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Public Health Forum 17 Heft 62 (2009) http://www.elsevier.de/phf
Die Bedeutung von Ba¨umen und Wa¨ldern fu¨r die Gesundheit des Menschen Klaus Seeland Die Bedeutung von Ba¨umen und Wa¨ldern fu¨r die Gesundheit in vorwiegend sta¨dtischen Lebensra¨umen nimmt seit Jahren zu. Die Sozialfunktionen natu¨rlicher Lebensumgebungen geho¨ren seit geraumer Zeit zur sozio-politischen Archi’’ tektur der großen Ballungszentren und ihnen ist in der Raumplanung vermehrt Beachtung geschenkt worden. Indizien hierfu¨r sind die Zunahme innersta¨dtischer Gru¨nfla¨chen, die Entstehung neuer Parks und Naturerlebnisra¨ume. In den 60er Jahren wurde das Arbeitspensum der Erwerbsta¨tigen pro Woche von sechs auf meist fu¨nf Arbeitstage verku¨rzt, wodurch die verla¨ngerte Freizeit am Wochenende ihre Auswirkungen auf die Gestaltung des Erholungsverhaltens hatte. Durch das allgemeine wirtschaftliche Wachstum in Europa stieg die Finanzkraft vor allem der sta¨dtischen Haushalte und mit der zunehmenden Verfu¨gung u¨ber private Fahrzeuge auch die Zahl der Urlauber und Wochenendausflu¨gler. Ebenfalls nahm die Zahl der Wanderer und Campingfreunde zu, die in der Na¨he waldreicher Gebiete ihre Freizeit verbringen und einen hohen Erholungswert bei mo¨glichst geringen Kosten suchten. Als Mitte der 80er Jahre das Pha¨nomen des Waldsterbens nahezu ganz Europa aufschreckte (Bosch, 1983), besann sich nicht nur die Politik auf den Erholungswert von Wa¨ldern, sondern auch viele besorgte Menschen dachten mehr und mehr u¨ber die gesundheitlichen Bedeutung von ih-
rerseits gesunden Wa¨ldern und Ba¨umen nach (Gollwitzer, 1984). Die Zusammenha¨nge zwischen gesunden Natur- und Lebensra¨umen sind zwar in der Kultur- und Geistesgeschichte vieler Vo¨lker dokumentiert, aber in modernen Zeiten vielfach abhanden gekommen (Harrison, 1992). Sie wurden nun wieder entdeckt und einem interessierten Publikum erschlossen, das sich im nachindustriellen Zeitalter Ba¨umen und Wa¨ldern in seinem Bewusstsein wieder stark angena¨hert hatte (Beuys et al., 1990; Seeland, 1993). Sowohl Ba¨ume (Mu¨llerBerg, 1995) als auch Wa¨lder (Ku¨chli, 1997) wurden zu einem Symbol fu¨r die natu¨rliche Gesund¨ kosystemen, ganzen Geheit von O sellschaften, aber auch einzelner Menschen. Vielfach wurden die heilkundlichen Eigenschaften von Ba¨umen wiederentdeckt und propagiert (Hagender, 2004; Himmel, 2004; Richter, 2006; Strassmann, 1994; Weidinger, 2004). Hierbei handelt es sich zum Teil um homo¨opathische und Naturheilverfahren, in der Regel also um ganzheitliche Betrachtungen und Behandlungshinweise und zum Teil um weniger wissenschaftlich anerkannte Therapien. Von Seiten der Wissenschaft wird die gesundheitliche Bedeutung von Ba¨umen und Wa¨ldern jedoch seit geraumer Zeit vermehrt in den Blick genommen. Die ku¨nstlichen Lebenswelten, zu geringer Naturkontakt und wenig natu¨rliche Erna¨hrung moderner Menschen fo¨rdern Zivilisationskrankheiten,
deren Zahl und Kosten ihrer Beka¨mpfung stetig und massiv zunehmen. Die Gru¨nde hierfu¨r liegen im Wesentlichen in gesundheitspo¨ berlegungen, die eine litischen U gesundheitsfo¨rdernde Lebensweise und vor allem eine ha¨ufigere Bewegung im Freien zur Beka¨mpfung der Fettleibigkeit und zur Steigerung des allgemeinen physischen und psychischen Wohlbefindens breiter Bevo¨lkerungskreise propagieren (Konijnendijk, 2008, Kap. 9). So hat z.B. die European Science Foundation eine COST (European Cooperation in the field of Scientific and Technical Research) Aktion unterstu¨tzt, an der sich Wissenschaftler aus 22 europa¨ischen La¨ndern u¨ber fu¨nf Jahre zu diesen Themenbereichen ausgetauscht und ihre Forschungsergebnisse vorgestellt haben (Gallis, 2005a). Dieses sich im euro-amerikanischen, und neuerdings auch im asiatischen Raum, neu formierende Forschungsfeld umfasst einerseits die physischen und mentalen Aspekte von Ba¨umen und Wa¨ldern. Hierbei geht es darum, deren Wirkungen auf durch moderne und wenig natu¨rliche Lebensgewohnheiten belastete Menschen mithilfe empirischer Forschungen zu analysieren. Dabei wird beispielsweise auf die Bedeutung des Sammelns von Waldprodukten auf die menschliche Psyche dargestellt, die Rolle von Kulturdarbietungen im o¨ffentlichen Gru¨nraum untersucht und erforscht, wie geistig behinderten Menschen durch den Aufenthalt in botanischen Ga¨rten ein therapeuti-
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Menschen etc.) und der im Erwerbsleben Ta¨tigen gefo¨rdert und die kulturelle Integration in einer multikulturellen Gesellschaft gefo¨rdert werden kann (Seeland et al., 2009). Viele der hierbei verwendeten Wissenschaftstheorien basieren auf dem salutogenetischen Ansatz, der von einer grundsa¨tzlich positiven Wirkweise natu¨rlicher Umgebungen und Wirkstoffe aus der Natur auf den Menschen, und insbesondere den an Zivilisationskrankheiten leidenden Menschen, ausgeht. Bei der Sichtung all dieser oben beschriebenen Forschungsfelder, der einzelnen Forschungsresultate, wissenschaftlich unterstu¨tzten Therapien und im o¨ffentlichen Raum gefo¨rderten Gesundheitsaktivita¨ten zeichnet sich ebenso eine Ru¨ckbesinnung auf die Wu¨rdigung traditionellen Heilwissens ab, wie auch eine Aufwertung dieses Wissens durch wissenschaftliche Forschung (Gallis, 2005b). Ganz allgemein zeigt sich hier eine Hinwendung zu Themen, die an sich nicht neu sind, aber neuerlich eine nicht zu unterscha¨tzende gesellschaftliche Bedeutung erlangt haben, der auch die Wissenschaften mehr Beachtung zuteil werden lassen. Die Wirkungen von Ba¨umen und Wa¨ldern auf die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden sind dabei nicht zuletzt auch auf Lifestyle-Pha¨nomene zuru¨ckzufu¨hren. Lebensstile, die am freien Leben ( outdoor ) ’’ und an der Erfahrung der Wildnis ausgerichtet sind, spielen hier ebenso eine Rolle, wie die Ausu¨bung von Risiko- und Extremsportarten. Aktivita¨ten zur Erlangung ko¨rperlicher Fitness, ob im Wald oder im Fitness-Center, sind an Lifestyle-Idolen und an derzeit geltenden Idealen des ko¨rperlichen Aussehens orientiert. ’’
sches Naturerlebnis vermittelt werden kann. Andererseits spielt auch die Erforschung von Nahrungsund Naturheilmitteln, die aus Waldpflanzen gewonnen werden (z.B. Birkensaft und Fichtenknospen), eine immer gro¨ßere Rolle innerhalb dieses Forschungsfeldes. Das Leben in Gru¨nra¨umen im großsta¨dtischen Milieu und dicht besiedelten Agglomerationen wird auf die Potenziale hin untersucht, die sich in diesen Ra¨umen fu¨r die Erhaltung und Fo¨rderung der Gesundheit bieten. Dies ist beispielsweise die Einrichtung von mit o¨ffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbaren Jogging-Rundwegen, wie z.B. mit Baumrindenschnitzeln ausgelegte Finnenbahnen , die bei ’’ Dunkelheit gut beleuchtet sind. Gesundheitsfo¨rdernde Bauweisen von Wohngeba¨uden mit natu¨rlichen Materialien aus Holz sind ebenso Gegenstand der Forschung wie die Frage nach dem geeigneten Waldtyp (Nadelwald, Laubwald, Mischwald), in dem sich erholungsbedu¨rftige Stadtmenschen gut erholen ko¨nnen. Ba¨ume und Wa¨lder werden aber nicht nur in ihrer Funktion als Therapieeinrichtun’’ gen erforscht, sondern auch im Rahmen der Umweltbildung als Orte des Lernens von der und u¨ber die Natur gesehen. Das Wissen u¨ber Vorga¨nge in der Natur soll Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen Zuga¨nge zu den in der Natur geltenden Gesetzen und Werten vermitteln. Nicht zuletzt geht es in dem sehr breiten Forschungsfeld auch um die Untersuchung der sozialen Gesundheit der Gesellschaft, d.h. wie beispielsweise die Koha¨sion zwischen verschiedenen sozialen Gruppen (z.B. Ausla¨ndern, Asylanten, Arbeitslosen, Obdachlosen, jungen und alten
Wa¨lder und Ba¨ume werden neben ihren a¨sthetischen Eigenschaften als Symbole der Natur und wichtige Bestandteile der Lebensumgebung und der Landschaft wahrgenommen. Sie sind fu¨r eine zunehmende Zahl von zivilisationsflu¨chtigen Orten des Ru¨ckzugs und Ausgleichs und der Erholung von Stress und Alltagsbelastungen (Hansmann et al., 2007; Hug et al., 2008). Die Zukunft dieses sich seit ungefa¨hr zehn Jahren entwickelnden Forschungsfeldes zeigt deutliche Zu¨ge zunehmender multi- und transdisziplina¨rer Forschung, die komplexe gesellschaftliche Pha¨nomene an der Schnittstelle von pathogenen Entwicklungen im Gesundheitsbereich und moderner Lebensstile bearbeitet. Als gemeinsame Grundlage und Philosophie dieser Forschungen kann gelten, dass Ba¨ume und Baumbesta¨nde als Orte der Stille und Wa¨lder als Ra¨ume der Kontemplation von vielen Menschen gescha¨tzt und als unverzichtbar betrachtet werden. Die angewandete Forschung in vielen Wissenschaftsdisziplinen hat sich nunmehr der Aufgabe verschrieben, ihr Potenzial besser zu erkennen und zu wu¨rdigen.
Literatur siehe Literatur zum Schwer- punktthema. www.elsevier.de/phf-literatur doi:10.1016/j.phf.2009.01.011
Prof. Dr. Klaus Seeland M.A. ETH Zu¨rich Institut fu¨r Umweltentscheidungen SOL E6 Sonneggstraße 33 CH-8092 Zurich
[email protected]
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Einleitung Die Bedeutung von Ba¨umen und Wa¨ldern fu¨r die Gesundheit in vorwiegend sta¨dtischen Lebensra¨umen nimmt seit Jahren zu. Die Sozialfunktionen natu¨rlicher Lebensumgebungen geho¨ren seit geraumer Zeit zur sozio-politischen ’’ Architektur der grossen Ballungszentren, und ihnen ist in der Raumplanung vermehrt Beachtung geschenkt worden. Indizien hierfu¨r sind die Zunahme innersta¨dtischer Gru¨nfla¨chen, die Entstehung neuer Parks und Naturerlebnisra¨ume. ’’
Literaturverzeichnis Beuys J, Blume B, Rappmann R. Gespra¨che u¨ber Ba¨ume. Wangen: Freie Volkshochschule Argental; 1990 (2. Aufl). Bosch C. Die sterbenden Wa¨lder. Mu¨nchen: Beck; 1983. Gallis C, Herausgeber. Forests trees and human health and well-being. Thessaloniki: Siokis Publishers; 2005a. Gallis C, Herausgeber. 1st European COST E 39 Working Group 2 Workshop. Thessaloniki: University Studio Press; 2005b. Gollwitzer G. Botschaft der Ba¨ume. Ko¨ln: DuMont; 1984. Hagender F. Geist der Ba¨ume. Saarbru¨cken: Neue Erde Verlag; 2004.
Hansmann R, Hug S-M, Seeland K. Restoration and stress relief through physical activities in forest and parks. Urban Forestry and Urban Greening 2007;6:213–25. Harrison R. Wa¨lder – Ursprung und Spiegel der Kultur. Mu¨nchen: Hanser; 1992. Himmel M. Ba¨ume helfen Heilen. Darmstadt: Schirner Verlag; 2004. Hug S-M, Hansmann R, Monn C, Kru¨tli P, Seeland K. Restorative effects of physical activity in forests and indoor settings. International Journal of Fitness 2008;4/ 2:25–38. Konijnendijk C. The forest and the city. Berlin: Springer; 2008. Ku¨chli C. Wa¨lder der Hoffnung. Zu¨rich: NZZ Verlag; 1997.
Mu¨ller-Berg M. Auf Ba¨ume ho¨ren – mit Ba¨umen sprechen. Solothurn: Walter; 1995. Richter D & S. Das grosse Praxisbuch der Baumheilkunde. Grafing: Aquamarin Verlag; 2006. Seeland K. Der Wald als Kulturpha¨nomen. Geographica Helvetica 1993;48:61–6. Seeland K, Du¨bendorfer S, Hansmann R. Making friends in Zurich’s urban forests and parks: the role of public green space for social inclusion of youths from different cultures. Forest Policy and Economics 2009;11:10–7. Strassmann RA. Baumheilkunde. Aarau: AT Verlag; 1994. Weidinger H-J. Mensch und Baum. Karlstein; 2004.
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