European Pol'smer Journal. V o l I0. pp 91 I to 916. Pergamon Press 1974. Printed in Great Britain.
DIE ERMITTLUNG DES SCHMELZPUNKTES VON KRISTALLINEN POLYMEREN MITTELS
W)~RMEFLUSSKALORIMETRIE(DSC) K . - H ILLERS Me[3- und Priiflaboratorium der BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen am Rhein, BRD (Eingeqan,qen am 25 Miirz 1974) Zasammenfassung--Kleine und imperfekte Kristalle in partiell-kristallinen Polymeren vergr613ern und verbessern sich beim langsamen Erw~irmen. Dadurch wird ihr Schmelzpunkt T, zu h6herer Temperatur verschoben. Um T,, der urspriinglich vorhandenen Kristalle zu messen, muB mit hohen Aufheizgeschwindigkeiten gearbeitet werden. Dies ist bei den modernen, mit sehr kleinen Probemengen arbeitenden W~irmefluBkalorimetern m/Sglich, lnfolge der thermischen Tr~gheit der MeBzelle wird jedoch Tm um AT zu h6herer Temperatur verfalscht. Aus der Theorie des WiirmefluBkalorimeters ergibt sich, dab der Fehler AT proportional der Quadratwurzel aus Aufheizgeschwindigkeit, Schmelzw~rme und Probemasse ist. Durch Messungen an scharf schmelzenden niedrigmolekularen Substanzen wurde dieses Quadratwurzelgesetz quantitativ best~,tigt. Um den wahren Schmelzpunkt der in Polymeren vorhandenen Kristalle zu messen, muB man die bei verschiedenen hohen Heizraten und konstanter Probenmasse ermittelten Schmelzpeaks gegen die Quadratwurzel der Heizrate auftragen und linear auf die Heizrate Null extrapolieren. Dieses Verfahren wird auf unterschiedlich kristallisierte Proben aus HDPE, LDPE und Pol)amiden angewandt. I. E I N L E I T U N G Die Anwendung der Differentialkalorimetrie (DSC) zur Ermittlung yon Schmelzpunkten und Umwandlungstemperaturen hat in den letzten Jahrzehnten st~ndig zugenommen. Dies ist vor allem die Folge der rasch fortschreitenden Entwicklung k~iuflicher Mei3ger~ite, deren Handhabung bei zunehmender Empfindlichkeit bedeutend vereinfacht wurde. Die Steigerung der Empfindlichkeit erlaubt den Einsatz sehr kleiner Probemengen (0,1-1 mg), wodurch die Benutzung hoher Aufheizgeschwindigkeiten miSglich wird. Die Anwendung hoher Heizraten vergr6Bert die Wirtschaftlichkeit der Priifger~te. Sie ist dariiberhinaus bei der Untersuchung des "Schmelzpunktes" yon Hochpolymeren von grund~tzlicher Bedeutung, weil je nach der thermischen Vorgeschichte der zu untersuchenden Probe sich die in ihr vorhandenen instabilen Kristalle durch Reorganisationsvorg~.nge w~ihrend einer zu langsamen Erw~irmung ver~.ndern k6nnen. Auch bei Benutzung sehr kleiner Probemengen mul3 jedoch mit einem durch die MeBanordnung bedingten und mit steigender Heizrate zunehmendem Tr~.gheitseffekt gerechnet werden, der die Schmelzpunktbestimmung verffilscht, lm folgenden wird dieser Fehler untersucht und ein Weg zu seiner Eliminierung aufgezeigt. 2. THEORIE Ein DSC-Mel3kopf besteht aus zwei voneinander isolierten Kalorimetergef'aBen, dem Probengef'aB und dem ReferenzgeffiB. Ein Kalorimeterger~iB besteht im wesent-
lichen aus: (a)der Probe und evtl. dem Probenbeh~iher (Aluminiumkapsel), die die Warmekapazit~t C, und beide die gleiche Temperatur T~ besitzen sollen; (b) einer W~irmequelle mit der Temperatur Tp (Programmtemperatur); (c) einem Warmewiderstand R, durch welchen W~irme mit der Geschwindigkeit dQ/dt vom Kalorimetergef~il3 zur Probe flieBt, oder umgekehrt. Die yon der Probe pro Zeiteinheit ftir das Schmelzen beniStigte W~rmemenge ist -dh'dt. Das Referenzgeffil3 enth~ilt keine Probe. Es ist leer oder enth~ilt eine inerte Substanz (z.B. Glas- oder Quarzpulverj mit der W~.rmekapazitat C, und wird mit der Geschwindigkeit dT,/dt = dTp/dt erw~irmt. Tp ist die vorgegebene Programmtemperatur. In einem DSC-Kalorimeter werden Probe- und Referenzgef~iBe beim Erwarmen immer auf der gleichen Temperatur gehalten (T, = T~). Um dies zu gew~,hrleisten, mul:~die beim Schmelzen in der Zeiteinheit von der Probe aus dem ProbengeffiB aufgenommene W~irmemenge exakt kompensiert werden. Dies geschieht durch eine Anderung der differentiellen Heizleistung beider GeffiBe. Die Messung dieser elektrischen Leistung ist der Bestimmung yon dQ/dt ~iquivalcnt. Das Verhalten von dQ/dt beim Erw~irmen v, urde yon Gray[l] unter der Annahme berechnet, dab bei ~hr kleiner Probenmenge der W~rmewiderstand der Probe vernachl~issigbar klein ist und dab die Temperatur in der Probe einheitlich ist und mit der Temperatur der sie eng umschlieI3enden Aluminiumkapsel iibereinstimmt. AuBerdem werden die Wiirmekapazi~ten C, und C, sowie der W~rmewiderstand R im (engen) Temperaturbereich des Schmelzvorgangs als temperaturunabh~ngig angesehen. Das Ergebnis dieser Rechnung ist in Abb. 1 fiir den Fall eines scharfen Schmelzpunkts bei konstanter Aufheizgeschwindigkeit graphisch dargestellt. Unterhalb des Schmelzpunktes ist der DSC-Ausschlag proportional der Differenz tier W~irmekapazit~iten Cs-C, yon Proben- und ReferenzgefaB. Sobald bei Erreichen der 911
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K.-H. ILLERS
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Abb. 1. DSC-Kurve (schematisch) flit eine scharf schmelzende Substanz. Nach (1). Temperatur T,, das Schmelzen beginnt, nimmt dQ/dt linear mit der Zeit solange zu, bis die gesamte Probe aufgeschmolzen ist. AnschlieBend klingt der Schmelzpeak exponentiell mit der Zeitkonstanten RC, ab. Der Schmelzpunkt Tm ist nicht aus dem Schmelzpeak, sondern aus dem Schnittpunkt des linearen Anstiegs mit dem Verlauf der W~irmekapazit~it vor Schmelzbeginn ("Basislinie') zu ermitteln. Die durch Tr~igheit der MeBanordnung hervorgerufene Zeitdifferen: At zwischen Beginn und Ende des Schmelzens (At = tp~k -- ST,) betr~igt nachfl'l:
Darin sind v = dTp/dt die vorgegebene tteizgeschwindigkeit I = Programmgeschwindigkeit) und AH~, = -.f(dh/dt)dt (integriert tiber die gesamte Peaktt~iche) die zum Schmelzen der Probe ben6figte W~irme. W~ihrend der Zeit At l~iuft die Programmtemperatur um AT = v At welter. Die durch die Tr~igheit der MeBanordnung hervorgerufene Temperaturdifferen- A T = T p ~ - T,, betr~igt also: A T = A[(Br + v'-) l 2 - t,],
(2)
mit: A = RC~ B-
"Schmelzpunkt" als diejenige Temperatur zu definieren, bei der die meisten Kristalle schmelzen. Dies ist diejenige Temperatur, bei der das endotherme Maximum des W~irmeflusses dQ/dt auftritt, falls kein apparativer Tr~igheitseffekt vorhanden ist (AT = 0L In Wirklichkeit ist jedoch bei endlicher Aufheizgeschwindigkeit AT > 0. Wegen der Exislenz eines Schmelzbereiches kann man im Gegensat'z zu den scharf schmelzenden Kristallen den zum Schmelzpeak geh6renden wahren Schmelzpunkt nicht direkt aus der gemessenen Kurve ermitteln. Nach Gl. (2) ist es nattirlich naheliegend, die Messungen bei so niedriger Heizrate ~"durchzuftihren, dab der apparative Triigheitseffekt AT vernachliissigbar klein wird. Dem stehtjedoch entgegen, daBje nach thermischer Vorgeschichte (Kristallisations- und Temperbedingungen) die Kristalle sehr klein und imperfekt sind und sich beim langsamen Erw~rmen vergr6ssern und verbessern k6nnen[2,3]. Daher erfaBt man beim langsamen Erw~irmen nicht den Schmelzpunkt der ursprtinglich in der Probe vorhandenen Kristalle und es lassen sich keine sinnvollen Beziehungen zwischen thermischer Vorgeschichte, Dichte, Langperiode u.s.w, und dem Schmelzpunkt herstellen. Aus diesem Grunde muB man h~iufig T,, bei gentigend hoher Heizgeschwindigkeit messen und den Fehler AT nach GI. (2) berticksichtigen. Im folgenden wird untersucht, wie dies auf mtiglichst einfache Weise durchgefiihrt werden kann.
2AH ,~ RC~ "
GI. (2) gibt den dutch Tr~igheitseffekt verursachten Fehler an, der auftritt, wenn man Tmaus dem Schmelzpeak ermittelt. Bei der Untersuchung scharf schmelzender niedrigmolekularer Substanzen ist die hier aufgezeigte Problematik bedeutungslos, da man den richtigen Schmelzpunkt immer aus dem FuBpunkt des Schmelzpeaks bestimmen kann, nachdem man die Zeitachse der vom Schreiber registrierten dQ/ dt-Kurve mit Hilfe gut bekannter Schmelzpunkte reiner Stoffe bei allen Aufheizgeschwindigkeiten v geeicht hat. Bei der Untersuchung partiell-kristalliner Hochpolymerer spielt der durch GI. (2) beschriebene EinfluB jedoch ¢ine nicht zu vernachl~issigende Rolle. Aus stoffbedmgten GriJnden (z.B. Kristallitgr6Benverteilung) finder das Schmelzen in einem mehr oder weniger breiten Temperaturbereich start. Es ist allgemein iiblich auch hier einen
3. MESSUNGEN AN NIEDRIGMOLEKULAREN SUBSTANZEN Alle Messungen wurden in Differentialkalorimetern yon P e r k i n - E l m e r v o m Typ DSC-I und DSC-IB durchgef'tihrt. An reinen Eichsubstanzen wurde A T b e i verschiedenen Aufheizgeschwindigkeiten (1-32°/min) ermittelt. D u t c h Einsetzen dieser Werte in Gl. (2) erh~iit m a n f'tir die Gr613enordnung yon A und B Werte von l0 -2 min bzw. l0 g K m i n - i. FLit nicht zu hohe Aufheizgeschwindigkeiten k a n n m a n daher anstelle yon Gl. (2) die NSherung A T = A(Bv) 12 = Dt ,j 2,
(3)
mit D = (2AH,,R) 1/2
(3a)
Die Ermittlung des Schmelzpunktes
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Abb. 2. Zusammenhang zwischen ATund der Quadratwurzel der Aufheizgeschwindigkeit bei reinen niedrigmolekularen Stoffen. AT = Temperatur des DSC-Peaks minus Temperatur des beginnenden Schmelzens (Ful3punkt); vergl. Abb. 1. benutzen. Eine Auftragung von AT als Funktion der Quadratwurzel der Aufheizgeschwindigkeit sollte daher eine Gerade mit dem Anstieg D ergeben. Dies wird im folgenden durch Messungen an verschiedenen Substanzen iiberpriift. In Abb. 2 sind die Messungen an Indium, Blei, Zinn und n-Dodekan als Funktion der Quadratwurzel der Aufheizgeschwindigkeit aufgetragen. Alle Messungen wurden mit dem gleichen Mel3kopf (MK 5034) durchgefiihrt. Man erh~.lt in der Tat for Aufheizgeschwindigkeiten bis einschlieBlich 32~/min den v o n d e r N~iherungsgleichung 3 geforderten linearen Zusammenhang. Der Anstieg der Geraden in Abb. 2 wird nach GI. (3a) durch den WS.rmewiderstand R und die zum Schmelzen ben6tigte W~irmemenge AH,, bestimmt. Fiir ein und denselben MeBkopf ist R konstant.* Der Anstieg D der Geraden sollte also proportional der Quadratwurzel aus AH,, sein, d.h. proportional der Quadratwurzel des Produktes aus Probenmasse und (spezifischer) Schmelzw~irme Ah,,. Aus Abb. 2 erkennt man bereits qualitativ, dal3 D mit steigender SchmeRw~irme gr613er wird. Die in Abb. 2 wiedergegebenen ~ilteren Messungen wurden an Proben durchgef'tihrt, deren Einwaage nur auf + 20 Prozent genau bekannt ist. Zur quantitativen Prtifung yon GI. (3a) wurden daher neue Messungen mit einem anderen Mel3kopf (MK 4208) durchgeftihrt. Die Probenmenge betrug 1-1,5 mg und wurde auf 1 Prozent genau bestimmt. Alle untersuchten Substanzen gehorchen GI. (3). Ihr Anstieg D ist in Abb. 3 als Funktion der Quadratwurzel aus AH= (= mAh,.) aufgetragen. FOr die spezifische Schmelzw~,rme Ah,,
wurden folgende Werte benutzt, die zum Teil aus der Literatur entnommen, zum Teil durch eigene quantitative DSC-Analyse ermittelt wurden: Benzoes~iure --147,5 J/g; Dimethyherephthalat (DMT)--172 J/g; n-Dodekan--218 J/g; Harnstoff--254 J/g; Indium-28,5 J/g; Zinn--59.5 J/g. Die Ergebnisse in Abb. 3 best~itigen die quantitative Giihigkeit yon Gl. (3). Aus dem Anstieg der Geraden in Abb. 3 ergibt sich ftir den W~irmewiderstand des benutzten Me6kopfes (MK 4208) ein Wert yon 0,5 K min/J. Bei der experimentellen Bestimmung von AT mu6 die Einstellzeit des ftir die Registrierung des Wiirmeflusses benutzten Schreibers beachtet werden. Die beiden uns zur Verftigung stehenden Schreiber besitzen Einstellzeiten ftir Vollausschlag von 0,25 und 1,2 Sek. Bei einer Aufheizgeschwindigkeit yon 32/rain und ca. 1/5 Vollausschlag erh~ilt man AT-Werte, die um ca. 0,02 bzw. 0,1 ~ zu gro6 sind. Dieser Fehler, der mit sinkender Heizrate abnimmt, liegt innerhalb der Fehlergrenzen der AT-Bestimmung. Zur Eliminierung der thermischen Tdigheit in DSCKalorimetern bei der Messung unscharf schmelzender Substanzen wurde vorgeschlagen [4,5], yon der Temperatur des Schmelzpeaks den Betrag AT zu subtrahieren. der an einer scharf schmelzenden Substanz (z.B. Indium) bei der gleichen Aufheizgeschwindigkeit gemessen wird. Nach unseren in Abb. 2 und 3 dargestellten Messungen ftihrt dieses Verfahren nicht zu korrekten Ergebnissen. da es den EinfluB yon Probemasse und Schmelzw~irme nicht berl.icksichtigt. Bei Proben mit bekannter Schmelzwarme kann man AT nach G1. (31 und (3a) rechnerisch beri.icksichtigen, nachdem man vorher den W~irmewiderstand R der jewells benutzten MeBzelle experimentell bestimmt hat. lm allgemeinen wird esjedoch notwendig sein. die Tem-
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* Ein schlechter Kontakt zwischen Kalorimetergefal3 und der Aluminiumkapsel, in die die Probe iiblicherweise eingeprel3t wird, kann prinzipiell ebenfalls zu R beitragen. Es wurde jedoch experimentell gefunden, dab auBer in Extremf~illen (punktf6rmige Auflage) dieser EinfluB vernachl~ssigbar ist.
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Abb. 3. Abh~ingigkeitdes Anstiegs D der Geraden nach GI. (31 vonder Quadratwurzel der zum Schmelzen ben6tigten W~irmemenge.
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peratur des Schmelzpeaks bei verschiedenen Aufheizgeschwindigkeiten an m6glichst kleiner Probenmasse zu messen und den unverf~ilschten Schmelzpunkt unter Benutzung von GI. (3) als Extrapolationsvorschrift durch Auftragung gegen die Quadratwurzel der Aufheizgeschwindigkeit graphisch zu ermitteln.
4.
UNTERSUCHUNGEN AN PARTIELL-KRISTALLINEN HOCHPOLYMEREN
Bei den immer in einem mehr oder weniger breiten Temperaturintervall schmelzenden partiell-kristallinen Hochpolymeren kann man AT = Tp,.~k -- Tm nicht direkt aus den DSC-Kurven bestimmen. Diese liefern nur Tp, k, w~hrend der v o n d e r Heizrate unabhiingige wahre Schmelzpunkt T, mittels GI. (3) ermittelt werden muB. Im folgenden wird die Anwendung von GI. (3) an einigen typischen Beispielen demonstriert. 4.1 Lineares Polyiithylen In Abb. 4 ist die Abh~ingigkeit der SchmehpeakTemperatur v o n d e r Quadratwurzel der Aufheizgeschwindigkeit f'tir folgende H D P E - P r o b e n wiedergegeben: (a) 1 mm dicke Platte von 170° in Eiswasser abgeschreckt; (b) Probe a 3.103 min bei 130° getempert; (c) Probe a 104 min bei 131,5 ° getempert. Die Probeneinwaage betrug 1 mg. Ftir die beiden getemperten H D P E - P r o b e n b und c erhiilt man in Abb. 4 den von GI. (3) geforderten
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linearen Zusammenhang zwischen Tp,~k und v t~':. Der durch Extrapolation auf v '/2 = 0 gewonnene Schmelzpunkt Tm betriigt 132,3 ° bei Probe b und 135,2° bei Probe c. Die in Eiswasser abgeschreckte Probe a zeigt in Abb. 4 das typische Verhalten von Polymerkristallen, die sich w~ihrend der Erw~irmung ver~indern. Bei Aufheizgeschwindigkeiten unterhalb ca. 20°/min verschieben w~ihrend der Messung ablaufende Rekristallisationsvorgiinge den Schmelzpeak zu h6herer Temperatur. Est oberhalb einer Heizrate von 20"~/min kann der Rekristallisationsprozet3 innerhalb der Mel3dauer nicht mehr stattfinderz und man mil3t nun den durch die apparative Tr~igheit verfalschten Schmelzpunkt der nach dem Abschrecken in der Probe vorhandenen Kristalle. Aus diesem Teil der Kurve in Abb. 4 erhiilt man durch Extrapolation auf v 't2 = 0 fiir die abgeschreckte Probe a einen Schmelzpunkt von ungef'~ihr 125 °. 4.2 Verzweigtes Polytithylen (LDPE) I mm dicke Platten aus LDPE mit 30 CH3/1000 C wurden von 150° in Eiswasser abgeschreckt und anschliel3end bei 80, 102 und 105 ° getempert. Die an diesen Proben bei einer Einwaage yon ca. 1 mg gemessene Temperatur des Schmelzpeaks ist in Abb. 5 als Funktion der Quadratwurzel der Aufheizgeschwindigkeit dargestellt. Die bei 102 und 105 ° getemperten Proben c und d gehorchen GI. (3) bei Aufheizgeschwindigkeiten zwischen 4 und 64°/min. Durch Extrapolation auf die Heizrate Null erh~ilt man Schmelzpunkte yon 105,8 bzw. 106,8 °. Bei beiden Proben liegt die Temperatur des Schmelzpeaks bei einer Aufheizgeschwindigkeit yon 2°/min in Abb. 5 oberhalb der gestrichelt eingezeichneten Extrapolationsgeraden. Das bedeutet, dab die bei hohen Temperaturen sehr lange getemperten LDPE-Proben noch Reorganisationser115
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Abb. 4. Abh~ngigkeit der Temperatur des Schmelzpeaks yon HDPE-Proben untersehiedlicher Vorgeschichte yon der Quadratwurzel der Aufheizgeschwindigkeit.
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Abb. 5. Abh/ingigkeit der Temperatur des Schmehpeaks yon LDPE (30CH3/1000 C) yon der Quadratwurzel der Aufheizgeschwindigkeit. (a) Aus der Schmelze in Eiswasser abgeschreckt; (b) Probe (a) 16 Std. bei 80c getempert; (c) Probe (a) 16 Std. bei 102° getempert; {d) Probe (a) 76 Std. bei 105° getempert.
Die Ermittlung des Schmelzpunktes scheinungen w~ihrend einer mit langsamer Erwarmung durchgertihrten Messung unterliegen. Eine noch s~rkere Beeinflussung von T ~ k durch die w~ihrend der Messung stattfindenden Ver~inderungen der Proben findet bei ungetempertem und bei 80 ° getempertem LDPE statt. Der flache Verlauf der Kurven a und b in Abb. 5 ist typisch for Polymerkristalle, die durch Reorganisationsvorg~inge instabiler Kristalle im Verlauf des Aufheizungsvorgangs entstanden sind. Er kommt durch zwei sich iiberlagernde Einfliisse zustande: mit steigender Heizrate wird: (1) die Reorganisation vermindert ( = Abnahme von Tp,,0; (2) der Tr~gheitseffekt [GI. (3)] vergr613ert ( = Zunahme von Tp,=k). Den zu einer bestimmten Aufheizgeschwindigkeit geh6renden "richtigen" Schmelzpunkt T,, der verminderten Kristalle erh~ilt man, indem man bei der betreffenden Aufheizgeschwindigkeit parallel zu den Geraden c und d auf v ~/2 = 0 extrapoliert.* Fiir Heizraten yon 2 und 64°/min ist dies bei der abgeschreckten Probe a in Abb. 5 durchgeFtihrt (strichpunktierte Geraden). Bei den Proben a und b in Abb. 5 reicht auch die h6chste Heizrate des DSC-Kalorimeters yon 64°/min nicht zur Unterdrfickung der Reorganisation aus. Man kann aus Abb. 5 jedoch absch~tzen, dab der Schmelzpunkt T,, der in der abgeschreckten Probe a vorhandenen Kristalle unterhalb 100 liegen mul3,i Als Konsequenz ergibt sich aus Abb. 5, dab alle mit niedriger Auflaeizgeschwindigkeit arbeitenden Methoden (z.B, Mikroskopie, R6ntgen- und I.R.-Methode, Penetrometer) zur Bestimmung des wirklichen Schmelzpunktes der vor der Messung in L D P E vorhandenen Kristalle ungeeignet sind. Dies gilt sowohl fiir abgeschreckte als auch fi.ir getemperte Proben. Auch aus DSC-Messungen mit hoher Heizrate kann man den "'zero-entropy-production'-Schmelzpunkt nut bei l..DPE-Proben ermitteln, die vorher ausreichend lange oberhalb 90 ~ getempert wurden. Ahnliche VerhMtnisse liegen bei ,~thylen-Copolymeren vor. Die in der kiteratur vorhandenen Angaben fiber den Zusammenhang zwischen dem Schmelzpunkt des Poly~ithylens und dem Verzweigungsgrad bz~, der Comonomerenkonzentration bedi.irfen aus den oben genannten Griinden der 0berpriifung.
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Abb. 6. Abh~ingigkeit der Temperatur des Schmelzpeaks yon der Quadratwurzel der Aufheizgeschwindigkeit bei 6-. 6.6-und 6.10-Polyamid. Temperdauer und Tempertemper;~tur sind angegeben.
und anschlieBend bei den in Abb. 6 angegebenen Tcmperaturen getemperten wurden. Beim Erw~rmen dieser bei hohen Temperaturen getemperten Proben tretcn keine Rekristallisationsvorg~inge aufund das Quadratwurzelgesetz gilt bis zu niedrigen Heizraten. Der relativ steile Anstieg der Geraden bei 6.10-Polyamid kommt durch Benutzung eines anderen Mel3kopfes mit griSBerem W~,rmewiderstand zustandc.
43 Pol),amide Einige ausgew~ihlte Messungen an 6-. 6.6- und 6,10Polyamid sind in Abb. 6 zusammengestelh. Die Untersuchungen wurden an Proben durchgefiihrt, d i e zun~ichst aus der Schmelze in Eiswasser abgeschreckt
LITERATi R 1. A. P. Gray. in .4mtl~rical Catori,lvtrl. IEdiled b\ R S. Porter and J. F. Johnson). S.209. Plenum Press. Ne~
York ( 1968}. 2. E, Hellmuth und B. Wunderlich. J. appl. P/rvs. 36, 3039 * Dabei wurde die Schmelzw~irmedifferenz yon ca. 20 J/g zwischen Probe u und den Proben c und d vernachl~.ssigt. Strenggenommen miJBte GI. (3a) beriJcksichtigt werden. "t Dies konnte inzwischen durch Untersuchungen an Proben best~itigt werden, bei denen dutch eine Raumtemperaturbestrahlung mit schnellen Elektronen (200 Mrad) eine selektive Vernetzung der nicht-kristallinen Bereiche erzielt und dadurch die Reorganisation verhindert wurde.
(1965).
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916
K.-H. ILLERS Abstract--Small and imperfect crystals in polymers reorganize during slow heating. This leads to an increase of their melting point T,. In order to measure the melting point of the original crystals, high heating rates are needed. This is possible with the modern heat-flow-calorimeters, which work with very small samples. The thermal lag of a DSC cell causes a shift of the melting peak by AT to higher temperature. From the theory of a heat-flow-calorimeter, it follows that the error AT is proportional to the square root of heating rate. heat of fusion and sample mass. Measurements with sharp melting low molecular weight compounds confirm that this square root relation is quantitatively followed. In order to measure the true melting point of the crystals present in a polymer sample, one has to use different high heating rates and constant sample mass. By plotting the melting peak temperatures as a function of the square root of heating rate and linear extrapolation to zero heating rate, the true melting point is found. This method is applied to HDPE, LDPE and some polyamides. R6sum~--Dans les polym6res les cristaux perils et imparfaits se r6organisent au tours d'un 6chauffement lent. Ceci m6ne ~ u n accroissement de leur temperature dc fusion T,,. Afin de mesurer la temp6rature de fusion des cristaux originaux, des taux 61eves d'echauffement sont n6cessaires. Ceci est possible /i l'aide des calorim6tres fi 6coulement de chaleur modernes qui ne demandent que de tr6s perils 6chantillons. Lc d61ai thermique d'une ccllule DSC causc une translation de la cr&e de fusion de AT fi une temperature plus 61ev6e. De la th6orie du calorim~tre fi ecoulement de chaleur il s'ensuit que rerreur AT est proportionelle it la racine carree du taux d'6chauffemenL de la chaleur de fusion et de la masse de rechantillon. Des mesures sur des compounds de faible poids mol6culaire et avec point de fusion soudain confirment quantitativement cette relation de la racine carr6e. Afin de mesurer le v6ritable point de fusion des cristaux presents dans un 6chantillon de polym6re, il faut utiliser des taux d'6chauffement eleves diffdrents et une masse constante d'6chantillon. Un graphique des temp6ratures de fusion de cr6te en fonction de la racine carr6e du taux d'6chauffement et une extrapolation lin6aire a z6ro du taux d'6chauffement m6ne au veritable point de fusion. Cette m~thode est appliquee au poly6thyl~ne haute et basse densit6 ainsi qu',~ certains polyamides. Sommario--Cristalli piccoli e imperfetti in polimeri si riorganizzano durante un riscaldamento lento. Ci6 conduce ad un aumento del loro punto di fusione T,,. Per poter misurare il punto di fusione dei cristalli originali, occorrono velocitit di riscaldamento molto elevate. Cib 6 possibile con i moderni calorimetri heat-flow i quail funzionano con campioni molto piccoli. II ritardo termico di una celia DSC causa uno spostamento del picco di fusione verso temperature pifi elevate di AT. Dalla teoria del calorimetro heat-flow deriva che rerrore ATe proporzionale alia radice quadrata della velocir,i di riscaldamento, del calore di fusione e della massa del campione. Delle misurazioni eseguite su composti a basso peso molecolare e a fusione acuta confermano che tale relazione secondo la radice quadrata viene seguita quantitalivamente. Per misurare il vero punto di fusione dei cristalli presenti in un campione di polimero, si devono impiegare differenti elevate velocit/i di riscaldamento e masse di campione costante. Costruendo un diagramma a punti con le temperature di fusione di picco in funzione della radice quadrata della velocit/t di riscaldamento e quindi estrapolando linearmente alia velocit'/t di riscaldamento nulla, si trova il vero punto di fusione. Tale metodo viene impiegato con r H D P E . LDPE e alcuni poliamidi.