Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) 108, 487—494
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SCHWERPUNKT
Medizinische Qualitätsmessung im Krankenhaus — Worauf kommt es an? Hospital quality measurement — What matters? Thomas Mansky ∗, Ulrike Nimptsch Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland Eingegangen/submitted 10. Juli 2014; überarbeitet/revised 24. September 2014; akzeptiert/accepted 26. September 2014
SCHLÜSSELWÖRTER Qualitätsmessung; Qualitätssicherung; Krankenhaus; Ergebnisqualität; Routinedaten; German Inpatient Quality Indicators (G-IQI)
KEYWORDS Quality measurement; ∗
Zusammenfassung Mit dem Übergang der Qualitätssicherung aus der intraprofessionellen Anwendung über die einrichtungsinterne Qualitätsverbesserung hin zur öffentlichen Qualitätsbeurteilung und zur qualitätsorientierten Vergütung entstehen neue Anforderungen an die Qualitätsmessung, die bisher noch wenig Beachtung finden. Die Indikatoren müssen vielfach umfassender, aussagekräftiger, ergebnisorientierter und manipulationsresistenter werden als sie es bisher sind. Ferner müssen statistische Limitationen der Qualitätsmessung bei kleinen Fallzahlen, die Beurteilungsprobleme aufwerfen, in der politischen Diskussion stärker beachtet werden. Die Verwendung von administrativen Daten ermöglicht in vielen Fällen die Messung aussagekräftiger Endpunkte und ist weniger störanfällig als die Erfassung separater Daten. Sie ermöglicht auch eine Ausweitung der Qualitätsmessungen auf weitere Krankheitsbilder ohne Zusatzaufwand. Für breiter angelegte Langzeitauswertungen der Behandlungsergebnisse könnten administrative Daten unter Aufwand-/Nutzen-Gesichtspunkten die einzige realisierbare Messmöglichkeit darstellen. Mit dieser Methodik sind aber auch anbieterunabhängige Auswertungen, z.B. seitens der Krankenkassen möglich. Dies führt zu politischen Kontroversen. Unabhängig von der künftigen Weiterentwicklung der gesetzlichen Qualitätssicherung können neuere Verfahren der ergebnisorientierten Qualitätsmessung schon jetzt einen Beitrag zur Verbesserung der medizinischen Versorgung leisten, wenn sie im krankenhausinternen Qualitätsmanagement eingesetzt werden. Summary In Germany, the aims of hospital quality measurement have evolved from intraprofessional quality assurance via organisational quality improvement to public reporting. Recently, quality-based purchasing is also discussed as a political option. These developments lead to new requirements for quality measurement which have gained little attention so far. Quality indicators have to become more comprehensive, more outcome-related, and more
Korrespondenzadresse: Thomas Mansky, Fachgebiet Strukturentwicklung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin, Steinplatz 2, 10623 Berlin, Deutschland. Tel.: +49 (0)30 314-29805 E-Mail:
[email protected] (T. Mansky).
http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.09.023 1865-9217/
488 quality assurance; hospital; outcome; administrative data; German Inpatient Quality Indicators (G-IQI)
T. Mansky, U. Nimptsch tamper-resistant. Furthermore statistical limitations of quality measurement related to low case numbers may impair quality assessment and therefore have to be considered in political discussions. In many cases the use of administrative data allows for the measurement of meaningful endpoints and is less prone to manipulation than separate data collections. Also, it allows for the extension of quality measurements to other medical conditions without causing additional effort. Bearing costs and benefits in mind, the use of administrative data might be the only way to establish nationwide long-term outcome measurements. Using administrative data also enables the advancement of provider-independent quality measurement. This may cause political controversies. Irrespective of future political regulations, new outcome-related quality measurements already have been shown to contribute to improving hospital care, if used in internal quality management systems.
Angaben zur Qualität medizinischer Leistungen werden von der Öffentlichkeit und der Politik zunehmend eingefordert. Damit tritt die ,,Qualitätssicherung‘‘ aus der früher überwiegend in sich geschlossenen, intraprofessionellen Betrachtung in den öffentlichen Raum über [1]. Hierdurch ergeben sich neue Anforderungen an die Messinstrumente. Die Nutzung bisheriger Indikatoren für die veränderten Anwendungszwecke ist zumindest problematisch. Derzeit lassen sich grob unterteilt vier hauptsächliche Anwendungszwecke für die medizinische Qualitätsmessung im Krankenhaus ausmachen: 1) Nach wie vor besteht bei den entsprechend engagierten Ärzten das (intraprofessionelle) Interesse an der ,,Sicherung‘‘ bzw. fortlaufenden Überwachung ihrer eigenen Qualität [1,2]. Die dazu notwendige Messung der medizinischen Qualität ist eine Grundvoraussetzung, um Auffälligkeiten erkennen und darauf ggf. mit Verbesserungsmaßnahmen reagieren zu können. 2) In Erweiterung von 1) haben inzwischen auch Krankenhausträger ein Interesse an der Messung und Verbesserung medizinischer Ergebnisqualität, da sie zunehmend davon ausgehen, dass ihr Geschäftserfolg u.a. auch davon abhängt. Das Interesse kann im Sinne eines erweiterten, medizinischen Controllings bzw. Risikomanagements auf die Überwachung, Sicherung und Verbesserung der einrichtungsinternen Qualität ausgerichtet sein. Zusätzlich kann auch die Marketing-Sicht, d.h. die Nutzung von Qualitätsdaten für die freiwillige Außendarstellung, eine Rolle spielen [3]. Beide Aspekte lassen sich nicht immer trennen. 3) Öffentlichkeit, Politik und Krankenkassen verlangen bzw. fordern zunehmend die Veröffentlichung aussagekräftiger, möglichst krankheitsspezifischer Ergebnisdaten im Sinne eines ,,Public Reporting‘‘ [4—6]. Damit verbunden ist der Wunsch nach einem ,,Ranking‘‘ oder nach ,,Testnoten‘‘ für die Verbraucher bzw. die potenziellen Patienten oder Einweiser im Sinne der aus anderen Wirtschaftsbereichen bekannten Bewertungsverfahren. 4) Im gesundheitspolitischen Bereich werden ferner Möglichkeiten zur Modifikation der Vergütung in Abhängigkeit von der Qualität der Behandlungsergebnisse diskutiert [7—10]. Die in diesem Zusammenhang oft gebrauchten Bezeichnungen ,,Pay for Performance‘‘ (P4P) oder ,,Value-Based Purchasing‘‘ beschreiben diesen Ansatz eher unzureichend, da sie nicht nur die medizinische
Qualität betreffen. ,,Qualitätsorientierte Vergütung‘‘ wäre sicher passender. Auch Ansätze des selektiven Kontrahierens oder der qualitätsorientierten Krankenhausplanung können in einem weiteren Sinne unter diesem Aspekt gesehen werden, da sie ebenfalls einen direkten oder mittelbaren Einfluss auf das Krankenhausbudget haben. Für die genannten Anwendungszwecke ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die Qualitätsmessung selbst, genauer an die verwendeten Indikatoren. Dies wird vielfach zu wenig beachtet. Anstelle von gezielten Neuentwicklungen werden bisherige, für den Anwendungszweck 1) entwickelte Indikatoren für andere Anwendungsbereiche übernommen [11]. In einer Promotionsarbeit aus unserer Arbeitsgruppe wurden die Anforderungen, insbesondere für den umfassendsten Anwendungszweck 4), neu überdacht und als Gesamtkonzept veröffentlicht [8]. Hierfür wurde ausgehend von einer Literaturanalyse ein Kriterienkatalog für die medizinische Qualitätsmessung unter Berücksichtigung der Anreizwirkungen einer qualitätsorientierten Vergütung entwickelt, der anhand vorhandener Empirie sowie qualitativer Interviews überprüft und angepasst wurde. Basierend u.a. auf diesen Erkenntnissen geht die vorliegende Arbeit auf aus Sicht der Autoren relevante Fragestellungen der medizinischen Qualitätsmessung ein und diskutiert diese in Abhängigkeit von den unterschiedlichen, zuvor genannten Anwendungszwecken.
Inhaltliche Aussagekraft der Indikatoren und Ergebnisorientierung Bei der Qualitätsmessung kommt es nicht allein auf die Zahl der Indikatoren, sondern auf deren Aussagekraft an. Insofern täuscht die scheinbar große Zahl von 295 im Rahmen der externen stationären Qualitätssicherung nach § 137 SGB V zu veröffentlichenden Indikatoren [12] über das tatsächliche Maß an Transparenz hinweg. Mit den Indikatoren aus derzeit 17 Leistungsbereichen werden nach Angaben des AQUA-Institutes rund 20% der Krankenhausleistungen erfasst [13]. Viele der Indikatoren entstammen der intraprofessionellen, eher prozessorientierten Qualitätssicherung und sind für die zuvor genannten Anwendungszwecke 2) bis 4) nur bedingt einsetzbar. Alle zehn Indikatoren, die beispielsweise im Zusammenhang mit
Medizinische Qualitätsmessung im Krankenhaus — Worauf kommt es an? Herzschrittmacher-Aggregatwechseln und -Revisionen zu veröffentlichen sind (Leistungsbereiche 09n2-HSM-AGGW und 09n3-HSM-REV), betreffen die Reizschwellen- und Amplitudenbestimmungen der jeweiligen Schrittmachersonden. Auch wenn dies unbestreitbar wichtige Prozessparameter sind, erfährt der Patient hier (wie auch bei den Erstimplantationen) nichts über die Gründe für die Revisionen oder über die Laufzeit der Schrittmacher bis zu einer notwendigen Revision (beispielsweise in Form von revisionsfreien ,,Überlebensraten‘‘ des Gesamtsystems Schrittmacher oder in Form eines Prozentsatzes an erforderlichen Revisionen zu definierten Nachverfolgungszeitpunkten). Im Qualitätsreport des AQUA-Instituts werden die Laufzeiten bisher nicht bezogen auf die implantierende Einrichtung dargestellt [13]. Dies liegt auch daran, dass eine Auswertung fallübergreifender Daten, die mit Verfahren wie QSR (Qualitätssicherung mit Routinedaten [14]) seit längerem zur Einsatzreife gebracht wurde und die ohne zusätzlichen Erfassungsaufwand möglich wäre, bisher auf Bundesebene nicht angewandt wird. Seitens des AQUA-Instituts wird allerdings ein ,,Follow-up‘‘ nach Schrittmacherimplantation für die künftige Weiterentwicklung diskutiert [13, S. 38]. Ob ein Patient mit Schrittmacherproblemen und anstehender Revision aufgrund der derzeit veröffentlichten Kennzahlen aus der externen stationären Qualitätssicherung in sinnvoller Weise eine geeignete Klinik aussuchen kann (Anwendungszweck 3), möge der Leser, der ja immer auch selbst Patient werden kann, beurteilen. Aus Sicht der Autoren erscheint auch die Eignung dieser Kennzahlen für eine qualitätsorientierte Vergütung (Anwendungszweck 4) fraglich. Neben den Kennzahlen der externen stationären Qualitätssicherung nach § 137 SGB V nutzen Leistungserbringer zunehmend alternative, freiwillig angewandte Qualitätsmessungen. Die ausschließlich aus den medizinischen Informationen der administrativen DRG-Daten abgeleiteten und damit ohne zusätzlichen Erfassungsaufwand messbaren German Inpatient Quality Indicators (G-IQI) sind stärker ergebnisorientiert und beziehen sich dabei überwiegend (aber nicht nur) auf die Krankenhaussterblichkeit. Sie bilden in der Version 4.0, gemessen an den Daten der bundesweiten DRG-Statistik 2011, mit über 56 Leistungsbereichen 42% aller Krankenhausfälle ab. Über die G-IQI Sterblichkeitsindikatoren werden 51% aller Todesfälle im Krankenhaus krankheits- bzw. prozedurenspezifisch dargestellt [15]. Dort wo Sterblichkeiten keine sinnvolle Kennzahl darstellen und weitergehende Messungen derzeit wegen der augenblicklichen Datenlage noch nicht möglich sind, wird zumindest über medizinisch sinnvoll zusammengefasste Mengeninformationen (also in der Regel keine einzelnen ICDoder OPS-Endsteller) versucht, dem potenziellen Patienten bzw. Einweiser eine Orientierungshilfe zu geben. Das G-IQI System unterscheidet sich damit grundlegend von Ansätzen, die primär die Gesamtsterblichkeit des Krankenhauses betrachten (HSMR - hospital standardized mortality ratio [16]). Es ähnelt dem ebenfalls krankheitsspezifischen Ansatz der Inpatient Quality Indicators (IQI [17]) und der Patient Safety Indicators (PSI [18]) der AHRQ, ist aber in vielen Bereichen umfassender. Die krankheitsspezifische Darstellung der G-IQI Indikatoren ermöglicht eine Identifikation von Auffälligkeiten. Diese können klinikintern, aber auch in Peer Review
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Verfahren unter Beteiligung externer Peers nachuntersucht werden [19]. Über den Einsatz in krankenhausinternen Qualitätsmanagement-Systemen [20] lassen sich nachweislich erhebliche Ergebnisverbesserungen in Bereichen mit vorher unterdurchschnittlicher Leistung erzielen [21]. Für den Anwendungszweck 2 sind diese Indikatoren, da sie den Gesamtprozess der Behandlung einer Krankheit auf den Prüfstand stellen, als Aufgreifkriterien wesentlich besser geeignet als die überwiegend sehr detailorientierten Indikatoren der externen stationären Qualitätssicherung nach §137 SGB V [22]. Auch in der externen Darstellung sind solche Ergebnisindikatoren aussagekräftiger als reine Prozesskennzahlen. Sie werden dementsprechend in der Schweiz für die öffentliche Qualitätsdarstellung (Public Reporting, Anwendungszweck 3) genutzt [6,23]. Die Messung der Qualität anhand der Krankenhausfalldaten findet ihre Begrenzung im Entlassungszeitpunkt. Damit sind zeitlich standardisierte Aussagen zur Sterblichkeit (Beispiel 30-Tage-Sterblichkeit) ebenso wie längere Nachverfolgungen, z.B. zur Ermittlung von Revisionsraten, nicht möglich. Aus diesem Grunde wurde das Projekt Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR) initiiert, das die Messung von Langzeitergebnissen anhand versichertenbezogener Daten der Krankenkassen zum Ziel hatte [14]. Die Machbarkeit dieses Ansatzes wurde inzwischen aufgezeigt [24,25]. Beispielhaft genannt sei hier neben der Messung der 30-Tage-Sterblichkeit z.B. bei Herzinfarkt die Messung der Haltbarkeit von Hüftgelenkendoprothesen über 5 Jahre in Form von Kaplan-Meier-Kurven [26]. Mittels einfacher, wenig aufwändiger Verbesserungen in der Routinedatenerfassung ließen sich die Möglichkeiten dieser Methode erheblich erweitern [27]. Für die öffentliche Berichterstattung (Anwendungszweck 3), insbesondere aber für Vergütungsmodelle (Anwendungszweck 4) sind solche unabhängig messbaren, ergebnisorientierten Indikatoren wesentlich besser geeignet als auf Selbstreporting beruhende, prozessorientierte Messverfahren [8,10,28].
Manipulationssicherheit der Indikatoren Die Manipulationssicherheit von Qualitätsindikatoren spielte bei der ursprünglichen intraprofessionellen Anwendung eine untergeordnete Rolle, da die Erhebung von für die eigene Information bestimmten Daten im Falle von Manipulationen unsinnig wird. Bei Erweiterung der Anwendungszwecke in den genannten Bereichen 2 bis 4 nimmt das Manipulationsproblem allerdings erheblich zu. Viele der derzeit in der externen stationären Qualitätssicherung nach § 137 SGB V erfassten Indikatoren beruhen auf Selbstreporting. Eine Manipulation ist durch Weglassen (Nicht-Melden) möglich, da in vielen Fällen die Höhe der Komplikationsraten niedriger ist als die zulässigen Differenzen hinsichtlich der Vollständigkeit der Erfassung (ein strukturierter Dialog zur Datenvalidität wird erst bei einer Unterdokumentation von 95% ausgelöst [29]). Empirische Hinweise für durchaus erhebliche Fehler im Selbstreporting liegen vor [30]. Außerdem sind viele Erhebungsmerkmale von der Interpretation des Erfassers abhängig (z.B. Behandlungsindikation), was Verzerrungen in Richtung ,,erwünschter‘‘ Ergebnisse möglich macht. Einer Überprüfung der Erfassung sind sowohl hinsichtlich des Aufwandes als auch hinsichtlich der
490 Interpretation von eventuellen Abweichungen Grenzen gesetzt. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass bei zunehmendem externen Einsatz der Indikatoren, insbesondere für die Anwendungszwecke 3 und 4, der Druck zur Beeinflussung der Ergebnisse steigt. In einem solchen System kann ,,der Ehrliche der Dumme‘‘ sein, was von einer gewissen Schwelle an zu einer Kettenreaktion führen würde. Aus diesem Grunde sind für Anwendungszwecke, die über die intraprofessionelle Qualitätssicherung hinausgehen, Indikatoren notwendig, die möglichst wenig anfällig für eventuelle Manipulationen sind. Dazu können folgende Punkte beitragen: a) Die Ermittlung von Kennzahlen aus administrativen Daten (sogenannte Routinedaten bzw. Sozialdaten der Krankenkassen). Hierdurch wird einerseits die Vollständigkeit der Fälle garantiert. Es wird andererseits sichergestellt, dass Komplikationen, die im DRG-System ggf. entgelterhöhend abgerechnet werden, sich auch in der Qualitätsmessung wiederfinden. Eine NichtAbrechnung von Fällen oder Komplikationen wäre zwar denkbar, würde dann aber automatisch eine Nichtzahlung beinhalten. Dies würde einem Non-Payment für Non-Performance bzw. einer qualitätsorientierten (Nicht-)Vergütung entsprechen. b) Es sollten möglichst manipulationsresistente Endpunkte gemessen werden. Dazu gehört u.a. die Sterblichkeit, da Todesfälle in den administrativen Daten eindeutig erfasst werden. Wie auch in der wissenschaftlichen Literatur überwiegend üblich sollten dabei die Todesfälle aus allen Gründen (death from all causes) betrachtet werden. Eine Zuordnung der Todesfälle zu einem potenziell verursachenden Ereignis bzw. einer Grunderkrankung ist hochgradig interpretationsanfällig und daher nicht ratsam. Ein weiterer weitgehend manipulationsresistenter Endpunkt sind Revisionsoperationen und schwere, behandlungsbedürftige Komplikationen, die in der Regel zuverlässig aufgrund der erbrachten Leistungen erkennbar sind. Erhöhte Revisions- und Komplikationsraten können Aufschluss über mögliche Probleme geben. Insbesondere die Messung der Revisionsoperationen setzt aber die auf Krankenkassendaten basierende QSR-Methodik voraus, da nur so eine hinreichend lange Nachverfolgung und die Erkennung von Revisionen, die in anderen Kliniken als der erstbehandelnden durchgeführt werden, möglich sind.
Möglichkeit zur anbieterunabhängigen Messung In vielen Wirtschaftszweigen ist es üblich, dass die Qualität der Produkte anbieterunabhängig gemessen, bewertet bzw. je nach Art des Produkts ,,getestet‘‘ wird. Die Messung medizinischer Qualität im QSR-Verfahren über die administrativen Daten, die zu Abrechnungszwecken von den Kliniken an die Kassen übermittelt werden, ist eine solche anbieterunabhängige Messung. Sie kann selbständig durch die Krankenkassen erfolgen, Themen und Indikatoren können dabei unabhängig von der Anbieterseite gewählt werden. Auch die Messung mittels der German Inpatient Quality Indicators (G-IQI) im Rahmen der Initiative
T. Mansky, U. Nimptsch Qualitätsmedizin (IQM) erfolgt anhand der Daten nach § 21 anbieterunabhängig [31]. Die Auswertungen der externen stationären Qualitätssicherung nach § 137 SGB V erfolgen zwar ebenfalls nicht durch die Krankenhäuser selbst, aber die (für diesen Zweck separate) Datenerfassung und Datenvorbereitung erfolgt durch die Anbieter. Zudem hat die Anbieterseite über die Selbstverwaltung einen bestimmenden Einfluss auf die Themenbzw. Indikatorenauswahl. Deshalb sind die auf diesem Verfahren beruhenden Vergleichsportale zwar im Reporting, aber nicht in der Indikatorendefinition oder der Messung anbieterunabhängig. In den USA gibt es weitere Möglichkeiten der anbieterunabhängigen Qualitätsmessung. Dort ist der MEDPARDatensatz von Medicare [32], der zwar nur Daten von Medicare-Versicherten enthält, technisch aber ansonsten weitgehend den sogenannten DRG-Daten nach §21 KHEntgG entspricht, für die klinikbezogene Auswertung freigegeben. Dieser Datensatz ist um die Information zum Zeitpunkt des Versterbens bis zu drei Jahre nach dem Krankenhausaufenthalt erweitert. Er bietet damit zwar nicht so weitreichende Möglichkeiten wie die sektorübergreifenden QSR-Daten, ermöglicht aber die Messung zeitlich standardisierter Sterblichkeiten. Dieser Datensatz wird in den USA sowohl von privaten Organisationen (z.B. Healthgrades, US News and World Report) als auch von verschiedenen Bundesstaaten für die anbieterunabhängige Messung von Qualität genutzt. In Deutschland können die DRG-Daten nach §21 KHEntgG, die vom Statistischen Bundesamt für anonymisierte Auswertungen zur Verfügung gestellt werden [33], für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden. Eine Offenlegung der Ergebnisse von einzelnen Kliniken ist jedoch aus Datenschutzgründen nicht möglich (der Datenschutz der Institutionen hat damit faktisch Vorrang vor Patienteninformation und Patientenschutz). Derzeit wird versucht, die erste flächendeckende anbieterunabhängige Messung mit dem QSR-Verfahren auf juristischem Wege zu verhindern [34]. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Ansinnen Erfolg hat. Falls ja, würde dies aus Sicht der Autoren eine Gesetzesänderung erforderlich machen. Ein Ergebnis, das eine von allen anderen Wirtschaftszweigen abweichende Sondersituation schafft, wäre aus unserer Sicht ordnungspolitisch kaum vertretbar.
Datensparsamkeit — Verwendung administrativer Daten Routinedaten oder besser administrative Daten werden im Rahmen der Leistungserbringung und -abrechnung generiert. Ihre Verwendung für die Qualitätsmessung entlastet das klinisch tätige Personal von zusätzlichen Dokumentationsaufgaben. Die Eignung von Routinedaten für die Qualitätsmessung wurde schon früh auch im Vergleich zu sogenannten ,,klinischen Daten‘‘ gezeigt [35—37]. Bei der Auswertung sind jedoch Besonderheiten zu beachten. Für klinisch und abrechnungstechnisch nicht oder im Vergleich zur Haupterkrankung nur wenig relevante Merkmale, wie z.B. bestimmte Nebendiagnosen, ist mit einer Untererfassung zu rechnen. So werden beispielsweise
Medizinische Qualitätsmessung im Krankenhaus — Worauf kommt es an? passagere, erfolgreich behandelte Harnwegsinfekte durch Katheterisierung, die keinen wesentlichen Einfluss auf den klinischen Verlauf hatten, bei schwereren Grunderkrankungen unterkodiert sein. Auch sind die Besonderheiten der Kodiersysteme zu beachten. Wer beispielsweise versucht, Krankenhausfälle mit der Diagnose Hirninfarkt (ICD I63) zu zählen und dabei missachtet, dass es auch die Kategorie ,,Schlaganfall, nicht als Blutung oder Infarkt bezeichnet‘‘ (I64) gibt, läuft Gefahr, die Zahl der Fälle zu unterschätzen. Es gilt also auch hier der Grundsatz ,,Wer eine Frage falsch stellt, bekommt eine falsche Antwort‘‘. Da technisch auch nicht-sinnvolle Auswertungen möglich sind und der Computer dafür Ergebnisse liefert, ist besondere Vorsicht angebracht. Bei Beachtung der Besonderheiten und adäquatem Umgang damit lassen sich aber sinnvolle Qualitätsmessungen mittels der administrativen Daten durchführen [15,21,24—26]. Der Nutzen der Routinedaten für die Qualitätsmessung lässt sich wesentlich verbessern, wenn qualitätsrelevante Sachverhalte in die Kodierung übernommen werden. Es seien hier exemplarisch einige Beispiele genannt: • Das TNM-Tumorstadium und der Resektionsstatus ließen sich über die ICD insbesondere zur Qualitätsmessung bei Tumoroperationen kodieren (entsprechende Anträge beim DIMDI wurden bislang nicht berücksichtigt [38]). • Für viele Krankheiten, die sowohl vor Einweisung bestehen als auch als Komplikation im Krankenhaus auftreten können, wäre die Erfassung eines sog. ,,Present on Admission‘‘ (POA) Kennzeichens sinnvoll (entsprechende Anträge beim DIMDI wurden bislang nicht berücksichtigt [38]). • In der Frührehabilitation wären Qualitätsmessungen beispielsweise durch eine präzisere Erfassung des Barthelund/oder FIM-Index (siehe ICD U50 bis U52) bei Aufnahme und Entlassung möglich (entsprechende Anträge beim DIMDI wurden bislang nicht berücksichtigt [38]) • Bei wesentlichen Implantaten (Risikoklasse III) wäre die auf einfache Weise mögliche Erfassung von Implantattyp, Hersteller und Seriennummer sinnvoll [27]. Es könnten also mit administrativen Daten auf einfache Weise weit mehr qualitätsrelevante Sachverhalte ausgewertet werden als derzeit möglich. Allerdings sind hinsichtlich solcher Erweiterungen Widerstände zu überwinden. Da mit einer Verbesserung der Routinedaten-Methodik immer auch eine Verbesserung anbieterunabhängiger Auswertungsmöglichkeiten verbunden ist, setzt die Gegenwehr häufig bereits bei der Methodik an. Mit administrativen Daten können viele Indikatoren gemessen werden. Dies bedeutet nicht, dass dadurch separate Datenerfassungen für detailliertere Fragestellungen oder Aspekte, die mit Routinedaten nicht abgebildet werden können (z.B. Patient-reported Outcomes wie Lebensqualität oder Schmerzen), überflüssig würden. Angesichts der unterschiedlichen Anwendungszwecke wird es ein Nebeneinander von auf spezifischen Datenerfassungen basierenden Qualitätsmessinstrumenten und Auswertungen auf der Basis vorhandener Routinedaten geben. Es ist aber im Sinne der Datensparsamkeit im Einzelfall kritisch zu prüfen, ob eine aufwändige bundesweite Separaterfassung in einem vernünftigen Verhältnis zum messbaren Ergebnis und den
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daraus ableitbaren Konsequenzen steht. Im Falle des eingangs erwähnten Beispiels der Schrittmacherwechsel stellt sich z.B. die Frage, ob die 10, zu veröffentlichenden, ausschließlich auf Reizschwellen/Amplitudenbestimmungen zielenden Indikatoren der externen Qualitätssicherung erforderlich sind oder ob nicht im Sinne der Ergebnisorientierung Indikatoren, die beispielsweise auf der Basis von administrativen Daten die ,,Überlebens‘‘- bzw. Standzeiten der Schrittmacher bzw. Schrittmachersonden nach Erstimplantation und Revisionsraten bewerten, für die externe Sicht sogar sinnvoller wären. Die Erfassung der Reizschwellenbestimmungen könnte dann für die an Prozesskennzahlen interessierten Beteiligten ggf. fachintern und freiwillig erfolgen. In bestimmten Bereichen wird bei einer Ausweitung der Qualitätsmessung eine separate Datenerfassung kaum noch zumutbar sein. Sofern für die Nachverfolgung nach Eingriffen bzw. Erstereignissen beispielsweise Nachuntersuchungen im ambulanten Bereich notwendig werden, ist angesichts der bereits bestehenden bürokratischen Belastungen mit aktivem oder zumindest passivem (z.B. schematisches Ausfüllen der Belege oder Nichtmeldung von Komplikationen) Widerstand zu rechnen. Im Falle von Tumorregistern besteht wegen der für alle Beteiligten nachvollziehbaren Bedeutung eine hohe Akzeptanz für Nachverfolgungen. Diese kann jedoch bei Ausdehnung (bzw. Überdehnung) der Erfassungsverfahren in andere Bereiche nicht in gleichem Maße erwartet werden. Bereits geringe Ausfallraten in der Nachverfolgung würden bei niedrigen Ereignisraten (z.B. Komplikationen) die Brauchbarkeit der Datenerfassung stark einschränken. Nach Einschätzung der Autoren wird daher eine flächendeckende, vollständige Erfassung von Langzeitergebnissen überwiegend nur mit administrativen Daten möglich sein. Es empfiehlt sich möglicherweise, diese Methodik u.a. über die genannten Modifikationen der Kodierungsmöglichkeiten zu verbessern, statt eine schwer umsetzbare flächendeckende Nacherfassung mit Erhebungsdaten anzustreben. Eine Langzeit-Ergebnismessung mit administrativen Daten kann derzeit nur von den Krankenkassen umgesetzt werden. Es wäre wünschenswert, dass neben den Krankenkassen auch andere Einrichtungen Zugriff auf diese Daten erhalten. Auch die bundesweite Zusammenführung dieser Daten wäre erforderlich. Die Neuregelung der § 303a-e SGB V kann diese Forderung nicht abdecken, da sie nicht die für die genannten Qualitätsmessungen erforderlichen Daten enthält [39]. Im Bereich der externen stationären Qualitätssicherung nach § 137 SGB V wird derzeit die Nutzung von Krankenkassendaten zur sektorenübergreifenden Qualitätsmessung auf der Grundlage des neu geregelten § 299 SGB V vorbereitet [40]. Die Forderung nach einer umfassenden, wissenschaftlich zugänglichen Datenbasis wird damit allerdings nicht erfüllt, da in diesem Verfahren nur eng umschriebene Auszüge aus den Kassendaten für vorher in den gesetzlichen Qualitätssicherungsverfahren und damit in der Selbstverwaltung festgelegte Fragestellungen zur Verfügung stehen werden. Unabhängige (Weiter-)Entwicklungen (siehe z.B. QSR oder G-IQI), die bisher mittelbar auch die gesetzlichen Verfahren befruchtet haben, sind damit nicht möglich.
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Risikoadjustierung Die Ergebnisse medizinischer Qualitätsmessungen hängen nicht nur von Faktoren ab, die durch den Leistungserbringer beeinflussbar sind. Risikoadjustierungsverfahren werden angewendet, um medizinische Qualität unabhängig von Faktoren beurteilen zu können, die nicht in der Verantwortung des Leistungserbringers liegen (z. B. eine spezielle Fallzusammensetzung in Bezug auf Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen usw) [41]. Für Anwendungszwecke, die primär auf die einrichtungsinterne medizinische Ergebnisverbesserung ausgerichtet sind (Anwendungszwecke 1 und 2) dient die Risikoadjustierung vornehmlich dazu, ,,echte‘‘ Auffälligkeiten mit hoher ,,Trefferquote‘‘ erkennen zu können. Dies ist besonders wichtig, wenn Qualitätskennzahlen als Aufgreifkriterium für weitergehende Fallanalysen, z.B. im Rahmen von Peer Reviews, genutzt werden [22]. Bei Qualitätsmessungen, die dem Public Reporting (Anwendungszweck 3) oder der qualitätsorientierten Vergütung (Anwendungszweck 4) dienen, zielt die Risikoadjustierung darauf ab, einen fairen Vergleich zwischen den Leistungserbringern und damit eine faire Bewertung der Qualität sicherzustellen. Bei der Auswahl der Merkmale, die zur Risikoadjustierung bei Qualitätsmessungen einbezogen werden, muss neben deren Verlässlichkeit (z. B. Vollständigkeit der Dokumentation) auch die inhaltliche Eignung vor dem Hintergrund des Ziels der Qualitätsmessung bewertet werden. Auch die jeweilige Methode der Risikoadjustierung hängt vom Anwendungszweck ab. Im System der German Inpatient Quality Indicators, die für die einrichtungsinterne Qualitätsverbesserung (Anwendungszweck 2) entwickelt wurden, kommen Verfahren der Risikodifferenzierung und -stratifizierung, sowie die Standardisierung nach den in der Regel verlässlich dokumentierten Merkmalen Alter und Geschlecht zur Anwendung [15]. Zum Zwecke des Public Reporting oder der qualitätsorientierten Vergütung kann eine Berücksichtigung weiterer Faktoren notwendig sein. Die betrifft insbesondere Begleiterkrankungen, wenn anzunehmen ist, dass diese unabhängig von Alter und Geschlecht das Ergebnis beeinflussen. In Routinedaten werden Begleiterkrankungen meist über kodierte Nebendiagnosen gemessen. Beachtet werden muss aber, dass damit nicht nur vorbestehende Risikofaktoren, sondern auch Komplikationen abgebildet werden. Eine Adjustierung nach (potenziellen) Komplikationen ist jedoch im Rahmen der Qualitätsmessung nicht zielführend, da so eventuelle Qualitätsprobleme ,,wegadjustiert‘‘ würden. Daneben ist die Verlässlichkeit und Vollständigkeit der Dokumentation von Bedeutung. Wenn bei Qualitätsmessungen auf Klinikebene für kodierte Begleiterkrankungen adjustiert wird und das Kodierverhalten verschiedener Einrichtungen unterschiedlich ist, würde im Extremfall nicht nach der ggf. unterschiedlichen Fallzusammensetzung, sondern nach dem Kodierverhalten der Leistungserbringer adjustiert werden [42]. Auch unerwünschte Verhaltensweisen bei den Leistungserbringern (im Sinne von strategischem Kodieren) sind möglich. Die Einbeziehung sozioökonomischer Merkmale (z.B. Einkommen oder Bildungsstatus) in die Risikoadjustierung einer
T. Mansky, U. Nimptsch medizinischen Qualitätsmessung muss vor dem Hintergrund ethischer Überlegungen sorgfältig abgewogen werden. Prinzipielles Ziel ärztlichen Handelns ist die Sicherstellung einer gleichmäßigen, vom sozialen Status unabhängigen Behandlungsqualität. Eine Adjustierung nach sozioökonomischen Faktoren birgt jedoch die Gefahr, Qualitätsprobleme rechnerisch zu verdecken und damit soziale Ungleichheiten in der Versorgung zu zementieren.
Statistische Grenzen der Messmöglichkeiten Medizinische Qualität kann nur für einzelne Leistungsbereiche sachgerecht beurteilt werden. Gesamtbeurteilungen ganzer Kliniken werden zwar gelegentlich gewünscht, sind aber in der Regel problematisch. Wäre beispielsweise eine Klinik mit überdurchschnittlich guter kardiologischer Versorgung und unterdurchschnittlicher Allgemeinchirurgie bei sonst unauffälligen weiteren Fachbereichen ein ,,mittelgutes‘‘ Krankenhaus? Die Qualitätsmessung für einzelne Leistungsbereiche stößt allerdings häufig auf statistische Grenzen, die insbesondere für die Anwendungszwecke 3 und 4 (Public Reporting und qualitätsorientierte Vergütung) problematisch sind. Bei kleinen Fallzahlen, die angesichts der Vielfalt der Krankheitsbilder in vielen Kliniken vorkommen, werden die Vertrauensbereiche weiter und die statistische Beurteilung damit unsicherer. Sogenannte Funnel-Plots, in denen Menge, Ergebnis (z.B. adjustierte Sterblichkeit) und Streubereiche dargestellt werden, veranschaulichen diese Problematik [43]. Im unteren Mengenbereich (insbesondere bei prozentual niedrigen Ereignisarten, z.B. Komplikationsindikatoren) sind sichere Aussagen darüber, ob ein Klinikergebnis schlechter oder besser als der jeweils gewählte Referenzbereich ist, für einen einzelnen Leistungserbringer kaum möglich. So kann z.B. das Auftreten einer seltenen Komplikation ein Klinikergebnis im Betrachtungszeitraum stark verschlechtern, ohne dabei statistisch auffällig zu sein. Dies ist umso problematischer als (bei aggregierter Betrachtung) Zusammenhänge zwischen Menge und Ergebnis für viele komplexe Leistungsbereiche bekannt sind [44—46]. Über aggregierte Kennzahlen, die Ereignisraten durch Zusammenfassungen (z.B. von unterschiedlichen Komplikationen oder von mehreren Jahrgängen) erhöhen, lässt sich die Nachweisgrenze verschieben, aber nicht beseitigen [47]. Statistisch sicher ermitteln lassen sich vor allem Exzellenzzentren, in denen bei hohen Fallzahlen gleichzeitig überdurchschnittlich gute Ergebnisse erzielt werden. Die statistischen Limitationen, die auch die Justiziabilität von Qualitätsmessungen beeinflussen, müssen bei politischen Entscheidungen hinsichtlich der Einbeziehung von Qualitätsaspekten in Krankenhausplanung und -vergütung berücksichtigt werden. Bei entsprechender Gestaltung wäre aber dennoch über Punktesysteme eine Modifikation der DRG-Vergütung auf der Basis von Qualitätskennzahlen möglich [7]. In den USA werden derartige Systeme bereits eingesetzt [48]. Für ,,Alles-oder-Nichts‘‘-Entscheidungen im Sinne der gelegentlich geforderten ,,Schließung schlechter Krankenhäuser‘‘ sind Qualitätsindikatoren — abgesehen von der Sinnhaftigkeit des Konzepts ,,schlechte Krankenhäuser‘‘ — schon wegen der statistischen Limitationen nicht geeignet.
Medizinische Qualitätsmessung im Krankenhaus — Worauf kommt es an?
Fazit Die Anwendungszwecke der früher vor allem intraprofessionell eingesetzten Qualitätsmessung haben sich erheblich verändert. Qualitätskennzahlen werden nicht mehr nur von den Ärzten für die Eigenkontrolle, sondern auch für die einrichtungsinterne Qualitätsverbesserung und für die öffentliche, vergleichende Qualitätsbeurteilung eingesetzt. Die Anwendung in qualitätsorientierten Vergütungssystemen ist in anderen Ländern bereits im Umsetzungsstadium und wird für Deutschland zumindest politisch diskutiert. Daraus ergeben sich — abhängig vom jeweiligen Anwendungszweck — neue Anforderungen an die Qualitätsindikatoren. Dies findet bisher zu wenig Beachtung. Die derzeitigen Indikatoren der externen stationären Qualitätssicherung nach § 137 SGB V sind für die neuen Anwendungszwecke in vielen Fällen nicht geeignet. Sie sind oft zu detailorientiert und werden hinsichtlich Aussagekraft, Abdeckungsgrad und Manipulationssicherheit den veränderten Anforderungen nicht gerecht. Umfassendere, ergebnisorientierte und weniger manipulationsanfällige Indikatoren sind vielfach aus administrativen Daten ableitbar. Durch überschaubare, gezielte Erweiterungen in der Erfassung dieser Daten ließen sich die Messmöglichkeiten weiter verbessern. Zur Langzeitmessung von Behandlungsergebnissen dürften administrative Daten unter Aufwand-/Nutzen-Gesichtspunkten ferner die einzig flächendeckend realisierbare Messmöglichkeit darstellen. Die Weiterentwicklung der Messverfahren, insbesondere durch Nutzung administrativer Daten, ermöglicht anbieterunabhängige Qualitätsmessungen. Daraus ergeben sich politische Konflikte, die teils offen, teils verdeckt (u.a. im Rahmen der Indikatorenentwicklung) ausgetragen werden (müssen). Jenseits dieser Auseinandersetzungen können aber gerade die neueren Entwicklungen in der ergebnisorientierten Qualitätsmessung nachweislich einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der medizinischen Versorgung leisten, wenn sie im Rahmen des krankenhausinternen Qualitätsmanagements mit dem Ziel der Ergebnisverbesserung eingesetzt werden [20,21].
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Das Fachgebiet Strukturentwicklung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin, in dem Thomas Mansky und Ulrike Nimptsch tätig sind, ist eine Stiftungsprofessur der Helios Kliniken GmbH.
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