Forensic Science, 10 (1977) 169 0 Elsevier Sequoia S.A., Lausanne
169
- 176 -Printed
in the Netherlands
_- IN AuSSERUNGEN DER POLNISCHEN DIE EUTHANASIE GELEHRTEN UND IM LICHTE DER RECHTSVORSCHRIFTEN DER VOLKSREPUBLIK POLEN
EDMUND
Institut (Polen)
CHRGSCIELEWSKI
fiir Gerichtsmedizin
(Eingegangen
der A’rztlichen
am 18. Dezember
1976;
Akademie,
angenommen
60-781 Poznari,
~1.
Swifcickiego
6.
2. Marz 1977)
ZUSAMMENFASSUNG Seit lingerer Zeit gibt es schon in Polen in den angesehensten Wochenschriften Iebhafte Diskussionen iiber die Euthanasie. Man hat die Ausserungen von Gelehrten verbesonders von Arzten verschiedener Father schiedener Gebiete der Wissenschaft, erheben sie sehr wichtige gesammelt; hinsichtlich der Zulassigkeit der Euthanasie Bedenken nicht nur vom arztlichen, sondern vor allem vom Standpunkt der Menschlichkeit aus. Das polnische Strafgesetzbuch bezeichnet die TStung auf Verlangen als ein delicturn sui generis, d.h. als eine privilegierte Straftat im Vergleich mit der gewiihnlichen Totung. Im Art. 150 - Strafandrohung: Freiheitsentzung im Ausmasse von 6 Monaten bis 5 Jahre - fordert das polnische Strafgesetzbuch das kumulative Zusammenbestehen von zwei Merkmalen, d.h., der Tater muss unter dem Einfluss des Mitleids mit dem Opfer sowie auf dessen Verlangen handeln. Der Kranke muss sich in einem Zustand befinden, der dieses Mitleid begriindet. Das Verlangen muss dabei ausdriicklich, unmittelbar, entschlossen, frei, bewusst und iiberzeugend erklart werden. Eine bewusstlose Person kann ein derartiges Verlangen nicht wirksam erkhiren. Ebenso hat ein derartiges Verlangen eines Kindes oder eines Geisteskranken keine rechtliche Wirksamkeit. Die Abkiirzung des Lebens einer unheilbar kranken Person - ohne deren Wissen oder Willen - wird in der Auffassung der polnischen Rechtsvorschriften als regelrechte Tiitung betrachtet.
SUMMARY Euthanasia has for a long time been the object of very lively discussions in Poland. This article contains the views of scientists from various fields of science, especially medical doctors of different specialities. All of them have very serious objections to euthanasia and are against its practical application not only from the medical point of view but first of all for purely humanitarian reasons. Polish penal law regards murder on request as delictum sui gene+, i.e., as a kind of privileged crime as compared with common murder. Article No. 150 of the Polish penal law demands two features to characterise euthanasia: (1) the delinquent must act on grounds of compassion towards his victim, and (2) on the victim’s request. The patient must be in such a state that gives reason for compassion. The request to shorten somebody’s life must be very distinct, direct, firm, conscious and convincing. Persons under age, mentally defective or unconscious cannot express such a wish. Polish penal law punishes with utmost severity perpetrators of active euthanasia even in such cases in which the delinquent was moved by the most noble feelings. Only when it comes to penalty is distinction made between such a delinquent and a common murderer.
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Am vollendeisten und am besten hat Jerzy Sawicki das Wesen der Euthanasie definiert : “‘Euthanasie bedeutet (wortlich: der giitige Tod) die bewusste Tijtung eines Menschen, die als Befreiung, als Erliisung gedacht ist, als Tod, der den Leiden eines hoffnungslos Kranken ein Ende macht. Die Euthanasie bedeutrt jedoch nicht nur den giitigen Tod aus erhabenen Beweggriinden, der auf’ Verlangen eines unheilbar Kranken, drr in einen ungleichen, im Voraus verlorenen Kampf verwickelt ist, oder aus Mitleid herbeigefiihrt wird. Dasselbe Wort wurde such zur Bezeichnung des gesamten Vernichtungsprogramms des Lebens verwandt, das fiir die Gesellschaft und fiir den Staat “iihcrfliissigen Ballast” hildet”. Das Problem der Euthanasie taucht von Zeit zu Zeit mit erstaunlicher Regelmassigkeit auf und ruft unter den Arzten, Psychologen, Theologen und Juristcn lehhafte Diskussionen hervor. Dreizehn Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges erschien in der Wochenschrift “Prawo i Zycie” (Recht und Leben) vom 5.10.1958 ein Artikel des in der Volksrepublik Polen sehr bekannten Aktivisten der sozialistischen Arbeit Bolesl’aw Drobner. Diesen Aufsatz unter dem Titel “Das Problem” hat er nach der Besichtigung der Anstalt fur die geistig im hohen Grade abnormen Kinder in Iwonicz veroffentlicht. Der Verfasser hat erschiitternde Lichtbilder von Kindern, manchmal fast Tieren in menschlicher Gestalt, vorgestellt, und nach der Beschreibung der einzelnen Falle die Frage gestellt, auf die er kcinc Antwort fand: Wozu dies lebt? Es entfachte sich damals eine lebhafte Diskussion, wahrend der - nebcn Stimmen der Vernunft hauptsachlich aus ijkonomischen such die Beseitigung dieser Wesen, Griinden, vorgeschlagen wurde; man hat sich an die Arzte gewandt, die angesichts der Fortschritte der Anasthesie im Stande seien, diese Kinder in geeigneter Weise einzuschlafern. Es iiberwogen jedoch die humanitaren Stimmen und die Diskussion ging zu Ende, wobei man die Versuche der Legalisierung der Euthanasie missbilligte. Siebzehn Jahre nach dem Abschluss dieser Diskussion hat sie der bekannte Chirurg aus Krakow, Prof. Dr. med. habil. Jozef Bogusz in der Weise beurteilt: “Wenn ich mir erlaube, an diese Diskussion zu erinnern, so tue ich Versuch, die Euthanasie zu legalisieren, zur es deswegen, weil jeder zur Erweiterung von Berechtigungen gegeniiber Entartung fiihren wird, alten, unbeholfenen Menschen, gegeniiber gebrechlichen Kindern, mit einem Wort, zur Erschiitterung der hijchsten ethischen Grundsatze... Es sind also wieder Epigonen erschienen und haben durch ihre Vorschlage an die Hinabstiirzung von gebrechlichen Kindern im Sparta des Alterturns sowie an die Pseudoeuthanasie Hitlers erinnert.” mit dem Erscheinen im Jahre 1974 in der In Zusammenhang amerikanischen Zeitschrift “The Humanist” eines “Manifestes” iiber die Euthanasie, das von mehreren Intellektuellen aus den USA und aus Westeuropa unterzeichnet wurde, lebte die Diskussion iiber Euthanasie wieder auf. Das genannte Manifest hat Maciej Ikowiecki in der Wochenschrift Polityka vom 14.9.1974 besprochen; das Problem hat sehr lebhafte Diskussion hervorgerufen. Zweckes Charakterisierung dieser Diskussion mijchte
ich die in Nr 42/920 der Zeitschrift Polityka vom 19.10. 19’74 aufgefiihrtt>n Ausserungen von manchen polnischen Wissenschaftlern aus verschiedenen Gebieten der Wissenschaft zitieren: Die &&usserung von Prof. Dr. med. Julian Aleksandrowicz: “Dir gcls(!llschaftliche Sanktionierung der Euthanasie scheint mir m;t den grundlegenden Thesen des Humanismus unvereinbar; sie setzen voraus, dass das Lehen den hiichsten Wert darstellt. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Beanspruchung des Rechts durch einen Menschen, den vorzeitigen Tod eines anderen, wenn such unheilbar kranken Menschen herbeizufi-ihren, den Ausdruck der menschlichen uberheblichkeit bildet, die besonders fiir das Industriezeitalter ein charakteristisches Merkmal darstellt. Der Mensch als Egozentriker fiihlt sich als Subjekt und usurpiert das Recht, eine andere Person so wie ein Objekt, wie ein Radchen in dem Gesellschaftsmechanismus, zu manipulieren. Dies entspricht nicht der Menschenwiirde... Es scheint mir such, dass man vor Aufhebung des Gesetzes i.ibc>r dir> TQdesstrafe, keine Arbeiten vornehmen darf, die anderen Mcbnschrn das Die Sattigung drs Gcscllschaftsbescheren. Recht des “Gnadentodes” bewusstseins in der ganzen Welt mit den biologischen Begrift’rn, die mit drr Klugheit der Natur erfiillt s&d, und aus denen das Bediirfnis drbr Achtung l’iir das Leben in jeglicher Form ausfliesst, erlaubt die Gestaltung der Verhiiltnisse unter den Menschen in einer W&se, die der Entwicklung der Posit.ion des Menschen wiirdig ist.” Prof. Dr. habil. Jan Szczepariski: “Mein Standpunkt in dieser Sache ist ganz einfach. Wenn jemand Anh5nger der Abkiirzung des fremden Lcbcins ist, der sol1 bei sich selbst anfangen.” Prof. Dr. med. habil. Tadeusz Kielanowski:“... Sollte einem Arzt das Recht zustehen, einen Kranken zu toten, wenn such nur auf seine Bittcl. so wiirden sich viele Leute vor ihm fiirchtrn, ebrnso wie vor eincm Rt~chtsanwalt, wenn diesem das Recht zustiinde, seinen Mandanten, dcr ihm scbintb Geheimnisse anvertraut hat, anzuklagen. Das Vertrauen eines Kranken kann nur ein Arzt gewinnen, von dem man Weiss, dass er immer -- ohnr Riic*ksicht, auf die Umstande - urn die VerlGngerung dcs Lebens seines Patientcn kimpfen wird. Wie es allen gut bekannt ist. kann er in diescm Kampf aucnh manchmal einen Sieg erringen. Es gibt ngmlich keinrn Arzt, der aus tAigt>nt>r Erfahrung die Wiederherstellung der Gesundheit nicht kcnnt, die in cbint>m wie es schien - ganz hoffungslosen Zustand erfolgt ist. Es scheint infolgedessen manchmal, dass das Thema der Beendigung von Leiden eines Sterbenden ohne Anteilnahme von Arzten diskuticrt wrrdcn miisste, jedoch die Diskussion kann nur eine freiwilligc, c%ventuell c>incl selbstmijrderische Euthanasie zum Gegenstand haben. Man darf dagegen fiber die Abkiirzung des Lebens von hoffnungslos kranken Menschen aus Mitlfbid, ohne nach deren Meinung zu fragen, gar nicht diskutieren. Man darf’ such iiber ahnliche Themen nicht sprechen. Wenn cs sich urn Missgt>burtcn handelt, so sind dariiber noch uberlegungen oder vielleicht Entschcidungrn von Philosophen, Biologen und Juristen clrfordrrlich, aber nicht Entschcidungen oder Handlungen seitens der &ztr.
172 Die Arzte dagegen haben bei der Vervollkommung der Endtherapie (Terminaltherapie), d.h., der Kunst der Milderung von Leiden der Sterbenden intensiv zu arbeiten; auf diesem Gebiet hat man vie1 vernachlassigt und es ist hier noch vie1 zu tun. Auf Grund von Ausserungen wahrend der Diskussion, die ich im einzelnen oben vorgetragen habe, kann man feststellen, dass diese Diskussion den polnischen Intellektuellen zur Ehre gereicht hat; sie Busserten Ansichten auf dem hijchsten Grade der Moral, die von engagiertem Humanismus und Menschlichkeit gekennzeichnet waren. Die hervorragende Gerichtsmediziner Prof. Dr. med. habil. Boleslaw Popielski stellt u.a. fest: “Vom arztlichen - und nicht nur vom arztlichen sondern vor allem vom allgemein menschlichen Standpunkt aus bestehen schwerwiegende Bedenken gegeniiber der Euthanasie. Es unterliegt dagegen keinem Zweifel, dass die Milderung von Leiden des Kranken zu den erhabensten Pflichten eines Arztes gehort, die noch im Altertum in einem schijnen wurden. Deswegen kann und Satz: sedare dolorem divinum est formuliert sol1 der Arzt entsprechende Beruhigungsund schmerzlinderne Mittel im Falle von schweren, unheilbaren Krankheiten, die mit Schmerzen verbunden sind, verabreichen. Bei hoffnungslosen Krankeiten, wo die Gefahr der Narkomanie ohne Bedeutung ist, darf man stark wirkende Narkotika anwenden. In der Weise kann ein Arzt nach Mijglichkeit die Leiden und die Furcht vor dem Tode mildern, ohne das Leben des Kranken aktiv zu verkiirzen. Die Auswahl des Narkotikums, die Dosierung sowie der Zeitraum und der Zeitpunkt der Verabfolgung erfordert griindliche Uberlegung und einen hohen Grad des Veranwortungsgefiihls. Der hervorragende Arzt und Jurist Prof. Dr. med. habil. und Magister der Iura Maciej Gembicki schreibt in seiner Arbeit “Der Arzt gegeniiber der Euthanasie und ihrer der Euthanasie” u.a. : “Im Falle der Einfiihrung Legalisierung wiirden die Arzte gezwungen, sich an ihr, also an der bewussten Verkiirzung des Lebens der Kranken aktiv zu beteiligen. Diese Situation bringt jeden Arzt auf den beunruhigenden Gedanken, dass er aus einer Person, die dem Kranken Hilfe leistet, zum bezahlten Todesvollstrecker gemacht wiirde, und dann ist die Assozierung mit dem Amt eines Scharfrichters der direkte Schluss dieses Gedankenganges... Ich vermute, dass der Kampf der Euthanasiegesellschaften in England, Japan, Danemark, Amerika und in den Niederlanden urn die Einfiihrung und die Legalisierung der aktiven Euthanasie, die auf der Tijtung von leidenden Menschen auf deren ausdriickliches Verlangen beruht, erfolglos bleiben wird; nach meiner Uberzeugung findet dieser Kampf keine Unterstiitzung unter den Arzten, obwohl sich an ihm Gruppen von Kranken beteiligen, die sich diesen Tod wiinschen. Unsere arztliche Erfahrung lehrt, dass der iiberwiegende Teil von Kranken (ich wage unter Bezugnahme auf meine fast 25jahrige Arbeitszeit als Arzt die Behauptung zu riskieren, dass dies 99% der sterbenden Kranken betrifft) leben will, und sie schenken den Zusicherungen des Arztes vollen Glauben, dass sie leben werden. Das 1% der Kranken sagt tatsachlich, dass sie, urn von den Schmerzen frei zu werden, den Tod wiinschen; aber von dieser Gruppe
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hiirt der grijsste Teil sofort auf, in dieser Weise zu sprechen, wenn sich die Leiden, wenn such nur voriibergehend, vermindern. Wo ware dann die Garantie, dass der leidende Kranke sich tatsachlich urn den Tod bemiiht, und dass dessen Ausserungen aus seinem eigenen niichternen Entschluss resultieren? Die immer neueren therapeutischen Methoden fiihren zur Uberzeugung, dass man bei dem Anraten, die Euthanasie als vom Recht sanktionierte Institution einzufiihren, sehr vorsichtig sein muss. Ich bin geneigt anzunehmen, dass lediglich eine entsprechende Einstellung zum Heilverfahren bei Zustanden erforderlich ist, die bis heute als hoffnungslos bezeichnet werden. Man darf jedoch nicht vergessen, dass das, was gestern hoffnungslos war, heute geheilt werden kann, und dass das, was heute weiterhin hoffnungslos ist, morgen heilbar sein kann. Es besteht noch ein Element, das jede, die Euthanasie betreffende Diskussion in unseren Breiten besonders schwierig macht. Es ist das Bewusstsein, dass Hitlers Deutschland vor kaum 36 Jahren dieses Wort als Aushangeschild fur seine volksmiirderische Ziele benutzt hat, indem es im eigenen Land und unter den unterjochten Vijlkern Europas hunderttausende Geisteskranke und Korperbehinderte ermorden liess.” verijffentlicht in der Nr. 10 der Zeitschrift In dem Artikel “Eutanazja”, “Sluzba Zdrowia” vom 7.3.1976, schreibt der bekannte Arzt Dozent Dr. med. habil. Wiesraw Nasilowski aus Warszawa u.a. “Von einem Arzt darf man nicht verlangen, dass er der Befiirworter des Todes irgendeines Menschen, irgendwo und in irgendeiner Situation sein wird; er ist immer auf der anderen Seite der Barrikade. Diese Meinung ist klipp und klar. Jedes menschliche Leben erfordert Schutz, sogar in den letzten Minuten seines Bestehens. Solche Medizin habe ich gelernt, solche praktiziere ich. Man hat mir diese Grundwahrheit, Hauptwahrheit, elementar und klar eingeprhgt. Fur diese Wahrheit iibe ich meinen Beruf aus. Diese Wahrheit ist ein Teil meines Lebens. 1st das vielleicht eine zu sehr begrenzt verstandene Meinung? Sie ist jedoch klar und ausdrticklich prazisiert. Fur jeden verniinftigen Menschen ist sie ein Pfeiler, den man nie untergraben darf. Im Jahre 1939 hat Hitler die Verordnung iiber die Euthanasie erlassen. Unter diesem Vorwand hat man massenweise Verbrechen begangen. Die Euthanasie-Verordnung ist als Aushangeschild fur den Volkermord benutzt worden, die grijsste Schande war dabei die Tatsache, dass sie von “Arzten” durchgefiihrt wurde. Es war der Gnadentod under Anwendung von Zyklon oder Phenol, das man ins Herz eingespritzt hat. Die Angelegenheit ist von verschiedenen Standpunkten zu beurteilen: vom rechtlichen, philosophischen und ethischen. Es ist ein schwieriges Dilemma, aber fur Arzte gibt es kein Dilemma, und es kann such keines sein. Vielleicht aussere ich doktrinare Ansichten? Vielleicht nicht humanistische? Pseudophilosophische? Vielleicht bin ich ein “Situationsfalscher” (wie sich ein Reporter ausgedriickt hat). Nein. Wir kampfen mit den To& so wie wir es vermiigen und konnen, bei Anwendung von Mitteln die uns zur Verfugung stehen, sogar in hoffnungslosen Situationen, such dann, wenn wir iiberzeugt sind, dass der Fall hoffnungslos ist. Und immer werden wir in
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dieser Weise handeln, da unsere Stellung es verlangt und darin hesteht unsere Aufgabe. Ich wiirde es als persiinliche Beleidigung erachten, wenn mir jemand die Durchftihrung der Euthanasie vorschliige. Die Menschen brauchen heute nicht mehr unter Schmerzen und Leiden zu sterben. Die Kunst, physische und psychische Leiden zu lindern, ist sehr fortgeschritten und es ist unsere grztliche Pflicht, von dieser Kunst im breiten Umfange Gebrauch zu machen. Ich versichere feierlich, dass wir dies tagtgglich tun. Ich bin darum Arzt und unsomehr such deswegen, urn vor dem Tode zu bewahren und mit dem Tode, sogar auf verlorenem Posten zu kampfen; iibereinstimmend mit der Lehre unseres grossen Lehrers und Denkers Hippokrates, vor dem ich mich verneige, “werde ich ein tijdlich wirkendes Gift nicht verabreichen, sogar im Fallc, wenn ich darum gebeten werde.” Die Errungenschaften der modernen Medizin, die die Mijglichkeit zulassen: durch Anwendung von HerzpLungen-Maschinen oder kiinstlichen Nieren Menschen mit tijdlichen Krankheitsvertinderungen oder mit Unfallsfolgen langt> und sogar stgndig am Leben zu erhalten, und die Mijglichkeit geben, die Transplantation von ganzen Organen durchzufiihren, haben die sowieso schwierigen und verwickelten Probleme der Euthanasie noch mehr kompliziert. Wie lange ist der Arzt verpflichtet, urn das Leben des Kranken zu kampfen? Dies sind besondere und sehr verworrene Angelegenheiten, die im Bereich der Disthanasie und der Orthothanasie liegen. Das polnische Strafgesetz kennt die Tijtung auf Verlangen als delictum sui generis, d.h. als eine privilegierte Straftat im Verhaltnis zum gewiihnlichen Totschlag. Das polnische Strafgesetzbuch fordert das kumulative Zusammentreffen von zwei Merkmalen: der T5ter muss unter dem Einfluss des Mitleids und auf Verlangen des Opfers handeln. Der Artiken 150 StGB schreibt vor: “Wer einen Menschen auf dessen Verlangen und unter dem Einfluss des Mitleids mit ihm, tijtet, unterliegt der Strafe des Freiheitsentzugs von 6 Monaten Daraus geht hervor, dass die Privilegierung der Tatung auf his 5 Jahren.” Verlangen davon abhgngt, dass das Mitleid mit dem Opfer der subjektive Beweggrund des Handelns des T&ers war, wobei der Kranke sich in einem Zustande befinden muss, der dieses Mitleid begriindet. Das “Verlangen” dagegen muss deutlich, unmittelbar, entschlossen, frei, bewusst und iiberzeugend zum Ausdruck gebracht werden. Wenn der Titer unter einem anderen Beweggrund handelt als dem des Mitleids, dann geniigt lediglich das Verlangen allein zur Anerkennung der Tat als privilegierte Straftat - als Euthanasie nicht. Ein mutmassliches Einverstsndnis geniigt nicht. Deswegcn kiinnen ohnmgchtige Personen und Minderjghrige ein derartiges Vorlangen wirksam nicht erklgren. Genauso hat ein Verlangen der T6tung, das von einer geistig kranken Person oder von Kindern erkltirt wurde, keine rechtliche Bedeutung. Prof. Dr. Tadeusz Cyprian, Professor der jurdischen Fakultat der Universitst in Poznali, stellt rest, dass die Verkiirzung des Lebens eines unheilbar kranken Menschen ohne dessen Wissen und Willen eine gewijhnliche Tljtung ist; ohnc Einfluss auf die Beurteilung der Schuld eines Arztes, der das Leben
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eines Kranken verkiirzt hat, bleibt die Tatsache, dass er unter dem Einfluss des Mitleidens mit dem leidenden Menschen handelte. Das polnische Strafgesetz droht riicksichtslos mit Strafe wegen Totschlags, such in Fallen, wo und unter dem Einfluss von erhabendsten Gefiihlen gehandelt wurde lediglich die Strafbemessung unterscheidet sich von der beim gemeinen Mord.” Derselbe Verfasser unterstreicht u.a.: Es gibt natiirlich Falle, wo die Verkiirzung der Leiden eines unheilbar kranken Menschen eine Wohltat ware, aber die Mijglichkeit von Missbrauchen auf diesem Gebiet ist so gross, dass irgendwelche Kontrollen ganz illusorisch wiirden.” Eine Diskussion iiber die Euthanasie kann nur als de lege ferenda gefiihrt werden, und nicht auf der Grundlage des geltenden polnischen Strafrechts, das in dieser Hinsicht eindeutig ist. Die Rechtsvorschriften und die Richtlinien der Deontologie sind eindeutig - der Arzt darf mit dem Tode keine Kompromisse eingehen, da es gerade seine Pflicht ist, mit ihm mittels allen Mitteln zu kampfen. Kann man sich eine andere offizielle Haltung vorstellen? Das Fehlen einer scharf gezogenen Grenze, vor der man halten muss, fiihrt unabwendbar zum Ausgleiten. Die Furcht vor einem derartigen Ausgleiten fiihrt immer zu Spannungen und zur Versteifung der Stellung. Sollte iibrigens die offizielle Haltung Nachsicht zulassen, dann kijnnte sich ein Kranker bei der Aufnahme in tin Krankenhaus die Frage stellen, ob er nicht im Interesse des iiffentlichen Wohls geopfert wird. Die ungeheuerlichen Massen von Volkermorden, begangen unter dem Ausangeschild der “Euthanasie” und von Hitlers Gesundheitsdienst durchgefiihrt, waren eine schreckliche und schmerzliche Warnung fiir diejenigen, die heute noch Befiirworter der Euthanasie sind. Diese Verbrechen sind dc.rselben Grundlage entwachsen, von der such andere Verbrechen ihre vernichtenden Krafte schopften. Nach der Streichung des Begriffs “Mensch” in dem Hitlerwiirterbuch sind mithin such samtliche Grundsatze und Hemmungen weggefallen, die sich der Idee der Vernichtung “des I,ebens unwerten Lebens” entgegensetzen konnten. Die heutige Krise der Ethik und der Kultur in Form der “ijkologischrn Krise” ist gerade Ausdruck unseres lediglich deklaratorischen, und nicht echten humanen Verhaltnisses zum Grundsatz: “Du darfst nicht toten”.
ANMERKUNGEN
a) Prof. Dr. Jerzy Sawicki, Leiter des Komplexes der Strafrcchtslehrstiihle der Universitat in Warszawa. Einer der hervorragendsten Kennel und Inspiratoren der medizinisch-rechtlichen deontologischen Probleme; Pionier dieser Problematik im Lande. Beobachter des Niirnberger Prozesses (gestorben 1967). b) Prof. Dr. Tadeusz Cyprian, Leiter des Komplexes der Strafrechtslehrstiihle der Universitat Poznan. Bevollmtichtigter der Volksrepublik Polen im Niirnberger Prozess.
176 c) Strafgesetzbuch 1969 (tihnlich wie das Strafgesetzbuch 1932) droht fiir die Tijtung in Art. 148 9 1 mit einer Strafe bis zur Todesstrafe; ein Titer dagegen, der einen Menschen auf dessen Verlangen und unter dem Einfluss des Mitleids mit ihm, Wet, unterliegt der Strafe des Freiheitsentzugs bis zu 5 Jahren (Art. 150).
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