Public Health Forum 20 Heft 75 (2012) www.journals.elsevier.de/pubhef
Die Bedeutung von Gesundheit in der Stadtentwicklungsplanung aus Sicht des Gesunde €dte-Netzwerkes Sta Claus Weth ,,Gesundheit findet auch in Ratha¨usern statt‘‘. So beschrieb es einmal Klaus-Peter Stender, langja¨hriger Gesunde Sta¨dte-Koordinator aus Hamburg. Der Trend zur Kommunalisierung von Prozessen im Gesundheitswesen erreicht immer mehr auch die Kommunen. Mit diesem Bedeutungszuwachs der o¨rtlichen Ebene muss auch eine gesteigerte Verantwortung der Kommune korrespondieren (Luthe, 2010). Diese betrifft sowohl die Kommunalpolitik als auch die Verwaltung. In den unterschiedlichen internen Verantwortungsstrukturen einer Stadt wird das Querschnittsthema ,,Gesundheit‘‘ durchaus wahrgenommen, vielfach aber mit benachbarten Fachbereichen bzw. Fachausschu¨ssen nicht u¨bergreifend abgestimmt und koordiniert. Dies gilt sowohl fu¨r origina¨re Gesundheitsthemen als auch fu¨r Querschnittsthemen wie z.B. Migration, Integration, Inklusion und demografischer Wandel. Eine gute Kommunikation, das Anstoßen von Beteiligungsprozessen und partizipativen Verfahren stehen fu¨r eine effektive und effiziente Arbeit. Sie verbessert Angebote, die in der Stadt, in Stadtteilen und Quartieren ankommen und wirken sollen. Kooperationen und Vernetzungen sind notwendig auf allen Ebenen und zwischen den beteiligten Ebenen. Dies gilt fu¨r die Kommunen z.B. zwischen der Stadtentwicklungsplanung und den Fachbereichen wie Gesundheit, Jugend, ¨ hnFamilie, Soziales und Bildung. A liches gilt fu¨r die ministeriellen Ebenen der La¨nder und des Bundes.
Auf die Kommunen sind insbesondere in den Bereichen der Gesundheitsfo¨rderung und Gesundheitsbildung in den zuru¨ckliegenden Jahren viele Akteure mit unterschiedlichsten Maßnahmen und Projekten u.a. zur Erna¨hrung, Bewegung, Stressbewa¨ltigung, Unfallverhu¨tung zugekommen. Gerade hier spielen Kooperation und Vernetzung eine entscheidende Rolle, damit gute Ansa¨tze nicht auf der Planungsebene stecken bleiben. Sie mu¨ssen bei den Betreffenden in den Lebensbereichen, also in den Familien, Kitas, Schulen, Tagessta¨tten und Quartieren ankommen. Die Zielgruppen und die Akteure vor Ort mu¨ssen mitgenommen, begeistert, u¨berzeugt und beteiligt werden. Dabei muss man wissen, dass den Einrichtungen kaum Ressourcen fu¨r zusa¨tzliche Aufgaben zur Verfu¨gung stehen. Wunsch der Akteure vor Ort ist daher eine vernetzte Zusammenarbeit und eine Nachhaltigkeit der Aktivita¨ten. Dabei sollten die Angebote in ein kommunales Gesamtkonzept eingebettet sein (Weth, 2009). Kommunale Gesamtkonzepte in der Gesundheitsfo¨rderung finden wir bisher vorwiegend in Kommunen, die gezielt intersektoral arbeiten. Das Instrument eines Fachplanes Gesundheit, der das Bewusstsein fu¨r das Thema Gesundheit im intersektoralen Dialog fo¨rdert, ist in den Kommunen noch nicht durchga¨ngig pra¨sent. Aktuell arbeitet das Landeszentrum Gesundheit NRW in Zusammenarbeit mit Kommunen an der Entwicklung eines solchen Planes. Der Fachplan Gesundheit soll, a¨hnlich wie die Ju-
gendhilfeplanung oder die Sozialplanung es fu¨r ihre Planungsbereiche durchfu¨hren, das Leistungsspektrum des o¨ffentlichen Gesundheitsdienstes wirkungsvoll darstellen und sta¨rkeren Ru¨ckhalt fu¨r gesundheitspositive Maßnahmen innerhalb und außerhalb des Gesundheitssektors geben. Moderne technikgestu¨tzte Elemente sollen eine raumbezogene Darstellung gesundheitlicher Themen und Belange ermo¨glichen. Ein solcher Plan soll dem o¨ffentlichen Gesundheitsdienst und damit den Gesundheitsa¨mtern vor Ort eine bessere Wahrnehmung verschaffen und eine entsprechende Positionierung ihrer Themen ermo¨glich (Fehr et al., 2011). Das Gesunde Sta¨dte-Netzwerk (GSN) ist ein auf Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits im Jahr 1989 eingerichtetes Netzwerk, das sich die Sta¨rkung der kommunalen Gesundheitsfo¨rderung vorgenommen hat. Ziel ist es, Gesundheit als Querschnittsthema in kommunale und kommunalpolitische Entscheidungen sta¨rker einzubinden. Schnittstellen gibt es insbesondere zwischen den Themen Gesundheit einerseits und Bildung, Stadtentwicklung, Verkehr, Wohnen und Umwelt andererseits. Dabei stehen Menschen in sozial benachteiligten Lebenssituationen im Fokus der Netzwerkarbeit. Die Gesunden Sta¨dte haben sich mit dem Netzwerk auch ein Lern-, Aktions- und Diskussionsinstrument geschaffen, mit dem sie ihre Arbeit im Sinne der Gesunde Sta¨dte-Konzeption vor Ort unterstu¨tzen und bereichern ko¨nnen. Die Netzwerkaufgaben
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werden in den Gesunden Sta¨dten zwischen Fachleuten einzelner Verantwortungsbereiche und im Schulterschluss mit Bu¨rgerschaft, Selbsthilfe und Bu¨rgerinitiativen wahrgenommen. Das GSN hat in den zuru¨ckliegenden Jahren Grundsatzpapiere geschaffen, z.B. mit der Ko¨lner Entschließung ,,Chancengleichheit fu¨r ein gesundes Leben‘‘, mit dem Berliner Appell ,,Gesund a¨lter werden in Sta¨dten und Regionen‘‘ und dem Bad Honnefer ,,Appell zum Bu¨ndnis fu¨r eine soziale Stadt‘‘. Diese sollen auch in die kommunalen politischen Diskussionen eingebracht werden mit dem Wunsch, dass die Akteure vor Ort gemeinsam Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung entwi-
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ckeln und umsetzen. Als Koordinierungsinstrumente bieten sich u.a. kommunale Gesundheitskonferenzen, Aktionsbu¨ndnisse und Stadtgespra¨che an. Daru¨ber hinaus werden die Ziele und Strategien der WHO in der aktuellen Phase V (2009–2013) beru¨cksichtigt; sie beziehen sich auf Gesundheit und gesundheitliche Chancengleichheit in allen Bereichen der Lokalpolitik. In den drei Kernthemen der Phase V geht es um die Herstellung fu¨rsorglicher und unterstu¨tzender Umfelder, die Schaffung von Bedingungen fu¨r eine gesunde Lebensweise sowie eine gesundheitsfo¨rderliche Stadtgestaltung. Das GSN wird sich auf seinem diesja¨hrigen Kongress am 14. und 15. Juni
in Dresden im Rahmen eines o¨ffentlichen Symposiums mit dem Thema Gesundheit und Stadtentwicklung auseinandersetzen. Der korrespondierende Autor erkla¨rt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt. Literatur siehe Literatur zum Schwerpunktthema. http://journals.elsevier.de/pubhef/literatur doi:10.1016/j.phf.2012.03.018
Dr. Claus Weth MPH Gesunde Sta¨dte-Sekretariat Gescha¨ftsfu¨hrer c/o Gesundheitsamt der Stadt Mu¨nster Stu¨hmerweg 8 48127 Mu¨nster
[email protected]
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Einleitung Gesundheit und Stadtentwicklungsplanung hatten in der Vergangenheit keine besondere gemeinsame Bedeutung. Seit einigen Jahren beobachten wir, dass Sta¨dte in ,,gute‘‘ und ,,belastete‘‘ Stadtteile zerfallen. Die Gesunden Sta¨dte haben mit der ,,Ko¨lner Entschließung‘‘ ein gemeinsames Handeln aller Akteure und gesellschaftlichen Kra¨fte eingefordert, sozialen und gesundheitlichen Benachteiligungen entgegen zu wirken. Wir sehen heute, dass sich in immer mehr Kommunen die Verantwortlichen aus den unterschiedlichen Ressorts an einen Tisch setzen und unter Bu¨rgerbeteiligung Stadtentwicklungsplanung betreiben. Summary In the past, health and urban development planning had no particular shared meaning. For several years now, we have been observing that cities disintegrate into ‘‘good’’ and ‘‘stressed’’ neighborhoods. With the adoption of the ‘‘Cologne Resolution,’’ the Healthy Cities demanded a joint action by all actors and social forces to counteract social and health inequalities. Today, we see that in more and more communities the ones in charge of the various departments have come together to sit at one table in order to pursue urban development planning with citizen participation. Schlu¨sselwo¨rter: Chancengerechtigkeit = equal opportunities, Fachplan Gesundheit = health planning, Kommunale Gesamtkonzepte = municipal master plan
Literaturverzeichnis Fehr R, Dickersbach M, Welteke R. Vorarbeiten zum lokalen Fachplan Gesundheit, LIGA NRW Stand 28.09.2011.
Luthe E-W. Kommunale Gesundheitslandschaften NDV Juli 2010, Teil I S. 304). Weth C. Pra¨ventionskongress BMG, INFORM Gemeinsam mehr bewegen, 09.03.2009 Mainz).
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