= = = = = = = = = ANNALS Of ANATOMY = = = = = = = = = Professor Heinz Rollhauser zurn 75. Geburtstag
Am 13. August 1994 feiert der emeritierte ordentliche Pro fessor fur Anatomie Dr. Heinz Rollhauser seinen 75. Geburtstag. In Schwanheim bei Frankfurt 191 9 gebo ren, besuchte er da s Realgymnasium in Kiel bis zum Abitur 1938. Vorklinisches Studium in Jena und Kiel, ab 1941 klinisches Studium in Mtinchen bis zur Einberufung zum Kriegsdienst bei der Marine im Juli 1941 . Ab Juli 1942 konnte er das Medizinstudium als Sanitatsoffiziersanwarter der Marine in Freiburg /Brsg. fortsetzen. Von April bis November 1943 war er "Hilfsarzt" bei einer Minen suchflottille. 1m Oktober 1944 bestand er das Staatsexamen und promo vierte gleichzeitig mit einer Dissertation "Uber Gestalt und Bedeutung der Herzohren", die er schon wah rend seines Kieler Studiums im Institut von Benninghoff begonn en hatte, Nach dem Staatsexamen war er bis zu seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst im Marz 1946 Stat ionsar zt im Marinelazarett in Mtirvik.
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Ann Anat (1994) 176: 297 - 299 Gustav Fischer Verlag lena
Jetzt beginnt Rollhausers anatomische Laufbahn. Er wird Assistent bei Alfred Benninghoff am Anatomischen Institut in Marburg. Noch im September 1946 nimmt er mit einem Vortrag tiber " Die experimentelle Beeinflussung der Dehnbarkeit des Bindegewebes" an der ersten Nachkriegsversammlung der Anatomischen Gesellsehaft teiI. Von Oktober 1948 bis November 1949 verbringt er ein Forschungsjahr in den Vereinigten Staaten. Er gehort dam it zu den ersten deutschen Wissenschaftlern, die nach dem 2. Weltkrieg Gelegenheit hatten, das amerikanische akademische Leben kennenzulernen. Er arbeitet zunachst am Wistar Institute of Anatomy in Philadelphia, das zweite halbe Jahr an der University of Seattle. Auf dem KongreB der amerikanischen Anatomen 1949 in Philadelphia halt er einen Vortrag tiber die Feinstru ktur des Kollagens. Wahrend dieser Amerikazeit heiraten Herr Rollhauser und Frau Dr. rer. nat. Johanna ter Horst. Die beiden kennen sich schon aus Marburg; Frau ter Horst war eben falls Assistentin bei Benninghoff. Zuruck in Marburg habilitiert er sich bald (November 1950) und wird zum Oberassistenten ernannt; 1956 erfolgt die Ernennung zum apI. Professor. 1m Juni 1958 wird er auf den a. o. Lehrstuhl fur Anatomie in GieBen berufen und noch im November 1958 - nach Weggang von Emil Tonutti nach Bonn - zum komm. Direktor des Institutes ernannt, worauf ein Jahr spater die Berufung auf den o. Lehrstuhl in GieBen erfolgt. Herr Rollhauser wird in GieBen mit einer doppelten Aufbauaufgabe konfrontiert. An der Justus-Liebig-Hochschule in GieBen bestand bis 1958 nur die Moglichkeit des klinischen Medizinstudiums. Erst 1958 wird die vorklinische Ausbildung etabliert. Ein anatomischer Unterricht muB damit vollig neu erstellt werden . Neben dem Aufbau seiner eigenen Forschungsarbeiten im Institut fallt Herrn Rollhauser so rnit die Aufgabe der Einrichtung einer anatomischen Ausbildung in GieI3en iiberhaupt zu . Dartiber hinaus mul3 er im Rahmen der Aufbauarbeiten einer Vorklinik eine ganze Reihe von Fakultatsaufgaben iibernehmen, bis die medizinische Fakultat den jungen Ordinarius schlieBlich schon 1963 zum Dekan wahlt . Irn April 1965 wird er auf den Lehrstuhl fur Anatomie in Munster berufen. Er wird in Nachfolge von Hellmut Becher Direktor eines erst ktirzlich erbauten Institutes, des damals sicher schonsten Anatomischen Institutes in ganz Deutschland . Damit kommen neue Aufgaben, darunter wieder umfangreiche Organisationsaufgaben auf ihn zu. Von 1966 bis 1970 gehort er dem Vorstand der Anatomischen Gesellschaft an und leitet die Versammlung der Anatomischen Gesellschaft
als Vorsitzender 1967 in Marburg. In Munster ist er Vorsitzender des Ausschusses fur die arztliche und zahnarztliche Vorprufung, muB schon ab Oktober 1967 wiederum das Amt des Dekans der Medizinischen Fakultat ubernehmen. Unmittelbar anschlieBend wird er im Oktober 1968 zum Rektor der Westfalischen-Wilhelms-Universitat Munster gewahlt. Er behalt dieses Amt bis Dezember 1970. Herr Rollhauser hat die Aufgaben, die ihm mit diesen hohen akademischen Amtern zufielen, sehr ernst genommen, gewissenhaft und mit Engagement erfullt, Sein Amt als Rektor am Ende der 60er Jahre fiel in die Zeit der Studentenrevolte. Oberall an deutschen Universitaten wurden alte Organisationsstrukturen in Frage gestellt, niedergerissen und zum Teil sehr hastig durch unuberlegte neue Strukturen ersetzt. Dem Rektor Rollhauser ist in Munster ein beispielhafter KompromiB in der Bewahrung des Alten und der Einbeziehung des Neuen gegluckt, Die unter seiner Agide entstandene Universitatsverfassung nahm wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten in die BeschluBorgane der Universitat auf, konnte aber gleichzeitig die Struktur der alten Universitat und ihrer Fakultatengliederung (auch wenn sie jetzt Fachbereiche heiBen) erhalten. Die Munsteraner Universitatsverfassung hat sich bewahrt. Uberblickt man Rollhausers Zeit von Beginn seiner Berufung in GieBen bis zum Ende seines Rektorats in Munster, dann waren dies zwolf Jahre (dies waren sein 39. bis 51. Lebensjahr), die ubervoll angefullt waren mit Aufbauarbeiten und mit Aufgaben der akademischen Selbstverwaltung auf allerhochster Ebene. Dies verbrauchte viel Kraft seiner besten Jahre. 1974 wurde ihm in Anerkennung seiner Verdienste das GroBe Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Damit war es nicht getan. Bis zu seiner Emeritierung in 1984 hat er neben seinen Institutsverpflichtungen eine Vielzahl an universitaren und auberuniversitaren Aufgaben ubernommen; genannt seien davon nur: Fachgutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Vertrauensdozent der Studienstiftung des Deutschen Volkes, und schlief3lich hat ihn die Medizinische Fakultat Munster 1980/81 nochmals zu ihrem Dekan gewahlt. Zuruck zu dem Hochschullehrer Rollhauser. Rollhauser war ein begnadeter Lehrer. Er kam aus der Benninghoffschen Schule. Die Anatomie war kein beschreibendes trockenes Fach, im Gegenteil: Rollhausers Vorlesungen gewannen ein ungekanntes MaB an Lebendigkeit durch eine konsequent funktionelle Betrachtungsweise der anatornischen Fakten. Seine Testate in den anatomischen Kursen, fur die er sehr viel Zeit hergab, waren offene Diskussionen, Lehrgesprache mit den Studenten. Er setzte selbstverstandlich voraus, daB ein Student den Stoff fur ein Testat gelernt habe, so daB man sich in dem Testat gemeinsam mit der Problematik des Stoffes auseinandersetzen konne, Das Testat als eine simple Uberprufung, ob ein Student den Stoff gelernt hat oder nicht, war ihm zuwider, war ihm zu wenig, er wollte tiber den Stoff diskutieren, dabei zum Denken anregen und selbst dazulernen. Ungenugend vorbereitete Studenten konnte er nur schwer ertragen, dies war
fur ihn im Rahmen eines akademischen Studiums schlicht inakzeptabel. Herr Rollhauser nahm seine Lehraufgaben sehr ernst, sie rangierten fur ihn im Berufsbild eines Hochschullehrers ("die Berufsbezeichnung ist nun mal Hochschullehrer und nicht Hochschulforscher") an erster Stelle. Sie muBten mit Niveau, Anstand und VerantwortungsbewuBtsein erfullt werden. Damit verdiente man sich das Privileg, mit staatlichen Geldern forschen zu durfen, Diese Einstellung erwartete er selbstverstandlich auch von seinen Mitarbeitern. In seinen Forschungsaktivitaten hat Herr Rollhauser sehr fruhzeitig gesehen, daB die Anatomie in klein ere Dimensionen vordringen muB. Der Wunsch, die funktionellen Eigenschaften eines Gewebes zu verstehen, fuhrte ihn gradlinig zu der Einsicht, daB ein echtes Verstandnis dafur nur uber die Kenntnis der submikroskopischen Struktur eines Gewebes moglich sein wurde, Der Begriff "submicroscopical" taucht schon 1949 in einer seiner Publikationen tiber den Aufbau des Kollagens auf. Gestutzt auf polarisationsmikroskopische Untersuchungen widmete er sich in seinen ersten Jahren in Marburg und wahrend seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten dem submikroskopischen Aufbau von Kollagen, von Sehnengewebe, von Basalmembranen. Diese Art der Betrachtungsweise fuhrte ihn schlieJ3lich zur Niere. Seine 1956er Arbeit in der Zeitschrift fur Zellforschung uber "Polarisationsoptische und histochemische Untersuchungen uber die Feinstruktur des Nephrons und ihre Beziehung zur Nierenfunktion" kann als eine der allerersten Arbeiten gelten, in denen versucht wurde, Transportvorgauge auf submikroskopischer Ebene zu erklaren. Sein funktioneller Anspruch fuhrte ihn zu Experimenten, deren Ziel war, die Ausscheidungsfunktion der Niere auf zellularer Ebene besser zu verstehen. Seine Untersuchungen zur Phenolrotausscheidung in der Niere (begonnen noch wahrend seiner Marburger Zeit, fortgefuhrt in Gielien) waren fur die damalige Zeit in zweifacher Hinsicht neu: Zum einen war die zellulare Betrachtungsweise revolutionar: Wo liegt der aktive Schritt bei diesem transzellularen Transportvorgang, an der apikalen oder an der basolateralefi Zellmembran? Welche Zelloranellen sind daran beteiligt? Solche Fragen an die Niere hat damals noch kein Physiologe gestellt; das "double membrane"-Modell fur die Na + -Reabsorption in der Froschhaut von Koefoed-Johnson und Ussing stammt aus dem Jahr 1958. Revolutionar waren Rollhausers Untersuchungen aber auch im Hinblick auf die Lokalisation eines Ausscheidungsvorganges in der Niere. Abgesehen von der Filtration im Glomerulus stellen seine Ergebnisse die erste eindeutige Zuordnung eines Transportvorganges zu einem bestimmten Nephronsegment dar. Diese Betrachtungsweise sollte dann in den 60er und 70er Jahren in den nierenphysiologischen Laboratorien der gesamten Welt eine Blutezeit erreichen. Es wird Herrn Rollhauser freuen zu erfahren, daB ein Doktorand aus seinem Institut in Munster, Hermann Koepsell, das Transportprotein, den .Anionentransporter" fur die Ausscheidung des Phenolrots und anderer Xenobiotika in diesem Jahr kloniert hat; damit ist eine Charakterisierung dieses Transportes und dessen Regulation auf molekularer Ebene moglich geworden.
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Die uberraschenden Befunde uber das Muster der Phenolrotausscheidung in der Niere und die damit aufgetretenen Schwierigkeiten, den zeitlichen Ablauf der Ausscheidung zu erklaren, fuhrten sehr schnell zur Erkenntnis, daB selbst der mikroskopische (also nicht nur der submikroskopische) Aufbau der Niere fur eine funktionelle Betrachtungsweise unzulanglich bekannt war, und daB damit, zumindest parallel zu einem zweiten Schritt, ein erster notwendig war. Das Rollhausersche Institut begann sich urn offene Fragen im mikroskopischen Aufbau der Niere zu kummern. Analysiert wurde die Gefafiarchitektur der Niere und die histotopographischen Beziehungen der verschiedenen Nephronabschnitte zu den Gefallen. Damit wurde die Grundlage fur ein besseres Verstandnis der intrarenalen Durchblutung und der moglichen Interaktionen zwischen BlutfluB und HarnfluB in der Niere geschaffen. Das Schema aus der Rollhauserschen Arbeit "Das Gefaflsystem der Rattenniere" (publiziert 1964 in der Zeitschrift fur Zellforschung) wurde unzahlige Male reproduziert und ist auch heute noch in vielen Darstellungen uber den morphologischen Aufbau der Niere zu finden. Die Bearbeitung der offenen submikroskopischen Fragen hat Herr Rollhauser den Aufgaben der akademischen Verwaltung, die ihn so fruhzeitig und so umfassend in die Pflicht genommen haben, geopfert. Fur den wissenschaftlichen Fortschritt war dies ein herber Verlust. Herr Rollhauser ist ein freundlicher Mensch. Freundlichkeit ist eine moderne Tugend. Nach Bert Brecht ist sie die notwendigste Tugend fur ein gutes Zusammenleben in einem modernen Staat. Freundlichkeit ist die maBhaltende Tugend, zu ihr gehort auf der einen Seite die Akzeptanz der Distance, auf der anderen Seite die der Solidaritat, Es gehort dazu die Fahigkeit und Bereitschaft zu einer lebenslangen Selbstkri-
tik. Lange vor jedem Knall setzte sich bei Herrn Rollhauser meist die Einsicht durch, daB die Angelegenheit so ernst denn doch wieder nicht sei. Diese Grundeinstellung fuhrt zwangslaufig zu einer ironisch gefarbten Lebensanschauung, die das Leben ein wenig leichter macht. Wir erinnern uns beide sehr lebhaft an eine Erzahlung von Herrn Rollhauser aus seiner Assistentenzeit in Marburg. Wohl urn die Starrheit des damaligen akademischen Lebens zu ertragen (dies ist unsere Interpretation), hatten Assistenten verschiedener Institute ein Wurfelspiel mit dem Titel "Hochschullehrerlaufbahn" erfunden. Darin gab es Nummernfelder mit folgenden Beschreibungen: "Eine wesentliche wissenschaftliche Arbeit in einer internationalen Zeitschrift publiziert, ein Punkt vorwarts; der Gattin des Chefs bei passender Gelegenheit Rosen geschenkt, funf Punkte vorwarts; dem Ordinarius widersprochen zehn Punkte zuruck", Die Freude an dem Witz dieses Spiels kennzeichnet eine Facette der Rollhauserschen Personlichkeit. Selbstverstandlich hat er andere: den tragischen Ernst des Lebens kannte er schon aus der Kriegszeit, aber daruber sprach er nicht, das ist seine Sache. 75 Jahre sind noch kein biblisches, aber doch ein hohes Alter. Voltaire soli gesagt haben, daB "das Alter fur Unwissende wie ein Winter, fur Gelehrte jedoch Weinlese und Kelter" sei. Naturlich gilt dies nur, wenn es ein einigermaBen gesundes ist. In diesem Sinne, lieber Herr Rollhauser, ein Prosit zu Ihrem 75. Geburtstag, ein Prosit auch Ihnen, Frau Rollhauser!
Wilhelm Kriz Heidelberg
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Pablo Santamaria Munster