Grundlagen der Antibiotikaresistenz – grundsätzliche Mechanismen

Grundlagen der Antibiotikaresistenz – grundsätzliche Mechanismen

ORIGINALIA Gunther Ernzerhoff Grundlagen der Antibiotikaresistenz – grunds€ atzliche Mechanismen Ziele und Wirkungsmechanismen antimikrobieller Agen...

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ORIGINALIA

Gunther Ernzerhoff

Grundlagen der Antibiotikaresistenz – grunds€ atzliche Mechanismen Ziele und Wirkungsmechanismen antimikrobieller Agentien

Ziele antibiotisch wirksamer Substanzen in der Bakterienzelle

Definition des Begriffes ,,Antibiotikum‘‘ Ein Antibiotikum ist ein Wirkstoff, mit dem bakterielle Infektionen behandelt werden k€onnen (Abb. 1). Antibiotika sind gegen besondere Ziele in Bakterienzellen, welche nicht in S€augetierzellen vorkommen, gerichtet. Antibiotikamolek€ule k€onnen als Liganden angesehen werden, deren Rezeptoren bakterielle Proteine sind. Die bakteriellen Proteine, die ein Antibiotikum angreift, sind Komponenten von großer Bedeutung f€ur biochemische Reaktionen innerhalb der Zelle, da die Beeintr€achtigung dieser physiologischen Stoffwechselwege das Wachstum des Bakteriums behindern und es sogar t€oten kann [2]. Bakterizide Antibiotika t€oten Bakterien, welche im Wirkungsspektrum der Antibiotika enthalten sind, w€ahrend bakteriostatische Mittel nur deren Wachstum hemmen (Abb. 2). (W€ahrend eine bakteriostatische Aktivit€at f€ur die Behandlung einiger Infektionskrankheiten ausreichend ist, ben€otigen manche Patienten zur Therapie bakterizide Arzneimittel, so solche mit ver€anderter Immunabwehr (z.B. Neutropenie) oder bei schwer erreichbaren Infektionsherden (z.B. Endokarditis oder Meningitis), ferner bei speziellen Infektionen (z.B. komplizierte Staphylokokken-Sepsis).)

Einer der Unterschiede zwischen Bakterien- und S€augetierzellen ist das Vorhandensein einer rigiden Wand außerhalb der Zellmembran bei Bakterien. Diese Zellwand sch€utzt das Bakterium vor osmotischer Ruptur, weil das Innere der Bakterienzelle deutlich hyperosmolar gegen€uber der Wirtsumgebung ist. Der Druckunterschied kann bis zu 20atm betragen. Die Struktur, welche das Bakterium vor osmotisch bedingtem Zerreißen sch€utzt, ist Peptidoglycan oder Murein (Abb. 3). Sie umgibt die Bakterienzelle wie eine mechanisch stabile Kapsel. In Gram-positiven Bakterien ist Peptidoglycan die einzige geschichtete Struktur außerhalb der Zellmembran. Sie ist etwa 20-80 nm dick. Bei Gram-negativen Bakterien gibt es zus€atzlich eine €außere Membran, die außerhalb der sehr d€unnen, nur 1 nm breiten Peptidoglycanschicht gelegen ist.

Anbioka sind

Hemmung der Zellwandsynthese Chemotherapeutika, welche gegen die Synthese von Peptidoglycan gerichtet sind, f€uhren zur Hemmung von bakteriellem Wachstum und in den meisten F€allen zum Zelltod. Dabei kann

Anbioka wirken

Klinisch

Biochemisch

Bakteriostasch

Bakterizid

Medikamente die gegen bakterielle Infekonen wirken

Liganden deren Rezeptoren bakterielle Proteine sind

Wenn sie das bakterielle Wachstum hemmen

Wenn sie die Bakterienzelle töten

Abb. 1. Definition des Begriffes Antibiotikum.

Abb. 2. Definition des Begriffes Antibiotikum. Krh.-Hyg. + Inf.verh. 34 Heft 6 (2012): 231–237 http://www.elsevier.de/khinf

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Abb. 3. Ziele antibiotisch wirksamer Substanzen in der Bakterienzelle (nach [2]).

der Angriff auf verschiedenen Stufen der Peptidoglycanbildung erfolgen. Peptidoglycan ist aus drei Bestandteilen zusammengesetzt (Abb. 4): (1) einem Hauptstrang von zwei alternierenden Zuckern (N- acetylglucosamin und

N-acetylmuramins€aure), welcher als R€uckgrat des vernetzten Mureinmolek€uls fungiert; (2) Ketten von 4 Aminos€auren, welche als Seitenketten vom Zuckerhauptstrang ausgehen;

Abb. 4. Ziele antibiotisch wirksamer Substanzen in der Bakterienzelle (nach [2]).

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(3) Peptidbr€ucken aus je 5 Glyzinresten, welche die Peptidketten vernetzen. Peptidoglycan wird durch Zusammenf€ugen von Untereinheiten gebildet. Sie werden im Zytoplasma hergestellt und durch die Zellmembran auf die Zelloberfl€ache transportiert. Der letzte Schritt der Vernetzung dieser Untereinheiten erfolgt durch eine Verkn€upfung der Zuckermolek€ule und Br€uckenbildung zwischen den Aminos€aure-Seitenketten. Die Verkn€upfung wird durch eine Transpeptidase hergestellt, welche als Penicillin bindendes Protein (PBP) fungiert. Praktisch alle Antibiotika, welche die bakterielle Zellwandsynthese behindern, sind bakterizid d.h., sie t€oten die Zelle durch osmotische Lyse. Ein großer Teil des Verlustes an zellul€arer Integrit€at ist jedoch auch durch das zelleigene Erneuerungs- und Reparatursystem der Zellwand bedingt. Diese autolytischen Enzyme (Muraminhydrolase) spalten Peptidbindungen im normalen Verlauf des Wachstums der Bakterienzelle. Auch in Anwesenheit eines Antibiotikums, welches den Zellwandaufbau st€ort, geht

Tabelle 1. Ziele antibiotisch wirksamer Substanzen in der Bakterienzelle (nach [3]).

TABLE 118-1 Mechanisms of Action of and Resistance to Major Classes of Antibacterial Agents Letter for Fig. 118-1

Antibacterial Agenta

Major Cellular Target

Mechanism of Action

A

b-Lactams (penicillins and cephalosporins) Vancomycin

Cell wall

Inhibit cell-wall cross-linking

Cell wall

Bacitracin

Cell wall

Macrolides (erythromycin) Lincosamides (clindamycin) Chloramphenicol Tetracycline Aminoglycosides (gentamicin)

Protein Protein Protein Protein Protein

Interferes with addition of new cell-wall subunits (muramyl pentapeptides) Prevents addition of cell-wall subunits by Inhibiting recycling of membrane lipid carrier Bind to 50S ribosomal subunit Bind to 50S ribosomal subunit Binds to 50S ribosomal subunit Binds to 30S ribosomal subunit Bind to 30S ribosomal subunit

B

C D E F

der physiologische Abbau der Zellwand weiter, sodass eine schwache und l€uckenhafte Zellwand entsteht, die leicht zerreißt. Wie antibakterielle Substanzen die Zellwandsynthese hemmen, wird im Folgenden dargestellt (Tabellen 1 und 2). Bacitracin dient zur Behandlung von lokalen Infektionen als Salbe oder Puder. Es blockiert die Umwandlung eines Carriers der Zellmembran in seine aktive Form. Dadurch k€onnen die wasserl€oslichen PepdidoglycanUntereinheiten nicht mehr aus dem Zytoplasma auf die Außenseite der Zellmembran transportiert werden. Vancomycin wird oft in der Behandlung von Infektionen mit Methicillinresistenten Staphylokokken (MRSA) eingesetzt. Dieses hochmolekulare Glyceropeptid- Antibiotikum bindet an

synthesis synthesis synthesis synthesis synthesis

die Aminos€aurenseitenkette der Peptidoglycan- Untereinheiten, w€ahrend sie noch mit dem Lipidcarrier der Zellmembran verbunden sind. Das anh€angende Vancomycin verhindert den Zusammenbau der PeptidoglycanUntereinheiten in der Zellwand, indem es das aktive Zentrum der Transpeptidase blockiert. Die Gruppe der b- LactamAntibiotika umfasst die Penicilline, Cephalosporine, die Carbapeneme und Monobactame. Es sind wichtige Antibiotika in Klinik und Praxis, welche z.T. auch bei schwersten Infektionen eingesetzt werden k€onnen. Charakteristisch f€ur die chemische Struktur dieser Antibiotikagruppe ist das Vorhandensein eines viergliedrigen b- Lactamrings. Der b- Lactamring des Antibiotikums bildet eine irreversible, kovalente Bindung mit dem

Transpeptidase-Enzym des Bakteriums und verhindert dadurch die Vernetzung der Peptidoglycan –Untereinheiten. Die Bakterienzelle besitzt f€ur den Aufbau der Zellwand etwa 30 Enzyme. Die Transpepdidasen und €ahnliche Enzyme, die an der Verkn€upfung der Peptidoglycan- Untereinheiten beteiligt sind, werden auch Penicillin bindende Proteine genannt (PBP). Sie besitzen alle aktive Zentren, welche b-LactamAntibiotika binden.

€ Anderung der ZellmembranPermeabilit€ at Polymyxine (Polymyxin B, Colistin) sind zyklische, basische Polypeptide. Sie verhalten sich wie kationische, oberfl€achenaktive Substanzen. Sie heben bei Gram- negativen Bakterien die

Tabelle 2. Ziele antibiotisch wirksamer Substanzen in der Bakterienzelle (nach [3])

TABLE 118-1 Mechanisms of Action of and Resistance to Major Classes of Antibacterial Agents Letter for Fig. 118-1

Antibacterial Agenta

Major Cellular Target

Mechanism of Action

G H I J

Mupirocin Quinupristin/dalfopristin (Synercid) Linezolid Sulfonamides and trimethoprim

Protein synthesis Protein synthesis Protein synthesis Cell metabolism

K L

Rifampin Metronidazole

Nucleic acid synthesis Nucleic acid synthesis

M N

Quinolones (ciprofloxacin) Novobiocin Polymyxins (polymyxin B) Gramicidin

DNA synthesis DNA synthesis Cell membrane Cell membrane

Inhibits isoleucine tRNA synthetase Bind to 50S ribosomal subunit Bind to 50S ribosomal subunit Competitively inhibit enzymes involved in two steps of folic acid biosynthesis Inhibits DNA-dependent RNA polymerase Intracellularly generates short-lived reactive intermediates that damage DNA by election transfer system Inhibit DNA gyrase (A subunit) and topoisomerase IV Inhibits DNA gyrase (B subunit) Disrupt membrane permeability by charge alteration Forms pores

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Permeabilit€at sowohl der €außeren als auch der inneren Membran auf. Die Aufhebung der Permeabilit€at erfolgt durch die eintretende Ladungs€anderung der Membranoberfl€ache.

Hemmung der Proteinsynthese Die meisten Antibiotika welche die Proteinsynthese behindern, €uben einen hemmenden Effekt auf die bakteriellen Ribosomen aus. Der unterschiedliche Aufbau von Bakterien- und S€augetierRibosomen bewirkt dabei ihre Selektivit€at. Die Aminoglykoside (Gentamycin, Streptomycin u.a.) bilden eine Gruppe chemisch €ahnlicher Verbindungen, die alle drei miteinander verkn€upfte Aminozucker besitzen. Aminoglykoside werden vor allem bei Infektionen mit Gram- negativen Keimen eingesetzt. Streptomycin ist bis heute ein Baustein bei der Behandlung der Tuberkulose. Aminoglykoside €uben einen bakteriziden Effekt aus, indem sie irreversibel an die 30S- Untereinheiten der Ribosomen binden und damit die Translokation der t- RNA von der A zur P- Stelle hemmen. Makrolide und Lincosamide Makrolide (Erythromycin) sind bei Grampositiven Erregern wirksam. Sie besitzen einen großen Lactonring, an dem mehrere Zuckermolek€ule gebunden sind. Makrolide binden spezifisch an der 50SUntereinheit des Ribosoms. Dadurch wird die Verl€angerung der Proteinkette verhindert und somit die Proteinsynthese gehemmt. Lincosamide (Clindamycin) sind bei Gram- positiven und anaeroben Erregern aktiv. Obwohl nicht mit den Makroliden verwandt, binden sie fest an derselben Stelle der 50S- Untereinheit der Ribosomen wie die Makrolide. Chloramphenicol besteht aus einem einzigen aromatischen Ring mit einer kurzen Seitenkette. Wegen seiner knochenmarksch€adigenden Nebenwirkung findet es nur eingeschr€ankte Verwendung. Dieses Antibiotikum bindet reversibel an die 50S- Untereinheit des bakteriellen Ribosoms nahe der Stelle, wo auch Makrolide und Lincosamide binden. Es behindert die Ausbildung der Peptidbindung, (indem die Anbindung der aminoazyl- t-RNA an das Ribosom behindert wird).

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Linezolid wirkt gegen Gram- positive Bakterien und gilt als Reserveantibiotikum. Es heftet sich an die 50S- Untereinheit des Ribosoms und blockiert den Beginn der Proteinsynthese. Tetrazykline (Tetrazyklin, Doxizyklin) sind bakteriostatische Antibiotika. Sie bestehen chemisch aus vier aromatischen Ringen mit verschiedenen Seitenketten binden reversibel an die 30S- Untereinheit des Ribosoms und behindern die Bindung der aminoazylt-RNA an den RNA-Komplex der 30S Untereinheit.

Hemmung des bakteriellen Stoffwechsels

Rifampicin, welches zun€achst gegen Mykobakterium tuberkulosis eingesetzt wurde, ist gegen eine Vielzahl unterschiedlicher Bakterien wirksam. Es verbindet sich fest mit der Untereinheit B der DNA- abh€angigen RNAPolymerase. Damit verhindert Rifampicin irreversibel die Umschreibung von DNA in RNA. Die RNA- Polymerase der S€augetierzellen ist nicht empfindlich gegen das Antibiotikum. Metronidazol ist nur aktiv gegen anaerobe Bakterien und Protozoen. Beim intrazellul€aren Abbau f€uhrt es zu einer Reihe von Zwischenprodukten, welche DNA- Br€uche verursachen [3].

Mechanismen mikrobieller Resistenzentwicklung

Sulfonamide und Trimethoprim Die sogenannten Antimetaboliten sind synthetisch hergestellte Verbindungen, welche die bakterielle Synthese von Fols€aure beeintr€achtigen. Die Fols€aure ist notwendig f€ur die Synthese von DNA- Bausteinen (Thymin, Purine) sowie von verschiedenen Aminos€auren. Eine Hemmung der Fols€auresynthese f€uhrt bei Bakterien zur Hemmung des Zellwachstums und in manchen F€allen zum Zelltod. Zu den wichtigsten antibakteriellen Antimetaboliten geh€oren die Sulfonamide (Sulfamethoxazol) und Trimethoprim. Trimethoprim hemmt ebenfalls die bakterielle Fols€aurebildung. Verwendet man beide Metaboliten zusammen, resultiert eine Blockade der bakteriellen Fols€auresynthese. Die Folge ist eine bakteriostatische Wirkung mit vermindertem Zellwachstum.

Hemmung der Nucleins€ auresynthese oder –aktivit€ at Verschiedene antibakteriell wirksame Substanzen haben Effekte auf die Nukleins€auren. Chinolone (z.B. Ciprofloxacin) sind synthetisch hergestellte Verbindungen, welche die Aktivit€at der Untereinheit A der bakteriellen DNA- Gyrase (Topoisomerase II) hemmen. Das Enzym lockert die dichte Verpackung der DNA, damit diese repliziert werden kann. Die Hemmung der DNA– Gyrase- Aktivit€at ist letal f€ur die Bakterienzelle.

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Definition des Begriffes Antibiotikaresistenz: Antibiotikaresistenz ist die F€ahigkeit von Bakterien in Anwesenheit eines Antibiotikums zu €uberleben und sich zu vermehren, obwohl das Antibiotikum diese Bakterienart bei fehlender Resistenz hemmt oder abt€otet (Abb. 5). Begrifflich muss zwischen prim€arer und sekund€arer Resistenz unterschieden werden. Dabei bedeutet der Begriff prim€are oder intrinsische Resistenz, dass ein Bakterium durch seine nat€urlichen strukturellen und funktionellen Eigenschaften unempfindlich gegen ein bestimmtes Antibiotikum ist (Abb. 6). Diese Art der Resistenz ist genetisch codiert und betrifft daher alle Bakterien der gleichen Spezies. Ein typisches Beispiel hierf€ur sind Aminoglykoside, welche streng wasserl€oslich sind. Um die Lipidmembran der Bakterienzelle zu durchdringen, ben€otigen sie ein Energieund Sauerstoff-abh€angiges Transportsystem, welches bei anaeroben Bakterien nicht vorhanden ist. Anaerobier sind deshalb obligat resistent gegen€uber Aminoglykosiden. Die sekund€are Resistenz ist hingegen eine erworbene Eigenschaft, das heißt Bakterien, die zun€achst empfindlich auf ein bestimmtes Antibiotikum reagieren, Anbiokaresistenz ist: die Fähigkeit eines Bakteriums in Anwesenheit eines Anbiokums zu überleben und sich zu vermehren, obwohl das Anbiokum diese Bakterienart im Wachstum hemmen oder abtöten sollte

Abb. 5. Definition des Begriffes Antibiotikaresistenz.

Primäre = intrinsische Resistenz: • Ein Bakterium ist von vornherein unempfindlich gegen ein Anbiokum. • Die Unempfindlichkeit ist genesch determiniert Sie betri die gesamte Spezies

Abb. 6. Definition des Begriffes Antibiotikaresistenz.

Sekundäre = erworbene Resistenz •

Ein Bakterium ist zunächst empfindlich gegen ein Anbiokum, wird aber im weiteren Verlauf unempfindlich. Die erworbene Eigenscha betri nur eine Subspezies des Bakterienstammes

Abb. 7. Definition des Begriffes Antibiotikaresistenz.

sind im weiteren Verlauf nur noch ungen€ugend oder gar nicht mehr gegen diese Substanz empfindlich (Abb. 7). Die erworbene Resistenz entsteht durch Mutation oder Gentransfer der Bakterien untereinander. Sie ist auf bestimmte Subpopulationen einer Bakterienart beschr€ankt.

Grundlagen der bakteriellen Resistenzentwicklung Mutation Mutation und anschließende Selektion der resistenten Mutanten unter dem Einfluss eines Antibiotikums sind die molekulare Grundlage des Auftretens von Antibiotikaresistenz bei vielen Bakterien. Eine Mutation kann in einem Gen auftreten, welches die Struktur eines Zielproteins kodiert. Durch die € Anderung der Struktur kann das Protein das Antibiotikum nicht mehr binden oder die Struktur eines Transportproteins oder ein Enzym, wichtig f€ur die Aktivierung oder Inaktivierung des Antibiotikums, kann betroffen sein. Auch kann ein Regulator-Gen oder ein Promotor durch die Mutation beeintr€achtigt sein, sodass wichtige Zielproteine f€ur das Antibiotikum nicht mehr funktionieren. Mutationen entstehen nicht durch das Antibiotikum selbst. Mutationen sind zuf€allige Ereignisse, welche der € Bakterienzelle einen Uberlebensvorteil in

Anwesenheit eines Antibiotikums verleihen. Es ist wahrscheinlich, dass in einer großen Population antibiotikaempfindlicher Bakterien einige Mutanten vorhanden sind, die nur geringf€ugig weniger empfindlich sind, als der Rest der Population. In diesem Fall kann ein suboptimales Antibiotikaregime zur selektiven Abt€otung der empfindlichen Population f€uhren, sodass nur noch die resistenten Erreger €ubrig bleiben. Diese werden sich dann rasch und ungehindert vermehren. Manchmal f€uhrt eine einzelne Mutation zu einem hohen Ausmaß an Resistenz. Als Beispiel kann die INH-Resistenz einiger Tuberkuloseerreger durch eine solche single- step Mutation genannt werden. In anderen F€allen ist es der sequentielle Erwerb mehrerer Mutationen, der zur Resistenz f€uhrt. Beispiel hierf€ur ist die Unempfindlichkeit zweier Enzyme bei der Fols€aurebildung. Sowohl Sulfonamide als auch Trimethoprim k€onnen dann die bakterielle Fols€auresynthese nicht mehr blockieren. F€ur alle Lebewesen ist es wichtig, die genetiche Information vor Sch€aden zu sch€utzen. Andererseits m€ussen aber genetische Ver€anderungen zugelassen werden, damit eine Anpassung an ver€anderte Umgebungsbedingungen stattfinden kann. Dies wird prinzipiell durch das Einf€ugen des korrekten Basenpaares durch die DNA- Polymerase III, durch entsprechendes Korrekturlesen der Polymerase und durch einen Repairmechanismus nach der Replikation erreicht. Ein Defekt in diesem Reparatursystem f€uhrt zu einer großen Zahl von Mutationen in vielen Genen.

Solche Bakterientypen werden als Mutator- Ph€anotypen bezeichnet. Sie sind wahrscheinlich ebenfalls an der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen beteiligt. Mutator- Ph€anotypen haben vermutlich das Auftreten multiresistenter Tuberkuloseerreger verursacht [2]. Horizontaler Gentransfer Antibiotikaresistenz kann durch Mutation und Selektion erworben werden. Die neue Eigenschaft kann dann vertikal auf die Tochterzellen €ubertragen werden. Im Allgemeinen werden jedoch die Resistenzeigenschaften durch horizontalen Gentransfer von einer Donorzelle erworben. Diese geh€ort nicht zwangsl€aufig der gleichen Spezies an, sondern sie kann auch zu einer ganz anderen Bakterienart geh€oren (Abb. 8). € Die Ubertragung der DNA erfolgt dabei durch Transformation oder Konjugation. Die durch horizontalen Transfer erworbene Resistenz kann sich sehr rasch durch klonale Verbreitung des resistenten Stammes oder durch anschließende horizontale Weitergabe der Resistenzeigenschaft auf andere empf€angliche St€amme ausbreiten. Ein horizontaler Transfer der Resistenz bietet Vorteile gegen€uber Mutation und Selektion: (1) Letale Mutationen an wichtigen Genen werden vermieden. (2) Die Resistenzrate durch horizontalen Transfer ist meist h€oher. (3) Das Resistenzgen kann auch vertikal weiter gegeben werden. Der horizontale Transfer von Resistenzgenen wird erleichtert durch

Abb. 8. Grundlagen der bakteriellen Resistenzentwicklung (nach [2]). Krh.-Hyg. + Inf.verh. 34 Heft 6 (2012): 231–237 http://www.elsevier.de/khinf

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Wenn das Ziel intrazellul€ar liegt und die antibiotische Substanz einen aktiven Transport durch die Zellmembran braucht, kann eine Mutation den Transport verlangsamen oder ganz verhindern und damit dem Erreger Resistenz verleihen. Diese bakterielle Strategie ist bei vielen Gram- negativen Bakterien gegen€uber Aminoglykosiden, aber auch gegen€uber Chinolonen beobachtet worden. Ausschleusen des Antibiotikums aus der Bakterienzelle Abb. 9. Grundlagen der bakteriellen Resistenzentwicklung.

mobile genetische Elemente. Zu diesen geh€oren Transposons, Phagen, Integrone und Plasmide. Besonders wichtig f€ur die Weitergabe von Resistenzgenen sind Transposons und Plasmide. Transposons sind kurze DNA- Abschnitte, die als Insertionssequenzen dienen, jedoch auch andere Funktionen codieren z.B. Antibiotikaresistenz. Transposons k€onnen sich in DNA integrieren und wieder herausl€osen. Sie k€onnen im Chromosom ,,springen‘‘ oder sich zu einem anderen Chromosom bewegen. Sie k€onnen sich auch in Plasmide einf€ugen. Auf diese Weise k€onnen sie eine Zelle verlassen und die Resistenzeigenschaft an andere Bakterien weitergeben. Plasmide sind kurze Abschnitte doppelstr€angiger DNA, die in einem Ring zusammengelagert sind. Ein Plasmid besitzt einen Replikationsursprung und kann sich deshalb unabh€angig von bakteriellen Chromosomen replizieren. Oft besitzen Plasmide auch Gene, die besondere Eigenschaften wie Arzneimittelresistenz, codieren. Mit Hilfe der Konjugation k€onnen Plasmide eine Bakterienzelle verlassen und die DNA auf eine andere Bakterienzelle transferieren (Abb. 9). Dazu heftet sich die Donorzelle mittels eines feinen Fortsatzes an eine zweite Bakterienzelle an. Zwischen beiden Zellen bildet sich eine Zytoplasmabr€ucke, €uber die eine Kopie des Plasmids transferiert wird. Anschließend trennen sich die Zellen wieder. Sie k€onnen nun beide als Donorzellen fungieren und die ResistenzDNA weitergeben.

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Eine zweite M€oglichkeit, Resistenzeigenschaften zu erwerben, kann darin bestehen, dass Bakterien aus der Umgebung abgestorbener und zerfallener Bakterien deren DNAMolek€ule aufnehmen. Dieser Vorgang wird Transformation genannt. Die ,,nackte‘‘ DNA wird in das Genom der aufnehmenden Zelle integriert und steht dann wieder zum horizontalen Gentransfer durch Plasmide zur Verf€ugung. [1]

Bakterielle Strategien zu Antibiotikaresistenz Um zu €uberleben, m€ussen Bakterien einen oder mehrere wichtige Schritte unterbrechen, welche f€ur eine effektive Antibiotikawirkung erforderlich sind. Verminderter Eintritt des Antibiotikums in die Bakterienzelle Die €außere Membran Gram- negativer Bakterien ist eine permeable Barriere, welche allerdings große, polare Molek€ule ausschließt. Kleine, polare Molek€ule, viele Antibiotika eingeschlossen, k€onnen in die Zelle durch Proteinkan€ale eindringen, welche Porine genannt werden. Nicht vorhandene Porine, Mutation des Porinproteins oder Verlust der Porine kann die Geschwindigkeit des Durchtritts ver€andern oder die Permeation v€ollig verhindern. Damit kann die Konzentration des Arzneimittels am Wirkort – also in der Zelle - vermindert sein.

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Um effektiv zu sein, m€ussen Antibiotika in einer ausreichend hohen Konzentration in der Bakterienzelle vorhanden sein. Manche Bakterien besitzen Membranproteine, welche als Export- oder Effluxpumpen f€ur bestimmte Substanzen funktionieren. So k€onnen manche Antibiotika genauso schnell aus der Zelle ausgeschleust werden, wie sie in die Zelle eingetreten sind. Das Ergebnis ist eine zu niedrige, ineffektive Antibiotikakonzentration in der Zelle. Pumpsysteme sind keine neue Erfindung der Natur. Sie sind nicht durch den Selektionsdruck bei breiter Anwendung von Antibiotika entstanden. Bakterien besitzen schon immer Membranproteine, welche sie vor eindringenden, sch€adlichen Substanzen sch€utzen. Darmbakterien wie E. coli, besitzen z.B. Pumpen, welche die im Darmlumen €uberall vorkommenden Gallens€auren aus dem Zellinneren heraus pumpen. Eingedrungene Gallens€auren stellen f€ur die Zelle eine t€odliche Gefahr dar. Pumpsysteme € sichern den Bakterien das Uberleben in dieser Umgebung. Charakteristisch f€ur die Pumpsysteme ist die geringe Substratspezifit€at. Das bedeutet, dass von solchen Systemen eine große Zahl von Substanzen mit unterschiedlicher Struktur gepumpt werden kann. Normalerweise sind relativ wenige Pumpen in der Membran vorhanden und ihre Aktivit€at ist heruntergeregelt. Bei Anwesenheit eines Antibiotikums werden die Systeme jedoch massiv hochreguliert. Eine steile Zunahme der Resistenz gegen€uber vielen Antibiotika kann die Folge sein. Heute spielen bei der Multiresistenz vieler Keime Pumpensysteme eine zentrale Rolle. [4]

wird. Die Ver€anderung der Zielmolek€ule erfolgt in der Regel durch eine oder mehrere Mutationen. So ist die Bindungsstelle der Makrolide an der 50S- Untereinheit des Ribosoms durch Methylierung (der 23S- rRNA) unkenntlich gemacht. Das Antibiotikum kann dann keine Wirkung mehr entfalten. € Ahnliches ist f€ur Methicillin-resistente Staphylokokken bekannt, die ein Penicillin bindendes Protein mit niedriger Affinit€at produzieren [2,3].

Literaturverzeichnis Abb. 10. Bakterielle Strategien zur Antibiotikaresistenz.

Inaktivierung des Antibiotikums Ein weiteres Mittel, durch das sich Bakterien sch€utzen ist die Zerst€orung der aktiven Komponente des Antibiotikums. Ein klassisches Beispiel ist die Inaktivierung des b-Lactamrings, welcher das aktive Zentrum der Penicilline und Cephalosporine bildet (Abb. 10). Dies geschieht durch das bakterielle Enzym b- Lactamase. Dieses Enzym spaltet den b- Lactamring durch Hydrolyse. Zwischenzeitlich ist eine Vielzahl verschiedener ß-Lactamasen bekannt und zunehmend mehr Gramnegative Bakterien sind in der Lage,

extended-spectrum-ß-Lactamasen (ESBL) zu bilden. Diese sind dann gegen die meisten ß-Lactamase-Antibiotika (auch mit ß-Lactamase Inhibitoren) resistent. Bekannt ist auch die Inaktivierung der Aminoglykoside durch Acetylierung, Adenylierung, oder Phosphorylierung.

[1] Alberts, B. Lehrbuch der molekularen Zellbiologie, Seiten 210, 230f, 321ff, 363, 373, 881, 887, Wiley- VCH Verlag Weinheim, 3. Aufl. 2005. [2] Goodman, L.S. and Gilman, A. The pharmacological basis of therapeutics, Seiten 1365, 1375ff, Mc Graw Hill Verlag New York 12. Aufl. 2011. [3] Harrison, T.R. et al. Principles of internal medicine, Seiten 1133ff, Mc Graw Hill Verlag New York 18 Aufl. 2011. [4] Pos, K.M. Antbiotikaresistenz: Die Tricks der Bakterien, Seiten 39-45 Forschung Frankfurt 2/2009.

Strukturelle Ver€ anderungen der antimikrobiellen Ziele

Korrespondenzautor

Einige resistente Bakterien entgehen der Antibiotikawirkung indem die Zielorte der Antibiotika ver€andert und somit eine Erkennung des Zielmolek€uls unm€oglich

Gunther Ernzerhoff Rottenberger Straße 8 63768 H€osbach. E-Mail: [email protected]

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