Über die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen

Über die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen

Ober die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen. Von Oscar Loew. Da die Ahnlichkeit zwischen Kalzium- und Strontiumsalzen in chemischer Beziehung eine...

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Ober die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen. Von Oscar Loew.

Da die Ahnlichkeit zwischen Kalzium- und Strontiumsalzen in chemischer Beziehung eine sehr weitgehende ist, eine Ahnlichkeit, welche weit groBer ist, als die zwischen Kalium- und Natriumsalzen. so hat man es fruher filr moglich erachtet, daB ein Ersatz von Kalzium durch Strontium in physiologischer Beziehung stattfinden konne. Die ersten Versuche in dieser Richtung wurden am tierischen Organismus angestellt und zwar mit Hinsicht auf die Knochenbildung, und hier konstatierten sowohl Max Cremer als Weiske, daB eine Vertretung hier nicht stattfinden konne, denn die jungen wachsenden Tiere wurden rhachitisch, die Knochen blieben weich, als der Kalkgehalt der Nahrung durch Strontiumverbindungen ersetzt wurde. Dieses Resultat ware unversHindlich, wenn die Funktion des Kalkes in Knochen lediglich darin bestande, daB er als Phosphat die Festigkeit des Knochens bedinge, denn dazu ware das Tristrontiumphosphat gewiB ebensogut zu gebrauchen als das Trikalziumphosphat. Es muB hier ein 'N'eiterer wichtiger Umstand mitspielen, der die Funktionen der knochenbildenden Zellell beeinfluBt und wobei die Kalksalze eben nicht durch Strontiumsalze ersetzbar sind. Strontiumsalze sind verhaltnismaBig ungiftig fur das Tier, denn sogar bei intravenoser Injektion von bis zu 1 g auf 20 kg Lebendgewicht beim Hunde erwies es sich nicht als schadlich. Es konnen ferner bis zu 3 g per os gegeben werden, ohne eine andere Wirkung als eine diuretische zu erzeugen 1). Bei Kaninchen beobachtete dagegen Burgassi2) eine schwach toxische Wirkung von Strontiumsalzen. Was niedere Tiere betriift, so hat Her b s t J) gezeigt daB bei der Entwicklung von Seeigeleiern Kalziumsalze weder durch Strontiumnoch durch Bariumsalze ersetzt werden konnen. An grunen Pflanzen wurden zuerst vom Schreiber dieses 4) im Jahre 1892 diesbezugliche Versuche angestellt, welche ergaben, daR 1) 2) 3) 4)

Laborde, Jahresber. f. Tierchem., Ed. XX, pag. 63. Ibid. 1907, pag. 587. Arch. f. Entwicklungsmechanik 1895. Flora 1892, pag. 392.

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tiler die Wirkung von Strontiumsa lzen auf Algen.

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selbst nach mehreren Wochen bei Zimmerte mperatur sich keine Giftwirkung an Spirogyra beobachte n laBt, wenn in der vollen Nahrli:isung das Kalziumn itrat durch Strontinm nitrat ersetzt wird, wohl aber tritt bei 28 0 C eine Schiidigung und allmahliches Absterben ein. Der SchluB, daB Strontium das Kalzium auch bei Spirogyre n nicht ersetzen konne, war somit berechtigt und Molisch, welcher bald darauf ebenfalls solche Versuche ausfiihrte, gelangte ebenfalls zum selben SchluB. Dieser Autor aber erwiihnte auBerdem noch die interessan te Erscheinu ng, daB die Bildung der Querwand bei der noch hie und da stattfinden den Zellteilun g unvollstan dig bIieb, wenn Strontium salze statt Kalziumsalze oder sogar neben Kalziumsa lzen vorhanden waren 1). In solchen Fallen schien somit die Tatigkeit des Zellkerne s durch Strontium beeinfluBt, denn es ist ledigIich die Querwand und nicht die auBere Zellwand, welche eine Veriinder ung zeigt. Auch Versuche an Bohnenke imlingen fiihrten Molisch zum SchluB, daB ein physiologischer Ersatz von Kalzium durch Strontium bei Pflanzen nicht mogIich sei. Bald darauf steHte Haselho fP) Versuche mit Phaseolu s und Zea an, indem er die Zufuhr von Kalk allmiihlich verminder te, die von Strontian aber nicht. Unter dieser Bedingun g wurde keine Giftwirkung beobachte t, weshalb der Autor eine Vertretun g von Kalzium durch Strontium im Pflanzenk orper fiir moglich erachtete. Daraufhin wurden von mir Versuche mit Zweigen von Tradescantia 3) angestellt , welche wieder ergaben, daB eine solche Vertretun g unmoglich ist, in Ubereinst immung mit der Beobachtu ng von Molisch am Bohnenke imling. Nach 6 Wochen bei 10-14 0 waren ans den in Kalziumn itrat (0,2 %) befindlichen Zweigen bis zu 3,5 cm lange normale Wiirzelchen entwickelt, wahrend unter dem Einflusse von Strontium nitrat (0,2 %) nur ganz hurze gebraunte Stummeln zu sehen waren. Auch bei gleichviel Kalzium- und Strontium nitrat, gleichzeit ig dargebote n, war eine hemmend e Wirkung des letzteren unverken nbar; denn die Wurzeln blieben kleiner und die Wurzelha are waren weniger und kiirzer als im Kontrollv ersuch. Selbst bei einer Verdiinnu ng des Strontium nitrats auf 0,1 % bliehen die W iirzelchen weit kleiner als im Kontrollv ersuch mit Kalziumn itrat und ihre allmahliche Briiunung zeigte ihr Absterben an. Die Wurzelha are waren sehr klein und vereinzelt, 1) Wiener Akad. Ber. 1895, Ed. elV. leh hatte diese Erseheinun g eilenfalls gesehen, aber damals fur Zufall gehalten. 2) Landw. Jahrb., Bd. XXII, pag. 853. 3) Botan. Zentralbl. 1898, Bd. LXXIV. Flora, Bd. 102. 7

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wahrend im bloB en destilliel'ten Wasser zahlreieh und allerdings weniger lang und dieht als bei 0,1 % Kalziumnitrat. Weitere Versuehe, in welehe aueh die Wirkung von Bariumsalzen einbezogen wurde, wurden auf meine Anregung hin von U. Suzuk i unternommen und zwar an Keimlingen von Horde um und Fagop yrum und mit Zweigen von Phlox , Rubus und Coreo psis. Es ergab sieh, daB Barium sehiidlieher wirkt als Strontium und unter dem Einflusse des Bariumnitrates eine allmlihliehe Gelbfarbung del' Blatter wie beim Etiolieren eintrat. In del' normalen Losung mit Kalziumnitra t fand eine gesunde und kraftige Entwieklung statt, wahrend die Keimlinge bei Strontium- und Bariumnitrat und AussehluB von Kalziu msalzen naeh 19 Tagen ein so kummerliehes Aussehen hatten, daB del' Versueh beendet wurde. Die Stengel waren so sehwaeh, daB sie sieh zur Seite neigten, neue Blatter kamen nieht mehr zum Vorsehein, die Kotyle donen fielen VOl' del' Zeit ab und die Wurzelentwieklung war vollig sistiert. Es ergab sieh ferner aueh hier, daB bei partiellem Ersatz von Kalzium dureh Strontium die schiidliehe Wirkung des letzteren verzog ert wurde. Bei den oben erwahnten Zweigen fielen unter dem Einflu sse von Barium und Strontium die Blatter ab und neue Blatter entwie kelten sieh nieht, wahrend unter dem von Kalzium die Blatter gesund blieben uncI neue zur Entwieklung kamen. In jiingster Zeit hat Hage r 1) Versuehe angestellt, welehe den EinfluB von Barium nnd Strontium bei gleiehzeitiger Anwesenheit von Kalzium zeigen sol1ten. Ein armer Sandboden mit 0,027 % CaO und 0,0117 % MgO erhielt z. B. auf 10 kg einen Zusatz von 2,5-7 ,5 g Kalk als Karbonat nnd 4,0 -13,~ g Strontian ebenfalls als Karbon at. 1m Hafers troh wurde dann bei einem dargebotenen Verhaltnis von CaO:S rO = 1 :4,ti ein Asehengehalt von 10,02 % mit dem Verhiiltnis 5,60 CaO zu 3,47 SrO odeI' wie 1: OJi2 gefunden. War ferner im Boden das Verbaltnis CaO: BaO = 1: 6,~. so lieferte das erzeugte Hafers troh bei 8,820/0 Asche das Verhiiltnis 4,56 CaO: 3,lin BaO odeI' 1 :O,R Bei einem dargebotenen Verhaltnis CaO: SrO = 1 : 4,6 enthiel ten die erhaltenen Gerstenkorner das Verhaltnis 1: 0,12, die Haferk orner 1 : Spur, die Pferdebohnensamen 1: 0,33 und die Senfsamen 1: 1,08. Es ging also aueh in die Samen ein ganz anderes Verhaltnis von Kalk zu Strontian iiber, als den Wurzeln dargeboten war; Strontian 1) Kulturv ersuche mit hiiheren Pflanze n libel' die Aufnah me von Strontiu m, Barium und Magnesium. Leipzig 1909.

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ging in die Samen noch schwerer fiber, als in die Blatter. Mit dem Eintritt von Strontian in die Pflanze war jedoch Ofters eine Steigerung der Produktion verbunden (Reizwirkung); bei dem oben erwahnten Verhiiltnis im Boden aber ergab sich eine bedeutende Depression der Ernte. welche bei Gerstenkornern 51 %, bei Pferdebohnen 35 % betrug. Die Barytdfingung wirkte in del' Regel stark ertragsmindernd, nur beim Haferstroh war eine Steigerung zu bemerken. Bei Gerstenkornern sank der Ertag von im Kontrollfall 100 g auf 8 g; bei Buchweizen von 100 g auf 6,69 g. Barium ging in die Samen gar nicht fiber. mit Ausnahme beim Senf, wo er vielleicht aber nur in der Schale war 1). Del' Grund, warum Barium das Kalzium physiologisch nicht zu ersetzen vermag, konnte darin gesucht werden, daB die Assimilation des Schwefels bei der EiweiBbildung verhindert werden kann, da Bariumsalze die Schwefelsiiure der aufgenommenen Sulphate unlOslich machen Mnnen. Auffiillig muB es daher erscheinen, daB bei Darbietung von Bariumsalzen neben Kalziumsalzim fiberhaupt noch ein Wachstum moglich war, es lieBen sich wohl Suzuki's Resultate bei KalziumausscWuB, aber kaum die Hager's bei gleichzeitiger Kalziumzufuhr mit jener Ansicht erklaren; bei letzterem Falle mfiBte man hochstens ann ehmen, daB bei den Zustiinden in den Pflanzenzellen geniigend Bariumsulfat kolloidal gelOst bleibt, um die Assimilation des Schwefels dem Protoplasm a bei der EiweiBbildung zu ermoglichen. Wenn abel' diese Ansicht richtig ware, dann mfiBte man ffir Suzuki's Resultate der Bariumwirkung beim KalziumausschluB eine andere Erklarung, als die obige suchen. Bei der Annahme, daB Kalziumverbindungen lediglich fUr die Membranbildung notig seien, erscheint die absolute Unmoglichkeit der physiologischen Vertretung von Kalzium durch Barium odeI' Strontium schwer begreiflich, eben so als bei der Annahme, daB Kalzium lediglich Oxalsaure oder andere Sauren, welche im Stoffwechsel auftreten, durch ihre Ausfallung unschadlich zu mach en hatten; denn Barium- und Strontiumsalze dieser Siiuren sind ebenfalls ziemlich schwer IOslich, jedenfalls in geniigendem Grade. Oxalsaurer Strontian Z. B. lOst sich in Wasser im Verhiiltnis von 1: 12000, das Salz ware also gewiB schwerlOslich genug. 1) Es mag hier angefiihrt werden, daB nach Crawford (Bulletin No. 129 des Bureau of Plant Industry, Washington 1908) auf gewissen BOden in Colorado Astragalus und Aragallus Barytverbindungen aufnehmen und deshalb Tiere, die langere Zeit diese Pflanzen fressen, zugrunde gehen.

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Da Barium sich indessen weiter von Kalzium en tfernt, als Strontium, und ferner bei niederen Pflanzen der Gesamteffekt sich leichter iibersehen laSt, so stellte ich nochmals Versuche an Spirogyra mit Strontiumsalzen an und zwar in anderer Weise als friiher, wo die Algenfiiden direkt in eine Nahrlosung kamen, in welcher Kalziumnitrat durch Strontiupmitrat ersetzt war. Die Spirogyrafiiden wurden diesmal in relativ konzentrierte Losungen gesetzt, mit AusschluB von Nahrsalzen. Spater wurden dann einige Proben von diesen Algen in eigentliche NahrlOsungen iibergefiihrt. Es war wahrscheinlich, daB auf diese Weise eher Erscheinungen zutage treten wiirden, welche Strontium im Gegensatz zu Kalzium im Gefolge hat. Beim ersten Versuch enthielt die eine Losung 1 % Ohlorkalzium die andere Ohlorstrontium 1) in chemisch aquivalenter Menge, also 1,7 %. VoIlig normale Faden von Spirogyra crassa wurden am 26. Oktober in die mit reinstem, aus GIas destiIIierten Wasser bereiteten Losungen eingesetzt. Die Salze selbst waren als chemisch rein bezogen, das Ohlorstrontium auBerdem noch zweimal umkristallisiert worden. Die GIasflaschen standen am Fenster eines Zimmers, dessen Temperatur mehrere Monate lang zwischen 10 und 16 0 wechselte. Nach 11 Tagen war noch gar kein Unterschied zu bemerken, ausgenommen, daB bei den Strontiumzellen del' Zellkern, del' sich hier bei mikroskopischer Betrachtung als Spindel darstellt, etwas in del' Mitte verbreitert und im Langendurchmesser etwas verkiirzt schien. Bei einer weiteren Besichtigung am 17. November ergab sich, daB bei Ohlorkalzium die Starkekorner gro6er waren als bei Ohlorstrontium und die Farbung des Ohloroplasten dort etwas dunkler war als hier, in beiden Fallen zeigte sich bei manchen Zellen im zentralen Teil eine ganz geringfiigige Einschniirung des Zytoplasmas bei den Haftstellen der Plasmodienstrange, wahrscheinlich eine Folge des relativ hohen Salzgehaltes. Am 15. Januar, also nach 80 Tagen ergab die mikroskopische Priifung, daB in beiden Fallen eine Anzahl Zellen, deren Menge auf ca. 15 % veranschlagt wurde, abgestorben war. Eine 10 % ige GIukoselosung rief bei den gesunden Zellen in beiden Fallen normale Plasmolyse hervor. Beim Ohlorstrontium erwiesen sich die Ohlorophyllbander seitlich mehr oder weniger kontrahiert, so daB die lappigen Ausbuchtungen mehr oder weniger verwischt waren. Sehr auffallend aber war der Unterschied im Starkemehlgehalt. Bei Ohlorkalzium lag 1) Beide Salzmengen beziehen sich auf den wasserlreien Zustand.

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eine ungemeine Uberfiillung mit Starkmehl vor, bei Chlorstrontium war del' GehaIt nul' sehr maBig, ja in vielen Zellen geradezu ein versehwindendes Minimum. Die Chlorkalziumzellen lieBen ferner Of tel'S an del' Innenseite der Querwande Verdiekungen del' Zellwand in Form von lappenformigen Auswiiehsen erkennen, was bei den Chlorstrontiumzellen viel scltener und dann nur sehr sehwaeh del' Fall war. Wegen del' Uberfiillung mit Starkekornehen konnte del' Zellkern bei den Chlorkalziumzellen nieht erkannt werden, wahrend er bei den Chlorstrontiumzellen hier und da siehtbar war, und zwar konnte dann nirgends mehr die normale Form wahrgenommen werden, sondern eine Kugelform. Bei den Chlorkalziumzellen wurde dureh Verdunklung wahrend 4 Tagen soviet Smrkeverbraueh erzielt, daB del' Zellkern hie und da sichtbar wurde. Er zeigte sich dann nul' unbedeutend von del' Linsenform abweichend und weitweniger del' Kugelform sich nahernd, als dies beim Chlorstrontium del' Fall war, was moglicherweise auf die verschiedene Konzentration (ehemisehe Aquivalenz) zuriiekzufiihren war. Sehr auffallend waren bei den Chlorstrontiumzellen lraufig auftretende Kristallnadeln, welche entweder biischelformig odeI' warzenformig angeordnet waren und manchmal in einer Art Blase (anomale Plasmolyse?) lagen. Diese Kristalle waren un!Oslich in Alkohol, abel' loslich in viel koehendem Wasser und wurden beim Erwarmen mit verdiinntem kohlensauren Natron zerstort unter Bildung eines amorphen Niederschlags. , Verdiinnte Essigsaure !Oste sie bei gewohnlieher Temperatur nicht, wohl abel' sehr konzentrierte Essigsaure, ferner verdiinnte Salz- und Sehwefelsaure, welch letztere indessen an Stelle del' Nadeln eine geringe Menge des amorphen Niederschlags lieferte. Demnach lag ein dem oxalsauren Kalk iihnliches Salz VOl', jedoch wahrscheinlich nicht oxalsaurer Strontian, weil dieses auch in starker Essigsaure nur schwer !Oslieh ist. Vielleicht war es das Strontiumsalz einer del' Oxalsaure nahestehenden Saure (Weinsiiure ?). In den Chlorkalziumzellen dagegen konnten keinerlei Kristalle aufgefunden werden. Beim Ubertragen einer Probe del' Strontiurnzellen in eine normale Niihrlosung fand eine Regenerierung zu normalen Zellen nieht mehr statt 1), wohl abel' gelang (lieses als dieselbe Algenart nul' 20 Tage in jener Losung von' Strontiumehlorid bei einer 15 0 C nieht iiber1) Eine Probe war bei einem Versuche schon nach 2 Tagen tot, was vielleicht nur auf zu rasche Anderung der Konzentration beruhen lIlochte.

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steigenden Temperatur verweilt hatte. Zusammensetzung: Monokaliumphosphat Kalziumnitrat Magnesiumsulfat . Kaliumnitrat Ferrosulfat

Die Nahrlosung hatte folgende 0,1 p. 0,1 " 0,3 " 0,2 " Spur

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Der UberschuB von Magnesia uber Kalk in dieser Losung wurde mit der Absicht angewandt, um eine Streckung des Chlorophyllbandes zu erzielen und so den Kern besser sichtbar zu machen. Es zeigte sich, daB die kugelige Kerntasche bald wieder die fUr die Spezies normale Linsenform annahm. Ferner wurde hier in einigen Zellen bei ~er Zellteilung die schon von Molisc h erwiihnte unvollstandige Bildung der Querwand wieder beobachtet, wenn Strontium in den Zellen war. Bei einem weiteren Versuch (Marz HIlO) wurden Faden yon Spirogy r"a commu nis in 1 %ige Losungen von Chlorstrontium und Chlorkalzium eingesetzt, etwa haselnuBgroBe Ballp.n vollig gesunder Faden in 30 ccm der Losungen, in groBeren Proberohren. Die Proben standen in den ersten Wochen bei 12 -16 0 C an einem Fenster ; direktes Sonnenlicht hatte ofters aber dann stets nur kurze Zeit Zutritt. Es lieB sich auch hier wieder konstatieren, daB die Faden in ChI orkalzium viel mehr Gasblasen im Lichte bildeten. als· die im ChI orstrontium. Nach 43 Tagen zeigten sich in der Chlorstrontiumlosung nur wenige Zellen abgestorben, im Chlorkalzium schein bar gar keine. Die Chlorophyllbiinder waren in beiden Fallen etwas mehr gestreckt als vorher, in vielen Fiillen parallel der Langsachse. Beim Chi orstrontium waren die Rander der Chlorophyllbiinder jedoch hiiufig etwas verquollen. Ein groBer Unterschied bestand auch diesmal im Starkegehalt der Chloroplasten, welcher bei Chlorkalzium bedeutend groBer war als bei Chlorstrontium. Kristallbildungen, wie beim ersten Versuch, waren diesmal weit seltener in den Chiorstrontiumzellen zu sehen, was entweder darauf beruhen mag, daB eine andere Algenspezies ZUIll Versuche diente, oder darauf, daB die Chlorst rontium losungn icht wie ~ damals 1,7 %, sondern nur 1 % Salz enthielt. Was den Zellkern betrifft, so war derselbe meistens mehr oder weniger in der Mitte erweitert, wie fruher schon beobachtet. Dies bedingte aber eine Verlangerung der Plasmodium strange, da die Langsachse verkurzt wurde, oder eine geringe Einschnurung des Zytoplasmas in der Kernzone.

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Normale Kernformen (mit Tasche) waren nicht sehr haufig zu sehen. beim Chlorkalzium waren diesel ben weit haufiger. Nun wurde (22. April) ein Teil der ZeIlen aus der 1 %igen in eine 0,3 %ige Lasung beider Chloride versetzt und bei hOherer Temperatur wie bisher, namlich bei 17-21 0 weiter beobachtet. Ein anderer Teil aber kam infolgende Nahrlasung, in welcher Kalzium durch Strontium ersetzt war: Monokaliumphosphat Kaliumnitrat Magnesiumsulfat Strontiumchlorid Ferrosulfat .

0,2 p. m. 0,3 " " 0,2 " " 0,2 " " Spur

Es starb nur ein Teil der Zellen in dieser Losung bald ab, ein anderer Teil aber blieb noch langere Zeit leben und zeigte hie und da sogar Zellteilung, wobei aber diesmal die unvoIlstandigen Querwande nicht zu sehen waren. Der Kern nahm allmahlich wieder seine normale Form an, aber die Chlorophyllbander wurden immer diinner, immer schmachtiger, die ohnehin geringen Starkemengen schwanden zuletzt vollstandig und der Hungertod war es offenbar, der mehr und mehr Zellen das Leben kostete, bis schlieBlich, am 24. Mai, fast aIle Faden abgestorben waren. Der Kern mochte sich auf Kosten des Chloroplasten oder unter Mithilfe des aus der abgestorbenen Partie stammenden Kalkes regeneriert haben, abel' dem Chloroplasten war Regeneration nicht moglich. Von einigem Interesse schien es, daB sich eine Flagellatenform, Chlamydomonas, und eine nul' sehr schwach grune Oscillaria in dieser Losung stark vermehrten. Letztere bedad des Kalkes wahrscheinlich uberhaupt nicht, bei ersterer aber ware eine weitere Priifung notig. In der Kontrollnahrlosung mit Chlorkalzium statt Chlorstrontium fand ein iippiges Spirogyrawachstum mit sehr kraftigem Chlorophyll band statt. Was nun jenen anderen Anteil Algenzellen betrifft, welcher nach 43 Tagen aus del' 1 % igen Losung in 0,3 %ige Losungen versetzt und nun bei 17 - 21 0 weiter kultiviert wurde, so ergab sich ein immer mehr zunehmender Unterschied. Nach weiteren 20 Tagen waren die Chlorkalziumalgen noch so tiefgriin wie je zuvor, reich an Starkemehl und mit vollig normalem Chloroplasten, kurzum sie waren noch immer von strotzender Gesundheit, trotz Abwesenheit jedes anderen Nahrstoffes und trotz AusschluB del' Zellvermehrung. Nur die ZeIlkerntasche zeigte sich, wie schon erwiihnt, Mters statt in Spindelform im

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Durchschnitt nun als Elipse und hier und da auch als Kreis. Abgestorbene Zellen waren sehr selten, selbst nach 4 Monaten. Bei den Strontiumzellen dagegen zeigte sich kein saftiges Griin, sondern ein Gelbgriin, die Chloroplast en hatten nul' Spuren von Starke und hatten in Lange und Breite abgenommen 1); die Pyrenoide waren Oiters, mit Chloroplasma umgeben, als kugelige Massen aus dem Verbande getreten, in die anfiinglich reihenformige Anordnung von solchen Kugeln kam allmahlich Unordnung, worauf bald del' Tod folgte, so daB Kern und Chloroplasmakugeln einen wirren Haufen in solchen Zellen bildeten. Die Kerntaschen von noch lebenden Zellen waren vollig kugelig geworden, hingen abel' an noch liingeren Plasmastrangen am Chloroplasten. Weit mehr als die Hiilfte aller Zellen waren nach 63 Tagen tot und die noch lebenden fristeten wahrscheinlich nur auf Kosten des toten Materials ihr Leben noch einige Zeit kiimmerlich weiter. Auffallend ist, daB die Zellen verhiiltnismaBig lange in 1 %iger ChlorstrontiumlOsnng fortleben konnen, ehe sich eine schiidliche Wirkung dieses Salzes zeigt. Nul' wenige Salze erreichen einen solchen Grad von Unschiidlichkeit, denn bei gleicher Konzentration erweisen sich Natriumsalze und Kaliumsalze schon nach wenigen Tagen schiidlich, wobei Mters normale odeI' anomale Plasmolyse und irregulare Kontraktion entweder als Ganzes oder in verschiedene Ballen zerteilt, erfolgt 2). Magnesiumsalze bei gleicher Konzentration toten schon in wenigen Stunden, wahrend Chlorkalzium und nach ihm Kalziumnitrat bei 1 %iger Losung monatelang ertragen werden. Nicht nur Spirogyra sondern auch die nahe verwandte Zygmema und Mougeotia ertragen wochenlang Chlorstrontium in 1 % Losung. .Werden abel' die Proben dann 24 Stunden im Thermostat auf 34 0 C gehalten, so sieht man bei Chlorstrontium viele Zellen tot, bei Chlorkalzium aber noch schOn erhalten. Werden frische Spirogyren jedoch dieser Vergleichsprobe unterzogen, so bemerkt man nicht immer schon nach 24 Stun den einen Unterschied. Viel hiingt jedenfalls davon ab, ob etwas Kalk in den Zellen gespeichert war oder nicht. 1) Die Abnahme del' Chloroplastenmasse bei Kalziummangel hat auch B 0korny beobachtet. Bot. Zentralbl. 1895, Bd. LXII. 2) In einer 1 "I. igen Chlornatriumlosung sieht man bei Spirogyra nitida z. B. nach 1-3 Tagen teils normale Plasmolyse, teils Chloroplasten-Plasmolyse, wobei del' Chloroplast in eine Anzahl Kugeln zerfallt; ein anderer Teil del' Zellen ist hereits tot.

Uber die Wirkung von Strontiumsaizen auf Alg·en.

Bei einem weiteren Versueh wurden 1 %ige Losungen von Kalziumund Strontiumnitrat (wasserfrei) verwendet, in welehe Faden von Spirogyra ni tida gesetzt wurden. Die TemperatUl' des Zimmers sehwankte uun zwiseheu 18 und 24 0 , war also betraehtlieh hoher, als beim ersten Versueh mit Chloriden. Zum Vergleieh dienten Algen in 0,6 % Kaliumnitratlosung uud in Quellwasser. Naeh 11 Tagen waren die sehr starkereich gewordenen Fadeu in der Kaliumnitratlosuug ganz abgestorben, meist unter betraehtlieher Konktraktion des Zytoplasmas. Ofters war das Chlorophyll band in einzelne Ballen verwandelt. Bei Strontiumnitrat waren etwa 20 0 / 0 der Zellen tot, bei Kalziumnitrat abel' war niehts Abgestorbenes zu bemerken, del' Starkemehlgehalt in beiden letzteren Losungen war nUl' maBig und etwa gleieh. ~aeh Ii) Tagen war die Algenmasse in del' Strontiumnitratlosung gelblieh geworden, wahrend die in Kalziumnitrat noeh schOn dunkelgriin waren. Die nahere Priifung ergab, daB hOehstens 10 % del' ZeBen in Strontiumnitrat noeh lebend waren und die abgestorbenen versehiedene Grade del' Kontraktion des Zytoplasma und des Chloroplasten zeigten, indem die volle Totenstarre bald friiher, bald spateI' eintrat und oft weitere Veranderungen verhinderte. Das Chlorophyll band war in den einen Zellen seitlieh kontrahiert, so daB die Pyrenoide nul' dureh dUnne Faden miteinander verbunden waren. In anderen Zellen abel' waren die Pyrenoide mit etwas Chloroplasma umgeben, als kugelige Massen aus dem Verband getreten. Die Zellen in del' Kalziumnitratlosung erwiesen sieh in jeder Beziehung noeh normaL Es mag hier noeh erwahnt werden, daB manehe Salze, selbst bei ofterem Umkristallisieren, aus destilliertem Wasser, welches aus Glas noehmals destilliert wurde, nieht von solehen Spuren Kupfer zu befreien . sind, die sie an sieh gezogen haben beim ersten Umkristallisieren aus gewohnliehem destillierten Wasser in del' Fabrik, welehe die Salze in den Handel braehte. Diese leisen Spuren Kupfer werden dann besonders von dem ChlorophyBband aufgespeiehert und dieses zeigt dann ein auffallend friihes Absterben, dem bald aueh Zytoplasma und Kern folgt (von N ageli oligodynamisehe Wirkung genannt). Diese Art des Absterbens ist ziemlieh eharakteristiseh, so daB sie kaum mit dem Absterben in rein en Salzlosungen etwa dureh hOhere Konzentration zu verweehseln ist. Schon makroskopiseh kann man in 1- 2 Tagen ein weiBliehes Aussehen der Faden beobaehten, der Turgor ist vollstandig versehwunden, wie beim Herausnehmen der Faden mit einem Glasstabe sofort zu erkennen ist, uod das Zytoplasma zeigt sieh stark triibe.

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Unter den Sal zen, welche als chemisch rein bezogen wurden und solche Spuren Kupfer enthielten, ist mir eine Probe Kaliumsulfat und eine Probe Bariumnitrat vorgekommen. Das letztere Salz war durch zweimaliges Umkristallisieren mit aus Glas destilliertem Wasser nicht von seiner Giftigkeit zu befreien. und totete Spirogyren in 15- IF; Stunden, wahrend eine andere Probe Bariumnitrat in O,f) % Losung mehrereWochen lang von den Spirogyren bei 15-18 0 sehr gut ertragen wurde. SchluBbe trachtullg en: Bei dem Verhalten von Algenzellen zu Strontiumsalzen muB VOl' allem auffallen. daB diese sehr lange in einer Konzentration vertragen werden, wie sonst keine anderen Salze, Kalziumsalze ausgenommen. Man kann wohl daraus als wahrscheinlich schlieBen,. daB Strontium andere metallische Elemente, Kalium, Magnesium und Kalzium nicht aus wichtigen Positionen im Protoplasm a sofort verdrangt r obg\eich nach dem Gesetz del' Massenwirkung man einen Platzwechsel mit seinen p hysiologischen oder vielmehr pathologischen Folgen vermuten konnte. Schadliche Wirkungen yon Chlorstrontium machen sich bei Algen auBerst langsam bemerklich, wenn die Zellvermehrung ausgeschlossen ist, und diese Wirkungen auBern sich am deutlichsten am Chlorophyllkorper, dessen starkebildende Funktion zunachst abnimmt, worauf eine Anderung der Farbung in gelbgriin, dann eine Schrumpfung und schlieBlich der Tod erfolgt. Diese Erscheinungen zeigen sieh bei gleicher Konzentration von Chlorkalzium in gleicher Zeit nicht, welches iiberhaupt das einzige Salz ist, das bei einer Konzentration yon 1 %· monatelang die Spirogyren ganzlieh intakt laBt. In zweiter Linie treten bei lange danerndtlm EintiuB yon Chlorstrontium Kristallnadeln in den Spirogyrenzellen anf, welehe unter dem EinfluB von Chlorkalzium - ceteris paribus - nieht auftreten. Diese Kristal1e konnen unter den vorliegenden Verhaltnissen nul' eine Strontiumverbindung einer organisehen Saure sein. Sollte dieses nieht auf eine Behinderung normal verlaufender Respiration deuten? Wenn aber unter dem EinfluB von Strontium sowohl Assimilation wie Atmung eine Depression erleiden, welehe unter dem EinfluB von Kalzium ausbleibt, so kann es sieh nieht um nebensaehliehe Stoffweehselprozesse handeln, sondern urn die wiehtigsten Ernahrungsvorgange, weIche nul' unter dem EinfluB des Kalziums normal bei diesen Organism en verlaufen. Naeh del' von mil' seit lange vertretenen Ansicht ist del' Zellkern und Chloroplast von den hOheren Algen ab aufwarts aus Kalzium-

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verbindungen von Proteiden aufgebaut, weil kalkfallende Stoffe. wie neutrales Kaliumoxalat oder Fluornatrium 1), bei einer Konzentration von 1-2 % eine auffallend rasche kontrahierende Wirkung auf den Zellkern ausiiben, worauf dann bald der Chlorophyllkorper angegriffen wird. Schon in 2 Minuten erstarrt der Kern mit Kerntasche und Plasmodienstrangen zu einem diinnen, fadenartigen Gebilde, wenn eine 2 % ige Losung jenes Oxalats auf Spirogyra crassa einwil'kt. Mit jener Auffassung wiirden auch obige Beobachtungen gut vereinbal' sein, daB Chlorkalzium den Chloroplasten monatelang intakt laSt, Chlorstrontium aber nicht. Da der Chloroplast bei den SpirogyrazelJen eine relativ sehr groBe Oberfliiche darbietet, so kann er auch eher Unterschiede bei del'· Einwirkung erkennen lassen, als andere Chloroplasten. Niedere Algen bediirfen, wie sowohl Molisch als ich ungefiihr zu gleicher Zeit beobachtet haben, des Kalkes nicht 2), trotzdem Kern und Chlorophyllkorper bei ihnen normal funktionieren. Fiir diese ist aber auch neutrales Kaliumoxalat gar kein Gift und Fluornatrium ein sehr viel schwacheres als fUr die hOheren Algen: ebenso sind fiir niedere Algen Magnesiumsalze bei AusschluB von Kalziumsalzen nicht giftig, wie das bei den hOheren Algen und aufwarts del' Fall ist. Unter diesen Umstanden bHeb nul' die logische Folgerung iibrig, daB mit der hoheren Differenzierung der Form und des Fortpflanzungsmodus Kalziumproteidverbindungen fiir den Kernaufbau notwendig wurden. Wenn abel' der Kern sich solche Kalziumverbindungen herstellt, so gi~t er diesel ben auch zum Aufbau des Chloroplasten ab, der wahrscheinlich nicht selbst sein Baumaterial fabrizieren kann, und deswegen werden auch iiberall da, wo der Zellkern wichtige Kalziumverbindungen enthiilt, auch die Chloroplasten solche enthalten. Ein Austausch dieses Kalziums durch andere Elemente, wie K. Na, Mg, wird Strukturstorung durch Anderung des Imbibitionsgrades und dadurch den Tod herbeifiihren. Kaliumoxalat, N atriumfluorid und Mag1) Flora 1905, pag. 333. 2) Hierher gehoren Palmellaeeen, ferner Seenedesmus und wahrseheinlieh Oseillaria. Molisch hat bei Protokokkus, Stichokokkus, Mikrothamnion und Ulothrix beobaehtet. Ob indes letztere bei Abwesenheit von Kalk auch Gameten bildet, wiire noeh zu priifen. In neuerer Zeit (Wiener Akad. Bel'. 1909) hat Brunnthaler bei del' Cyanophyeee Gloeotheee rupestris beobachtet, dati sie von Chlormagnesium in 1 %iger Losung nicht geschadigt wird, was flir das Nichtbediirfnis diesel' Alge flir Kalk spricht.

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nesiumsulfat sind solche Mittel, das Kalzium abzuscheiden und durch Kalium, Natrium odeI' Magnesium zu ersetzen. Sauren und sauer reagierende Saize wirken natiirlich ebenfalls kalkentziehend, und die Beobachtung von Benecke, daB die schadliche Wirkung von saurem Kaliumphosphat bei Algen durch Gegenwart von Kalziumsalzen verhindert werden kann, ist eben so leicht erklarlich, wie meine friihere Beobachtung, daB saures Kaliumphosphat 1) die Giftwirkung der Magnesiumsalze bei Spirogyren beschleunigt. Dort ist leicht sofortiger Wiederersatz fiir jedes entzogene Kalziumatom moglich, und hier addieren sich zwei Kalzium entziehende Wirkungen 2). Aus zahlreichen und interessanten Versuchen iiber den EinfluB von Kalzium- und Magnesiumsalzen auf die Wurzel von Weizenkeimlingen schlieI3t Hansteen, daB Kalziumsalze hauptsachlich zur Bildung der Zellwand notig sind, denn diese wird schleimig und degeneriert, wenn Kalk in del' Losung fehlt. Hierzu mochte ich mir zu bemerken erlauben, daB nicht untersucht wurde, ob nicht schon VOl' dem Degenerieren del' Zellwand del' zugehOrige Zellkern abgestorben war. War aber dieser, resp. die Zelle tot, bevor die Degeneration del' Zellwand eintrat, so erklart sich diese letztere Erscheinung sehr leicht durch den Angriff von Bakterien, welche sich nun die aus der toten Zelle hera usdiosmierenden organischen Substanzen zu nutze machten, nachdem sie durch die austretenden Substanzen an die Membranen der absterbenden Zellen gelockt wurden. DaB die Wurzeln nicht nur unter dem Einflusse del' Kalziumsalze Haare bilden, sondern nach Hansteen auch in einer mit Wasserdampf gesattigten Luft, mag vielleicht in der durch letzteren Umstand herbeigefiihrten Steigerung del' Atmung beruhen, wodurch die Zellkernfunktionen unter del' erhOhten Energielieferung ebenfalls gesteigert wurden. DaB ferner die Wurzeln auch abstarben, wenn fUr Zufuhr von Kalziumsalzen in das Innere der Wurzel gesorgt wurde, abel' die UIIl1) Das saure oder Monokaliumphosphat wirkt selbst bei einer Konzentration von 1,2 % ziemlich iangsam auf Spirogyra ein, so daB bei den meisten Zellen der Eintritt normaler Plasmolyse erst nach 24 Stunden und dann der Tod erfolgt, unter Bleichung des Chlorophylls. 2) Es mag hier angefiihrt werden, dati ein gewisser Parallelismus der Giftwirkung zwischen oxalsaurem Kali und Fluornatrium auch fiir den tierischen Organismusbeobachtet werden kann. F. Winkler hat ferner bei Froschblutleukocyten heobachtet, daS beide Salze rasch diese Kerne angreifen. "Die Leukocyten des Frosches schein en einem Kernzerfalle zu unterliegen, ebenso die Leukocyten aUB den Peritonealexsudaten der Maus. Neutrales Kaliumtartrat lieS diesen Kernzerfall nicht eintweten." (Briefliche Mitteilung.)

Uher die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen.

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gebende Losung nur Magnesiulllsalze enthielt, erkHirt sich wohl daraus, daB infolge von stetiger Diffusion von Magnesiumsalzen in die Pflanze diese stets in sehr bedeutendem UberschuR waren. Es ist ubrigens hervorzuheben, daB Hansteen keineswegs die Folgerung zieht, daB del' Kalk nul' in der Membran wichtige Funktionen zu erfiillen habe. Hansteen weist auch auf die unvollstandige QuerwandbiJdung bei del' Zellteilung nnter dem Einflusse von Strontium hin, aber die Querwandbildung ist eine Funktion des ZelIkerns, welcher nach meinel' Ansieht eben nicht meltr vollig normal funktionieren kann, wenn aueh nur ein minimaler Teil seines Kalziumgehalts durch Strontium ersetzt ist. Die iiuBere Zellwand zeigt unter dem EinfluB von Strontiumsalzen gar keine Anomalien, woraus man allerdings nichts gegen Hansteens Ansicht ableiten kann. Es ist ja sehr leicht moglich, daB Kalziumsalze odeI' Strontiumsalze in den Zellmembranen abgelagert werden konnen. Herr W arthi adi von del' hiesigen Technischen Hochschule hat beobachtet, daB Tradeseantiazweige in kalkhaltiger, abel' magnesiafreier Losung auf Kosten von absterbenden Bliittern lange Zeit immer neue Triebe entwickeln, wahrend in der kalkfreien aber magnesiahaltigen Losung keine Spur eines neuen Triebes erscheint. Jene neuen Triebe verlangten zwar aueh etwas Magnesia, aber so viel diirfte wohl aus den absterbenden Blattern zugewandert sein. Neue Triebe abel' erfordern in erster Linie eine normale Tiitigkeit der ZeHkerne, welche vor aHem von der Anwesenheit von Kalzium abhiingt. Mit meiner Folgerung, daB sowohl Kern als Chlorophyllkorper kalziumhaltige Proteide enthalten, steht aueh im Einklang, daB die Blatter die kalkreichsten Organe sind l ), was nicht durch den Gehalt an Kalziumoxalat erklart werden kann, denn bei Gramineen, welche, wie manche Liliaeeen und Solanaceen, gewohnlich Kalziumoxalat nich t enthalten, findet dieselbe Regel statt. Man konnte auch meinen. daB Kalk nur deshalb mehr in den Blattern vorhanden ist. weil diese iiberhaupt die aschereichsten Organe seien, allein es handelt sich hier nicht um einen absoluten, sondern um einen relativen Kalkgehalt. Von Interesse ist die Beobaehtung Ermakows, daB Kalziumsaize bei Assimilation des Nitratstickstoffs eine wichtige Rolle spiel en, 1) Ch urch (1887) hat normale und AlbinobHitter von gleichaltrigen Zweigen von Quercus rubra verglichen. Aus seinen Daten folgt, daB 1000 Teile weiBer Blatter (trocken) 2,2 Teile Kalk, 1000 Teile griiner Blatter aber 3,98 Teile Kalk enthielten. Ob der Gehalt an Kalziurnoxalat verschieden war, wurde leider nicht untersucht. Jedenfalls sind die "Leukoplasten" bei Albinoblattern degeneriert.

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abel' nieht bei del' Assimilation von Ammoniakstiekstoff. Dies HiBt sieh wohl so am einfaehsten erklaren, daB sieh aus den gespeieherten AIkalinitraten zunaehst Kalziumnitrat bildet uncl dieses leiehter hydrolisiert wil'd. als Kalium- odeI' Natriumnitrat. Das Kalziumoxid gebt dabei sofort in organisehe Salze iibel', wahrend die Salpetersaure im Moment des Freiwerdens zu Ammoniak reduziert wird, das sofort als Baustein bei del' Bildung von EiweiB eventuell von Aspal'agin Verwendung findet. Bei niedel'en Algen, wenn sie bei Abwesenheit von Kalziumsalzen waehsen, konnten sieherlieh aueh Magnesiumsalze diesel ben Dienste leisten. So interessaut E r III a k 0 w's Versuehe aueh sind, so konnen sie doeh iibel' die eigentliehe physiologisehe Rolle des Kalks keine Entseheidung bringen, da die Pflanzen ja ebensogut Ammoniakstiekstoff als Nitratstiekstoff vel'wenden Mnnen. Es wnrde behauptet, daB Kaliumsalze ebenso wie Kalziumsalze del' Giftwil'kung von Magnesiumsalzen entgegenwil'ken konnen, allein
0,4% Magnesiumsulfat. 0,4% " 0,4% ., 0·,1,0/ , ; 0 Kaliumsulfat.

+ 0,2% Kalziumsulfat. + 0,2% Kaliumsulfat.

Die Pflanzen in I waren in 7 Tagen tot, in Losung III star ben zwei Pflanzen in 15 Tagen, die dritte in 41 Tagen, in Losung IV starben zwei Pflanzen in 28 Tagen, die dritte in 36 Tagen, in Losung II abel' hatte jede Pflanze naeh 5 Monaten noeh drei vollig gesunde Blatter, welehe ZUIll Teil auf Kosten der ersten abgestorbenen Blatter sieh entwiekelt hatten, und die Wurzeln waren von 6 em auf 14 em gewaehsen, wahrend in den Losungen 1, II und IV gar kein Wurzelwaehstum zu konstatieren war. Erst (5 Monate naeh Beginn des Versuehs zeigte das jiingste Blatt in II Gelbfarbung und fingen die Spitzen del' anderen an zu verdorren. Das langste Blatt maS dann 10 em. Die Gesamtzahl del' toten Blatter war 21. Da sieh ein Pilz auf den Blattern einstellte, wurde del' Versueh beendigt. Er zeigt abel' hinreiehend klar, daB die Giftwirkung von Magnesiums alzen nur 1) O. Loew und K. Aso, On physiologically balanced solutions. Bulletin, College of Agriculture, Tokyo University,' Vol. VII, No.3.

Uller dieWirkung von Strontiumsalzen auf Algen.

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·durch Kalziumsalze vollstiindig aufgehoben. durch Kaliumsalze abel' nur verzogert wird, was auch Ransteen fand. Es ist auch behauptet worden, daB Kaliumsalze bei Abwesenheit .anderer Salze giftig auf Pflanzen wirken. Allein Algen sterben in KaliumsalzlOsungen bei AusschluB anderer Niihrstoft'e so langsam ab, daB man kaum von einer wirkIichen Giftwirkung mehr sprechen kann. Wiihrend z. B. Spirogyren in 0,2-0,3 % iger Losung von ChI ormagnesium in :2 Tagen total absterben, sind sie in O,B %iger Losung von Chlorkalium erst in 18-20 Tagen erheblich geschiidigt, indem del' Kern losgelOst als unregelmiiBig kontrahierte Masse in der Zelle liegt und (ler Chloroplast angegriff~n ist. Das Cytoplasma ist hierbei oft noch vollig intakt und der Turgor noch erhalten. Rei Phanerogamen ist es noch schwieriger, eine .,Giftwirkung" von Kaliull1salzen in Abwesenheit anderer Niihrstoft'e zu erkennen. GerstenkeimIinge von 18 cm Rohe, welche des letzten Restes des Endosperms berau bt wurden, konnen I-B Monate lang in 0,6 % igen Losungen von Kaliumnitrat-, -chlorid, oder -sulfat lebend bleiben; Maiskeimlinge blieben ftber 7 W ochen lang in einer 0,5 % igen Losung von Kaliumsulfat gesund. Der Grund, warum Strontium das Kalzium physiologisch nicht ersetzen kann, ist jedenfalls in anderer Richtung zu suchen,' als der fiir die Unfahigkeit des Magnesiums. Indessen chemische Unterschiede von einer solchen Art, daB man jene physiologische Unfiihigkeit des Strontiums mit einiger WahrscheinIichkeit davon ableiten konnte, sind bis jetzt nicht bekannt. Dagegen existieren zwischen Kalium und Natrium einige sehr markante Unterschiede, die wohl geeignet sind, den gewaltigen physiologischen Unterschied zwischen diesen zwei Elementen zu verstehen. Kalium kann sich z. B. mit Kohlenoxyd verbinden und diese Verbindung durch Einwirkung von Wasser in ein Renzolderivat (Trichinoyl) iibergehen. Natrium aber ist unfiihig, sich mit Kohlenoxyd zu yerbinden. KaJi kann bei der Einwirkung auf Phenol kondensierende Wirkung ausiiben und viel Diphenol erzeugen, Natron aber liefert dabei wesentlich nur Resorzin und Phlorogluzin 1). Schon yor langer Zeit hat daher Schreiber dieses die Ansicht ausgesprochen, daB Kali (vielleicht als Verbindung mit einem Nukleoproteid) bei den synthetischen Arbeiten in pflanzJichen wie tierischen Zellen beteiligt sei. 1) Weiteres hieriiber O. Loew in "The Physiological Role of Mineral pag. 96, Washington 1899 und II Edition, Bulletin No. 45, pag. II} u. 34. U. S. Department of Agriculture, Division of Vegetable Physiology and Pathology.

Nutrients~',

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Oscar Loew, tber die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen.

Beim Vergleich von Baryt mit Kalk habe ich einen Unterschied in der Wirkung auf verdiinnten Formaldehyd wahrgenommen, welcher hier Erwahnung finden mag. Wahrend bei der Anwendungvon Kalk die Kondensation zu einem Zucker (Formose) vorherrscht uber die Spaltung des Formaldehyds in Ameisensaure und Methylalkohol, uberwiegt bei der Anwendung del' aquivalenten Menge Baryt diese Spaltung uber jene Zuckerkondensation. Da Strontian in bezug auf Basizitat zwischen Kalk und Baryt steht. so kann man auch fur Strontian ein geringeres Konciensationsvermogen als fur Kalk vermuten. Indessen daraus konnte man wohl kaum die physiologische Unfahigkeit des Strontiums ableiten 1). Jedenfalls ergibt sich aher wieder, daB es irrig ist, zu schlieBen, daB der "Kalk nichts mit dem innigsten Getriebe des Lebens zu tun habe", wei! die niedersten Organismen ihn nicht brauchen. 1) Wie Meltzer und Auer fanden, wirken Kalziumverbindungen anders auf ti erische ZeBen als Strontiumverbindungen und anders als Magnesiumverbindungen; sie konnen aber nur antagonistisch gegen letztere, nicht gegen erstere wirken. Amer..J ourn. Physiol. ] 908.