B. von Latein auch in Bezug auf das Italienische sprechen, wenn man es wie ein vom Latein im Verlauf seiner Entwicklung angenommenes Aussehen ansieht, und umgekehrt kann man vom Italienischen des neun~hnten Jahrhunderts, der petrarkischen Lyr~k usw. sprechen; man kann von lombardischem oder yon Mail~uder Dialekt sprechen usw. ; und jeder dieser Begriffe kann nur als GegenfibersteUung zu dem, was man als verschieden erachtet, entstehen, hat nicht in sich setbst seine Berechtigung. Die Ursache davon liegt gerade in der Unfassbarkeit dieses Proteus, cler sich best/indig in Raum und Zeit ver/indert. Sprachgeschichte kann man daher nvr treiben, insofern diie gemeinen 44his) [Eine imGrund mit derjenigen Kents tibereinstimmende Stellung nimmt Devoto im Sammelwerk ,,Cinquant' anni di vita intellettuale italians 1896-1946", I, Neapel 1950, S. 386 ein, such wenn er unter den bombastischen Ausdr/icken seines dramstisierenden Stils dss eigene Unverst~indnis zu maskieren sucht" er spricht yon ,,anachronistischem und bigottem Glaube" and sieht nicht ein, dass dies gersde yon seinem Glaube an das leere Wort der Sprache sls Institution gesagt werden darf. Klangvolle wenn ~uch ni~htssagende Definitionen sind n~imlich D. sehr beliebt.] ~) In ,,Language" XXIV, 1948, S. !94.
361 Char, ktere m die Isoglossen .... einer gewissen Quantit/it a posteriori r~um~ch und zeitlich bestimmter SprachschSpfungen determiniert und ~ t anderen gleicherweise determinierten Isoglossen vergleichen werden. Hier aber lauert die Gefahr, in den Irrtum yon neuem zu verfallen, insoweit zwei Momente einer sprachlichen Tradition als z. B. zwei Schichten derselben S~iule betrachtet. In der Wirklichkeit ist das nicht so: auch wenn wir yon Tradition sprechen, vollenden wir eine gewaltsame Vereinfachung, indem wir die blosse best/indige Ueberheferung einiger Elemente von einera Sprachzustand zum anderen betrachtennun, es finden sich zwar iii aen Sprechakten eines heutigen Mailiinders viele Muster wieder, die zu ibm dutch den ununterbrochenen Gebrauch seitens der sprechenden Menschen ~elan~ sind und schon in den Schtipfungen eines Mafl/inders vom XlI. Jahrhundert vorhanden waren; aber zusammen :nit jenen sind auch viele Muster aus den verschiedensten Quellen gegenw/irtig, und diejenigen, die direkt aus dem XII. Jahrhundert hedeitbar scheinen, haben allerlei Einfliisse seitens Elemente, die aus aUen Gegenden herbeiflogen, erhtten. Das bedeutet, dass auch diejenigen, die die Vorgeschichte einer Sprache behandeln, indem sie diese auf eine andere (z. B. das Italienische auf das Latein) z~rtickffihren, nur di~ Vorgeschichte einzelner Elemente machen und dazu fiblich diese Hi~mente nur einseitig betrachten, ohne sich um die Einwirkungen, die sie seitens anderer nicht iateinischer, oder auch lateinischer aber nicht ununterbrochen tiberlieferter Elemente erlitten haben, Sorge zu machen. Folge davon ist, dass man nicht die Geschichte von Sprachen, sondern yon einzelnen Elementen treibt: und was die vergleichende Sprachforschung ffir eine nichtbezeugte Phase rekonstruiert, ist keine Sprache, sondern nur eine Anzahl Erscheinungen, fiber deren Gleichzeitigkeit und Gleichr~um|ichkeit viel zu streiten w~tre. Geschichte, also, von in zahllosen Sprechakten wiederholten und variierten Ph~inomenen, die in jedem einzelnen Sprechakt wieder geschaffen werden den Ausdruck zu bilden; Phanomene, die durch die Sprechakte einer gewissen Sprachgemeinde in ein unstetiges Isoglossensystem, das die Sprache jener Gernehade ist, zusamrnenfiiessen" wobei zu bemerken ist, dass wir solcher Sprache bzw. Gemeinde Grenzen i[m Raum oder in dcr Zeit behebig erweitern oder verringern diirfen. Zu sagen also, dass das Italienische aus dem Latein herrfihrt, heisst die Tatsachen entstellen: aus dem Latein riihrt nur eine grosse Anzahl der
T~gen oder Ver~~Izur~en ~ V ~ ~ reden, sondem nut yon einer verschiedenen * ~ ¢
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k~nen wit, dank dem Mensehenaustau~h ~ ~ e n d e n sagen, dass heutzutage, z.. B., ~
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Ram n ~ e r ist ~s ein Doff des Latimns, und sehon vor etwa ~ ' Jahren konnte der N a m e d£.,'a ~ ausom aus Italien bis zu den Ges-t ~ a der Ostsee, wo w ~ R m im lit. auksas wieder finden, dring,en ohxm daa g ~ ~ h e und -J~~ Gebiet, wo ein anderes Wort ( C ~ ~-- ~ ~ ~ o ) . gebraucht ~4~-d, zu beset~n" dies dank dem Hande.l, der m I ~ ~ d~m Bern,~tein u~ m j~ entfernte ]Land, als Ta -uschware, ~ n~edi'terrane Gold br~hte° SC~icimr bemerkte in seiner S c h r ~ ~ber ~ t > ~ ~ Theorie d~e Sprachwissenschait, dass die Z a ~ der Spra~-~n abz~nehmen bes~mmt L-t, tmd sah darin eknen Parallelismus zmdschem S l , ~ h e n und Na~z,~ganismen, der im DaseinskampI m~d ~ S~g des St~keren bes~eht; in der Wirklichkeit h~ngt ~ e , ~ ~ vcm .d~ Bi~mag yon ~~ gr.6~eren Menschengruppienmgen ab, die d ~ Gra,dt~ren yon ~er .~r~:sere'n Massen urn eine irr~mer k~r~xe :ha~-~ yon Mittel~ h p ~ r ~ e n verurs,acht im Gegenteit brachte z. B. der Z~mmer,~:,,~mc rSm~.chen Imperiums zur Bildung der unter -d~h :~. ~ ~ e d e n e n r~mani~hen Dialekte statt jener ~ n ~ ~.'ff, d~e als F olge yon Rom und seiner Sprache a~f s o ~ ~ ~ . ~ n mit den verschieden~en Sprachen ausgefibten , ~ ~ . ear,den wax'.
Voa d i e ~ neuen Gesichtsptmkt a ~ wird ~ ~ m p i u m de~ Kla.~t,ng der s i ~ e r u n g und besonders jenes der g e n e M ~.M m 'K'~ ~ ~: " : .......... Stx"achen voUst~indig umgesto~n. ,,After ~ " ~ b ~x~ kin'zero ein
363 Veteran der Sprachwissenschaft, C. C. Uhlenbeck ~), ,,it is not our final aim to classify languages. What we ~ant is the reconstruction of their possible fusions and differentiations, of their internal evolution and the external penetrating influences which have modified and transformed them". Tatsiichlich handelt es sich urn einen ununterbrochenen Vorgang yon Zusammen- und Auseinanderlaufen von Erscheinungen, die sich in den IndividualschSpfungen auf immer neue Weisen gruppieren um Sprachen in dem wm rms angegebenen Sinne zu bilden. Es kommt daraus, dass man yon indogermanischen Sprachen nur yon einem einzelnen Gesichtspunkt aus reden kann, aus demjenigen nSmlich der Elemente, die den die idg. Einheit bildenden Dialekten geh6rten und sich in besagten Sprachen noch finden; und wenn wit die Sa~he v o n cli~_e~m
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keine HinderIfisse dazu, dass man indogermanisch auch solche Sprachen nenne, die augenscheinhch nur wenige idg. Elemente, vielleicht nur eine verschwindende Minderheit davon besitzen, wie das Lykische oder das Lydische oder sogar das Etmskische 47). Wir wissen aber nicht wieviele Elemente anderen Ursprungs im Griechischen oder im Latein, die man doch als wesentlich indogermanische Sprachen betrachtet, vorhanden sind; dies weil wit aus iein technischen Grtinden, d. h. da uns nur die Denkm/iler gewis~er Sprachen gerettet sind, die Vorgeschichte bloss jener ihrer Elem~ ate studieren k6nnen, die auf dieselbe Tradition zurtickgehen, wie diej~-~-dgendes Sanskrits, des Altiranischen, der germanischen Sprachen und so fort. Ausserdem, wenn wir yon ,,Indogermanisch" sprechen ~d,~yon etwas, das sich vom ,,Semitischen" oder ,,Finnisch-ugrischen" g/inzlich unterscheidet, so das'~, falls Beziehungen zwischen solchen ,,Muttersprachen" wahrscheinlich sein sollten, man an eine ,,Grossmuttersprache" denkt, woher sie differenziert worden sind, dann bewegen wir uns unbewusst im magischen Kreis Schleichers" die Ausbildung des Indogermanischen oder des Semi-. tischen, bzw. in sp~teren Zeiten des Germanischen usw. kann nur als dos Gravitieren urn gewisse Mittelpunkte yon ,,Sprachen", die, well sie friiher einer anderen Verteilung im Raum teilgenomrnen hatten, auf andere Weise unter sich in Beziehung waren. 4e) In ,,Lingua" IT, 2, 1948, S. 219. 4,) Vgl. meinen Aufsatz" La question de l'indo-hittite et le comept de parentd linguistique, in ,,Arzhiv Orient/~lni" XVII, 2 (, Symbolae Hrozng"), 1949, S. 251 ff,
Es waxen zwar oder sind vielleicht noch ~lehrte vorhanden, die glauben, dass eine Mischung yon Sprachen, oder wenigstens von morphologischen Systemen unm0glich sei. ~ e s e Ste'flungsn~ne setzt immer die Schleichersche "I.~eorie der Naturo~ganismen fort: und wenn diese Unm~glichkeit auf die morphologischen Systeme begrenzt worden ist, dann ist dieses Dogma die Umkehrang emer richtig~m Beobachtung der ersten Sprachvergleicher, z. B. Rasks, welche die Erkenntnis der SprachverwandtschaR auf den morphologischen E~:heinungen gn~_ndeten, da ja diese :~hwieriger entlehnt werdew die Entsprechung von lat. est: sunt u n d jkr.~' asti : saedi, griech, b~t : h ~ , got. ist : sind usw. kann augenscheinlich das Ergebnis weder des reinen Zufalls noch yon Entlehnungen zwischen so entfemten Sprachen sein, deren Genre so verschieden verlaufen ist. Und obendrein ist &e,.~ Beobachtung in Bezug auf die altidg. Sprachen gemacht worden, deren Morphdogie, gleich der~enigen der semitischen Sprachen, ein tats~h~ich merk'wfirdiges System bildet, welch~ sich ein~ermassen tier Anaiyse entzieht, so dass ein Element davon ~hwerlich abgesonde~ und dann substi~ oder weitergegeben werden kann. Aber auch hier stehen vf~r vor einer ein~itigen Betrachtungsweise, weiche sich darauf beschrgnkt, alte Endungen und Flexionssuffixe der Einheitsperiode in den idg. Einz~-prachen wiederzufinden, ohne auf deren negative - - die in tier A b s c ~ g gewisser Endungen und im aUmahlichen Verla.ssen des alten Flexion~ystems bestehen . oder positive Neuerungen zu achten a). es ist die Unkennt 1is der in den Gebieten, wol~n die idg. Spra~en nach ihrer Trennung gelangt sind, irfiher gesprochenen Sprai n , die ~ als intemen Vorgang die Entwicklung der Morphologie betrac~ten lgsst; wo aber wi" beide F aktoren kennen, geschiehlt es anders, und nut eine blinde Voteingenommenheit kann e:inen davon abhalten, die W.'-'chtigkeit z. B. des yon den romanischen Sprachen dargebotenen Musters for das mehr oder weniger rasche Absterben der ~ation in den germanischen Spmchen udgl. anzuerkem~en. Welter ~eht man Suffixe, die zur Bildung nominaler und auc:h verb~der St~ dienen, yon einer zur anderen Sprache iibertreten. Als Meil~) Z.B. ist es nicht ausgeschlossen, dass das griech. P e d e k t u m auf -x~, auch w ~ n n ~ s ~ h an ein Paar F o r m e n wie ~blx~ , w o x wurzelhaft wax, anschliesst, r u m guten Tell die Wiederspiegelung eines mediterranen Pvr~ekts, das wir in
e~hem
lu~u-c8 'mor~uus est', a m ~ usw. linden, sei.
365 let 49) yon ,,influences qui ont dfiterminfi le changement" spricht und sagt, dass sie ,,sont presque toujou.rs non d~termin~es jusqu'ici", unter diesen Einfltissen h/itte er am ersten Platz diejenigen seitens anderer Sprachen verzeichnen sollen. Uebrigens hat sich auch dieser Forscher bedeutende Einr~iumungen entgehen lassen, z. B. in seinen Schriften iiber den Bilinguismus ~) ; und in der Einleitung zum Buche Les langues du monde m), woher die zuletzt angeftihrten Worte stammen, liess er zu, dank dem erweiterten Horizon, dass ,,dans les langues off le syst~me morphologique ne comporte pas des formations obtenues par des variations compliqufies des roots, comme celles d'Extr~'me-Orient ou certains idiomes soudanais, on peut se representer de v~ritables m~langes de langues" 52~, und damit war die Unsicherkeit des Sprachsystems in Bezug auf die franz6sichen Dialekte ane~:kannt. Es ist iibrigens natiirlich zu denken, dass der/iblich yon der indogermanischen Morphologie zum Eintritt fremder Formen entgegengesetzte Widerstand ihrem strafferen System zu verdanken sei, und dass w:r ira diesem Falle das zu erblicken haben, was .qchleicher das Ueberleben des St~irkern im Lebenskampft nannte. Sei es wie dem wolle, auch betref/s tier Morphologie ist zu wiederholen, dass es sich nicht um Sprac'+mnmischung, sondern am T~itigkeit des Geistes handelt, der in seinen Sch6pfungen ,,prend :+.,~:~bien off il le trouve". In die.ses Sch6pfungsverfah~+~+~, dera die Muster von Iriiheren SchSpfungen dargeboten werden, und da:~ daher mit einer gewissen EinfSrmigkeit, wo Menschengruppen in sprachlicher Beziehung untereinander vorhanden sind, stattfindet, dfirfen wit auch die wesentliche Regelm/issigkeit des Lautwandels einreihen. Einmal hat irgend einer pelegri+zus statt peregrinus gesagt, wahrscheinlich um die Aussprache S ~. zweier r in benachbarten Silben zu vermeiden die neue Form 1'~' nachgebildet worden, und heute finden wir sie in allen romanischen Sprachen Ms pellegrino, pklerin usw. wieder: hier aber hat der Wandel[ beim Einzelwert Halt gemacht. Dagegen hat ein anderer einen Tag+, aus irgendwelchem Grund,/ede(m) statt/ide(m), pece(m) statt pice(m) menu statt minu(s) gesagt, und m6glicherweise hat er ein enges e statt kurzes i jedesmal ausgesprochen, wenn es ihm geschah die diesen Laut •
49) Linguist. hist., II, s. 60. 60) Linguist. hist., II, S. 9C If. 6t) A. Meillet et M. Cohen, Les langues du Monde, 1924. s2) Linguist. hist., II, S. 61.
enthaltenden Wfirter zu gebmuchen. ~ d e r e haben diese seine Aussprache (lurch einzelne Wfirter gelernt und sic n a ~ g e b f l d e t : es konnte
auch bier geschehen, dass sie die Aussprache n~r in den aus ihm vernommenen WSrtem nachbfldeten und z. B. re,& abet #ice und minu sagten; aber hier hat sich ~ e n e u e A u ~ r a c h e ~ ~ f l i c h
durch ein
Analogienspiel verbreitet, demnach wer an e'mem gewissen Zeitpunkt das Bewusstsein hatte, dass er nach Iremden Mustem #de statt fide substituierte, damit endete, dass er auch menu start minus, pece statt #ice usw. s a t e ; zuletzt ist es dazu gekommen, dass fast auf dem ganzen Gebiet, wo Latein gesprochen wurde, enges e den Platz des kurzen i genommen hat. Dies aber infolge einer Ausgleichung und bewusster Nachahmung, nicht iataler Gesetze und iiberhaupt durch eine allm/ihliche Verbreitung auch beim einzelnen Sprechenden" sodass z. B. einer auf derselben Inschrift 68) carissimo dulcissimo sibi aber sene statt si~, scllrelog, + _ , t . . . . . WO das I"--"--~SOll~]Fgt~ ~ Ol L & ~ktlU~l L ..... WUI U ~II I : S L ~ __ wanrenfl ,,r__+ _:] T.l ~. . .Y.t ~ l_=..a^_, a__ -_, ._., + . die zahlreiche Klasse der Superlative und auch der Dativ des Reflexivs, der neben sich tibi hatte, die Probe bestanden haben; ein anderer 5,) schreibt miser abet perdedi start perdidi, worin die unbetonte Silbe frfiher als die betonte gewichen hat; ein dritter ss) schreibt titulum abet avetat statt habitat, also mit i in unbetonter Silbe, und anemola ftir animula, wo das i zwar betont ist, abet die Ver~Lndenmg vom Positivum an+m++ ftir anima, auch hier mit i in unbetonter Siilbe, gefSrdert sein mtisste", und so fort . Solche Schwankungen", die Mo-" "'snchkeit, dass verschiedene, aus verschiedenen Punkten ausgegangene Neuerungen zusammentreffen und so nut in einem Teil des Sprachschatzes die Oberhand behalten, wie das mit lat. +~ in ~nus m+rus c+ra P+nicus usw. gegen oe in moenia Poeni usw., beide in Wtirtern, die e+nmal nut oi liatten (oinos, moenia, co&a, Oo+vtx,+ usw.), der Fall: ist; das vere~azelte Weiterbestehen yon Formen, die eine fehlgeschlagene Veriindemng darsteUen, wie frz. chaise, das, neben chaire mit seinem besonderen Wert beharrend, die in einigen Schichten der Pariser BevSlkerung im XVII. Jahrhundert verbreitete Aussprache von s sta.tt r noch bezeugt; das nur teilweise Sichbehaupten einer neuen Aussprache, wie der aus dem Norden her kommenden von stimmhaften statt sthnm]ioser zwischenvokali~her Verschlusslaute im Toskanischen und daher in der 6s) Diehl, Vulgdrlateinische Inschriflen, 1910, N. I~0. s+) Diehl, 151. 6,+) Diehl, 153.
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it~enischen Literatursprache, wonach wir ospedale aus hospitalis, a•ngga a u s ad.,necat, lago statt lacus sagen, aber lato maturo oca aus l~ us maturus auca; diese und andere Grfinde bewirken, dass die Veritnderungen, die nicht der Sonderbesitz einer Sprache oder eines Dialektes, sondern zahllose Einzelerscheinungen, zahllose jede ftir sich und mit verschiedenen Ausdehnungen entstandene Isoglossen sind, allerlei Ausnahmen zulassen. Abet gewShnlich geschieht es, dass, wo sich ein gewisser Lautwandel ausbreitet, nachdem er aligemeine Geltung gewonnen hat, wie im Falle wm vulg~irlateinischem e ftir ~, derselbe sch!iesslich fiir die im Gebiete der betreffenden Isoglosse geschaffenen Sprechakte die Norm bildet. Damit e r h ~ i l t p r a k t i s c h das ,,L a u t g e s e t z", das nicht mehr als Natur- od.er den Naturgesetzen angeglichenes Gesetz sondern als Feststellung eines in einem bestimmten Gebiete unter zu einer bestimmten Zeit in den betreffenden Sprechakten stattfindenden Ereignisses zu geken hat, d e n W e r t yon Voraussetzung ,;tatistischer N a t u r , die man sich gegenwiirtig halten soll in jener Wahrscheinlichkeitsrechnung, die ftir den Sprachvergleicher und -historiker das Aufstellen einer Gleichung zwischen Formen aus verschiedenen Zeiten und Riiumen bildet. Die Abweichung aus dem Lautgesetz schliesst nicht die M6glichkeit der Gleichung aus, sondern hat ihr Gewicht in der Wahrscheinlichkeitsrechnung und stellt damit dem Forscher die Verpflichtung, deren Ursachen zu ergriinden. Wir sehen also, wie die Schleich~r~che Methodologie, vom Dogmatismus befreit, womit sie ihr Begr//inder, seinen Ideen fiber die Beschaffenheit der Sprache entsprechend, beladen hatte, und schmiegsamer abet dafiir auch verpflichtender geworden, unsere Disziplin zu leiten fortfiihrt und ihr diesen Charakter einer exak~en \Vis-enschaft verleiht, der sie, wie wir oben bemerkten, yon den anderen Geisteswissenschaften so eigenartig unterscheidet ~), obwohl Schleichers Theorien hoffnungslos untergegangen sind und di.e Versuche sie teilweise unter mehr oder weniger durchsichtigen Vermummungen auszugraben den Eindruck yon 6,) Schon Friedrich Miiller, Grundriss der Sprachwissenscha/t, I, 1. 1876. S. 12 I. sagte: ,,Ira tiefsten Grunde dfirfte aber der !rrthum, die Sprachwissenschaft unter die Natur~issenschaften zu rechnen, daraus entsprungen sein, dass die M e t h o d e, deren sich die Sprachwissenschaft bedient, yon ]ener der anderen Geisteswissenschaften gAnzlich abweicht und sich an die Methode der Naturwissenschaften genau anschliesst"
tleilmitteln erwecken, die das Uebel nut v e r ~ ~ k ~ ; n n e n , Eine ~ c h e ]Erscheinung k~mn man in den p h y s i k ~ h e n Wissenschaften konstatie]'en, wo der Umsturz der traditionellen t h ~ r e ~ h e n Standpunkte keine wesenffichen Ver~nderungen tier Methode m. W. mit sich gebracht hat. Ein Zeichen dies, dass beidemal die am Anfang getroffene Methode wesentlich richtig war, wenn. sie zu den Ergebmssen geffihn hat, worauf die Sprachwissenschaft mcht wer~ger ~ diePhysik stol=,. sein ka~n. Ein auf alas Ansichsein tier S p ~ h e sich~ziehendes Bild ScMeichers wieder aufnehmend, d~fen wit sagen, dass im Keime da~; Versprechen eines iippigen Lebens verborgen war, das sich sieghaff bew~rt hat, auch wenn Boden und Klima nicht immer die geeignetsten w a r e n . via Boccaccio, 43 Milano q t ia)
VITrO~ PISANI