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Buchbesprechung
SCHMID, B., und STOCKLl]'l, J. (Hrsg.): Populationsbiologie der Pflanzen. - Basel, Boston, Berlin: Birkhiiuser Verlag, 1991. 351 S., 101 Abb., 38 Tab. Broschiirt. SFr. 58,-. ISBN 3-76432517-8. Die Populationsbiologie wildlebender Pflanzen ist eine relativ junge Wissenschaftsc!isziplin, deren Aufschwung vor etwa 30 lahren - ausgehend vor aHem von GroBbritannien und Nordamerika - seinen Anfang nahrn· Wiihrend die damit verbundene neue Betrachtungsweise pflanzeniikologischer Phiinomene z. B. in Skandinavien und den Niederlanden recht schnell FuB faBte, dominierten im deutschsprachigen Zen~aJeuropa bis in die jiingste Zeit die ,,klassischen" Disziplinen Okophysiologie und Pflanzensoziologie. Erst im vergangenen Jahrzehnt begannen sich hier botanisch-populationsiikologisch orientierte Arbeitsgruppen zu etablieren, urn die zwischen diesen beiden Betrachtungsebenen klaffende Liicke zu schlieBen. Die Herausgeber des vorliegenden Buches sind dabei mit zu den Vorreitem zu ziihlen. So ist es auch ihr Verdienst, mit diesem Band das erste deutschsprachige Werk auf den Markt gebracht zu haben, das einen Uberblick iiber das weitgefacherte Spektrum der Populationsbiologie der Pflanzen liefert. Gleich zu Beginn des Textes wird eine Liste mit Definitionen zahlreicher, vorwiegend aUS dem Englischen iibersetzter Begriffe vorgestellt, die populationsbiologisch relevant sind, deren Anwendung aber teilweise noch recht uneinheitlich ist. Die Autoren dieser Liste (BORNKAMM, EGGERT, KOPPERS, SCHMID & STOCKLlN) streben dabei keine Vollstiindigkeit oder gar Verbindlichkeit an, sondem wollen die Diskussion urn eine Vereinheitlichung der Begriffsanwendung anregen sowie dem Neuling den Einstieg in das Fachgebiet erleichtem. Den Hauptteil des Buches bilden 18 Originalarbeiten, die im Mai 1990 in Basel anliiBlieh des jahrlichen Treffens des Arbeitskreises "Populationsbiologie der Pflanzen" der Gesellsehaft fiir Okologie vorgetragen wurden. Sie sind thematisch nach fiinf Schwerpunkten geordnet, die allerdings nur im Vorwort erwiihnt und nicht zur Gliederung des Buches verwendet werden. Der erste und gewiehtigste Komplex von Themen konzentriert sieh auf die Demographie und Dynamik pflanzlicher Populationen. Beginnend mit der Diasporenbank und Diasporenausbreitung iiber das vegetative Wachstum bis zur Reproduktion werden dabei wiehtige Etappen des Lebenszyklus einer hiiheren Pflanze einbezogen. In seiner Arbeit "Besiedlungsstrategie und Populationsentwicklung am Beispiel des Fams Asplenium ruta-muraria" analy-
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siert SCHNELLER nieht nur den elementaren ProzeB einer Populationsgriindung unter Beriieksichtigung genetischer Aspekte und des Fortpflanzungssystems, sondem behandelt auch eine taxonomische Gruppe, die im Rahmen populationsiikologiseher Forschungsansiitze bisher ein Schattendasein fristet. In den beiden Kapiteln des zweiten Themenkomplexes, der die Entwicklung von "Blattpopulationen" in den Mittelpunkt riickt, stellen KOPPERS bzw. EGLl & SCHMID aus unterschiedlichen Blickwinkeln sehr iiberzeugende Ansiitze vor, die Betraehtungsweisen der Okophysiologie, der Morphologie und der Demographie zu integrieren. Allerdings hegt der Rezensent seine Zweifel, ob der Begriff "Population" (siehe auch die Begriffsdefinition zu Beginn des Buches!) auf eine Menge gleichgestalteter pflanzlicher Organe wirklich in dieser Form angewendet werden sollte wohl wissend, daB dies insbesondere in der angelsachsischen Literatur so iiblich ist. Abgesehen von dieser begrifflichen Unschiirfe bleibt es jedoeh unbenommen, daB aufgrund des moduliiren Baus pflanzlicher Organismen demographisehe Methoden zur Beschreibung von Wachstumsprozessen durehaus geeignet sind, und daB eine demographische Betrachtung iikophysiologischer Phiinomene teilweise sogar notwendig ist. Die Variabilitiit der PflanzengriiBe, die Konsequenzen intraund interspezifischer Konkurrenz und die Ursachen riiurnlicher Verteilungsmuster von Pflanzenpopulationen bilden den Gegenstand eines dritten Themenkomplexes, wiihrend sich ein vierter dem sehr spannenden Feld der Interaktion zwischen Pflanzen und Herbivoren widmet. Der Beitrag von CORNELIUS "Zur Bedeutung populationsbiologischer Forschung fUr den speziellen Natursehutz" greift, den fiinften thematischen Schwerpunkt reprasentierend, ein wesentliches Anwendungsgebiet populationsiikologischer Forschung auf. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis (38 Seiten) und ein Index der Sachwiirter schlieBen den Band abo Mit ihrem Sammelband !iefem SCHMID & STOCKLIN einen repriisentativen Uberblick iiber den gegenwiirtigen Stand populationsiikologischer Forschung im deutschspraehigen Raum. AI1ein schon deshalb ist der "Populationsbiologie der Pflanzen" eine weite Verbreitung sowohl unter den Studierenden der Okologie als auch den Fachleuten aus der Praxis, an die sich das Werk in erster Linie wendet, zu wiinschen. Den Herausgebem kann nur beigepfliehtet werden, wenn sie in den Erfahrungen, die in der Tradition iikologischer Forschung in Mitteleuropa begriindet sind, eine wertvolle Bereicherung populationsbiologischer ForH. AUGE, Leipzig schung sehen.