Analytica Chimica Acta, 170 (1985) 319-324 Elsevier Science Publishers B.V., Amsterdam - Printed in The Netherlands
KOMPLEXBILDUNG UND EXTRAKTION VON ZINN MIT POTENTIELL DREIZAHNIGEN DIANIONISCHEN LIGANDEN
E. UHLEMANN* Padagogwche Demokratische
und H. REICHMANN
Hochschule Republik)
“Karl
Lie bknech
t”, DDR-1500
PO tsdam
(Deu tsche
H MEHNER Akademie DDR-1199
der Wissenschaften Be&n-Adlershof
der DDR, Zentralinstitut (Deutsche Demokratische
fiir Physikahsche Repubhk)
Chemie,
(Eingegangen den 20. August 1984)
SUMMARY (Complex dianionw
formatron ligands.)
and
liquid-liquid
extractron
of
tin
with
potentially
tridentate
Pulse polarography was used to study the extraction of tin(IV) from chloride solution with potentially tridentate dlanionic ligands under unbuffered conditions The ligands usually contained enolizable groups or were produced by splitting heterocyclic rings. The most favourable extractant was 2-(2’-hydroxyphenyl)quinolin-8-01, which extracted tin in the pH region 2-8, all other ligands gave good extraction only at pH 6-8. In the organic phase, 1 :l chelates are formed in all eases. The composition of the complexes was also proved by the isolation of the solid compounds. These complexes were characterized by their Mossbauer parameters. ZUSAMMENFASSUNG Mit Hilfe der Rechteckwellenpolarographie wurde die Extraktion von Zinn(IV) aus ChloridlSsung mit potentiell dreizghnigen dianionischen Liganden im ungepufferten Milieu untersucht. Die Liganden enthielten meist enolisierbare Gruppen oder wurden durch Spaltung heterocyclischer Ringe gebildet. Als giinstigstes Extraktionsmittel erwies sich 2-(2’-Hydroxyphenyl)-chinolin-8-01, welches Zinn im pH-Bereich von 2-8 extrahlert, wtihrend alle anderen Liganden gute Ergebnisse nur bei pH 6-8 zeigten. In der organischen Phase liegen in allen Fallen 1:1-Chelate vor. Die Komplexzusammensetzung wurde such durch Isolierung von Verbindungen im festen Zustand iiberpriift. Die Charakterisierung der Komplexe erfolgte durch die Mossbauer-Parameter.
Als giinstiges Extraktionsmittel und photometrisches Reagens fur Zinn hat sich Salicyliden-o-aminothiophenol erwiesen [l--3] . Die relativ gute Bestandigkeit dieser Verbindung erkllrt sich aus der Tatsache, da6 im Ausgangszustand o-Hydroxyphenylbenzthiazolin (1) vorliegt [4], welches erst mit anwesenden Metallionen oder durch Spaltung mit Alkali zu Verbindungen der dreizlhnigen Schiffschen Base reagiert [4, 51. Mit Zinn bildet sich in jedem Falle ein Zinn(IV)-Neutral chelat [2,6] ; eingesetztes Zinn(I1) unterliegt. 0003-2670/85/$03.30
0 1985 Elsevier Science Publishers B.V.
320
einer spontanen Oxydation. Nach diesen Befunden erschien es zweckm%ig, weitere potentiell dreizahnige dianionische Liganden auf ihr Komplexbildungs-und Extraktionsvermijgen gegeniiber Zinn zu untersuchen. Dafiir wurden die folgenden Liganden ausgewlhlt: 2’-Hydroxyphenylpicolin-2-ylketon 2 [7], 2-(2’-Hydroxyphenyl)-chinolin8-01 3 [8], N-(Pyrid-2-yl)-2-
HO
%C-; N 0
0
HO
-CH-N=N-CH-C-CH3 I I
\N/ C* 0 I
0%
II
N,N
‘gH5
s
c H$-C--_::=N-NH i
CP
\/
0
HO I $=S
“: CgH5
‘gH5 -7
8
hydroxythiobenzamid 4, 2,6-Diphenacylpyridin 5 [ 91, 3,3’-Dimethyl-l,l’diphenyl-4,4’-azopyrazol-5-on 6 [lo] , l-Phenyl-3-methyl-4-[2’-hydroxy7 und 1-Thiobenzoyl-3,5-dimethyl-5-hyphenyl] hydrazonopyrazol-5-on droxypyrazol 8. Alle Liganden enthalten enolisierungsflhige Gruppen oder leicht spaltbare Ringsysteme (1,8). EXPERIMENTELLES
Ex trak tionsmittel
und Ex trak tionsun tersuchungen
Die benijtigten Liganden wurden nach Literaturangaben dargestellt und kamen als chloroformische 2,5 10e3 M Lijsung zum Einsatz. Als Zinn( IV)Standardliisung diente 5 - lo-’ M (NH,),SnCl,-Losung, die 5 M an Salzsaure war. Als wH13rigePhase wurden 10 ml Zinn(IV)-Standardlosung vorgelegt, mit 10 ml 5 M KOH neutralisiert und der pH-Wert durch Zugabe kleiner Portionen 0,Ol M, 0,l M oder 1 M KOH bzw. 0,l M oder 1 M HCl variiert. Die Extraktionsuntersuchungen erfolgten mit jeweils 15 ml dieser Losung. Das Volumen der organischen Phase betrug ebenfalls 15 ml, so da13 ein hundertfacher uberschul3 an Extraktionsmittel gegeben war. Nach der l
321
Phasentrennung wurde der pH-Wert unter Verwendung des pH-Me0gerates MV 84 (VEB Prgcitronic Dresden) mit dem Elektrodensystem GA 50 N und SE 20 vermessen. Die Bestimmung des Zinngehaltes erfolgte in 10 ml der wafirigen Phase mit Hilfe der Rechteckwellenpolarographie am Polarographen OH-104 (Radelkis, Budapest). Als MeBzelle diente die polarographische Zelle nach Berg (VEB Jenaer Glaswerk Schott und Gen.) mit Quecksilbertropfelektrode (Durchmesser 0,05 nm, Tropfzeit 2,l s pro Tropfen). Die gewlhlte Empfindlichkeit betrug 30 - lo+ AT s-l, die Rechteckwellenamplitude 20 mV und der Ohmsche Widerstand der Apparatur >lOOa .Der Grundelektrolyt war 5 M an KCl. Die Mefiproben wurden zur Entfernung von Sauerstoff 5 min mit Reinststickstoff gespiilt und bei 25” C untersucht. Darstellung von Zinnchelaten Methode A. SnCl, * H,O (1,04 g; 0,005 mol) werden in 50 ml konzentrierter Essigsaure gelijst und langsam zu einer siedenden Losung von 0,Ol mol des jeweiligen Liganden in 100 ml Methanol gegeben. Die Losung la& man bis zur Kristallisation am Sieden, saugt dann noch he% ab und wlscht mit warmem Methanol. tilig anfallende Verbindungen werden nach Verreiben mit Ether kristallin. Methode B. Natriumisopropanolat (1,31 g; 0,016 mol) werden in 100 ml wasserfreiem Benzen gel&t und mit 0,08 mol des jeweiligen Liganden 2 h am RiickfluB erhitzt. Dann tropft man 1,04 g (0,004 mol) SnCL zu und la& weitere 2 h sieden. Das gebildete NaCl wird abgesaugt, das Lijsungsmittel im Vakuum entfernt und der zuriickbleibende Zinnkomplex mit hetiem Wasser gewaschen. Miissbauer-Spek tren. Die Mossbauer-Spektren wurden bei der Temperatur von fliissigem Stickstoff aufgenommen. Als Strahlungsquelle diente “‘CaSn03, die Isomerieverschiebung wurde gegen SnO, vermessen. Die Spektren wurden mit Hilfe eines Computers simuliert. ERGEBNISSE
UND DISKUSSION
Ex trak tionsun tersuchungen Zur Untersuchung von Extraktionsgleichgewichten des Zinns envies sich die Rechteckwellenpolarographie als gut geeignet. Jedoch mufite auf Zusatz von Puffersubstanzen verzichtet und die Anwesenheit einer geniigend hohen Chloridkonzentration gewahrleistet werden. Die Zeitabhangigkeit der Extraktion wurde im Bereich des pH-Wertes halftiger Extraktion bestimmt. Fiir ausgewahlte Liganden sind die Verh%ltnisse in Abb. 1. dargestellt. In den meisten Fallen sind zur Einstellung des Extraktionsgleichgewichtes 20 min ausreichend, lediglich bei N-(Pyrid-2-yl)2’-hydroxythiobenzamid und 2-(2’-Hydroxyphenyl)-chinolin-8-01 werden Schiittelzeiten von 90 bzw. 120 min benotigt. Die Untersuchung der pHAbhangigkeit der Extraktion ergab nur geringftigige Unterschiede zwischen
, 322
Abb. 1. Zeitabhlnglgkeit der Extraktion von Zinn(IV). 2-(2’-Hydroxyphenyl)-chinolin-Sol; benzamid ; (X) keton; (A) 2,6_Diphenacylpyridin.
(0) N-(Pyrid-2-yl)-2’-hydroxythio(0) 2’-Hydroxyphenylplcolin-2-yl-
Abb. 2. pH-Abhlngigkeit der Extraktion von Zinn(IV): (X ) 2-(2’-Hydroxyphenyl)-chinolin8-01; (0) 2’-Hydroxyphenylpicolin-2-yl-keton; (A) 2-(2’-Hydroxyphenyl)-benzthiazolin; (0) N-(Pyrid-2-yl)-2’-hydroxythiobenzamid.
den untersuchten Extraktionsmitteln. Einige charakteristischen Angaben enthalt Tabelle 1. Maximale Extraktion des Zinns erfolgte im pH-Bereich von 5,5 bis 7,5. Eine Ausnahme bildet lediglich 2-(2’-Hydroxyphenyl)-chinolin-801, das bereits bei pH 2 maximale Extraktionsausbeuten erreicht und wie die anderen Liganden erst oberhalb pH 8 einen Riickgang der Extraktion zeigt. Einige typische Extraktionskurven sind in Abb. 2 wiedergegeben. Zur Ermittlung der Komplexzusammensetzung wurde die Abhangigkeit der log D-Werte von pH-Wert und Logarithmus der Ligandkonzentration bestimmt. Die Ergebnisse enthalten die Abb. 3 und 4. Aus der AbhHngigkeit der Verteilung von der Ligandkonzentration folgt in allen Fgllen das Vorliegen von l:l-Komplexen in der organ&hen Phase. Ein Bhnliches Bild liefert die pH-Abhangigkeit von log D. In fast allen Fallen ist auf die Freisetzung eines Protons bei der Komplexbildung zu schliel3en. Demnach betitigen sich diese Liganden bei der Extraktion von Zinn(IV) als zweizahnig. Eine Ausnahme bildet such hier wieder 2-(2’-Hydroxyphenyl)-chinolin-8-01, welches bei der Komplexbildung zwei Protonen abgibt und somit dreiziihnig reagiert. Jedoch vermag such dieser Ligand nicht alle am Zinn gebundenen Chloridionen zu substituieren, so da8 im Extrakt immer Gemischtligandkomplexe vorliegen. Darstellung von Zinn(IV)-Komplexen Die durch Extraktion erhaltenen Ergebnisse wurden durch Darstellung einiger Zinn( IV)-Komplexe in Substanz iiberpriift (vgl. Tab. 1). Die Synthese erfolgte auf zwei unterschiedlichen Wegen, einmal durch Umsetzung der Liganden mit Zinn(II)-chlorid in essigsaurer Lijsung [ 51, zum anderen durch Reaktion mit Zinn( IV)-chlorid in Gegenwart von Natriumisopropanolat [ 111. Identische Ergebnisse wurden nur mit 2-Hydroxyphenyl-chinolin&ol erhalten. Auch bei Einsatz von Zinn(II)-chlorid wurde hier stets das chloridfreie
. 323 TABELLE Kenngrdf3en
1 der Zinnextraktion
(cM = 2,5 * 10“
mol l-*, chgand
= 2,5.
1O-3 mol l-1)
Ligand
PH,,,
R max W)
PH (R,,)
1 2 3 4 5 6 7 8
5,2 499 195 5,3 5J 4,6 5,2 437
91 82 89 71 89 93 79 85
675 690 2,3 692 696 6,2 6,9 693
Llgand
Abb. 3. Log D/pH-Darstellung der Extraktion von Zinn(IV): (x) 2-( 2’-Hydroxyphenyl)chinolin-S-01; (0) 2’-Hydroxyphenylpicolm-2-yl-keton; (A) 2-(2’-Hydroxyphenyl)-benzthiazolin; (0) N-(Pyrid-2-yl)-2’-hydroxythiobenzamid. Abb. 4. Abhlngigkeit der droxyphenyl)-chinolin-S-01; pyridin.
Zinnextraktion von der Ligandkonzentration: (X) 2-(2’-Hy(0) 2’-Hydroxyphenylpicolin-2-yl-keton, (A) 2,6-Diphenacyl-
Zinn(IV)-chelat mit oktaedrischer Struktur isoliert. Bei den anderen Liganden verlief die Oxydation des Zinn(I1) nicht quantitativ, und die von Methode A gewonnenen Produkte enthielten nach Auswertung ihrer Mossbauer-Spektren noch ca. ein Drittel der Zinn(II)-Verbindung. Ein typisches MBssbauerspektrum ist in Abb. 5 dargestellt, fur alle untersuchten Verbindungen sind die Mossbauerparameter in Tabelle 2 zusammengefal3t. Eindeutige Zinn(IV)Verbindungen sind nach Methode B darstellbar. Dabei vermijgen die Liganden aber nicht alle Koordinationsstellen des Zinns zu besetzen, es bilden sich Dichloro-bis( ligand)-Zinn( IV)-Verbindungen mit oktaedrischer Struktur, in denen koordiniertes Chlorid relativ fest gebunden ist. Die Liganden betltigen sich dabei lediglich als zweizahnig. Im Falle des Komplexes mit 2,&Diphenacylpyridin wird dies zusatzlich am Auftreten der ungestijrten v(CO)-Bande bei 1680 cm-’ sichtbar.
324
Abb. 5. Mossbauerspektren der Sn(II)- und Sn(IV)-Chelate mit 2’-Hydroxyphenyl-picolm2-yl-keton: (0) berechnete Punkte fur Sn(I1); (0) berechnete Punkte fur Sn(IV); (X) Me& punkte. TABELLE 2 Eigenschaften synthetisierter Zinn( IV)-Chelate Ligand Komplex
2
SnL,Cl,
3
SnL,
5
SnL,Cl,
a61,15(60,00)
Schmelztemperatur (“C)
Analyse [% ber. (gef.)] N Sn Cl
259-60
4,56 (3,81) 4,75 (4.50) 3,42 (3710)
>360 130
%C; 3,08(3,08)
19,32 (17,80) 20,14 (19,03) 14,50 (14,OO)
Mdssbauer-Daten 6 (mm s-l)
AQ (mm s-l)
r (mm s-l)
11,54 (10,52) -a
0,27
0,51
1,19
0,32
0,33
1,08
8,66 (8,50)
0,32
0,36
1,09
%H.
LITERATUR 1 G. R. E.C. Gregory und P. G. Jeffery, Analyst (London), 92 (1967) 293. 2 E. Uhlemann und V. Pohl, Anal. Chim. Acta, 65 (1973) 319. 3 H. Imuro und M. Suzuki, Anal. Chim. Acta, 118 (1980) 129; Talanta, 28 (1981) 73. 4 F. J. Goetz, J. Heterocycl. Chem., 4 (1967) 80; 5 (1968) 509. 5 E. Uhlemann und V. Pohl, Z. Chem., 9 (1969) 385; Z. Anorg. Allg. Chem., 397 (1973) 162. 6 H. Schnorr, V. Pohl, E. Uhlemann und Ph. Thomas, Z. Chem., 13 (1973) 143. 7 E. Uhlemann, H. Reichmann, R. Stdfler und H. Koppel, Z. Chem., 24 (1984) 140. 8 A. Corsini und R. M. Cassidy, Talanta, 21 (1974) 273. 9 G. Scheuing und L. Winterhalder, Liebigs Ann. Chem., 473 (1929) 123. 10 W. Pelz, D.B.P. (patent of BRD) 1 090 354 (1961). 11 B. P. Bachlas, H. Sharma, J. C. Maire und J. J. Zuckermann, Inorg. Chim. Acta, 71 (1983) 227.