Novellierung des Strahlenschutzrechts in Deutschland

Novellierung des Strahlenschutzrechts in Deutschland

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Novellierung des Strahlenschutzrechts in Deutschland Was lange wahrt, wird endlich gut? Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Heftes wird fiir die Novellierung der Strahlenschutzverordnung die abschlieBende Phase beginnen, namlich die Beratung im Bundesrat und, wie zu erwarten, im Vermittlungsausschuss. Gleichzeitig wird voraussichtlich die Rontgenverordnung im ersten verOffentlichten Entwurf vorliegen. Mit dem Inkrafttreten der Verordnung kann dann zur Mitte des lahres gerechnet werden. Damit endet fiir die Strahlenschiitzer unter uns eine iiberraschend lange Zeit der Hoffnung auf Verbesserungen und der Befiirchtung verstarkter Regulierung und weiterer Restriktionen. Obwohl die Kerntechnik vernachlassigbar wenig zur tatsachlichen Gesamt-Exposition der Bevolkerung beitragt, haben die Diskussion urn die Kernenergie und der politische Wille zu ihrer Beseitigung die Novellierung an wichtigen Stellen beeinflusst. Die Folgen werden nicht nur die technischen Anwendungen, sondern auch die Medizin treffen. Hierzu geharen sicherlich die Konsequenzen der Grenzwerte, mit den en das ungeborene Leben geschiitzt werden soIl. Nicht die Einhaltung der Grenzwerte, sondern die Uberwachung und Dokumentation sind hier das Problem. Fiir die Dberwachung von Frauen im gebarfahigen Alter ist bei nicht wenigen Anwendungen ein vielfach haherer Aufwand notwendig als bei Mannern. Die damit verbundenen Einschrankungen von Frauen in Ausbildung und Beruf waren sicherlich eher zu akzeptieren, wenn die neuen Grenzwerte durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse gerechtfertigt waren. Die durch nichts auBer politischen Aktionismus gerechtfertigte Beibehaltung der Organgrenzwerte bedeutet den bewussten Verzicht auf EU-einheitliche Regelungen mit zahlreichen damit verbundenen Nachteilen und Erschwernissen. Ich habe wiederholt erlebt, dass alleine die Erwahnung dieser Grenzwerte auf internationalen Fachveranstaltungen auf unglaubiges Staunen bis hin zur Belustigung stOBt. Ebenfalls von der Kernenergie-Diskussion gepragt ist die Senkung des Richtwertes fiir die Storfallplanung. Auch wenn hier die endgiiltige Festlegung und Forrnulierung noch nicht erfolgt sind, sind hierdurch auch Konsequenzen fiir nicht-nukleare Einrichtungen zu erwarten. Der Nachweis, dass die Einhaltung des Wertes von 20 mSv im Notfall gewahrleistet ist, wird auch in der N uklearmedizin erheblichen administrati yen Aufwand und Fachkompetenz erfordern; hier wird den Gutachtern auch auBerhalb der Kerntechnik ein neues Betatigungsfeld erOffnet. Eine aus Sicht des Strahlenschutzes begriiBenswerte Neuerung ist bei konsequenter Umsetzung die Einfiihrung der Referenzwerte fiir diagnostische Strahlenanwendungen. Diese verspricht aus meiner Sicht eine Verbesserung des Schutzes an der Stelle, an der die wesentlichen zivilisatorischen Expositionen tatsachlich auftreten. Die Umsetzung dieses Konzeptes wird sicherlich mit administrativem Aufwand verbunden sein; wenn dieses jedoch von allen Beteilig-

z. Med. Phys. 11 (2001)

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ten ernst genommen wird, wird es zu einer Senkung der Patientenexpositionen beitragen konnen. Bei der Umsetzung der Referenzwerte ist die DGMP zur Mitwirkung in der Ausbildung, Technik und all tag lichen Praxis gefordert. Hierzu gehort nicht zuletzt auch die sachgerechte Kommunikation mit dem Patienten, die seiner Verunsicherung aber auch der Fehlinterpretation der Referenzwerte als Grenzwerte vorbeugen muss. Auch die geplanten Vorschriften zu neuen Aufgaben des Medizinphysikers in der Diagnostik versprechen eine Chance zur Steigerung von Qualitat und Sicherheit. Hier zahlen sich jahrelange nationale und internationale Bemiihungen urn Ausbildung und Anerkennung des Medizinphysikers aus. Kurzfristig ergibt sich Handlungsbedarf aus den neuen Definitionen von Strahlenschutzbereichen; die Grenze des Uberwachungsbereichs beispielsweise verschiebt sich von 5 mSv/a zu I mSv/a. Die sicherlich sinn volle Moglichkeit zur Beriicksichtigung realistischerer Expositionsbedingungen bedeutet in der Medizin kaum Erleichterung, da hier die Grenzen der Bereiche oft in hoherem MaBe ausgeschopft werden als bei den meisten technischen Anwendungen. Verscharft wird die Situation durch die gleichzeitige Einfiihrung der "neuen" StrahlenschutzmessgroBen, die sich besonders in der Rontgendiagnostik auswirken wird. Die Konsequenzen dieser Neuerungen konnen fiir manchen Strahlenschutzbereich sehr aufwendig, d. h. kostenintensiv, sein. Weniger folgenschwer sind die Regelungen zum Personenschutz, die Senkung der Grenzwerte wird in der Medizin nur geringe Auswirkungen haben. Lediglich die Definition der Kategorien beruflich exponierter Person en kann bei der notwendigen Uberpriifung durch den Strahlenschutzbeauftragten in Einzelfallen zu einer Neueinstufung, das heiBt zu zusatzlichen arztlichen Untersuchungen fiihren. 1m operationellen Strahlenschutz steht die ab jetzt obligatorische Erarbeitung von Strahlenschutz-Anweisungen fiir aile Arbeitsplatze an. Hierdurch werden klarere und damit besser strukturierte Prozesse im Strahlenschutz gewahrleistet. Die derzeitigen halbjahrlichen Belehrungen werden kiinftig durch jahrliche Unterweisungen ersetzt; dies ist eine iiberfalIige Anpassung an die Regelungen des Arbeitsschutzes. Fiir die Zukunft wiinsche ich mir sowohl bei der Umsetzung der neuen Vorschriften als auch bei der fachkundigen, praxisorientierten Mitgestaltung des kommenden untergesetzlichen Regelungswerks eine verbesserte Kooperation der Fachleute aus allen betroffenen Gesellschaften und Verbanden zur Verbesserung des Schutzes der beruflich exponierten Personen, eventuell auch der Patienten. Ein gemeinsames Vorgehen ist eine Chance fiir praxisnahe Regelungen und fiir eine stellenweise erhebliche Arbeitsersparnis durch einen Transfer von Erfahrungen. Klaus Henrichs, Miinchen