Beobachtungen über die Besiedlung von Gletschervorfeldern in den Schweizeralpen1)

Beobachtungen über die Besiedlung von Gletschervorfeldern in den Schweizeralpen1)

Beobachtungen tiber die Besiedlung von Gletschervorfeldern in den Schweizeralpen1) Von Werner Liidi (Eingegangen am 8. Januar 1958) Die Vegetationse...

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Beobachtungen tiber die Besiedlung von Gletschervorfeldern in den Schweizeralpen1) Von

Werner Liidi (Eingegangen am 8. Januar 1958)

Die Vegetationsentwicklung im Spatglazial, in der Zeit des Riickzuges der eiszeitlichen Gletscher, empfangt gegenwartig in der botanischen Quartarforschung besondere Aufmerksamkeit. Wir wissen, daB in Mitteleuropa, einschlieBlich des Alpenyorlandes, die Vegetation im unvergletscherten Gebiet wahrend der Eiszeit auf Dauerfrostboden wuchs und einen tundrenahnlichen Charakter aufwies, aus anspruchslosen, grasig-krautigen Rasen und Zwerggestrauch bestand, soweit nicht der durch das BodenflieBen begiinstigte offene Schuttboden sich ausbreitete. Der Baumwuchs fehlte ganz oder umfaBte doch nur vereinzelte, kiimmerlich gedeihende Fohren und Birken. Nur an klimatiseh ganz besonders begiinstigten Lokalitaten waren dichtere Bestande von Baumen moglieh. Der Riickzug des Eises ging relativ ralseh vor sieh, und die Flora des Vorlandes brei tete sieh auf dem eisfrei gewordenen Boden aus. Diese Pioniere der Vegetation sind durch FundsteHen i1n intraglazialenBereieh belegt (vgl. z. B. C. SCHROTER 1883). Sie wei sen ebenfaHs auf Tundraeharakter. Nur die leieht verbreitungsfahige und von der sommerlichen Erwarmung kleiner Wasserbeeken besonders begiinstigte Wasserflora umfaBte aueh Arten mit hOheren Warmeanspriichen. Die weitere Entwieklung der Vegetation bis zum Waldland ist dureh Arbeiten einer Reihe von Forsehern auch fUr das Alpenvorland in den Hauptziigen bekannt (vgl. F. FIRBAS 1949, 1952 u. a. 0.; M. WEI,TEN 1944,1952; G. LANG 1952; W. LUDl1954, 1957): auf die Gras- und Spaliergestraueh-Pioniervegetation folgte ein Stadium, in dem niedrige, anspruchs:. lose Straueher, vor aHem Salix-Arten und Betula nana sieh ausbreiteten (Weiden-Zwergbirken-Zeit = 1. Gebiisehstadium). Bald traten aueh Juniperus (communis und nana?) und Hippophae rhamnoides starker in Erseheinung, und Baume von Pinus (silvestris, mugo und cembra?) undBetula 1) Herrn Prof. Dr. F.

OVERBECK

zum 60. Geburtstag.

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(pubescens und pendula?) nahmen an. Zahl zu (Wei den-Wacholder-SanddornZeit = 2. Gebtisehstadium). Dann schlossen sieh die Birken mit mehr oder weniger Fohren zu einem offenen Walde mit vorwiegend krautigem Unterwuchs und viol Farnkraut zusammen, der spater von einem lange Zeit herrschenden Fohrenwald abgelost wurde. Viele Probleme sind aber im vergletseherten Alpenvorland noeh nieht vollig geliist, so die Beeinflussung der Vegetation durch die spatglazialen Klimaschwankungen, die Einwanderung der Arten mit hOheren Klimaanspriiehen aus ihren eiszeitliehen Refugien, ihre Reihenfolge und zeitliehe Verteilung, namentlieh aueh die Zeit, die yom Eisrtiekgang bis zum Eintreffen der Baume und bis zu ihrer Ausbreitung verflossen ist, ferner die Ausbildung und Sukzession der Pflanzengesellsehaften auf dem Neuland. Seit 100--150 Jahren sind die Gletseher der Alpen in starkem und anhaltendem Riiekgang begriffen, und sehr groBe Bodenflaehen sind eisfrei und dadureh der Besiedlung durch die Vegetation zuganglich geworden. Diese Gletschervorfelder erscheinen sehr geeignet, Vergleiehsmaterial abzugeben zur Aufhellung der Vorgange der Vegetationsausbreitung, wie sie im Spatglazial beim Rtickzug der Gletseher auf dem eisfreien Gebiet stattgefunden haben.' Dbereinstimmung isi; ja im einzelnen nieht zu erwarten, schon weil beute die in Betracht fallen de Flora in der nahen Umgebung bereits vorhanden ist und nicht von weither einzuwandern braucht. Dann aber waren wohl im Spatglazial die Klimaverhaltnisse von den heutigen verschieden, vermutlieb am ahnlichsten denen, die heute in den kontinentalen Alpentalern herrsehen. . Die Besiedlung der Vorfelder und Mora,nen der Gegenwart ist in allgemeiner Weise fUr versehiedene Gletscher der Sehweizeralpen beschrieben worden (vgl. z. B. E. RUBEL, Berninagebiet, 1912; W. LUDI, Lauterbrunnental, 1921; ED. FREY, Grimselgebiet, 1922; E. SCHMID, Maderanertal, 1923). 1m nachfolgenden solI versucht werden, an einigen Beispielen die GesetzmaBigkeiten dieser Besiedlung und ihre zeitliehe Folge zu erfassen.

Aletschgletscher Dieser langste aIler Alpengletseher befindet sieh seit 1860 im Rtiekgang und ist aueh vertikal etwa 100 m eingesunken, wobei an seiner Seite unter dem Aletschwaldreservat kein gleiehmaBig geneigter Hang ersehienen ist, sondern ein stark gewellter Boden, an dem Steilhange und kleine Terrassen oder Mulden abweehseln. Diese Hange bieten reinen Gletsehersehutt, ohne Bache und ohne Alluvionen, die in den vor den Gletsehern gelegenen Boden das Bild der pflanzliehen Besiedlung sehr komplizieren. Sie eignen sieh gut zur Erkennung von GesetzmaBigkeiten. 25·

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Wir wahlten zur naheren Untersuchung einen geeigneten Hang, in NWExposition. Vom Gletscher an aufwarts bis an den Altboden, von 1870 bis 1975 m Meereshohe, wurden auf sechs ziemlich gleichmaBig verteilten Terrassen je eine begrenzte Dauerflache und eine Reihe weiterer Flachen auf ihre Besicdlung untersucht. Obschon der Gletscher im trockenen Wallis liegt, ist das Klima dieses Schattenhanges doch deutlich humid, und der Altboden im Aletschwald ist ein Eisenpodsol. Der unterliegende Fels und die Moranenauflagerung bestehen aus Silikatgestein; doch ist dem Moranenschutt ziemlich viel homogener Kalk eingelagert. Die eingehende DarsteHung findet sich bei W. Ltm 1945 und 1950; hier werden nur die Hauptzuge beschrieben. Die erste Einwanderung von Pflanzen erfolgte sehr rasch nach dem Eisruckgang. 1m Jahre 1944 wurden auf einer 5-8 Jahre alten und 800 m2 groBen DauerbeobachtungssteHe bereits 37 Arten von GefaBpflanzen gefunden mit einer Flachendeckung von 1 bis 2 %. Eine 12 m tiefer liegende, im Jahre 1948 aufgenommene und damals hochstens 3-4 Jahre yom Eise befreite Flache von 300 m2 ergab 16 Arten. Das erste Zusammentreffen von Neusiedlern umfa13te wahHos durch Samenzufuhr zusammengewtirfelte Individuen. Bereits in diesen jtingsten Flachen traten vereinzelt Holzpflanzen auf, Alnus 'Ciridis, Salix appendiculata, hastata, helvetica, nigricans, retusa, purpurea, Betula pendula und Picea abies. Auch Moospolsterchen erschienen schon in den ersten Jahren, oft beinahe ganz im Sande verborgen. In der 300 m 2 gro13en Flache von 1948 fan den sich 12 Arten von Moosen (vgl. Lum 1950). Die Entwicklung der Vegetation auf der oben genannten 800-m2-Dauerflache ging anfanglich rasch vorwarts. 4 Jahre nach der erst en Aufnahme (1948) wurden bereits 53 Arten von GefaBpflanzen gezahlt, und auch die Individuenzahl hatte sich betrachtlich vermehrt. Die Bltitenpflanzen wuchsen direkt auf dem rein en Mineralboden, nicht in Moospolstern, weniger im offen en Sand als vielmehr zwischen dem groberen Schutt, wahrscheinlich, weil dort die Feinerde nicht del' Aussptilung ausgesetzt war, vieHeicht auch, weil die Blocke den Keimpflanzen etwas Schutz gegen die kalten Gletscherwinde boten. Von Alnus viridis waren 10 Exemplare vorhanden, die groBten bis 60 cm hoch, eine Salix purpurea maB 45 cm, eine andere 16 cm. Auch Betula pendula und Picea abies zahlten je 10 Exemplare. Die Moose dagegen besiedelten vorwiegend die offenen Sandflachen, und in diesel' etwa 10 Jahre alten Flache hatte bereits Rhacomitrium canescens angefangen, sich auszubreiten, wahrend die anderen Moose, unter den en VOl' aHem Polytrichum piliterum und juniperinum, Bryum caespititium und Ceratodon purpureus zu nennen waren, zuriicktraten.

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Der weitere Gang der Entwicklung ergab sich durch Betrachtung der i:ilteren Terrassenfli:ichen. Die etwa 25 Jahre alte FHiche zeigte schon eine erste Aussonderung der Ansiedler nach Standorten, so Quellfluren oder auch Gebtische von Alnus viridis,_ die bereits zu fruchten begannen, langs der kleinen Wasserchen. Ausgedehnte Rasen von Rhacomitrium canescens, in welche Stereocaulon alpinum einwanderte, breiteten sich auf dem Sandboden aus. Auch azidophile Zwergstraucher (Vaccinium myrtillus, V. vitis idaea, Rhododendron terrugineum, Calluna vulgaris, Empetrum hermaphroditum) waren eingewandert. Die Humuseinlagerung in den Boden war deutlich geworden, und unter manchen Moosrasen waren bereits dunne Humusschichtchen festzustellen. Die Entwicklung der Wei den ging stark vorwarts, wahrend Picea ausgesprochen schlecht gedieh. Auch Betula und die hier neu hinzugekommenen Larix decidua und Populus tremula hielten in der Entwicklung zuruck. Dryas octopetala fand sich erst in diesem zweiten Stadium, sehr sparlich, aber gut gedeihend. Die 45jahrige Flache wurde von den Zwergweiden beherrscht (vor allem Salix helvetica), mit ausgedehnten Rhacomitrium- und StereocaulonDecken. Das azidophile Zwerggestrauch und der Baumwuchs hatten wenig zugenommen. Doch gediehen Betula, Picea, Larix sehr gut an einem Wasserchen, das offensichtlich gtinstigere Existenzbedingungen bot als der Durchschnitt der FHiche. Sie erreichten BaumhOhen von 3 bis 5 m und waren in das Fruchtbarbeitsalter eingetreten. Eine Arve (Pinus cembra) und etwas Juniperus nana und Calamagrostis cf. villosa hatteR sich angesiedelt. Auf der etwa 70 Jahre alten FHiche hatte sich das azidophile Zwerggestrauch der oben genannten Arten stark ausgebreitet, bildete da und dort kleine Bestande und fing an, die Zwergweiden zu uberfltigeln. Loiseleuria procumbens und Luzula silvatica waren hinzugekommen. Auf der seit langerem bewachsenen Bodenoberflache hatte sich eine dtinne Humusschicht gebildet, die eine merkliche Versauerung zeigte. Die alteste Dauerflache grenzte an den oberen Rand der Jungmorane und war im Jahre 1944 etwa 85 Jahre alt. Auf ihr bildeten Larix und Betula einen offenen Wald mit Baumhohen von 4 bis 6 m, wahrend Picea stark zuruckblieb und die Arven zwar ziemlich reichlich vorhanden waren, aber meist nur cine Hohe von einigen Dezimetern erreichten. Begunstigt durch den Laubfall der Baume, der stellenweise bereits Streuschichten erzeugt hattc, waren erste Anfange von Podsolierung eingetreten. Das azidophile Zwerggcstrauch hatte sich ausgedehnt, und gunstige Stellen trugen zusammenhiingende, geschlossene Bestande des RhodoretoVaccinietums, die allerdings mit Bezug auf die krautige Begleitflora noch artenarm und wenig charakteristisch ausgebildet waren. Rasenbestande

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traten in dieser Entwieklungsreihe nie bedeutend in Erseheinung; doeh fanden sieh auf den altesten Teilen der Jungmorane da und dort kleine, magere und artenarme Rasen von Festuca rubra ssp. commutata, Agrost~:s tenella oder Deschampsia flexuosa, und von den rasenbildenden Krautern waren besonders Lotus corniculatus und Trifolium pallescens sehr verbreitet. Die Vegetationsentwieklung geht also auf diesen Moranenterrassen des Aletsehwaldes ziemlieh raseh vor sieh: Unter gtinstigen Bodenverhaltnissen entstchen in 40-50 Jahren das Stadium der Wei dengebtisehe, in 70 Jahren kraftige Initialen der azidophilen Zwergstrauehbestande und in 80-100 Jahren ein junger Wald von Larix decidua und Betula pendula mit aufwaehsender Pinus cembra und einem Unterwuehs von Rhodoreto-Vaeeinietum. Die Zahl der Gefa.Bpflanzen nimmt zuerst stark zu und erreieht in unserem Profil in der 25jahrigen Flaehe mit 85 Arten den Maximalwert, um dann in den alteren Flaehen wieder abzunehmen, zum Teil, weil die Pioniere versehwinden (schon in der 25jahrigen Flaehe betraehtliehe Abnahme), zum Teil, weil artenarme Gesellsehaften von Holzpflanzen sieh ausbreiten und zu dominieren anfangen. Die lokale Erhaltung von kleinen Rasenflaehen, den en Straueher und Baume fernbleiben, mu.B auf besonderen okologisehen Verhaltnissen beruhen, die mir noeh nieht klar sind. Der Weidegang (hier kommen nur Gemsen in Betraeht) dtirfte zur Erklarung nieht gentigen. Wir werden die gleiehe Erseheinung aueh in anderen Gletsehervorfeldern finden. Moranensehutt hietet in weitem Umfang zur Besiedlung wenig geeigneten Boden, namlieh Grobgeroll oder Grobsehutt, freiliegend oder mit etwas Sandbedeekung. An diesen Stellen ist die Vegetation aueh auf den Moranenterrassen noeh wenig entwiekelt, sehr offen oder aus Moos- und Fleehtendeeken bestehend. Sehr wenig bewaehsen sind aueh die steileren Hange dieses Moranengebietes, wo die Erosion die Feinerde immer wieder aussptilt und sogar wurzelnde Pflanzen ihres Haltes beraubt. Bis sieh hier eine gesehlossene Pflanzendeeke bildet, werden im allgemeinen Jahrhunderte vergehen. Solehe Verhaltnisse besehreibt MAX OECHSLIN (1935) vom GrieBgletseher.

Griesgletscher Dieser Gletseher liegt im Sehaehental in den nordliehen Kalkalpen des Kantons Uri, in einem sehr humiden Gebiet. Das Gletsehervorfeld fallt ziemlieh steil gegen Norden ab, in einer MeereshOhe von 1930 bis 2290 m. Felsunterlage und Moranensehutt bestehen aus Kalk. Die Besiedlung geht au.Berordentlieh langsam vor sieh. Am besiedlungsttiehtigsten erwies sieh Saxifraga aizoides, eine Art, sie aueh am

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Aletschgletscher zu den ersten Pionieren gehOrt. 10 Jahre nach dem Eisrtickgang kamen noch Saxitraga opposititolia und Linaria alpina dazu. Diese drei Arten blieben auch auf dem 16jahrigen Boden noch immer allein. 1m weiteren ergab sich folgende Zunahme: 54 69 74 94

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In dem Zeitraum zwischen 16 und 54 Jahren beg ann die Humusbildung, zwischen 54 und 69 Jahren die Bildung einer geschlossenen Pflanzendecke, bei einem im ganzen aber noch sehr kleinen Deckungsgrad der Vegetation (stellenweise bis 10 %). Noch im altesten unterschiedenen Abschnitt sind Saxitraga aizoides, Salix retusa und Poa minor, also Vegetationspioniere, unter den Ansiedlern dominant, haufig auI3erdem Achillea atrata, Dryas octopetala und Bartsia alpina. Von Holzpflanzen wird neben Salix retusa nur noch Salix serpyllitolia und Salix appendiculata genannt. Der Gletscherboden kommt also beinahe 100 Jahre lang nicht tiber den Zustand der Pioniervegetation mit Anfangen von Rasenbildung hinaus. OECHSLIN flihrt dies, wohl mit Recht, auf die starke Erosion im Gletschervorfeld zurtick, durch die die Feinerde ausgeschwemmt wird, so daI3 die Pflanzen an ausgesprochenem Nahrungsmangelleiden oder gar seIber entwurzelt und weggesptilt werden. Allerdings ist nicht zu vergessen, daI3 Kalkschutt nur langsam und in geringem Umfang Feinerde bildet, und zudem liegt dieses Gletschervorfeld tiber der Baumgrenze (hier nach IMHOF und OECHSLIN bei etwa 1850-1900 m einzusetzen) wo die klimatische Ungunst die Entwicklung der Vegetation sehr verlangsamt. Aber in dem altesten und tiefst gelegenen Teil des Vorfeldes ware immerhin bei gtinstigen Bodenverhaltnissen (ebener Boden mit gentigend Feinerde und Wasser) zu erwarten, daI3 das Wachs tum innerhalb 100 Jahren zur Bildung richtiger Rasen flihren wtirde.

Hiifigletscher Der Htifigletscher ist dem Griesgletscher benachbart. Er nimmt den Ursprung in der gleichen Gebirgskette, aber auf der Stidseite und flillt den Hintergrund des alpeneinwarts vom Schachental gelegenen Maderanertales. Das junge Gletschervorfeld (etwa 1450-1500 m) liegt flach, mit felsigen und zum Teil rundbuckligen Randern. Die Felsunterlage besteht hauptsachlich aus Silikatgestein, wird aber von vorwiegend kalkigem Moranenschutt tiberlagert. Die nattirliche Baumgrenze dtirfte in gleicher Hohe liegen wie im Schachental, ist aber, wie dort, infolge der weitgehenden Rodungen schwer zu bestimmen.

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Auch hier begann der Gletscherrtickgang um 1850 (nach E. SCHMID) und wirkte sieh zuerst vor allem am Hang aus; auf dem jetzt tiber 1500 m langen Gletscherboden wich das Eis nach M. OECHSLlN erst vom Jahre 1883 an. E. SCHMID (1923, S. 6-9) schildert den Stand der Neubesiedlung um 1915: Auf dem jtingeren, etwa 12-17 Jahre eisfreien Teil des Gletscherbodens fand er 107 Arten von Bltitenpflanzen und Pteridophyten, dazu 10 Moosarten. Als besten Pionier bezeichnet er Saxifraga aizoides. Diese Ansiedler bildeten nur sehr offene Bestande, ohne gegenseitige Bezugnahme. Aueh in den alteren Absehnitten des Vorfeldes stellte er noeh eine bunte Mischung der Arten fest, und erst in den altesten, 45-65 Jahre eisfreien Teilen setzte die Ausgliederung von Pflanzengesellschaften ein und fanden sich auch Beziehungen zwischen den Individuen, so, wenn junge Fichten die neben ihnen wachsenden Krautpflanzen beschatteten und zum Absterben braehten, oder die maehtig wachsenden Spaliere von Dryas octopetal~ und Salix retusa Gramineen als Keimbett dienten. SCHMID fand aueh in diesen altesten Teilen des Vorfeldes nur eine einzige eharakteristisch ausgebildete Gesellschaft, eine Hochstaudenflur vom Typ des Adenostyletum alliariae (von ihm Ostruthietum benannt). 20 Jahre spater habe ich auch einen kleinen Beitrag zur Besiedlung dieses Gletschervorfeldes gegeben (LUDI 1934, vgl. auch OECHSLIN 1935), wobei allerdings die Vorgange der Bodenreifung im Vordergrund standen. Mein Besuch fiel ins Jahr 1933. Auf der altesten, etwa 50jahrigen Alluvion des Gletscherbaehes hatte sich die Bltitenpflanzenvegetation beinahe geschlossen, wobei aber die Graser noch stark zurticktraten und als haufige Arten zu nennen waren: Cerastium stricMtm, Trifolium pratense, Anthyllis vulneraria, Epilobium fleischeri, Scabiosa lucida, Bellidiastrum michelii, Carduus defloratus, Chrysanthemum leucanthemum, Leontodon hispidus. Bereits war eine humose Oberschieht des Bodens in Bildung begriffen, die vor allem aus den ausgedehnten Moosrasen von Tortella tortuosa und Tortella inclinata entstand. Am Hang einer RundhOckerlandschaft, die vor etwa 60-80 Jahren eisfrei wurde, war die Vegetation in deutlicher Ausscheidung nach Kleinstandorten begriffen. Auf frischem Boden bildeten sich Frischwiesen vom Carex ferruginea- oder Festuca rubra commutata- oder Calamagrostis variaTyp, an trockeneren Hangen Rasen, die zum Seslerio-Semperviretum zu stellen sind. Die basiphile und neutrophile Vegetation herrschte also noch entschieden vor. Aber auf dem Rticken der seit etwas tiber 80 Jahren eisfreien Rundhoeker war bereits Vaccinium myrtyllus eingewandert. Die Untersuchung der BOden wies in den altesten Besiedlungsstadien eine starke bis vollige Auslaugung der Karbonate und parallel gehend eine Erniedrigung der pH-Wertes von pH 8 bis etwas unter den Neutralpunkt nacho Auffallend

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ist, daI3 zur Zeit meiner Untersuchung Baum- und Strauchpflanzen noch so wenig hervortraten. Doch ist, abgesehen davon, also besonders in den jUngeren Stadien, die Ahnlichkeit des Entwicklungsverlaufes mit dem am Aletschgletscher beobachteten nicht zu verkennen. GegenUber dem Gletschervorfeld des Griesgletschers ist hier am HUfigletscher der groI3e Vorteil der geringeren Meereshohe, der flacheren Lage und der vielgestaltigen Zusammensetzung des Schuttes fUr die Besiedlung in die Augen springend.

Oberer Grindelwaldgletscher Wir wollen ~in noch tiefer gelegenes Gletschervorfeld in den Nordalpen betrachten, das Vorfeld des Oberen Grindelwaldgletschers in den Berner Alpen. Auch hier ist das Klima ausgesprochen humid. Das Gletschervorfeld liegt in etwa 1250 m Meereshohe, also gegen das untere Ende der Picea-Stufe hin (Baumgrenze bei etwa 1950 m). Die Felsunterlage ist Kalkgestein, und der Moranenschutt besteht aus einer Mischung von Silikat und Kalk, das Silikat vorwiegend. Der Obere Grindelwaldgletscher erreichte seine groI3te Ausdehnung wahrend des Holozans nach 1600 (vgl. H. KINZEL 1932). Zu Anfang und in derMitte des 19. Jahrhunderts stieI3 er wieder stark vor, zog sich dann zurUck, um 1911-1922 von neuem weit vorzusto/3en. Seit 1922 bis heute ist er andauernd zurUckgegangen, und ein ebenes, nur in den jUngsten Teilen ansteigendes Vorfeld ist entstanden. Meine Untersuchung wurde im Jahre 1944 vorgenommen (LUDI 1945) mit spateren Erganzungen. Die Moranen von 1820 und 1850 sind zum groI3en Teil von Waldbedeckt, der auf feuchterem Grund von Alnus incana, auf trocknerem Boden von Picea abies gebildet wird. 1m Fichtenwald zeigen sich bereits ausgepragte Bodenreifungsvorgange, Bildung von Rohhumus aus Streudecken der Fichte und aus Moospolstern (vor allem Hylocomium proliferum und Rhytidiadelphus triquetrus) und darunter Anfange des B-Horizontes. Allerdings liegt zwischen dies en gereifteren BOden wieder offener oder nur von einer dUnnen, mineralarmen Rohhumusdecke Uberzogener Grobschutt. Die Vorgange der Bodenreifung sind bei der alteren Morane etwas starker entwickelt als bei der jUngeren, und auch die Entwicklung der Vegetation zum Piceetum ist weiter vorwarts gegangen. Bereits sind charakteristische Arten der Fichtenwalder'vorhanden, Luzula silvatica und luzulina, Listera cordata, Corallorrhiza trifida, Goodyera repens, Pyrola uniflora, Galium rotundifolium. Es scheint, daI3 stellenweise das Aufkommen der Fichtenwaldvegetation der Bodenreifung sogar vorangeeilt ist.

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1m eben en Vorfeld innerhalb der 1850-Morane herrscht Kies- und Sandalluvion vor, und der Boden ist bereits in geringer Tiefe wassergesattigt. Hier hat sich ein Wald von Alnus inc ana entwickelt mit einem krautigen, hochstaudenreichen Unterwuchs, weitgehend demjenigen entsprechend, der auch die ausflie13ende Liitschine begleitet. In diesen Erlenwald stie13 der Gletscher bei seinem letzten Vorsto13 hinein und raumte den Wald aus. Nach dem Riickzug, der bis zu meinem Besuch im Jahre 1944 etwa 330 m betrug (der vorausgehende Vorsto13 etwa 250 m), entstand ein neues Schuttbett, das in Dberwachsung begriffen ist. In seinen altesten, damals seit 14-20 Jahren eisfreien Teilen war in den gut durchfeuchteten Boden nahe dem ausflie13enden Gletscherbach bereits ein 3-4 m hohes Gebiisch von Alnus incana mit Salix daphnoides und vereinzelt auch anderen hochstrauchigen Salix-Arten aufgewachsen, zwischen dem sich da und dort noch offene Stellen mit Agrostis alba und Epilobium fleischeri erhalten hatten. Die etwas hoher gelegenen Flachen, die allerdings durch die Entnahme von Schotter stark gestort waren, trugen ein offenes Gebiisch und stellenweise einen ziemlich geschlossenen Rasen, in dem Anthyllis vulneraria dominierte. Naher dem Gletscher, mit etwa 10,-12jahriger Eisfreiheit, breitete sich ein offenes Weiden-Grauerlengebiisch von gut 1 m Hohe aus, und der Krautbestand war ebenfalls teilweise geschlossen. Etliche Picea abies, 20-30 cm hoch, aber von schlechtem Wuchs, waren eingestreut. Hier fan den sich auch die erst en Humusanfliige. Gegen den Gletscher hin nahm die Vegetation graduell abo Die erst en Pflanzchen (Saxitraga aizoides) wuchsen auf dem 2jahrigen Boden, auf dem etwa 7jahrigen bliihte bereits eine ganze Reihe von Arten. Auf dem Gletschervorfeld des Oberen Grindelwaldgletschers gehen also Besiedlung und Dbergang zum Wald recht rasch vor sich. Ein Jahrhundert geniigt, um physiognomisch den Vegetationscharakter an die Altvegetation anzugleichen. Wir kehren jetzt von den Nordalpen wieder in die Zentralalpen zuriick.

Rhonegletscher Das Vorfeld des Rhonegletschers (1760-1830 m) liegt im sehr humiden Zentralalpengebiet der Grimsel. Sein Untergrund ist Silikatfels, und auch der Gletscherschutt ist Silikat, allerdings zum Teil basischer Art (z. B. Amphibolite). Der Rhonegletscher hat sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts mit Unterbriichen zuriickgezogen und einen flachen Gletscherboden von 2 km Lange hinterlassen. Die Baumgrenze (IMHOF 1920, HESS 1942) ist auf etwa 2050-2100 m anzusetzen und wird von Larix decidua gebildet. Etwas tiefer herrscht Picea abies. Der Riickzug des Rhonegletschers wurde genau

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vermessen und verschiedentlich auch die Neubesiedlung des eisfrei gewordenen Bodens beschrieben (J. COAZ 1887, ED. FREY 1922, H. FRIEDEL 1938, W. LUDI 1945). COAZ stellte im Jahre 1883 die angesiedelten Bltitenpflanzen in den 10 jtingsten Jahresgtirteln des Neulandes fest. In den drei jUngsten Gtirteln, entstanden in den Jahren 1881-1883, fand sich nur Saxitraga aizoides, die also auch hier, wie tiberall, besonders besiedlungstUchtig erscheint. 1m 4jahrigen Giirtel waren bereits sieben Arten vorhanden. Weiterhin nahm die Artenzahl zuerst ziemlich langsam und dann rasch zu, so daB der 9. Gtirtel 37 Arten und der 10. deren 39 umfaBte. Insgesamt wurden in diesem 0-10 Jahre eisfreien Teil des Gletschervorfeldes 68 Arten von Bltitenpflanzen gefunden, was einen betrachtlichen Teil der Flora der Umgebung reprasentiert. Auffallend ist dabei die bedeutende Zahl der rasenbildenden Gramineen und Cyperaceen (17 Arten), darunter im 10jahrigen Gtirtel auch N ardus stricta. Von Holzpflanzen fand COAZ im 8. Gtirtel Alnus viridis, dazu im 9. Salix purpurea und S. helvetica und im 10.

Salix retusa. Beim letzten VorstoB, von 1913 bis 1921, lagerte der Rhonegletscher eine kleine, aber gut abgesetzte Endmorane abo Hinter ihr hat sich die Vegetation kraftig entwickelt. Dberall sproBt sie auf kleinen Sandablagerungen und zwischen den Blocken hervor. In den Jahren 1943 und 1944 habe ich hier· 40 Arten von Bltitenpflanzen und ftinf Arten von Moosen gefunden, und seither hat die Artenzahl noch stark zugenommen. Auffallend ist wieder das reichliche Vorkommen von Grasern (besonders Poa nemoralis und Agrostis teneZZa) und gut entwickeltem Gebtisch aus Salix-Arten und Alnus viridis. Einzelne Larix-Pflanzen wachsen auf. AuBerhalb der Morane von 1922 fand ich 1944 folgende Zonation der Vegetation: etwa 25-40 Jahre eisfrei:

Stadium der ersten Aussonderung nach Standorten und der starkeren Entwicklung von Holzpflanzen und Moospolstern Stadium der Z.wergweiden etwa 40-60 Jahre eisfrei: etwa 60-120 Jahre eisfrei: Stadium der Konsolidierung der Pflanzengesellschaften, insbesondere der Ausbreitung des azidophilen Zwerggestrauchs und der azidophilen Rasen etwa 120-130 Jahre eisfrei: (kleine Morane des VorstoBes von 1816): Stadium der charakteristischen Ausbildung des Rhodoreto-Vaccinieturns auf atypischem Boden.

Es herrscht also mit Bezug auf die Vegetationssukzessionen und auf die zeitliche Verteilung in den Hauptztigen Vbereinstimmung mit den Verhaltnissen auf den Seitenterrassen des GroBen Aletschgletschers. Daneben weist das groBe, in den Bodenverhaltnissen sehr vielgestaltige Glctscher-

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vorfeld aber seine Besonderheiten auf. Schon ED. FREY macht darauf auf· merksam, daB im Innern des Schotterfeldes die Vegetation ausgesprochen azidophil sci, wahrend da, wo Grundwasser auftrete, auch in den alteren Teilen sich in Menge Saxifraga aizoides und da und dort auch Dryas octo· petala finde. Das altere Vorfeld wird von einer Reihe von Bachlein dureh· flossen, die teilweise von den Hangen herabkommen. An ihren Ufern haben sich Quellfluren entwickelt und anschlieBend mancherorts kleine Flach· moore, die im wesentlichen dem Carex fusca- Typ zuzureehnen sind. Auf dem kiesigen oder aueh reinen Sandboden, der unfruchtbar und leicht austrocknend ist, haben sich Moos- und Fleehtendecken angesiedelt, aus den gleichen Arten wie im Aletsch, nur in viel groBerem Umfang auftretend. Sie erhalten sich lange Zeit, werden dann zum Teil von azidophilem Zwerggestrauch, namentlich Calluna vulgaris, verdrangt, zum Teil von mageren Rasen. Die Rasen nehmen in dem Vorfeld einen groBen Raum ein, im jungeren Teil besonders Festuca rubra commutata- Trifolium pallescens-Rasen, in den alteren Teilen mehr Nardus stricta-Rasen. Sie verdanken ihre groBe Ausdehnung wohl zum Teil dem Weidebetrieb, der das azidophile Zwerggestrauch und den Baumwuchs zuruckdrangte. Diese Zuruckdrangung ist besonders beim Baumwuchs auffallend: Larchen wachsen in den jungeren Teilen des Gletscherbodens reichlich auf, gemiseht mit etwas Fichten; sie treten dagegen in den alteren Teilen stark zuruck und sind vorwiegend verkruppelt. Die Waldbildung ist also vom Menschen unterbunden worden. Vielleicht steht auch das starke Vortreten von Calluna im Zwerggestrauch mit der Beweidung in Verbindung; teilweise durfte es aber die Folge der gegenuber dem Aletschwald groBeren Bodentrockenheit sein. Da und dort ist in den alten Teilen des Vorfeldes die Zwergstrauchheide bereits floristisch gut entwiekelt, am charakteristischsten auf der von ihr ganz bedeckten kleinen Morane von 1816. Dort dominieren auf der Westseite Calluna, auf dem Rucken (Wind!) Juniperus nana und auf der gegen Osten gewendeten Innenseite Rhododendron ferrugineum, die Vaccinien und Calluna. Der Boden zeigt hier s-tarker als in den flachen Lagen bereits Versauerung und den Anfang der Bildung des B-Horizontes.

Morteratschgletscher und Roseggletscher Neben diesen Gletschervorfeldern aus den Nordalpen und den westlichen Zentralalpen wollen wir noeh die Verhaltnisse in zwei groBen GletscherbOden der ostlichen Zentralalpen kurz darstellen, am Morteratschgletscher und an dem durch die Kette der Bernina getrennten Roseggletscher im Oberengadin. Beide liegen im kontinental en Teil der Alpen. Die mittleren Jahresniederschliige betragen im benachbarten Pontresina in 1800 m

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Meereshohe nur 815 mm (Grindelwald in 1050 m = 1265 mm), die Sonnenseheindauer some die tagliehen und jahreszeitliehen Temperaturextreme sind reeht gro.f3 (vgl. bei E. RUBEL 1912). Felsuntergrund und Moran en schutt bestehen in beiden Gletsehervorfeldern aus rein em Silikatgestein, allerdings zum Teil basi scher Art. Die Baumgrenze liegt in diesem Gebiet sehr hoeh, urn etwa 2300-2350 m, zum Teil noeh etwas hOher und wird gebildet von Arven, seltener von Larehen (vgl. E. RUBEL 1912). Beide Gletschervorfelder sind ebenfalls dureh den Gletseherriiekzug seit ungefahr 100 Jahren entstanden (vgl. bei R. KINZEL 1932). Die im naellfolgenden kurz dargestellte Untersuehung fand im Jahre 1956 statt. Das Vorfeld des Morteratsehgletsehers (1920-2000 m) ist ungefahr 1 km lang. Das au.f3ere Ende geht in junge Alluvion des Baehes iiber und ist seitlieh an altern Boden mit Pinus cembra- und Larix decidua- Wald leieht zu erkennen. Langs der Seiten des Gletsehervorfeldes erheben sieh steile, felsige Range, an denen keine deutliehen Terrassen ausgebildet sind; aber die Grenze zwischen der alten und der neuen Vegetation hebt sieh aueh hier auffallend abo Das Vorfeld des Gletschers ist yom Bach stellenweise tief durchwiihlt. Die Beobachtungen wurden jedoch im westliehen Tell des Gletseherbodens auf der hOher liegenden, der Dberschwemmung nieht ausgesetzten Flaehe gemacht. Der Boden bestand vormegend aus GrobEchutt mit eingeschalteten kleinen Sandfeldern, we iter gletseherauswarts auch aus Kies mit Sandbeimischung oder Sandiiberdeekung. Die jiingsten Teile waren ohne Pflanzenwuchs. Nur in kleinen Baehlein fanden sich in Menge griine Fadenalgen bis etwa 20 m an das Eis heran. Dr. E. THOMAS in Ziirichhatte die Liebenswiirdigkeit, sie anzusehen, und stellte fest, da.f3 es sieh urn wattenartig verfilzte Pakete von sterilen Zygnemaceen handelte (Zygnema und Mougeotia oder Spirogyra). 1m Fadengewirr lebten einzellige Algen (Meridion circulare, Hantschia amphioxys, Nitzschia und andere Diatomeen, ein undifferenziertes Staurastrum, ein Cosmarium) und kleine Nematoden. Die ersten noch sterilen Bliitenpflanzen (vereinzelte Epilobium tleischeri und Oxyria digyna) fanden sieh etwa 100 m yom Eise entferntl), bei einer Eisfreiheit von 4 bis 5 Jahren. 200 m yom Eise entfernt, bei etwa 8 Jahren Eisfreiheit, bliihte das Epilobium reiehlich, und vereinzelt war auch Saxitraga opposititolia vorhanden. Etwas weiter weg fanden sieh einzelne Agrostis rupestris, Festuca rubra commutata, Saxitraga bryoides. An einem kleinen Walle in einer Entfernung von 250 bis 300 m yom Eise, entsprechend etwa 12-14 Jahren Eisfreiheit, wurde das Pflanzenleben etwas reicher, indem zu den vorigen noeh hinzukamen Deschampsia tlexuosa, Poa nemoralis, Poa laxa, Poa alpina, Festuca halleri, 1) AIle Entfernungen nur geschatzt.

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ein Salix appendiculata (20 cm hoch), Sagina saginoides, Cerastium strictum, Sedum annuum, Sempervivum arachnoideum, Saxifraga aspera, Trifolium pall esc ens, Epilobium alpinum, Tussilago farfara, Achillea moschata, Hieracium sp;, vereinzelte Filices (cf. Dryopteris filix mas und Athyrium sp.) und kleine Raschen von Polytrichum juniperinum und piliferum und Rhacomitrium canescens. Das sind 22 Arten von Bltitenpflanzen, was, verglichen mit Aletsch- oder Rhonegletscher, eine recht magere Besiedlungergibt. Nochmals 100 m weiter tauchten auf Sand erste kleine Rasen V8n Trifolium pallescens auf, etwa von nachstehender Zusammensetzung: dominant: hiiufig: spars am:

Trifolium pallescens Agrostis rupestris Poa nemoralis Poa alpina Poa laxa Oxyria digyna Cerastium strictum

Saxifraga aspera Parnassia palustris Epilobium alpinum Epilobium fleischeri Erigeron sp. Antennaria dioeca

Diese Vegetation von mageren, artenarmen, unausgeglichenen Rasen im Wechsel mit offenem Schutt halt sich auch durch den alteren Teil des Gletscherhodens. Natiirlich kommen weitere Arten hinzu, meist aber ohne hervorzutreten. Zu nennen waren in den Rasen etwa Festuca mbra commutata (oft dominant), Trifolium pratense ssp., nivale, Plantago serpentina, Leontodon hispidus. Herden von Rubus idaeus treten auf. Die Rhacomitriumund Stereocaulon- Rasen sind auf dem Schutt vorhanden, aber wenig ausgedehnt. Die Moosflora dieser Gletscherboden hat TH. HERZOG (bei E. RUBEL 1912, S. 242) kurz beschrieben. Die Holzpflanzen sind auch in den alteren Teilen des Gletscherbodens noch spars am vorhanden, am haufigsten kleine Btische von Juniperus nana, dann vereinzelt Zwergweiden. Junge Baume von Larix sind tiber die Flache verstreut, gelegentlich 4-6 m hoch; aueh Pinus cembra findet sieh, meist noeh klein, unter einem Meter hoch. Das Schlu£glied der Vrgetationsentwicklung in diesem Gebiet ist das Rhodoreto-Vaeeinietum cembretosum, der Larehen-Arvenwald mit azidophilem Zwerggrstraueh als Unterwuehs. Er bedeckt die Hange des Berninatales und reieht auf dem Altboden auch noeh etwas in das Gletschertal hinein. Aber das Gletsehervorfeld zeigt noeh keine Spur einer solehen Waldbildung, und auch die Bodenbildung ist nur wenig tiber das Stadium des Rohbodens hinaus entwiekelt. Del' Grund ftir diese sehwache Bewachsung und langsame Entwicklung liegt offensichtlieh in der Troekenheit des Bodens. In ihm dominieren die groben Bestandteile, die wenig Wasserhaltungsvermogen besitzen, und bei den geringen Niedersehlagen, der

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kleinen Luftfeuchtigkeit und der intensiven Sonnenstrahlung trocknet der Sand vOllig aus und wird auch leicht verblasen. Die Vegetation der Randhange des Gletscherbodens gleicht der soeben fUr die cbene Bodenflache beschriebenen oder ist noch weniger entwickelt, besondcrs auf dem gegen Osten geneigten linken Talhang. Am rechten Talhang dagegen ist sie gegen auBen hin viel we iter fortgeschritten: wir finden dichte Gebtische von Alnus viridis mit viel Birken, hochstrauchigen Weiden, jungen Larchen, dazwischen Rasen von Trocken- oder Frischwiesenhabitus, sogar Hochstauden wie Peucedanum ostruthium und Chaerophyllum villarsit. Dieser Teil des Hanges erscheint besser bewassert als die iibrigen Teile, vielleicht ist auch eine gtinstigere (dickere?) Moranendecke vorhanden. pas Vorfeld des Roseggletschers einschlieBlich des mit ihm vereinigten Tschiervagletschers (2020-2080 m) ist sehr viel groBer als dasjenige des Morteratschgletschers, vom Hotel Roseg an etwa 3,5 km lang. Schon die topographische Rarte von 1877 gibt ihm eine Lange von etwa 2,5 km. Aber dieser auBere Teil des Vorfeldes ist eine Alluvialebene des Gletscherbaches geworden, der bald erodiert, bald tiberschwemmt und seinen Schutt ablagert. Heute sind die Gletscher so we it zurtickgegangen, daB sich der Roseggletscher und der Tschiervagletscher voneinander getrennt haben. Das untersuchte Gebiet, im westlichen und mittleren Teil des Vorfeldes vom Hotel Roseg bis gegen das Gletscherende hin, liegt wesentlich tiber dem tief eingegrabenen Hauptbach des Gletschers und hat dem Anschein nach seit langem keine StOrung durch neue Dberdeckung mit Bachschutt erfahren. Es wird von kleinen Bachlein durchzogen, die vom westlichen Berghang hinunterkommen. Dieses nicht mehr als 100 bis 150 Jahre alte Glctschervorfeld erinnert sehr an das Vorfeld des Morteratschgletschers. An den Hangen findet sich ebenfalls die scharfe Absetzung gegen den Altboden. Der Vegetations charakter ist dem des Morteratsch ahnlich. In den alteren Teilen treten vereinzelt am Hang und in dem flachen Boden junge Larchen und Arven auf, ebenso kleine Gebtische von Alnus viridis und Salices an feuchten Stellen. Verbreitet sind Zwerggebiische von Juniperus nana und sparlich auch von Rhododendron ferrugineum. Doch fehlt noch jede fortgeschrittene Bodenbildung, ebenso sind kaum Anfange eines Rhodoreto-Vaccinietums vorhanden. Waldbildung fehlt ganzlich. Doch scheint die Flora artcnreichcr und starker in Gesellschaftcn gegliedert ah; am Morteratsch. Ausgedehnt sind magere Rasen, in denen wir folgende Arten notiert haben: Phleum alpinum Deschampsia flexuosa Deschampsia caespitosa

Trifolium pallescens Trifolium badium Epilobium fleischeri (wenig)

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Gentiana nivalis Poa alpina Veronica fruticans Festuca rubra commutata Euphrasia minima Minuartia verna Campanula scheuchzeri Saxifraga aspera Achillea moschata Saxifraga bryoides Chrysanthemum alpinum Sempervivum arachnoideum Leontodon hispidus Sempervivum montaneum Trifolium pratense typo (seltener) Hieracium pilosella Trifolium pratense ssp. nivale

Der Charakter des Rasens ist im allgemeinen der einer Trockenwiese. Die Graser treten zuruck und werden nur in den feuchteren Depressionen dominant. An den durchflie.l3enden Bachlein haben sich da und dort gut ausgebildete Quellfluren entwickelt, stellenweiS'e im Dbergang zum Flachmoor von Carex fusca. Nachstehend ein Beispiel der floristischen Zusammensetzung: Agrostis alba Deschampsia caespitosa Carex microglochin Carex fusca Carex echinata Carex frigida Juncus triglumis

J uncus filiformis Juncus alpinus Saxifraga stellaris Parnassia palustris Epilobium nutans Primula farinosa Pinguicula leptoceras

Die jungeren, teilweise in junge Morane ubergehenden Teile des Gletscherbodens, die ich leider nicht genau datieren kann, besitzen eine etwas artenreichere Vegetation, in der auch kalkliebende Pflanzen auftreten. Holzpflanzen sind ziemlich verbreitet, aber immer ver!\treut. rch notierte an Baumarten kleine Betula, Larix, Picea, an Strauchem Salix serpyllifolia, appendiculata, hastata, helvetica, nigra, pentandra (relativ haufig und Baumchen bis zu 4 m Hohe bildend), Rhododendron ferrugineum (vereinzelt), an Krautpflanzen: Dryopteris filix mas Agrostis alba Agrostis rupestris Phleum alpinum Deschampsia caespitosa Poa nemoralis Poa alpina Poa pratensis Festuca halleri f. spec. Festuca pumila var. glaucescens Juncus trifid us Rumex scutatus Oxyria digyna

Parnassia palustris Trifolium pratense ssp. nivale Trifolium pallescens Trifolium badium Anthyllis vulneraria Helianthemum nummularium ssp. grandiflorum Epilobium fleischeri M yosotis alpestris Gentiana nivalis Campanula cochleariifolia Solidago virga aurea Aster alpinus Erigeron acer

Beobachtungen iiber die Besiedlung von Gletschervorfeldern usw. Minuartia t'erna Cerastium unitlorum Cerastium strictum Sempervivum arachnoideum Saxitraga aspera Saxitraga bryoides Saxitraga aizoon Saxitraga aizoides

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Achillea moschata Achillea nan a Artemisia laxa Tussilago tartara Carlina acaulis Leontodon hispidus

Da und dort breiteten sich neben kleinen, unscheinbaren Moosriischen auch die auffallenden Teppiche von Rhacomitrium (canescens) und Stereocaulon alpinum aus. In flachen Depressionen hatten sich bereits einzelne kleine Rasen von Bliitenpflanzen gebildet mit Trifolium nivale, Trifolium pallescens, Leonlodon hispidus und anderen Arten. Das Alter dieser zuletzt geschilderten Vegetation diirfte von den jiingsten Pionierstadien bis ins Weidenstadium der Aletschwaldmoriine reichen und mindestens 30 Jahre umfassen. Ihre Zusammensetzung weist groBe Ahnlichkeit mit derjenigen in der Aletschwaldmoriine und des Rhonegletschers auf, ist aber arteniirmer, spiirlicher, weniger entwickelt.

Zusammenfassung der Ergebnisse Wir haben im vorstehenden die Besiedlung einer Reihe von Gletschervorfeldern aus den Nordalpen und Zentralalpen, aus mehr atlantischem und aus mehr kontinentalem Gebiet sowie in verschiedenen Hohenlagen und bei verschiedener Bodenunterlage kurz skizziert. Wir finden beim Vergleichen der Ergebnisse eine Reihe verwandter Ziige, aber auch charakteristische Unterschiede. Dbereinstimmend ist in allen Gletschervorfeldern als Erstbesiedlung eine zufallige Mischung von Arten der Umgebung, welche auf einem absoluten Rohboden zu keimen und zu wachs en vermogen. Dbereinstimmend ist auch, daB in diesen ersten Stadien die Bliitenpflanzen und die Moose voneinander unabhangig wachsen, also nicht etwa die Moose den Bliitenpflanzen vorausgehen miissen oder umgekehrt. W ohl aber sind die Moose wirksame Humusbildner, die verhaltnismiiBig rasch Edne erste Anreicherung an dunklem Humus bewirken, meist in Form einer ganz diinnen Decke, die den Boden auch festigt und spater flir bestimmte Bliitenpflanzen als Keimbett dienen kann. Dbereinstimmend ist feruer der spat ere Vorgang der Aussonderung nach Standorten, der zur Ausbildung besonderer Pflanzengesellschaften flihrt, eben so innerhalb der Waldgrenze die Folge: Pioniere (auch einzelne Holzpflanzen) --?- Anreicherung an Krautpflanzen und Holzpflanzen --?- Gestrauch --?- Wald, mit einer je nach dem Standort verschiedenartigen aber charakteristischen Begleitvegetation. Flora, Bd. 146

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Innerhalb dieses Rahmens gibt es aber sehr wesentliche Unterschiede; denn die zahlreichen Kombinationen der okologischen Faktoren ergeben entsprechend viele Realisationen der Vegetationsentwicklung. Schon die Erstbesiedlung umfa13t zum Teil verschiedene Arten je nach Hohenlage und Beschaffenheit des Rohbodens (Silikat- oder Karbonatgestein, Sand, Grobschutt, Ton, feucht - trocken). Die reichste Artenzahl findet sich bei gemischter Gasteinsunterlaga und bei Vielgestaltigkeit der Bodenbeschaffenheit. Ftir die Weiterentwicklung ist sehr wichtig die Oberflachengestaltung: steile Hanga besiedeln sich sehr langsam, weil die Feinerde immer wieder ausgespiilt wird; flache Lagen oder Mulden sind viel gtinstiger und kommen rascher zu dichterer Besiedlung. Sandlager sind infolge der leicht vor sich gehenden Austrocknung ungtinstig und tragen, wenn sie, wie es die Regel ist, aus Silikat bestehen, leicht auf lange Zeiten hin Decken von anspruchslosen Moosen und Flechten (Rhacomitrium canescens, Polytrichum piliferum und P. juniperinum, Stereocaulon alpinum, Cladonien), spater magere, artenarme, meist auch offene Rasen und, wenn azidophiles Zwerggestrauch aufkommt, besonders Calluna vulgaris. Grobe Steine und Blocke, die tiber den Boden verstreut sind, wirken sich gtinstiger aus, da sie die Ausspiilung hemmen und den Jungpflanzen Schutz gegen Wind oder zu starke Basonnung und Austrocknung gewahren. All dies kann sich im gleichen Gletschervorfeld vereinigt finden. Dartiber hinaus beeinflussen aber, regional betrachtet, auch die Klimaverhaltnisse die Vegetationsentwicklung in charakteristischer Weise. Trockenes, stark sonniges Klima mit gro13en Temperaturgegensatzen (kontinental) wirkt auf die Besiedlung verzogernd, feuchtes, ausgeglichenes, atlantisches Klima begtinstigend und beschleunigend, wobei auf nahrstoffund basenarmem Boden verhaltnisma13ig rasch Ve~magerung und Versauerung sowie Podsolierung eintritt. Gro13e Meereshohe und damit verbundene Klimaungunst wirken stark verzogernd; die schnellste Vegetationsentwicklung zeigt unter den betrachteten Gletschervorfeldern der tief gelegene Boden des Oberen Grindelwaldgletschers, die langsamste der am hochsten gelegene Griesgletscher. In den Zentralalpen folgt auf die krautige Vegetation der Pioniere und ersten Folgestadien eine von niedrigell Gebtischen (Salix-Arten und Alnus viridis) beherrschte Vegetation, darauf ein lockerer Baumbestand aus Larix decidua und Betula (meist pendula), schlie13lich ein Wald von Pinus cembra und Larix decidua und einem azidophilen zwergstrauchigen Unterwuchs (Rhodoreto-Vaccinietum cembretosum) auf einem zur Podsolierung strebenden Boden. Das Aufkommen von Bestanden der Pinus

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silvestris oder Pinus mugo wurde nicht beobachtet. Immerhin ziehen sich in den kontinentalen Gebieten die Ausbildung der azidophilen Zwergstrauchheide, des Klimaxwaldes sowie die Bodenreifung weit hinaus, und magere Rasen halten sich lange Zeit. Wahrend am Aletsch- und am Rhonegletscher die Vaccinien, Rhododendron ferrugineum, Calluna vulgaris und Empetrum hermaphroditum innerha.lb 50 Jahren einwandern und anfangen sich auszubreiten, treten diese etwas atlantisch getonten Arten uud auch die zugehOrigen Hylocomiendecken am Morteratsch- und Roseggletscher ganz zurUck oder fehlen, obschon sie im anstoBenden Altwald den Unterwuchs beherrschen. In den Nor d al pen tritt Picea abies an die Stelle von Larix und Pinus cembra, und in den Tieflagen (Oberer Grindelwaldgletscher) kommen rasch hochstrauchige Salices und Alnu,s incana zur Dominanz, die bei Bodenreifung von Picea abies abgelOst werden. Unter gUnstigen Verhaltnissen geht heute die Vegetationsbildung und ihre Weiterentwicklung in den Vorfeldern der Alpengletscher ziemlich rasch yor sich. Sie kann innerhalb eines Jahrhunderts zur Bildung eines Waldes fiihren (Oberer Grindelwaldgletscher, schwacher auch auf den Aletschmoranen). Die Bodenreifung, Voraussetzung fUr die Ausbreitunng des Klimaxwaldes, braucht allerdings sowohl fUr einen tiefgrUndigen Braunerdeboden als namentlich auch fUr einen Eisenpodsol eine bedeutend langere Frist. In verschiedenen in der' Waldstufe gelegenen Gletschervorfeldern bleibt das Aufwachsen von GebUsch und Baumwuchs auffallend zurUck und breiten sich vorausgehend Rasenbestande aus. Auch da, wo Waldbildung eintritt, erhalten sich lokal kleine Rasenflecke. Das kann teilweise durch Einwirkung des Menschen und seines Weideviehs bedingt sein. Auch die Kontinentalitat des Klimas scheint in gleicher Richtung zu wirken. 1m einzelnen verlangen diese Erscheinungen eine nahere Untersuchung.

Auswertung fur das Spatglazial RUckschlUsse von den heutigen Besiedlungsvorgangen in den Gletschervorfeldern auf diejenigen im Spatglazial scheinen moglich und erlaubt. Die allgemeine Klimaverbesserung, wohl in erster Linie die TemperaturerhOhung, ermoglichte im Gletschervorland das Gedeihen von klimatisch etwas anspruchsvolleren Pflanzen. Auch Holzpflanzen konnten sich ausbreiten, und auf dem Tundraboden waren die edaphischen Voraussetzungen fiir das Gedeihen der Birken- und Fohrenwalder gegeben. Spatestens zu Beginn der Allerodzeit, also etwa 9800 v. Chr., war Mitteleuropa bewaldet, und auch wahrend der darauf folgenden Zeit mit merklicher Klimaverschlech26*

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terung (jungere Dryaszeit) ging der Wald im Alpenvorland bis ins Gebirge hinauf nicht mehr weg. Als im gletscherbedeckten Alpenvorland das Eis zuruckging, gab es mineralischen Rohboden frei. Hier setzten Vorgange ein, die denen in den heutigen Gletschervorfeldern ahnlich gewesen sind. Das Klima dieser Zeiten war nach allgemeiner Annahme ausgesprochen kontinental. Wir mussen also annehmen, daB die im Oberengadin gefundenen Verhaltnisse den spatglazialen am ahnlichsten sein werden, d. h.langsames Vberwachsen, ausgedehnte Rasenbildung und langsame Ausbreitung des Waldes. Immerhin zeigte das yom Gletscher frei gewordene Alpenvorland sicher eine groBe Mannigfaltigkeit der Standorte und wies weite Flachen auf, die fur die Vegetation viel bessere Entwicklungsmoglichkeiten boten, als dies heute am Morteratschgletscher und am Roseggletscher der Fall ist. Lassen wir Temperatur und Niederschlag ganz beiseite, so bleibt doch die Vielgestalt, die aus der Verschiedenartigkeit del' Gelandebildung und del' Zusammensetzung del' Rohboden hervorgeht. Die besondel's unfruchtbal'en Schotter beschrankten sich zur Hauptsache auf die Talbiiden und wurden dol't meist noch von Sand- und Schlammschichten ubel'deckt, bevol' die Gewasser ihre Betten tiefer eingruben. Der weitaus groBte Teil des Gelandes war von Grundmorane bedeckt, die viel Feinerde enthielt oder solche durch die rasch einsetzende und fortschreitende Verwitterung bildete. Dnd da die ebeneren Boden vorherrschten, ·so war die Ausschwemmung nicht allzu groB. Die Feinerde haufte sich an und wurde bald durch Einlagerung von Humusstoffen verbessert. Dnterschiede in der Gesteinsbeschaffenheit machten sich zwar ebenfalls geltend. Es wirkte sich aber gunstig aus, daB sowohl in den FluBalluvionen als in den Moranen meist eine Mischling von verschiedenen Gesteinsarten, von Kalkgestein, Silikatgestein, Schiefern und von Sandsteinen oder Konglomeraten vorhanden war. Weithin entstanden gutwuchsige Boden. In den Gelandedepressionen aller Art sammelte sich Wasser an, und es bildeten sich zahllose Seen und Tumpel, die fUr Wasser- und Sumpfpflanzen gunstige Ansiedlungsmoglichkeiten boten. All das ergab im eisfrei gewordenen Alpenvorland eine groBe Fiille von verschiedenartigen Standorten, die bald eine groBe Vielgestaltigkeit del' Pflanzenwelt bewirken muBten. Infolge del' gut en Boden kam es nur lokal zur Ausbildung der he ute in del' subalpinen Stufe weithin entstehenden azidophilen Zwergstrauchheiden. Wir durfen wohl annehmen, daB im Spatglazial an gunstigen Lokalitaten nach dem Eisfreiwerden ein Jahrhundert genugen konn te zur Bildung vielartiger Rasentypen und dann zur Entstehung von

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Stimpfen verschiedener Art, zur Ausbreitung von gentigsamen Waldbaumen und zur Bildung eines offenen Waldes. Allerdings reichen diese Voraussetzungen flir sich allein zur Waldbildung nicht aus. Die zur Waldbildung befahigten Arten mtissen auch zur Stelle sein. Sie waren aber sehr wahrscheinlich wirklich in der weiteren Umgebung vorhanden. Birken und Fohren haben sehr flugfahige Samen und reproduzieren sich frtihzeitig. Sie griffen in dem Ma13e, wie das Eis zurtickwich, auch auf die Gletschervorfelder tiber." Die ersten Baume erzeugten nach wenigen Jahren wieder Samen, und mit der Zunahme der Samenproduktion konnte sich die Baumzahl rasch vermehren. In den Hauptztigen ist sicher die Entwicklung der Pflanz~n­ welt den gleichen Weg gegangen, wie wir ihn heute in den Gletschervorfeldern beobachten. Rier liegen gesetzma13ige Sukzessionen vor, die weniger durch das Klima als durch die Vorgange der Bodenreifung bestimmt werden, wobei vielfach auch die einen Pflanzengeschlechter den folgenden· den Standort vorbereiten helfen. So la13t sich mit Bezug auf die Physiognomik in der spatglazialen und in der heutigen Gletscherendenvegetation die gleiche Entwicklungstendenz feststellen, und auch floristisch dtirfte eine gute Vbereinstimmung vorhanden sein. Obschon das Studium der spatglazialen Fossilreste heute im Alpenvorland noch wenig fortgeschritten ist, hat sich doch gezeigt, da13 eine ganze Anzahl aus dem Spatglazial bekannter Pflanzentypen auch die heutigen Gletschervorfelder besiedeln, vielleicht zum Teil mit anderen Arten (z. B. Artemisia ?). Einzelne im Spatglazial verbreitete Arten fehlen den heutigen Gletscherboden, so Betula nana, die sich auf die Hochmoore zurtickgezogen hat, ferner die heute bei uns ausgesprochen thermophil erscheinende Ephedra (helvetica) oder das etwas ratselhafte Chenopodium. Andere spatglaziale Pflanzentypen wie H elianthemum und Plantago treten auf den heutigen Gletschervorfeldern ziemlich spat auf. Umgekehrt werden die heute haufigen Rhododendron, Calluna, Vaccinium bis he ute im voralpinen Spatglazial vermi13t, was eine gewisse .Ahnlichkeit mit den Verhaltnissen in den Gletschervorfeldern des Oberengadin ergibt und die Ansicht untersttitzt, das Klima sei damals recht kontinental gewesen. Aber, wie schon erwahnt wurde, wird auch die gute Bodenbeschaffenheit die Ausbreitung der azidophilen Arten zurtickgehalten haben. Es liegt nabe, anzunehmen, da13 wahrend des Spatglazials der gleiche Abschnitt der Vege-tationsentwicklung im Alpenvorland frtiher eingetreten sei als im Alpeninnern, da ja der Gletscher yom Vorland ins Alpeninnere zurtickging. In Wirklichkeit ist wohl der zeitliche Un terschi ed kleiner, al s de m R ti c k z u g s tern p 0 des Gletschers entspricht. Wahrend sich das

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Eis als Toteis in den Talern staute, wurden die begleitenden Hohen rasch eisfrei. Die Pflanzenwelt konnte langs der Hange und Bergrticken, hoch tiber den eisbedeckten Tiilern vorrticken und war imstande, dem zurtickgehenden Eis vorauszuwandern und weit alpeneinwarts yom eisfreien Boden Besitz zu nehmen. So bildete sich wahrscheinlich bereits Wald tiber dem Gletscher, wie dies auch heute in den Alpen vielerorts zu sehen ist. Das Studium der spatglazialen und friihpostglazialen Vegetationsentwicklung ist au13erordentlich vielseitig und kann mit besonderem Vorteil durch zweckmaJ3ig zusammengestellte Arbeitsgemeinschaften gefordert werden. Denn mit den eigentlichen botanischen Arbeitsmethoden. wie dem Nachweis von Mikro- und Makrofossilien, verbinden sich geologisch-morphologische, bodenkundliche, zoologische und klimatische Gesichtspunkte der Vorzeitforschung, und die Radiocarbonmethode wird es ermoglichen, die Zeitfolge viel genauer als bisher zu fixieren. Die Untersuchung der rezenten Besiedlungsverhaltnisse in den Gletschervorfeldern bleibt aber eines der wesentlichen Forschungsmittel, und ihre Vertiefung ist sehr wtinschbar.

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Beobachtungen uber die Besiedlung von Gletschervorfeldern usw.

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Landesaufnahme 14, 209 S. - Ders., 1933/1935. Beitrag zur Kenntnis der pflanzlichen Besiedlung der durch Gletscher freigegebenen Grundmoranenbiiden. Ber. Nat. Ges. Uri 4, 27-48. - RUBEL, EDUARD, 1912. Pflanzengeographische Monographie des Berninagebietes. Botan. Jahrb. 47, 615 S. - SCHMID, EMIL, 1923. Vegetationsstudien in den Urner-ReuBtalern. Brugel und- Sohn, Ansbach, 164 S. - SCHROTER, CARL, 1883. Die Flora der Eiszeit. Neujahrsblatt d. Nat. Ges. Zurich 81>, 41 S. - WELTEN, MAX, 1944. Poilenanalytische, stratigraphische und geomorphologische Untersuchungen aus dem Faulenseemoos bei Spiez. VerOff. Geobot. Inst. Rubel 21, 201 S. - Ders., 1952. Uber die spat- und postglaziale Vegetationsgeschichte des Simmentales, sowie die fruhgeschichtliche und historische Wald- und Weiderodung auf Grund polIenanalytischer Untersuchungen. Veroff. Geobot. Inst. Rubel 26, 135 S. Die Daten uber die Schwankungen der Gletscher in der S.chweiz (Les variapions des glaciers suisses) finden sich zusammengestellt und veroffentlicht seit dem Jahre 1880 in den Publikationen des Schweizer Alpenklubs, zuerst im Echo des Alpes, von 1883 an im Jahrbuch des Schweizer Alpenklubs und seit 1925 in den "Alpen".

Anschrift des Verfassers: Dr. WERNER LUDI, Direktor des Instituts fUr Geobotanik an der Eidg. Techn. Hochschule, Stiftung RUbel, ZUrich 44, ZUrichbergstra.Be 38.