J. inorg,nucl,Chem., 197I, Vol.33, pp. 3227to 3232. PergamonPress. Printedin Great Britain
UNTERSUCHUNG DER BEI DER WECHSELWIRKUNG VON HOCHENERGETISCHEN PROTONEN MIT TANTALKERNEN ENTSTEHENDEN LANTHANIDRU CKSTOf3PRODUKTEII BILDUNGSQUERSCHNITTE DER L A N T H A N I D E N BEI 19 GeV PROTONENENERGIE B. N E I D H A R T und K. B,~,CHMANN Lehrstuhl fiir Kernchemie, Technische Hochschule Darmstadt
(First received 20 January 1971 ; in revised form 12 February 1971) Zusammenfassung-Tantalfolien wurden mit 19 GeV Protonen bestrahlt und nach chemischer Isolierung tier einzelnen Seltenen Erden unabh~ingige oder kumulative Wirkungsquerschnitte ffir die Bildung yon ca. 30 Lanthanidnukliden bestimmt. Die experimentell ermittelten cr-Werte werden mit theoretischen cr-Werten verglichen, die unter Verwendung der Rudstamschen Spallationsformeln berechnet wurden. Durch geeignete Wahl der Parameter wird fiir die Ladungsverteilung von EuIsotopen gute Ubereinstimmung erzielt. Die berechnete Massenausbeutekurve weicht yon dem experimentell bestimmten Kurvenverlauf erheblich ab. Spailation als Bildungsmechanismus fiir die untersuchten Nuklide ist unwahrscheinlich. Es wird angenommen, dal3 bei 19 G e V Protonenenergie die Lanthanidnuklide Restkerne yon Fragmentierungsreaktionen am Tantal sind. Die Ladungsverteilung fiir diese Restkerne kann durch Gaussverteilungen beschrieben werden. A b s t r a c t - F o i l s of tantalum were irradiated using 19 GeV protons, and the rare earth elements were chemically isolated. The independent or cumulative cross-sections for the formation of about 30 nuclides were determined. The experimentally measured tr-values are compared with the theoretical tr-values which have been calculated using the Rudstam spallation formulas. Good agreement has been obtained for the charge dispersion of the Eu-isotopes by variation of the parameters. However, the calculated yield-vs.-mass curve disagrees with the experimentally determined curve. It is unlikely that the nuclides in question are formed by spallation. It is assumed that (at 19 G e V proton energy) the rare earth nuclides are residual nuclei of a fragmentation process. The charge dispersion of the residual nuclei is described by a Gaussian distribution.
EINLEITUNG
DAS Modell der Hochenergiekernreaktion von Serber[1] unterscheidet drei m6gliche Mechanismen, nach denen Produkte durch Reaktion von Targetkernen mit hochenergetischen Teilchen gebildet werden k6nnen: trifft ein hochenergetisches Proton auf einen Targetkern, so reagiert es mit einzelnen Nukleonen des Kerns und gibt seine kinetische Energie durch Zusammenst6Be mit einzelnen Nukleonen ab. Die so angeregten Nukleonen iibertragen einen Teil ihrer Energie auf andere Nukleonen, und es entsteht eine Kaskade von Zusammenst~Ben, die zu Kernen rnit hoher Anregungsenergie fiihrt. W~hrend dieses ersten Reaktionsschritts werden Protonen, Neutronen, a-Teilchen sowie andere leichte Kerne emittiert, oder der Kern zerplatzt in mehrere Fragmente. Dieser Prozess I. R. Serber, Phys. Rev. 72, 1114 (1947). 3227
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B. NEIDHART und K. BACHMANN
wird Fragmentierung genannt. Durch die schnelle Kaskade entsteht ein Restkern, auf den die verbliebene Anregungsenergie gleichm~ifligverteilt ist. Die Anregungsenergie wird in einem zweiten Reaktionsschritt durch Verdampfung von Nukleonen oder leichteren Kemen abgegeben. Dieser Verdampfungsschritt wird als Spallation bezeichnet. Besitzt der Restkem geniigend Anregungsenergie, so kann er wiihrend der Verdampfung spalten. Eine theorefische Behandlung dieser Prozesse ist schwierig, da die hohen Bombardierungsenergien zu einem komplexen Spektrum an Kemen und Anregungsenergien fdhren. Dutch Anpassung an vorhandene experimentelle Daten hat Rudstam[2, 3] Formeln entwickelt, mit denen man Spailationsquerschnitte in guter N~iherung berechnen kann. Die Giiltigkeit dieser Spailationsgleichungen wurde yon den Autoren ftir die Wechselwirkung yon Tantal mit 580 MeV Protonen bewiesen [4]. In diesem Teil der Arbeit wird untersucht, ob auch bei 19 GeV Protonenenergie die Wirkungsquerschnitte bzw. die daraus abgeleiteten Ladungsdispersionen sowie Massenverteilungen fiir Lanthanidnuklide, die aus Tantal gebildet werden, mit den Rudstamformeln berechnet werden k6nnen. Als zweiter m6glicher Bildungsmechanismus fiir die Lanthanide wird der Fragmentierungsprozess diskutiert. Die Bildung der Lanthanidnuklide dutch Spaltung ist sehr unwahrscheinlich, da dazu eine sehr stark asymmetrische Spaltung notwendig w~ire. EXPERIMENTELLES Zur Bestimmung tier Wirkungsquerschnitte fiir die Bildung yon Lanthanidnukliden aus Tantal mit ! 9 GeV Protonen wurden Tantalfolien (99,22 mg/cm2) im Protonensynchrotron der CERN bestrahlt. Einzelheiten fiber die Targetanordnung, die ProtonenfluBbestimmung, die Aktivit~tsmessung sowie die chemische Trennung und Analyse sind bereits mehffach beschrieben worden [4-7]. ERGEBNISSE
Die Wirkungsquerschnitte wurden unter Beriicksichtigung verschiedener Korrekturen aus tier Photopeakfl/iche berechnet; die angegebenen Fehler sind von den Autoren in einer friiheren Arbeit ed/iutert worden [4]. Tabelle 1 enth/ilt die mittleren Wirkungsquerschnitte fiir die Bildung von Lanthanidnukliden bei der Wechselwirkung von Tantal mit 19 GeV Protonen. Fiir den a-Zerfall einiger Nuklide in der N/ihe der Isotonen 82 (magische Neutronenzahl) konnte nicht korrigiert werden, da erstens die a-Verzweigungsverh~iltnisse nicht oder nur sehr ungenau bekannt sind und zweitens die Lage der Ladungsdispersionskurven fiir die vodiegenden Versuchsbedingungen unbekannt sind. Man kann nur grob absch~itzen, ob die expefimentell bestimmten cr-Werte dadurch zu hoch oder zu niedrig werden. Das Ergebnis dieser Abschiitzung wird in Tabelle 1 durch Pfeile gekennzeichnet (~ = zu hoch, 1' = zu niedrig). 2. 3. 4. 5. 6. 7.
G. Rudstam, Z. Naturforschung, 21a, 1027 (1966). G. Rudstam, Nucl. Phys. 126A, 401 (1969). B. Neidhart and K. B~ichmann, J. inorg, nucl. Chem. To be published. U. Trabitzsch und K. B~chmann, Radiochim..4 cta, Bd. 16, Hft.l. K. B~ichmann,J. inorg, nucl. Chem. 32, 1 (1970). Nuclear Science Series, NAS-NS 3111.
Untersuchung der bei der Wechselwirkung
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Tabelle 1. Wirkungsquerschnitte fiir die Biidung der Seltenen Erden beider Bestrahlung yon Tantal mit 19 G e V Protonen
Produkt
Art der Bildung*
Wirkungsquerschnitt [ m b ]
Anzahl der Versuche
lUCe la~mCe lagCe ~'~Ce
C C C C
4 4 4 2
14eNd
C
~4TNd mEu ~4aEu 14~Eu 14aEu ~49Eu ~46Gd 14~Gd ~4~Gd l~lGd
lS2Tb h~l"b
C C 1 1 1 1 C C C 1 1 C C C
155Tb
C,I
159~b
I .... C I C 1 C 1 C C, 1 I
13,7 _+2,6 20,9 _+2,7 16,9 _+4,7 2,96 _+0,89 14,8 _+ 1,3 0,012 _+0,006 19,4 _+2,3 ~ 3,4 --+0,4 2,9 -+0,8 1,66 -+ 0,22 0,98 -+ 0,32 17,3 _+3,3 ~ 19,3 _+2,2 ~ 22,2 - 1,8 ~ 1,2 -+0,3 0,8 -+0,2 12,6 _+ 1,5 I' 10,3 -+ 2,7 1' 15,4 -+4,1 I' 5,1 -+1,1 0,66 -+ 0,22 17,4 _+ 1,2 24,1 _+4,6 3,4 _+0,9 17,8 _+ 1,6 2,1 _+0,7 28,7 _+3,4 13,3 _+3,0 39,4 _+4,1 23,4 ---4,4 11,9 ---1,8
XSaGd ISITb
~eeEr ~Tm :~Fm :erl'm l~Tm ~Yb ~gYb 16aLu mLu I~2Lu *C =
5 2 3 3 3 2 2 3 3
3 1 1 3 3 3 2 2 5 4 3 4 4 3 5 4 3 4
kumulativ; 1 = unabh~ngig.
DISKUSSION
Ladungsdispersion Durch die vorgegebenen Versuchsbedingungen konnten bei den hier beschriebenen Experimenten nur Nuklide gemessen werden, deren Halbwertszeit gr~6er als 15 hr ist. Aus diesem Grund war es nicht mtiglich, unabh~ingige Wirkungsquerschnitte ftir die Bildung von mehreren isobaren Produkten zu bestimmen. Gtinstiger liegen die Halbwertszeiten bei einigen Europiumisotopen, fi~r die unabh~ngige Wirkungsquerschnitte gemessen werden konnten. Aus den Rudstamformeln wurden durch Anpassen der Parameter unabh~tngige Wirkungsquerschnitte mit dem Parametersatz aus Tabelle 2 berechnet. Auch der experimentell bestimmte Zusammenhang & = 0,558.cr~ liegt innerhalb der Fehlergrenze des nach Rudstam [2] berechenbaren Wertes. In Abb. 1
3230
B. NEIDHART und K. B)[CHMANN Tabelle 2. Parameter der Rudstamformeln Parameter vorliegende Arbeit Rudstam [2]
d
e
S
T
P
0,485
0,00035
0,054
17,4
0,64
17,4---4,4
0,64---+0,07 0,487___ 0,00041___ 0,054--0,001 0,00003 0,002
I
o~
I
I
146
147
I 148
I
149
150
A
Abb. 1. Isotopenverteilungen fiir Europium (Tantaltarget und 19 GeV Protonen; © experimentell, - nach Rudstam berechnet). werden einige experimentell bestimmte o--Werte mit theoretisch berechneten Werten verglichen. Die gute Obereinstimmung beweist, dab die Isotopenverteilung fiir Europium bei den gew~ihlten Versuchsbedingungen durch eine Gaussverteilung beschrieben werden kann, die auch den Spallationsgleichungen zugrunde liegt. D a die F o r m der Ladungsdispersionskurven von Fragmentierungsprodukten nicht bekannt ist, kann aufgrund des experimentellen Kurvenverlaufs zwischen Spallation und Fragmentierung als Bildungsmechanismen nicht unterschieden werden. Massenausbeutekurven Wie Abb. 1 zeigt, liegen die Maxima der Ladungsdispersionskurven weit auf der neutronenarmen Seite der Linie der/3-Stabilit~t. Aus diesem G r u n d sind die meisten der in diesen Experimenten bestimmten Wirkungsquerschnitte kumulativ; d.h. die in Tabelle 2 mit C bezeichneten Werte sind die Wirkungsquerschnitte fiir die Bildung der gesamten Isobaren. Fiir Nuklide, die n~iher am Maximum der Verteilungskurve liegen und deren tr-Werte nicht dem gesamten Isobarenwirkungsquerschnitt entsprechen, kann nicht korrigiert werden, da die Lage der
Untersuchung der bei der Wechselwirkung
3231
Isobarenverteilungen nicht bekannt ist. Wie Abb. 2 zeigt, gibt es keine Ubereinstimmung zwischen der experimentellen und der mit den Parametern aus Tabelle 2 berechneten Massenausbeutekurve. Aus dem grol3en Unterschied zwischen den experimentellen und den theoretischen kumulativen cr-Werten fiir die Europiumisotope mu6 man schliel3en, dab mit zunehmender Ordnungszahl der Nuklide 1. die Ladungsverteilung breiter wird 2. das Maximum tier Ladungsverteilung in der HShe stark zunimmt 3. nur eine geringe Verschiebung des Maximums in Richtung aufdie Linie der /3-Stabilitiit effolgt. All diese Effekte kSnnen aber mit den SpaUationsformeln nur richtig effaBt werden, wenn man fiir jede Ladungsdispersionsberechnung andere Parameter IOC
E
t....a I
b
I
I'01
I 140
J 150
I 160
170
Abb. 2. Massenausbeutekurven fiir die Bildung der Lanthaniden aus Tantal mit 19 GeV Protonen. (© experimenteU, - nach Rudstam berechnet).
verwendet. Die Massenausbeutekurven fur Spallationsprodukte kfnnen jedoch bei festgesetzten Versuchsbedingungen mit einem einzigen Parametersatz richtig berechnet werden. Das bedeutet, dab die experimentell bestimmte Massenausbeutekurve keine Ausbeutekurve fiir reine Spallationsprodukte sein kann, so dal3 Fragmentierung als Bildungsmechanismus fiir die Lanthanide aus Tantal bei 19 GeV Protonenenergie in Betracht gezogen werden mul3. Nur bei Produktmassen A > 158 tiegen die experimentellen cr-Werte auf der berechneten Kurve. Aber gerade fiir dieses Gebiet hat Rudstam die Giiltigkeit seiner Gleichungen ausgeschlossen. In Abb. 3 sind zum Vergleich einige Massenausbeutekurven fiir alas Gebiet der Seltenen Erden dargestellt, wie sie bei der Kernreaktion yon Tantal mit Protonen unterschiedlicher Energie erhalten werden. Man sieht
3232
B. N E I D H A R T und K. B A C H M A N N
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A Abb. 3. Massenausbeutekurven fiir die Wechselwirkung von Tantal mit Protonen verschiedener Energien [GeV]. (a) W. E. Nervik und G. T. Seaborg, Phys. Rev. 97, 1092 (1955); (b) B. Neidhart und K. B~ichmann, J. inorg, nucl. Chem. To be published; (c) J. R. Grover, Phys. Rev. 126, 1540 (1962); (d) vorliegende Arbeit.
deutlich den Unterschied zwischen den Spallationskurven bei 340 und 580 MeV und den Fragmentierungskurven bei 5,7 und 19 GeV.
Schluflfolgerungen Die unabh~ingigen Bildungsquerschnitte yon Europiumisotopen kiSnnen fiir die Wechselwirkung von Tantal mit 19 GeV Protonen mit Hilfe der Rudstamformeln berechnet werden. Die mit den gleichen Parametern berechnete Massenausbeutekurve ist jedoch nicht in Obereinstimmung mit der experimentell bestimmten Massenausbeutekurve. Daraus wird geschlossen, dab bei 19 GeV Protonenenergie die Lanthaniden keine reinen Spallationsprodukte des Tantals sein k/Snnen. Der wahrscheinliche Bildungsmechanismus ist ein Fragmentierungsprozess. Der Verlauf der experimentell erhaltenen Isotopenverteilung fiir Europium zeigt, dab die Ladungsverteilungen von Fragmentierungsprodukten wahrscheinlich ebenfalls durch Gaussfunktionen beschrieben werden ktinnen. Annerkennungen-Wir m6chten Herrn Professor Dr. K. H. Lieser dafiir danken, daft er uns bei der Durchfiihrung dieser Arbeit in jeder Weise unterstiitzte. Bei den chemischen Trennungen und Analysen war uns Frau E. Stoll eine gro6e Hilfe. Au6erdem danken wir den Mitarbeitern der "Nuclear Chemistry" Gruppe bei der CERN fiir die Beratung und Hilfe bei der Durchffihrung der Bestrahlungen. Die Arbeit wurde vom Bundesministerium f'tir Bildung und Wissenschaft finanziell gef/Srdert.