DEVELOPMENTAL
Vergleich
BIOLOGY,
von
1,
24-64
(19%)
Entwicklungspotenzen
Transplantierten lmaginalscheiben
und von
in
Mutierten
Normalen,
Halteren-
Drosophila
melanogaster
ROLF LOOSLI’ Zoologisch-vergleichend
anatomisches
Angenommen
1. EINLEITUNG
Institut
der Universitiit
am 23. Oktober
UND
Ziirich
1958
PROBLEMSTELLUNG
Die Imaginalscheiben der Dipteren galten urspriinglich als fest determinierte Mosaiksysteme. Eine Arbeit von Bodenstein (1941) erhlrtete zunBchst diese Auffassung. Er fand, dass Bein-Imaginalscheiben nach Halbierung im spgten 3. Larvenstadium nicht regulationsfghig sind. Waddington (1942) gelang es dann, mit RGntgenbestrahlung im friihen 3. Larvenstadium Doppelbildungen verschiedener Scheiben-Derivate zu erzielen. Damit war gezeigt, dass die Regulationsfghigkeit der imaginalen Blasteme bis in vorgeriickte Larvenstadien erhalten bleibt. Vogt (1946) untersuchte die Regulationsleistungen der AugenAntennenscheibe. Sie fand, dass diese Scheibe bis zur Mitte des 3. Larvenstadiums “aus in sich regulation&ihigen Organfeldern” besteht, wghrend gegen Ende der Larvenperiode kaum mehr reguliert wird. Eingehend untersucht wurden dann die Genital-Imaginalscheiben (Hadorn und Gloor, 1946; Hadorn, 1953). Die Anlagepkine dieser Scheiben wurden ermittelt, und eine bis ins spgte 3. Larvenstadium anhaltende Regulationsfghigkeit nachgewiesen. Auch die Genitalscheiben bestehen aus einem Mosaik von in sich regulationsfihigen Feldern (Hadorn et al., 1949; Hadorn und Chen, 1956; Ursprung, 1957). Untersuchungen iiber Feldstruktur und Regulationsfghigkeit der Halterenscheibe-das ursprtingliche Ziel der vorliegenden Arbeit1 Present
address:
Roscoe
B. Jackson
Memorial 24
Laboratory,
Bar Harbor,
Maine.
ENTWICKLUNG
DER
HALTERENSCHEIBEN
VOX
DROSOPHILA
2.j
ergaben keine klaren Resultate. Die Differenzierungen dieser Scheibe variieren schon in Kontrollimplantaten sehr stark. Die quantitative Untersuchung von Scheibenfragmenten liess keine gesicherten Regulationsleistungen erkennen; die Versuche wurden daher nicht weitergefiihrt. Waddington (1947, 1953) und Pantelouris und Waddington (1955) zeigten, dass sogar Strukturen reguliert werden kiinnen, die normalerweise aus Organfeldern von Nachbarscheiben entstehen. In einem bithorclx-Stamm wurde z.B. bei einigen Fliegen der Hauptteil des Thoraxriickens von einer Fliigelscheibe und der Halterenscheibe der gegeniiberliegenden KGrperseite gebildet. Das Halterenscheiben-Material entwickelte in diesen Fgllen mesothorax-ahnliche Strukturen, die nicht zu seinen normalen Differenzierungsleistungen gehijren. In der vorliegenden Arbeit wurde eine andere Neubildung der Halterenscheibe untersucht. In transplantierten Scheiben entsteht ein Borstenmuster, das in situ nicht auftritt. Transplantation bewirkt also die Differenzierung einer zusstzlichen Struktur. Aus diesem unerwarteten Befund ergaben sich besonders die folgenden Fragen: 1. Welcher Teil der Halterenscheibe bildet die neu entstehenden Borsten? 2. Werden sie in situ durch einen Konkurrenzeffekt unterdriickt, oder entstehen sie im Implantat als regulative Neubildung? 3. Wghrend der Transplantation ist die Imaginalscheibe topographischen Versnderungen sowie chemischen und physikalischen Einfliissen ausgesetzt. L&St sich die Ausliisung der Borstenbildung einem bestimmbaren Faktor zuschreiben? 2. MATERIAL
UND
METHODEN
Fiir alle Versnche mit Wildlarven diente der Stamm “Sevelen”. Die Zuchten w&en bei 25 F l/2” C gehalten. Die Operationen erfolgten bei Zimmertemperatur van 18-22” C. Seziert wurden die Imaginalscheihen mit wenig Ausnahmen in stcriler physiologischer Liisnng nach Holtfreter; Verwendung anderer Medien ist bei den hetreffenden Versnchen im Text vermerkt. Nach der Sektion bliehen die Scheiben hiichstens eine Stunde in der LGsung, weil ein langerer Aufenthalt eine znnehmende Zahl verkiimmerter Implantate zur Folge hatte. In Versuchen mit Scheibenfragmenten dienten Splitter von Rasierklingen als Messer. Die van Ephrnssi uncl Beadle ( 1936) entwickelte Transplantationstechnik wurde in etwas modifizierter Weise verwendet. Wo nichts anderes vermerkt ist, wurden dir Scheiben aus Spendern entnommen, die vor der Puparisierung standen. Als Wirte dienten Larven desselhen Stammes, die 24 Stunden jiinger, das heisst in der hlitte des 3. Larvenstadinms waren. Die Vorteile der Verwendlmg junger Wirts-
26
LOOSLI
larven diskutierten Hadorn et ul. ( 1949) : das Implantat kann Operationsschlden vor der Metamorphose ausgleichen, und seine imaginalen Strukturen werden in der Folge besser differenziert. Die Larven fiir Transplantationen wurden aus Zwei-Stunden-Gelegen geziichtet, variierten also im Alter mlr hochstens t 1 Stunde. In der Regel wurde wahrend etwa 4 Std. transplantiert, sodass sich die Streuung des Larvenalters in jedem Versuch auf t 3 Std. vergrossert. Die verschiedenen Larvenstadien wurden nur chronologisch bestimmt, ohne auf morphologische Kriterien zu achten. Nach Henke et al. ( 1941) dauert bei 25” C die Entwicklung von der Eiablage bis zmn Beginn des 3. Larvenstadimlis durchschnittlich 64 Std., bis zur Pupariumbildung 108 Std. Als “friihes 3. Larvenstadium” bezeichnen wir somit Larven nus einer Zucht von rund 67 k 1 Std. Als “verpuppungsreif” werden Larven bezeichnet, die vor der Pupariumbildung stehen und einer Zucht von 105 + 1 Std. entnommen sind. Das physiologische Alter von chronologisch gleichalterigen Larven kann zwar bis zur Verpuppung urn einige Stunden differenzieren. Die verschiedenen Entwicklungsstadien, die in der vorliegenden Arbeit untersucht wurden, liegen jedoch um anniihernd 24 Std. auseinander. Auch bei einer Datierungsstreuung von mehreren Stnnden erfasst daher die Untersuchung noch scharf getrennte Phasen. Gelegentlich wurden Wirtspuppen von einem Schimmelpilz befallen. Nach eimniligem Bepinseln mit Color Castellani (10 g basisches Fuchsin in gesattigter alkoholischer Losung, 5 g fliissiges Phenol, 85 g Wasser, 1 g Borsaure, 5 g Aceton, 10 g Resorcin) vollendeten bereits befallene Puppen die Metamorphose ohne sichtbare Schadigung. Drei bis vier Tage nach dem Schhipfen des Wirtes wurden die ausdifferenzierten Implantate aus dem Wirtsabdomen herauspdpariert. Sie wurden in 10% KOH-Losung von anhaftenden Fettkorpern befreit und iiber Alkohol und Terpineol in Rhenohistol eingeschlossen. Die me&ten Implantate wurden vor den] Einschliessen zerlegt, urn die mikroskopische Untersuchung zu erleichtern. Fur die Untersuchung schwach chitinisierter Strukturen leistete die Farbung nach Johannsen ausgezeichnete Dienste. Safranin (1 g) wird in 50 cm” absolutem Alkohol gel&t. Dann werden 50 cm3 Wasser, 1 g Natriumacetat, 2 cm” Formal 40% und 10 cm: Glycerin zugesetzt. Die Losung ist gebrauchsfertig und haltbar. Die mazerierten Objekte werden ca. 12 Std. gefarbt, dann in Kreosot, eventuell zuerst in fliissigem Phenol, differenziert und in Rhenohistol eingeschlossen. Zur Exstirpation der Scheiben folgte ich der von Zalokar ( 1943) beschriebenen Methode. Vor der Narkose wurden die Larven in 70% Alkohol sterilisiert. In einem Tropfen physiologischer Lijsung wurde die Haut mit der Iridektomieschere angeschnitten, worauf die Scheibe mittels eines Platinhakens herausgezogen und dann abgeschnitten wurde. Bei stark blutenden Wunden beschleunigte die Wlrmestrahlung einer elektrischen Lampe den Wundverschluss. Die metamorphosierten Fliegen wurden in 10% KOH mazeriert und dann median aufgeschnitten. Die Halften wurden gefarbt und eingeschlossen. Zur Elimination imaginaler Zellnester in der larvalen Hypodermis wurde ein Ultraviolett-Strahlenstichapparat beniitzt. Der Apparat wurde unter der Leitung von Prof. A. von Muralt im Physiologischen Institnt der Universitat Bern gebaut.
ENTWICKLUNG
DER
HALTERENSCHEIBEN
VON
DHOSOPHILA
27
Er stellt eine Modifikation eines friiher beschriebenen Modelles clar (Luthy, 1946). Narkotisierte Larven wurden mit einzelnen Segmenten einem schmalen Band van UV-Licht ausgesetzt. Bei Verwendung des gesamten UV-Spektrums einer Quecksilberdampflampe Rihrte eine Exposition wahrend 30 Sek. zum vollsttindigen Verlust behandelter Segmente in der Imago. Nach der Metamorphose wurden die Fliegen in der beschriebenen Weise pmpariert. 3. DAS
DIFFERENZIERUNGSMUSTER
DER
HALTERENSCHEIBE
Die Ausdehnung der Derivate verschiedener Imaginalscheiben im Thorax von Drosophila melanogaster untersuchte Zalokar (1943, 1947). Die Halterenscheibe oder dorsale Metathorakalscheibe liefert die Haltere und den zugehorigen Skleriten. Zahlreiche Differenzierunvor allem Sinnesorgane, markieren die vergen der Hypodermis, schiedenen Abschnitte. Diese Strukturen ermoglichen die morphologische Analyse der transplantierten Haltere. Sie sollen daher im folgenden kurz beschrieben werden, soweit sie fur die spater besprochenen Experimente von Bedeutung sind. Fur ausfiihrliche Angaben iiber die mikroskopische Anatomie der Haltere verweise ich auf die Arbeiten von Pflugstaedt ( 1912) und Hertweck ( 1931). a. Entwicklung
in situ
Die Haltere ist in drei deutlich getrennte Abschnitte gegliedert. Das Endkopfchen oder Capitellum (C in Abb. 1) tragt X5-19 unpigmentierte Sinnesborsten (CR ) . Das Mittelglied oder der Pedicellus (P) und das Basalglied oder ScabeZZum (SC) tragen dorsal und ventral je eine Gruppe von SensiZZa companiformin (Weber, 1933). Auf dem Pedicellus sind die Kuppen der einzelnen Sinnesorgane zu Querreihen verwachsen, die sich leistenartig iiber ihre Basis erheben (SP). Im dorsalen Feld des Scabellum liegen die Kuppen ohne Verwachsung in Langsreihen ( SSc), zwischen denen je eine Reihe starkerer Haare (in den Abbildungen nicht eingezeichnet) steht. Die Ventralseite des Scabellum weist einzeln stehende, mit ihrer Kuppe kaum vorragende Hickssche Papillen (HSc) auf. Die a&alligste Struktur des Halterenskleriten bildet das Metathornkalstigma (St). Es ist gross und wird von einem mehrreihigen Kranz verzweigter Filterhaare umgeben. Die Thoraxwand ist in seiner Umgebung durch ein System von Endoskelettleisten verstarkt (in Abb. 1 nicht eingezeichnet). Zwischen Stigma und Scabellum steht eine Gruppe von meist vier pigmentfreien Borsten (thorakale Bor-
28
ABB. 1. Die Derivate der Halteren-Imaginalscheibe in situ. Linke Haltere in Ventralansicht; Strukturen der dorsalen Seite in punktierten Linien dargestellt. C, Capitellum; CB, Borsten des Capitellum; HSc, Hickssche Papillen des Scabellum; P, Pedicellus; SC, Scabellum; SP, Sinnesorgane des Pedicellus; SSc, Sinnesorgane des Scabellum; St, Stigma; TB, thorakale Borstengruppe. Pnnktierte Flachen: Strukturen ausserhalb der Halterenregion.
stengruppe, TB ), die wahrscheinlich Sinnesfunktion haben. Ihre Basalringe wijlben sich stark vor und sind fast ohne Zwischenraum angeordnet, wBhrend auf dem Capitellum die Borsten urn mehrere Ringdurchmesser voneinander entfernt stehen.
ENTWICKLUNC
DER
HALTERENSCHEIBEN
VOPj
DROSOPHILA
29
Die ganze Halterenregion ist dicht besetzt mit Zellhaaren oder Alikrotrichia ( Wiggelsworth, 19X)), die Fortsiitze der Hypoderminzellen clarstellen. Da sie in G&se und Verteilung uniform sind, spielen sie fiir die Identifizierung der einzelnen Halterenabschnitte keine Rolle. Auf die Anwcsenhcit von Weichteilen wurcle night geachtet. ‘&ir befassen uns lediglich mit Struktnren, die im mazerirrten Ptiiparat sichtbar sind.
Implantierte
Metamorphose
Halterenscheiben nicht evaginiert,
b
werden sondern
in der Regel wghrend der vollenden ihre Entwicklung
c
ABB. 2. Schematische Schnittbilder zur Anordnung der Cuticularstrukturen im Implantat (b) und in situ (c). Die Peripodialmembran (M) der Scheibe (a) zerfallt in der Vorpuppe. Bei normaler Evagination in situ wird dadurch die Ausbreitung der Scheibenrgnder (R) in der Ebene der imaginalen Hypodermis ermiiglicht (c). Im Implantat (b) schliessen sich die RGnder (RR) zusammen, sodass die basalen Scheibenderivate eine invertierte Blase bilden (a umgezeichnet nach Robertson, 1936 ).
30
LOOSLI
in der Leibeshohle des Wirtes. Nur sehr selten findet ein Implantat Anschluss an die Wirtshypodermis. In diesem Falle wird es evaginiert, an der Implantationsstelle entsteht ein fast normaler dorsaler Metathorax (Abb. 8). Wahrend sich die proximalen Derivate der Scheibe in situ als Thoraxwand ausbreiten, schliessen sie sich im Implantat zu einer Blase, die such basale Teile der Haltere enthalt (Abb. 2). Die Innenseite der Blase stellt dabei die morphologische Aussenseite dar. Die distalen Elemente der Haltere wachsen ins Innere der Blase vor. Ihre Orientierung entspricht daher derjenigen in situ, indem ihre Aussenseite nach aussen gerichtet ist (Abb. 4). Der Halterenabschnitt, der ins Blaseninnere vorwachst und damit normale Lage erreicht, ist in seiner Ausdehnung von Fall zu Fall verschieden (Abb. 3). Am haufigsten wachst nur das Capitellum aus, wghrend alle iibrigen Teile invertiert liegen (Abb. 3, c). Weniger haufig liegt die Eversionsgrenze im Capitellum (Abb. 3, b) oder im Pedicellus (d), Selten wird der ganze Pedicellus evertiert (e), und nur in vereinzelten Fallen steht die ganze Haltere normal (f) oder bleibt sie ganz in der Blasenwand (a). In diesem letzten Fall ist das Capitellum nur auf Grund seiner Sinnesborsten am distalen Pol der %
keine
vollstiindige Eversion
der
Holtere
ABB. 3. Variabilitgt der Halteren-Eversion in 80 metamorphosierten KontrollImplantaten. Lage der Eversionsgrenze ( Abszisse) und prozentuale Frequenz der Fnlle (Ordinate). Figuren: verschiedene Eversions-Stufen, schematisch; zwei Zwischenstufen nicht dargestellt.
ENTWICKLUNG
DER
HALTERENSCHEIBEN
VON
DROSOPHILA
31
Blase nachweisbar. Die verschiedenen Grade der Eversion konnen mechanisch erklart werden: wir diirfen annehmen, dass die auswachsende Haltere in der Implantatsblase auf Widerstand stiisst. Dadurch kann sie in mehr oder weniger invertierter Lage zuriickgehalten werden. Die Inversion der meisten Strukturen erschwert den Vergleich von Implantaten und Normalthorax. Eine Identifizierung der verschiedenen Teile ist aber auf Grund der schon besprochenen charakteristischen Hypodermalorgane, z.B. der Borsten und Sinnesorgane, moglich. Die Lagebeziehungen der verschiedenen Organe bleiben im Implantat erhalten, was den Nachweis versteckt liegender oder sonst schwer sichtbarer Strukturen haufig erleichtert.
Alle beschriebenen Differenzierungen der normalen sind such im metamorphosierten Halterenimplantat
Halterenregion nachgewiesen
SP
ABE. 4. Typischer Fall eines normal differenzierten Halteren-Implantates (P) liegen in einer Blase, ( etwas schematisiert ). Capitellum ( C) und Pedicellus die von allen iibrigen, invertiert angeordneten Strukturen gebildet wird. Die iiberall vorhandenen Zellhaare sind nur auf Capitellum ( C) und Pedicellus (P ) angegeben. Wbrige Bezeichnungen: A, Adventiv-Borsten; CB, Sinnesborsten des HSc, Hickssche Papillen des Scabellum; Capitellum; E, Endoskelettleisten; SP, Sinnesorgane des Pedicellus; SSc, Sinnesorgane des Scabellum; St, Stigma; TB, thorakale Borstengruppe.
32
LOOSLI
(Abb. 4). Das mikroskopische Bild aller Strukturen deckt sich im typischen Fall vollig mit dem fur Entwicklung in situ beschriebenen. Eine erneute Beschreibung eriibrigt sich deshalb. Als Folge von Operationsschaden kann aber die Differenzierung einzelner Organe gestort sein. So werden z.B. Sinnesorgane in unterbrochenen, verworrenen Reihen angelegt, oder es treten Borstenmodifikationen auf, wie sie unter anderem als Folge von Hitzeschock (Henke et al., 1941) beschrieben wurden. Die Storungen konnen zum volligen Verlust von Strukturen fiihren, sodass bisweilen in einem Implantat nicht das vollstandige Differenzierungsmuster nachweisbar ist. Im Extremfall entsteht eine Chitinblase, die lediglich Zellhaare tragt und in keiner Weise spezifisch differenziert ist. Neben den zu erwartenden Organen weist das metamorphosierte Halterenimplantat eine interessante Neubildung auf: am proximalen Pol der Blase steht eine grossere Gruppe pigmentierter Borsten (A in Abb. 4). Sie entstehen im Anschluss an die Transplantation, wahrend sie in situ unter normalen Bedingungen fehlen. In der Folge werden sie daher als Adventiv-Borsten (A-Borsten) bezeichnet. In Grosse und Verteilung gleichen sie den Borsten des 1. Abdominalsegmentes. Ihre Anzahl ist von den Versuchsbedingungen abhangig und variiert von 1 bis ca. 230 bei Mittelwerten von rund 29 bis 82. 4. DIE
ADVENTIV-BORSTEN
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Adventiv-Borsten ( A-Borsten, A in Abb. 4) eine Neubildung der implantierten Halterenscheibe darstellen. Mit der vorgeschlagenen Bezeichnung sol1 darauf hingewiesen werden, dass sie ausserhalb der normalen Differenzierungsleistungen der Scheibe stehen. Die Feststellung, wonach ein imaginales Blastem unter bestimmbaren lusseren Einwirkungen regelmassig eine Struktur entwickelt, die in situ normalerweise nicht auftritt, ist meines Wissens neu. Die A-Borsten und die Bedingungen, die zu ihrer Entstehung fiihren, werden daher im folgenden eingehend beschrieben und diskutiert. a. Variubilitiit
des Musters
Die A-Borsten sind echte Borsten, nach ihrer Grosse sind sie als Mikrochaeten zu bezeichnen. Meist sind sie braun pigmentiert, als seltene Modifikation such pigmentarm und hell. In einem Implantat mit 22 A-Borsten wurden Langen von l&31 p gemessen, mit einem
ENTWICKLUNG
DER
HALTERENSCHEIBEN
VON
33
DROSOPHILA
Mittelwert von 21 k. Sie gleichen morphologisch den Borsten des I. Abdominaltergiten. Fiir diese wurden LLngen von 15-37 p beobachtet, und sie sind in der Ausbildung von Ring und Borstenkanal nicht von den A-Borsten unterscheidbar. In beiden Mustern sind die Borsten offenbar regellos fiber die besetzte F&he verteilt. Aus Tab. 1 wird ersichtlich, dass die Frequenz der A-Borsten vom Spenderalter abhLngig ist. Der Mittelwert ist fiir verpuppungsreife Spender bedeutend hijher als fiir Spender in der Mitte oder zu Beginn des 3. Larvenstadiums. Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen jiingerer Larven kiinnen zuflllig sein, wogegen der Unterschied zu verpuppungsreifen Spendern hoch signifikant ist. Abbildung 5 zeigt, dass die Kurve der A-Borstenfrequenzen verpuppungsreifer Spender stark in Richtung der hohen Werte verkingert ist. Fiir jtingere Spender gleicht sie dagegen einer Zufallsverteilung. Wir diirfen daraus schliessen, dass die Halterenscheibe vor der Verpuppung eine erhiihte Bereitschaft hat, auf einen Reiz wghrend oder nach der Transplantation mit der Differenzierung von A-Borsten zu reagieren. In diesem Zusammenhang sind Versuche von Henke et nl. ( 1941) interessant, welche den Einfluss von W%rmeschocks auf die Thoraxbeborstung von Drosophila untersuchten. Sie beschreiben eine borstenvermehrende Modifikation, deren sensible Phase sich bis gegen die Verpuppung im eigentlichen Sinne erstreckt. Diese Ergebnisse unterscheiden sich von der allgemeinen Feststellung, dass imaginale Blasteme mit zunehmendem Alter zunehmend determiniert werden (z.B. Hadorn et al., 1949). Wie Tab. 1 zeigt, ist eine Borstenvermehrung bei spgter TransTABELLE EISFLCSS
DES
SPENDERALTERS
1 AUF
DIE
BORSTENFREQUENZEN
IM HALTERENIMPLANTATa A-Bomten
Spenderalter mittl.
Ende 3. Larve Mitte 3. Larve Anfang 3. Larve (Kontrollen in .silu) a Zahl der FLlle (7~) und mittlere der thorakalen (thor.) Borstengruppe. in Holtfreter-Liisung.
Frequens
42,25 28,93 22,40
k 5,95 k 2,46 f 5,68 -
thor.
-___ 1~
56 28 5 -
Rorstengruppe Frequens
!L
4,74 + 0,17 3,52 + 0,13 4,00 I!I 0,32 3,89 f 0,05
53 25 5 65
mittl.
Frequenz der Borsten im Adventiv-Area1 Priiparation der Scheiben fiir alle
und in Versuche
34
LOOSLI
plantation such in der thorakalen Borstengruppe (TB in Abb. 1 und 4) nachweisbar. Der Mittelwert aus verpuppungsreifen Implantaten ist gegeniiber demjenigen aus jungen Scheiben oder aus Kontrollen in situ signifikant verschieden. In Abb. 6 wird ersichtlich, dass die Kurve der Borstenfrequenz bei spater Transplantation wiederum stark nach rechts verlangert ist, wahrend sie bei friiher Transplantation oder bei Entwicklung in situ einer Zufallsverteilung gleicht. Bei konstantem Spenderalter wird die A-Borstenfrequenz durch Behandlung der Scheiben mit verschieden konzentrierten Salzlosungen beeinflusst, wie aus der Zusammenstellung in Tab. 2 deutlich wird. Die mittlere A-Borstenfrequenz verpuppungsreifer Spender liegt hoher, wenn die Scheiben mit 0,8% NaCl-Losung behandelt werden, als nach Behandlung in Holtireter-Losung, die mit 0,39% NaCl isotonisch ist. Der Unterschied ist statistisch gut gesichert. Die mittlere Frequenz aus einer kleinen Serie bei 0,39% NaCl liegt unter dem
. 49
-59
-69
-79
T\n\
-99
-99
. 409
-II9
...L+
ABB. 5. Einfluss des Spender-Alters auf die Frequenz der A-Borsten. Borstenfrequenzen, gruppiert in Zehnerklassen ( Abszisse) und prozentuale Frequenz der FPlle (Ordinate). Weisse Kreise: Spenderalter Mitte 3. Larvenstadium (28 FIlle). Schwarze Kreise: Spender verpuppungsreif (56 Ftile).
ENTWICKLUNG
DER
HALTERENSCHEIBEN
VON
DROSOPHILA
35
Mittelwert fur Holtfreter-Losung. Der Unterschied ist aber im Hinblick auf das knappe Material nicht geniigend gesichert. Nach hypotonischen und isotonischen Losungen waren such verschiedene Grade von Hypertonie zu priifen. Zwei Serien von Scheiben wurden je 20 Min. in 2% beziehungsweise 5% NaCl-Losung behandelt, anschliessend in 0,874 NaCl-Losung gewaschen und transplantiert. NaCl (2%) erhohte die mittlere A-Borstenfrequenz iiber den Wert fur 0,8%, wahrencl nach Behandlung in 5% NaCl ein starkes Absinken beobachtet wurde. Die Ergebnisse sind so zu deuten, dass erhohte Konzentration bis zu
bB. 6. Einfluss des Spender-Alters auf die Frequenz der Borsten in der thorakalen Borstengruppe. Borstenfrequenzen ( Abszisse) und prozentuale Frequenz der FIlle (Ordinate). Weisse Kreise: Spenderalter Mitte 3. Larvenstadium (25 FPlle). Schwarze Kreise: Spender verpuppungsreif (53 Fllle). Dreiecke: Kontrollen in situ ( 65 Fglle ) .
36
LOOSLI
einem gewissen Grade die Borstenbildung fiirdert, wtihrend extreme Hypertonie eher hemmend wirkt. Die optimale und die maximale Konzentration wurden nicht bestimmt. Ebenso wenig wurde untersucht, ob Hypertonie such in friiheren Entwicklungsstadien wirksam ist, oder ob vor der Pupariumbildung eine sensible Phase besteht. Hadorn und Fritz (1950) untersuchten den Einfluss der Salzkonzentration auf das Borstenmuster der weiblichen Genital-Imaginalscheibe. Sie fanden Hinweise auf eine verstPrkte Tendenz zu extremen Borstenzahlen in hypotonischer oder hypertonischer Liisung, konnten aber “keine klare Beziehung zwischen der Ionenkonzentration und dem Ausmass der Borstenvermehrung” feststellen. In den oben beschriebenen Versuchen erhiiht sich die Borstenfrequenz mit steigender Salzkonzentration bis zu einem Optimum. Eine Tendenz zu extremen Borstenzahlen in hypotonischer LBsung ist dagegen nicht nachweisbar. Ein Einfluss der Salzkonzentration ist such in der thorakalen Borstengruppe feststellbar (Tab. 2). Die Unterschiede sind allerdings, entsprechend der geringeren Variabilitgt dieser Borsten, klein und teilweise nicht gesichert. Im Zusammenhang mit dem Verhalten der A-Borsten betrachtet, ist aber die gleichsinnige Reaktionstendenz offenkundig. Besonders klar ersichtlich wird die Korrelation der Frequenzen in der thorakalen Borstengruppe und im A-Borstenmuster aus Tab. 3. In einer griisseren Kontrollserie wurde die mittlere Frequenz der A-Borsten fiir jede Frequenzklasse der thorakalen Borstengruppe berechnet. Sie vergrijssert sich mit jeder Klasse, die Unterschiede sind mit Ausnahme der ersten Stufe gut gesichert. TABELLE
2
EINFLUSS VERSCHIEDENER SALZKONZENTRATIONEN AUF DIE BORSTENFREQUENZEN IM HALTERENIMPLANTAT"
A-I3orsten mittl.
Paraffin61 Holtfreter-Liisg. NaCl 0,39?& NaCl O,S% NaCl 2,0% NaCl 5,0y0
45,37 42,25 33,00 60,44 81,77 32,50
a Zahl der Flille (n) und mittlere Frequenz der thorakalen Borstengruppe. Spenderlarven
Freqwnz
* + f f f f
5,95 4,48 5,lO 7,lO 8,32 5,65
ear.
Eorstengruppe
71
mittl.
Frequenz
8 56 14 18 13 10
5,oo 4,74 5,00 5,50 5,42 4,00
* f f * f +
0,44 0,17 0,30 0,30 0,26 0,oo
?I
7 53 12 18 12 9
der Borsten im A-Borstenareal und in in allen Versuchen verpuppungsreif.
ENTWICKLUNG
DER
HALTERENSCHEIBEN
VOS
TAHELLE RIITTLERE
FREQC-532 mx3
IIER
HORSTENZAHL
A-BORSTEN IN
DER
I'ND
DROSOPHILA
37
3 Z.~HL
THORAKALEN
DER
FBL~
IJoRSTENGRI:PI~
(n),
KIASSIERT
NA(W
(1'13)~~
Es wPre nach den vorliegenden Ergebnissen denkbar, dass der Kontakt eines imaginalen Blastemes mit Salzliisungen die Voraussetzung fiir die Differenzierung der A-Borsten bildet. Die mittlere A-Borstenfrequenz, die bei Verwendung von Holtfreter-Liisung beobachtet wurde, iindert sich aber nicht signifikant, wenn die Scheiben in Paraffin61 prgpariert werden (Tab. 2). Im Paraffiniil, das physiologisch inert ist, bleiben die Scheiben von einer diinnen Schicht Haemolymphe umgeben. Wir diirfen also annehmen, dass bei dieser Technik keinerlei fremde Stoffe das transplantierte Gewebe beriihren. Damit ist gezeigt, dass Salzliisungen nicht eine latente Borstenkompetenz erwecken, sondern nur die bereits manifeste Kompetenz im Implantat verstgrken.
h. Lokdisation
des A-F&es
auf der Hnlterenscheibe
Urn Auskunft iiber die Lage des A-Borstenfeldes zu erhalten, wurden einzelne Scheibenfragmente transplantiert. Uber Schnittfiihrung und Bezeichnung der untersuchten Fragmente gibt Abb. 7 Auskunft. Die Versuche sind in Tab. 4 zusammengefasst. Ein grosser Prozentsatz lieferte keine qualifizierbaren Strukturen oder entwickelte sich tiberhaupt nicht. Der schgdigende Einfluss der physiologischen Salzliisung, die zur Aufbewahrung der Scheiben vor der Transplantation diente, ist bei Fragmenten offenbar verstgrkt. Das ist verstandlich, wenn man bedenkt, dass die imaginalen Blasteme der Scheibe von der Pcripodialmembran iiberdacht werden (Abb. 2a). Die intakte Scheibe isl daher nur von der Aussenseite zuglnglich, wghrend das Lumen der zerschnittenen Scheibe geiiffnet ist und die normalerweise abgeschlossene Innenseite in direkten Kontakt mit der Liisung bringt. Basale Fragmente weisen in allen typisch differenzierten Fsllen ein Muster von A-Borsten auf. In basalen Dritteln sind keine weiteren
38
termlnale Htilf te
basales Drlttel
ABB. 7. Halterenscheibe. implantierten
1
\[
Schema zur Schnittfiihrung A, B, Schnittebenen. Fragmente am Rand der
ba sale [ HSlfte
Hy
in
Fragmentierungsversuchen
Hy, Hypodennisstiel.
an Bezeichnung
der der
Figur.
Strukturen entstanden, wghrend zwei der basalen Hglften such kleine Sinnesorgangruppen und eine thorakale Borstengruppe enthalten. Daraus geht hervor, dass das A-Borstenfeld auf dem basalen, zipfelfijrmigen Abschnitt der Haltkrenscheibe angelegt wird. Die Leistungen terminaler Hglften bestgtigen diesen Schluss. Mit einer Ausnahme haben sic keine A-Borsten differenziert, sondern nur die charakteristischen Sinnesorgangruppen der Haltere, ferner in sieben FPllen eine thorakale Borstengruppe und in vier Fgllen ein Stigma. Der
UBERSICHT IMPLANTIERTER
TABELLE 4 CUBER DIE DIFFERENZIERUNGSLEISTUNGEN FRAGMENTE VON HALTEREN-IMAGINALSCHEIBEN~
Fragment
mit ABorsten
basale Hllfte basales Drittel terminale HIlfte
5 (32,75) 3 (36,67) 1 (17)
a Nur die A-Borsten mern. “Atypisch” sind “verloren” sind solche, n, Anzahl geschliipfter
ohne ABorsten
stypisch
verloren
n
11
3 7 3
6 12 9
14 22 24
sind beriicksichtigt; mittlere A-Borstenfrequensen in Klamimplantate, die keine identifizierenden Strukturen aufweisen; die nach der Metamorphose nicht mehr nachweisbar waren; Wirtsfliegen.
ENTWICKLUNG
abweichende Irrtum beim Es bestgtigt Differenzierung Haltere mit Borstengruppe nicht nsher
DER
HALTERENSCHEIBEN
VON
39
DROSOPHILA
Fall muss auf fehlerhafte Schnittfiihrung oder auf einen Sortieren der Scheibenfragmente zuriickgefiihrt werden. sich somit, dass der terminale Scheibenteil nicht zur der A-Borsten beftihigt ist. Er enthglt die Anlagen der den Sinnesorganen, wahrscheinlich such der thorakalen und des Stigmas. Die Organisation dieses Teiles wurde untersucht.
c. Bedingungen
zur Entstehung
der A-Borsten
Zungchst ist nachzuweisen, dass die A-Borsten tatdchlich eine Neubildung darstellen. Im Gebiet, das in Exstirpationsversuchen als Derivat der Halterenscheibe erkannt wurde (Zalokar 1943, 1947), befinden sich keine entsprechenden Borsten. Es w2ire aber an sich denkbar, dass die Halterenscheibe am A&au des benachbarten 1. Abdominaltergiten beteiligt ist. Die morphologische Ubereinstimmung der Borsten beider Areale bestgrkte einen solchen Verdacht. Uber die Versuche zur Priifung dieser Frage gibt Tab. 5 Auskunft. Bei einer Anzahl verpuppungsreifer Larven wurde die rechte Halterenscheibe exstirpiert. Wenn Derivate der Scheibe im 1. Abdominalsegment enthalten sind, miissen auf der operierten Seite nun wenigtsr Borsten entstehen als auf der unbehandelten Seite oder in Kontrolltieren. In Wirklichkeit ist die Frequenz auf der behandelten Seite eher erhiiht, was gegen eine Beteiligung der Halterenscheibe am Abdomen TABELLE 5 BOR~TENFREQUENZ DES 1. ABDOMISALTI~RGITEN NACH RECHTSSEITIGER HALTEREN-EXSTIRPATI~N, VERGLICHEN MIT DER A-BORSTESFREQCENZ DER EXSTIRPIERTEN SCHEIBW
----)-_--mpmm----
1. Tergit --
links
73707156
1. Tcrgit,
rccht,s
92 93 67 75 140 62 57 ___~--
rcchtc Haltere (Implantat)
79706;
69,43 83,71
f
2,65 ~-- ~ & 11,31
40.50
‘I his Kontrollen fiir die Tergite sind die Mittelwr~rte MIS beigeftigt. Kontrollwert fiir die Implantate ist dcr Mittelwert verpuppungsreifer Spender nach Behandlung in Holtfrcter-Liisung.
66,SO + 3,65 ,----~ 63,52 rt 2,20 ~~-----~ 42,25
k- 4,15;
10 normalen Fliegen aus 56 Scheiben
-
40
LOOSLI
spricht. Die extremen Borstenzahlen im Anschluss an einzelne Exstirpationen sind wohl als regulative Mehrleistung der abdominalen Hypodermis-Anlagen zu deuten. Sie miissen einer Storung imaginaler Zellgruppen im Bereich der Operationswunde zugeschrieben werden. Urn die Moglichkeit einer unvollstandigen Exstirpation auszuschliessen, wurde in einer zweiten Serie jede exstirpierte Scheibe in eine Wirtslarve implantiert. Operierte Larven und Wirtslarven wurden sodann paarweise gehalten. Nach der Metamorphose konnten die Differenzierungsleistungen von operierten Fliegen und exstirpierten Scheiben verglichen werden. Der Versuch gelang in zwei Fallen (Tab. 5) : in beiden ist die Frequenz der Abdominalborsten sowie der A-Borsten normal. Eine griindliche Inspektion aller Exstirpationsfalle ergab such kein Fehlen von Borsten anderer Korpergegenden. Damit ist gezeigt, dass die A-Borsten transplantierter Scheiben wirklich als Neubildung entstehen. Zur Erklarung ihres Auftretens bestehen die folgenden zwei generellen Moglichkeiten: 1. In situ wirkt ein unterdriickender Faktor, der als Folge der Transplantation ausfallt. 2. Eine latente Kompeteni zur Borstenbildung manifestiert sich in der Halterenscheibe nicht spontan, ihre Realisierung ist von einem auslosenden Reiz abhangig. Urn Auskunft iiber den wirkenden Faktor und seine Wirkungsweise zu erhalten, musste versucht werden, A-Borsten in situ hervorzurufen oder im Implantat zu unterdriicken. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Arbeitshypothesen gepriift. 1. Eine nur auf Kontakt mit Salzlosungen beruhende Realisierung der Borstenkompetenz wahrend der Transplantation ist ausgeschlossen. Wie bereits dargelegt, war bei Praparation der Scheiben in Paraffinol, einem physiologisch inerten Medium, die A-Borstenfrequenz unverandert (Tab. 2). Damit kann die Hypothese als widerlegt gelten. 2. Aus quantitativen Fermentbestimmungen wahrend der Metamorphose von Cdiphora (Agrell, 1949) ist bekannt, dass die verschiedenen Korperabschnitte eines Insektes verschiedene biochemische Muster haben konnen. Daraus ergibt sich die Moglichkeit, dass die Verhaltnisse im Thorax “A-borstenfeindlich” sein konnten. Aus einer Serie von 40 Halterenscheiben, die in die Thoraxgegend der Wirtsjarven implantiert wurden, machte nur eine die Metamorphose im Thorax durch. Sie weist 43 A-Borsten in der gewohnten Anordnung auf. Die iibrigen Scheiben wurden ins Abdomen abgedrangt. Trotz-
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DER
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VON
DROSOPHILA
41
dem das Experiment nur in einem Fall gliickte, erlaubt das positive Ergebnis den Schluss, dass der Thorax-Regionalchemismus keinen hemmenden Einfluss auf die Differenzierung der A-Borsten hat. 3. Der Kontakt mit der Hypodermis benachbarter Thoraxabschnitte oder des Abdomens kiinnte die Differenzierung der A-Borsten unterdriicken. Diese Auffassung ist durch verschiedene Beobachtungen widerlegt. Zunschst wurden zwei Implantate gefunden, die sich in Kontakt mit der Wirtshypodermis entwickelten. Sie gelangten im Abdomen zur Evagination, ihre basalen Teile sind von Wirtshypodermis umgeben. In einem Fall entwickelte sich eine ganze Scheibe auf diese Weise (Abb. 8). Die Strukturen der Thoraxwand tiberragen die Oberflsche des Abdomen h6ckerartig und weisen 70 A-Borsten auf. Im zweiten Fall entwickelte sich das basale Fragment einer halhierten Scheibe auf gleiche Weise. Dabei sind 82 A-Borsten entstanden. Nach diesen Beobachtungen kommt hiichstens noch eine spezifische Hemmwirkung bestimmter Nachbargebiete der Halterenregion in Frage. Ein genereller Einfluss beliebiger Hypodermisbezirke ist ausgeschlossen. Die MGglichkeit spezifischer Einfliisse bestimmter Nachharregionen auf die A-Borstendifferenzierung wurde in verschiedenen Experimenten untersucht. Es war zu priifen, ob die Borsten such zur Differenzierung gelangen, wenn sich die Halterenscheibc in ciner nur teilweise vergnderten Umgebung entwickelt. Diese Situation hesteht,
v III cl 11, ” III v II d v v d d IV-St.rnhlcnstich
II TI III II, v 11 II, v II, III
Abd
I
u Allc aufgefiihrten mehrfachen Missbildungen sind 111, Metathorax; Abd I, 1. Abdominaltrrgit; d, dorsal;
unilateral. U, vwkral;
ZJ, Mesothorax; n, Zahl dcr FBlk.
42
ibIB. 8. Evaginiertes Halterenimplantat, laterocaudal am 5. Abdominaltergiten der Wirtsfliege. Die A-Borsten (A) sind teilweise nur mit den Basalringen eingezeichnet. C, Capitellum mit Sinnesborsten ( CB ); P, Pedicellus; SC, Scabellum. Eng punktiert: Lage des Stigmas (St) und der thorakalen Borstengruppe (TB) auf der Hinterseite. Weit punktiert: Segmentrand des Wirtsab-
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DER
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VON
DROSOPHILA
43
wenn einzelne Nachbarsegmente ausfallen, die Halterenscheibe selbst aber nicht disloziert wird. In verschiedenen Versuchsreihen wurden Fliegen mit segmentalen Defekten auf dem Thorax oder Abdomen gefunden. Uber das untersuchte Material gibt Tab. 6 Auskunft. In Exstirpationsversuchen wurden anstatt der Halterenscheibe gelegentlich andere Imaginalscheiben entfernt, insbesondere Fliigel- und Hinterbeinscheiben. Solche Falle sind im Zusammenhang mit der diskutierten Frage interessant. Die UV-Strahlenstichmethode diente dazu, das imaginale Zellmaterial des 1. Abdominaltergiten auszunarkotisierte Larven wurden unilateral schalten. Verpuppungsreife, einem schmalen Band von UV-Licht ausgesetzt, das auf die Gegend des betreffenden Segmentes gerichtet war. Nach der Metamorphose wiesen die Fliegen aussere Defekte in der bestrahlten Korpergegend auf. Fur die Untersuchung wurden nur Individuen herticksichtigt, deren 1. Abdominalsegment auf einer Seite ganzlich fehlt, wahrend die Halterenderivate auf der selben Seite normal sein miissen. In keinem Fall aus diesen zwei Versuchsgruppen hatte dcr Verlust eines thorakalen oder abdominalen Segmentes die Differenzierung von ABorsten zur Folge. Daraus geht hervor, dass die A-Borsten in situ nicht von einem der henachbarten Segmente hlockiert werden. Ihre Entstehung ist unabhangig von der Position der Scheihe. Untersuchungen an heterozygoten Fliegen der M&ante Kri@pel (Kr/+) von Drosophila melanogaster bestatigen diese Folgerung. Kr ist ein Letalfaktor des 2. Chromosoms, der in Heterozygoten die Entwicklung der Thorax-Elemente in scheinbar regelloser Weise beeinflussen kann (Gloor, 1954). Neben verschiedenen Missbildungen von Fliigeln, Halteren oder Beinen treten gelegentlich Individuen auf, in deren Thorax Derivate einzelner Imaginalscheiben ganzlich fehlen. Insgesamt wurden 74 Kr-Fliegen mit defektem Thorax untersucht. In keinem dieser Falle weist die Halterenregion Ahnormitaten auf, insbesondere sind keine A-Borsten zu heobachten. 4. Eine Blockierung der A-Borsten durch Nachharsegmente ist nicht nachweisbar. Dagegen hesteht die Moglichkeit, dass die Halterenscheibe iiber ein latentes Borstenfeld verfugt, dessen Manifestation von einem bestimmten Reiz abhangig ist. Es ist bekannt, dass bei Imaginalscheihen verschiedenste Schadigungen, z.B. Rontgenstrahlen, Colchicin oder mechanische Verletzung, regulative Mehrleistungen der gestorten Felder verursachen. Die Entwicklungspotenzen imaginaler Felder sind somit grosser als ihre prospektive Bedeutung.
44
LOOSLI
Dies fiihrt uns zur folgenden Hypothese: A-Borsten entstehen als Neubildung aus einem imaginalen Feld, dessen Borstenkompetenz normalerweise nicht manifest wird. Eine Schadigung wahrend der Transplantation veranlasst die Realisation dieser Kompetenz. Es wurde gezeigt, dass ein solches Feld an der Basis der Halterenscheibe zu suchen ist. Wahrend der Sektion der Spenderlarven wird die Scheibenbasis vom Hypodermisstiel getrennt. Dabei kann das basale Feld gestort und zur Differenzierung von A-Borsten angeregt werden, wahrend es ohne St6rung nicht zur Differenzierung gelangt. Mit der Annahme, dass die Reizung eines latenten Feldes der auslosende Faktor fur die A-Borstendifferenzierung ist, konnen such verschiedene Beobachtungen an Kriippel-Fliegen ( Kr/+ ) erklart werden. Gloor (1954) hat oft Reste von fehlenden Imaginalscheiben im Kiirperinnern der Kr-Fliegen gefunden. Im Anschluss an diese Beobachtung untersuchte ich 73 C-Imagines mit einseitig fehlender
ABB. 9. Implantat-Phnliche Haltere (Kr/ + ). A, A-Borsten; C, Capitellum; P, Pedicellus; SSc, Sinnesorgane des Borstengruppe.
aus dem
Abdomen
E, Endoskelett; Scabellum;
einer
Ktippel-Fliege Papillen; TB, thorakale
HSc, Hickssche St,
Stigma;
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DER
HALTERENSCHEIBEN
VON
TABELLE 7 DIFFERESZIERUNGSLEISTUNGEN VON NEUN B,.-HALTERENsCHEIsEN METAMORPHOSE IM K~RPERINSERV Fall
xr. ‘29
+
+
+
‘27 IS 7 -
-
-
: I’ I’
+ + + -
; I’ I
45
DROSOPHILA
NACH
Sl
r
+ + + I’
+ + + f + + + f +
; I I’ I
I’ Has:& Strukturcn (linke Kolonncn) fehlen hiiufig, terminalt: Strukturen (rcchte Kolonnen) sind besser differenxiert. A, A-Borsten; C, Capitellum; SI’, Sinnesorganc des Pcdicellus; &SC, Sinnesorgane dcs Scabellum; 81, Stigma; TN, thoraknle Borstengruppc; f, normal; r, rcduxiert; -, f&lend.
Haltere. In neun Fallen waren isolierte Derivate der fehlenden Scheibe im Thorax oder Abdomen nachweisbar, wo sie sich implantat-ahnlich entwickelt haben. Das Differenzierungsmuster entspricht demjenigen eines Halterenimplantates, weist aber oft starke Reduktionen auf. In vier der neun Falle (Tab. 7) sind A-Borsten vorhanden, wie sie sonst nur in Implantaten beobachtet werden. Abbildung 9 zeigt eine solche Kr-Haltere (Nr. 1 in Tab. 7), die sich in keiner Weise von einem echten Implantat (Abb. 4) unterscheidet. Fur das Verstandnis der Entstehung von A-Borsten ist es von Redeutung, die Ursache des Halterenverlustes im Kr-Tier zu kennen. Wie Tab. 7 zeigt, fehlen auf den implantat-ahnlichen Kr-Halteren vorwiegend thorakale Strukturen. Der Kr-Faktor scheint also basale Teile der Scheibe besonders zu schadigen. Die schwachste Manifestationsstufe fiihrt nur zu einer Storung der Evagination, sodass die Haltere im Evaginationsweg stecken bleibt (Abb. 10; in Tab. 7 nicht aufgefiihrt). Bei starkerer Manifestation wird der Hypodermisstiel zerstort, die Scheibe kann daher nicht evaginiert werden und macht die Metamorphose im Korperinnern durch. Interessant ist, dass auf dieser Stufe A-Borsten auftreten konnen (Abb. 9). Es ist anzunehmen, d;tss der Kr-Faktor des latente Borstenfeld an der Scheibenbasis schadigt und damit seine Manifestierung veranlasst, ahnlich wie bei o?erativer Storung wiihrend der Transplantation. Ober Mechanismus
46
LOOSLI
und Phase der Genwirkung ist nichts bekannt. Daher darf es nicht wundern, dass die Frequenz der A-Borsten in der Kr-Haltere und im Wild-Implantat verschieden ist. Starke Manifestation hat schliesslich eine zunehmende Storung terminaler Abschnitte zur Folge. Im haufigen Extremfall fiihrt sie zum Verlust der ganzen Scheibe. Das Auftreten von A-Borsten in der Kr-Haltere und im Wild-Implantat wird mit der vorgeschlagenen Hypothese erklart. Zur direkten Bestatigung der Hypothese ware aber eines der folgenden Experimente erforderlich: 1. Entstehung von Implantaten ohne A-Borsten bei Vermeidung einer mechanischen StBrung wahrend der Operation. 2. Differenzierung von A-Borsten in situ nach geeigneter, sorgfaltig dosierter Reizung der Scheibenbasis, ohne die Scheibe von der Hypodermis zu trennen. 1. Implantate ohne A-Borsten konnten experimentell nicht erhalten werden. Ich versuchte, eine mechanische Storung der Scheibenbasis zu vermeiden, indem ich die Stielgegend mit einem grosseren Hypodermisstuck zusammen ausschnitt. Der Hypodermisstiel ist zu fein, urn freiprapariert zu werden. Daher wurde das ganze Gewebe zwischen Scheibenbasis und Hypodermis mit der Scheibe transplantiert. Trotz wiederholter Versuche gelang es nie, solche Implantate nach der Metamorphose im Wirt nachzuweisen. Der Versuch wurde schliesslich aufgegeben. 2. Der Versuch, die A-Borsten in situ experimentell zu erzeugen, wurde nicht gemacht, da die verfiigbaren Operationsmethoden ungeniigend waren. Bei zwei Kr-Fliegen traten aber A-Borsten in situ spontan auf. Wie oben erwahnt wurde, stijrt der Kr-Faktor bei schwacher Manifestation den Evaginationsvorgang. Die Haltere wird zwar ausserlich sichtbar, bleibt aber teleskopartig zusammengeschoben im Evaginationsweg stecken. Diese Missbildung ist in fiinf Fallen aufgetreten. Davon weisen zwei zwischen den gewohnten Halterenstrukturen und dem 1. Abdominaltergiten ein Muster von A-Borsten auf. Beschrieben wird hier nur ein Fall (Abb. 10). Der zweite ist dem beschriebenen ahnlich, lasst aber nicht genugend markierende Strukturen erkennen, urn in Einzelheiten analysiert zu werden. Die A-Borsten (A) unterscheiden sich in beiden Fallen deutlich von den Abdominalborsten, indem sie topographisch isoliert sind und in entgegengesetzter Richtung weisen. Die Beziehung zum Stigma (StM) und zur thorakalen Borstengruppe (TB) zeigt, dass ihre Lage in situ
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DHOSOPHIL.4
derjenigen im Implantat ahnlich ist. Bei Fliegen mit normal evanginierter Haltere wurden nie A-Borsten beobachtet, weder in Kr- noch in Wildstammen. Fur die beschriebenen Falle ist anzunehmen, dass der Kr-Faktor auf die Scheibenbasis einwirkte. Daraus folgte die Storung der Evagination und die Realisation der latenten Borstenkompetenz. Die Genwirkung war stark genug, urn das latente Feld zu stimulieren, aber doch nicht so stark, urn es aus dem Differenzierungsprozess auszuschalten. In Abb. 10 ftillt weiter auf, dass Stigma (StM) und
Abd.
ABB. 10. Abnorme ( C, P, SC) unvollstlndig thorakalstigma ( StM) stigma ( StT) ventral Stigma (StM) und 1. Abdominalstigma. stellt; Vergrosserung
I
Halterenregion einer Krtippel-Fliege ( Kr/ + ). Haltere evaginiert; thorakale Borstengruppe ( 2%) und Metadorsal der Haltere anstatt ventral; ein zweites Metathorakalder Haltere, vom Tracheensystem differenziert; zwischen 1. Abdominaltergiten (Abd. I) A-Borsten in situ; St I, Ubereinander gefaltete Elemente sind ausgebreitet dargedaher variierend, nicht angegeben.
48
LOOSLI
thorakale Borstengruppe (TB) dorsal der Haltere liegen. Diese Abnormitlt muss als Folge der gestorten Evagination gedeutet werden, gleich wie die unvollstandige Streckung der Halterenglieder. d. Lokalisation
des A-Borstenareales
auf dem Thorax
Es wurde gezeigt, dass das A-Borstenfeld an der basalen Peripherie der Scheibe liegt. Die invertierte Blase des metamorphosierten Implantates entsteht, indem sich die Rlnder der Halterenscheibe wahrend der Verpuppung zusammenschliessen (Abb. 2). Nach der Metamorphose stehen die A-Borsten daher in der Umgebung der Verwachsung. Die Naht selbst wird in den Praparaten nicht sichtbar, und es kann nicht entschieden werden, wie ihre Lagebeziehung zum A-Area1 und zu den iibrigen Differenzierungen ist. Daher wird aus dem Implantat nicht ersichtlich, welchen Rand-Arealen die A-Borsten benachbart sind, und welchen sie diametral gegeniiberstehen. Aufschluss iiber diese Frage muss in Fallen gesucht werden, wo sich die A-Borsten auf einem ausgebreiteten Metathorax entwickelt haben, wo ihre Lage somit in Beziehung zum Scheibenrand definiert werden kann. Es sind drei solcher Falle gefunden worden. Davon sind nur zwei geniigend markiert, urn eine Analyse der Lagebeziehungen zu erlauben. Es handelt sich urn ein evaginiertes Implantat (Abb. 8) und urn eine unvollstandig evaginierte Kr-Haltere (Abb. 10). Beide sind zufallig entstanden, es war nicht moglich, sie experimentell zu reproduzieren. Im &Metathorax von Abb. 10 erstreckt sich das A-Borstenarea1 (A) aus maximaler Entfernung von der Haltere in Richtung auf das Scabellum (SC). Stigma (StM) und thorakale Borstengruppe (TB) liegen lateral vom A-Borstenareal. Ihre Lage dorsal der Haltere (C, P, SC) zeigt, dass der dorsale Metathorax als Ganzes gedreht ist; normalerweise (Abb. 1) liegen Stigma (St) und thorakale Borstengruppe (TB) ventral der Haltere. In normale Lage projiziert, miissten die A-Borsten auf dem &Thorax somit ventral oder cranial vom Stigma ( StM ) stehen. lm Falle des evaginierten Implantates (Abb. 8) ist die Lage der A-Borsten in Bezug auf Stigma, thorakale Borstengruppe und Haltere der oben beschriebenen Situation vergleichbar. Die Elemente der Thoraxwand haben sich zwischen zwei Segmente des Wirtsabdomens eingeschoben. Sie bilden eine kleine Erhebung, auf deren Gipfel die Haltere (C, P, SC) artikuliert ist. Die Vorderseite enthglt ein marginales A-Borstenmuster (A), das von der Haltere maximal entfernt
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DER
HALTEBENSCHEIBEN
VON
DROSOPHILA
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ist. Auf der Hinterseite liegen das Stigma (St) in der Nahe des AAreales, und die thorakale Borstengruppe (TB) zwischen Stigma und Haltere. Bei normaler Lage auf dem Thorax ware das A-Area1 such in diesem Falle ventral oder lateral vom Stigma zu lokalisieren, da sich diese Strukturen im Implantat am nachsten stehen. Beide beschriebenen Falle weichen nicht nur mit der Anwesenheit von A-Borsten, sondern such mit manchen Missbildungen vom normalen Metathorax ab. Ihr Wert als Vergleichsmaterial wird dadurch eingeschrankt, denn es besteht die Moglichkeit, dass mit der Entstehung anderer Abnormitaten such die Lage des A-Areales verschoben wurde. Eine Uberpriifung der Beobachtung anhand von mehr und besserem Material ware notwendig. Vorlaufig ist eine Bestatigung nur indirekt moglich, indem bei verwandten Formen ein ahnliches Borstenmuster beobachtet wird. In der Umgebung des metathorakalen Stigmas sind Borsten bei keiner Drosophila-Art oder Drosophiliden-Gattung beschrieben. In der Gruppe der Acalyptraten weist aber die Familie der Sepsidae ein Muster von metathorakalen Bursten auf, das ventral bis caudal vom Stigmenrand steht ( Abb. 11). Die Frequenz der Borsten ist von Art zu Art verschieden. Sie variiert such bei Vertretern der selben Art und zwischen linker und rechter Kbrperseite eines Individuums. Im Material, das ich mikroskopisch untersuchen konnte, traten Frequenzen zwischen 4 bis 6 bei Sepsis punctum und 9 bis 11 bei Themirn put& auf. Wenn sich die A-Borsten von Drosophila und die metathorakalen Borsten der Sepsiden in ihrer Lage entsprechen, ist es wahrscheinlich, dass die beiden Muster homolog sind. Zum Beweis ware ihre Herkunft aus gleichen Imaginalfeldern in Transplantationsversuchen bei Sepsiden zu zeigen. Die mogliche Homologie mit einem ventralen Borstenmuster des dorsalen Metathorax bildet ein Argument zu Gunsten der Annahme, dass die A-Borsten sich ventral in das Differenzierungsmuster der Halterenscheibe einfiigen. Sie erlaubt ferner, die ABorsten als Ergebnis eines Evolutionsvorganges aufzufassen. In Abb. 11 fallt auf, dass eine der metathorakalen Borsten der Sepsiden bedeutend grosser ist als die iibrigen Borsten des Musters. Eine solche Makrochaete wird als charakteristisch fur alle Sepsiden beschrieben (Hennig, 1949). Bei den A-Borsten der Halterenimplantate wurde dagegen nie eine Makrochaete beobachtet. Unterschiede bestehen such in der Lagebeziehung zum Stigma: bei den
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LOOSLI
Sepsiden stehen die Borsten direkt am Stigmenrand, wahrend die deutlich vom Stigmenrand entfernt sind A-Borsten von Drosophila (Abb. 4 und 10). Diese Unterschiede schliessen aber eine Homologie der beiden Muster nicht aus. Die Verwandtschaft zwischen Drosophilidae und Sepsidae ist nicht sehr eng. Hennig (1949) nimmt z.B. an, dass die Drosophiliden “aus der Nahe der Stammform der Sepsiden abgeleitet werden” konnen. Im Laufe der Evolution, die zu den beiden heutigen Familien gefuhrt hat, kann sich neben der Realisierbarkeit des Borstenfeldes such sein Differenzierungsmuster verandert haben.
ABB. 11. Sepsis neocynipseu M. & S. Linksseitige Halterenregion. Capitellum ( C), Pedicellus (P) und Scabellum (SC), sowie die Lage der thorakalen Borstengruppe ( TB ) und des Stigmas (St) gleichen den Verhzltnissen bei DrosophiZu melanogaster. Interessant sind die metathorakalen Borsten (MB) ventral des Stigmas. Punktierte Flschen: Strukturen ausserhalb der Halterenregion.
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DER
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VOX
DROSOPHILA
51
Da die Borstenkompetenz des A-Feldes von Drosophila im Experiment so leicht realisiert wird, ist es denkbar, dass die A-Borsten such als regelmassige Wirkung einer Mutation in situ auftreten konnten. Die zwei Kr-Falle sind aber nicht in diesem Sinne zu werten, sie stellen vielmehr eine zufallige Nebenwirkung des Kr-Faktors dar. Das Mutantenverzeichnis von Braver (1956) enthglt keine Mutation, von der das regelmlssige Auftreten neuer Borsten in der Umgebung des Metathorakalstigmas beschrieben ist. Borsten als mutative Neubildung sind nur fur das Gebiet dorsal der Haltere bekannt, wo sie bei tetrapteru und den verschiedenen Allelen und Pseudoallelen der &thorax-Serien entstehen. e. Zusammenfassung Die A-Borsten entstehen als Neubildung in implantierten Halterenscheiben. Ihre Frequenz variiert stark. Als beeinflussende Faktoren wurden Spenderalter und Konzentration der Salzlosung wahrend der Transplantation erkannt. Die sensible Phase stimmt mit derjenigen einer borstenvermehrenden Hitzemodifikation iiberein. Das A-Borstenfeld liegt im basalen Teil der Halterenscheibe. Bei normaler Entwicklung in situ bleibt das Feld latent. Zur Realisation seiner Potenz ist ein Reiz erforderlich. Im Transplantationsversuch wird er ausgeubt, wenn die Scheibe vom Hypodermisstiel getrennt wird. Es wird gezeigt, dass der Kr-Faktor hauptsachlich die Scheibenbasis beeinflusst. Damit wird verstandlich, dass bei heterozygoten Kr-Fliegen die A-Borsten spontan auftreten konnen. Auf Grund einiger Beobachtungen wird angenommen, dass das A-Borstenareal im Thorax ventral des metathorakalen Stigmas liegen miisste. Die Annahme wird gestiitzt durch das Vorkommen eines metathorakalen Borstenmusters, das bei Sepsiden ventral des Stigmas steht. Die beiden Muster sind mijglicherweise homolog. S. BEOBACHTUNGEN
AN FRAGMENTIERTEN
SCHEIBEN
Mit der Transplantation von Fragmentpaaren wurde versucht, Aufschluss iiber Determinationszustand und Regulationsfahigkeit anderer Felder der Halterenscheibe zu erhalten. In der Mitte oder zu Ende des 3. Larvenstadiums wurden die Scheiben quer zu ihrer Langsachse
52
LOOSLI
~~BJSRSICHT
OBER
Wirtsalter
verpuppungsreif Mitte 3. Lsrve
TABELLE 6 DIE ENTWICKLUNG PAARWEISE IMPLANTIERTEH DER HALTEREN-IMAGINALSCHEIBE~ 2 Hdften n 7 19
entwickelt 2 TB
2 Halteren
1 5
1 5
QUERHILFTEN
atypisch
Total
16 29
23 48
a Fiir vollstiindige Fragmentpaare (Anaahl n) ist dm Vorkommen von Verdoppelung der thorakalen Borst,engruppe (Z’B) oder der Haltere angegeben. “Atypisch” sind Paare, bei denen hiichstens ein Fragment identifizierbare Strukturen enthglt. ‘LTotal” bedeutet die Anzahl metamorphosierter Wirte jeder Serb
halbiert ( Abb. 7, AA). D ie zusammengehiirigen Stiicke wurden gemeinsam in Wirtslarven von der Mitte des 3. Larvenstadiums implantiert. Nach der Metamorphose wurden die Implantatspaare auf allfgllige Doppelbildungen untersucht. Die Ergebnisse sind in Tab. 8 zusammengefasst. Wie bei der Transplantation einzelner Fragmente, hat sich such bei den Paaren ein grosser Teil nicht typisch entwickelt. Wo beide Hllften nach der Metamorphose wieder gefunden wurden, ist in der RegeI ein strenges Mosaikmuster differenziert worden: ein Teil enthglt vor allem die A-Borsten, der andere die Sinnesorgangruppen, welche die Abschnitte der Haltere markieren. Stigma, thorakale Borstengruppe und Scabellum werden alternierend auf beiden Teilen beobachtet. Ihr abwechselndes Vorkommen muss mit Abweichungen in der Schnittfiihrung erkkirt werden. In verschiedenen Flllen sind einzelne Strukturen auf beiden Fragmenten eines Paares vorhanden. Besonders auffgllig sind sechs basale Hglften, die ausser einem A-Borstenmuster such kleine Sinnesorgangruppen und ein reduziertes Capitellum aufweisen, wghrend die zugehBrigen terminalen Hglften griissere Halterenorgane d8erenziert haben. Die doppelt vorhandenen Areale sind aber nicht von gleicher Grasse, wie es bei typischer Regulation zu erwarten wire (Hadorn et al., 1949). Wahrscheinlich handelt es sich nur urn Arealfragmente, die aus den Teilen zerschnittener Felder differenziert wurden. Die beiden Teilareale diirfen in diesem Falle zusammen nicht griisser sein als ein Normalareal. Ob das in Wirklichkeit zutrifft, konnte nicht nachgepriift werden. Die metamorphosierten Implantate sind so stark
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DER
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DROSOPHILA
53
verfaltet, dass die einzelnen Sinnesorgane nur in Ausnahmef$llen gezghlt werden kiinnen. Daher ist nicht bekannt, ob die Doppelhalteren zusammen mehr als eine Normalleistung darstellen oder nicht. Ahnliche Vorbehalte sind auf die FBlle von Verdoppelung der thorakalen Borstengruppe anzuwenden. In den beiden Gruppen werden 2 f 2 bis 3 + 4 Borsten geziihlt, der Mittelwert ist 58. In Kontroll-Implantaten wurden aber im Xlaaimum 9 Borsten pro Gruppe gefunden. Zur Erkkirrmg der Verdoppelung gcniigt daher wiedrr die Annahme, dass jedes Fragment tines zerschnittenm Feldes den ihm verbleibenden Teil der Normalpotenz renlisiertc. I>er Prozcntsatz der verdoppelten Strukturen ist bei jiingeren Spcndern betlelltencl hiiher nls bei verpuppungsreifen Spendern. Fiir tine statistische Priifung ist das Zahlenmaterial ZLI klein. Wenn der Unterschird signifikant ist, kann das bedeuten, dass eine Regulationsfahigkeit besteht, die gcgen Ende der Larvenperiode abnimmt. Wir kiinnen aber such annehmen. (lass kleine Feldfragmentc ;LLIS verpuppungsreifen Larven sich gar nicht entwickcln, wiihrend sic sich in jiingeren Schciben noch gem&s ihrer Restpotenz diffrrenzicren kiinnen.
Es ist nicht miiglich, die Doppelbildungen in den HalterenscheibenFragmenten klar zu deuten. Wenn sie aber Fglle von Regulation darstellen, ist damit gezeigt, dass die Scheibe aus regulationsfghigen Einzelfeldern besteht, denn es sind nur einzelne Areale verdoppelt worden. Die Feldstruktur der Dipteren-Imaginalscheiben wnrde vor allem von Hadorn und Mitarbeitern in verschiedenen Arbeiten iiber die Genitalscheiben von Drosophila rnelanogaster nachgewiesen und gedeutet (Hadorn und Gloor, 1946; Hadorn, 1953). Es wurde gezeigt, d ass diese Scheiben mehrere Anlagefelder enthalten, von denen jedes “die Fahigkeit besitzt, nach einer Fragmentation in den entstehenden Teilstiicken den urspriinglichen Feldzustand wiederherzustellen” (Hadorn et nl., 1949). In einer Untersuchung iiber die Augen-Antennenscheibe von Drosophila hydei fand Vogt ( 1946) ein weitgehend iibereinstimmendes Verhalten. Wenn die Doppelbildungen lediglich Teilareale aus fragmenticrten Anlagefeldern darstellen, muss eine Feldstruktur der Halterenscheibe in Obereinstimmung mit den genannten Autoren trotzdem angenommen werden. Es ist zu erwarten, dass in einem grijsseren Material, oder nach Fragmentierung in einem friiheren Larvenstadium, eindeutige Fslle von Regulation zu beobachten wsren. ,4us den Untersuchungen von Hadorn und Mitarbeitern und Vogt ist bekannt, dass die Regulationsfihigkeit mit zunehmendem Alter abnimmt. Somit ist
54
LOOSLI
es miiglich, dass die Anlagefelder der Halterenabschnitte thorakalen Borstengruppe in der Mitte des 3. Larvenstadiums fest determiniert sind. 6. ZUR
DETERMINATION
DES
und der bereits
METATHORAKAL-STIGMAS
Normalerweise wird das Metathorakalstigma vom dorsalen Metathorax umschlossen (Abb. 1, St). Wie Tab. 9 zeigt, tritt nach Verlust der Halterenscheibe das Stigma in der Regel dennoch auf. Diese Beobachtung wurde such von Zalokar (1943) gemacht. Ich untersuchte Fliegen mit fehlender Haltere aus Exstirpationsversuchen, aus einem Kr-Stamm und aus UV-Strahlenstichversuchen, Beriicksichtigt wurden nur Individuen, deren dorsaler Metathorax unilateral viillig fehlt. In der Mehrzahl der Ftille ist das Stigma auf der Defektseite vorhanden. Es liegt nun zwischen dorsalem Mesothorax und ventralem Metathorax. Seine Offnung ist deutlich kleiner als bei normaler Entwicklung innerhalb des dorsalen Metathorax. Daraus folgt, dass fiir die normale Differenzierung des Stigmas ein praedeterminiertes Feld der Halterenscheibe zur Verfiigung steht. Der Verlust dieses Feldes kann nur teilweise aus anderen Anlagen ersetzt werden. Robertson (1936) hat das Verhalten des Tracheensystems von Drosophila melnnogaster wBhrend der Metamorphose untersucht. Er hat bei erwachsenen Larven gefunden, dass in jedem Segment eine Gruppe imaginaler Zellen vom Tracheen-Lgngsstamm gegen die Hypodermis vorwgchst. Aus ihr entstehen die seitlichen Tracheengste. Die Endigungen der auswachsenden Aste breiten sich in der abdominalen Hypodermis aus. Sie differenzieren die abdominalen Stigmen mit den unmittelbar angrenzenden Teilen der Hypodermis. Wahrscheinlich haben die Angaben Robertsons such fiir den Metathorax Giiltigkeit. Es ist anzunehmen, dass in den oben beschriebenen
~~BERSICHT
TABELLE 9 CBER DAS VORKOMMEN DES METATHORAKALSTIGMAS AUSFALL DES DORSALEN METATHORAX' Rtigma
Methcde
Exstirpation UV-Strahlenstich Mutante Kr/+
Ein
a Anaahl der Fllle mit schlecht priiparierter
vorhanden
5 12 9 oder Fall
stigma
f&It
1 6 -
ohne Stigma aus drei verschiedenen ist als “unbekannt” aufgefiihrt.
NACH unbeksnnt
1 Versuchsgruppen.
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Fiillen ein auswachsender Tracheenast fiir die Stigmendifferenzierung verantwortlich ist. Nach Robertson miisste das Stigma aus Zellmaterial der Trachee entstehen, das in die larvale Hypodermis vorwgchst und diese verdrgngt. Immerhin ist such an die Miiglichkeit zu denken, dass ein Stigma von der Tracheenknospe aus in der imaginalen Hypodermis induziert werden kiinnte. Experimentelle Untersuchungen zu dieser Frage bestehen meines Wissens nicht. Ein Stigma entsteht such in der implantierten, das heisst isolierten Halterenscheibe. Sein Nachweis gelingt nach der Metamorphose auf Grund der Filterhaare, welche den Stigmenrand mehrreihig umfassen. In 75% einer Serie von 56 Kontroll-Implantaten ist das Stigma nachgewiesen. Eine Verbindung mit dem Tracheensystem des Wirtes besteht nicht. Wenn das Implantat im Wirt isoliert ist, zeigt das Auftreten des Stigmas in der Mehrheit der Implantate, dass die Halterenscheibe iiber die Kompetenz zur Selbstdifferenzierung eines Stigmas verfiigt. Dieser Befund bestgtigt und erg&zt die friihere Feststellung eines praedeterminierten Stigmenfeldes auf der Halterenscheibe. Ob die Stigmenkompetenz in allen Implantaten realisiert wird, ist nicht sicher. Bei der hgufigen Verfaltung der metamorphosierten Implantate kann nicht entschieden werden, ob fehlende Stigmen nur versteckt liegen, oder ob sie wirklich nicht differenziert worden sind. Ebenso wenig ist ersichtlich, ob die Stigmen isolierter Implantate normale Grijsse haben, oder ob sie verkleinert sind. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Halterenscheibe nur teilweise selbstdifferenzierend ist, das heisst nur mit dem Tracheensystem zusammen eine ganz normale Struktur ausbildet. Aus den obigen Beobachtungen folgt, dass das Metathorakalstigma aus verschiedenen Anlagen entstehen kann, vielleicht sogar regelmgssig aus dem Zusammenschluss verschiedener Anlagen entsteht. Diese Folgerung findet direkte Bestgtigung in einigen Fgllen, wo die Anlagen einer Thoraxseite zwei getrennte Metathorakalstigmen differenziert haben. In einem Kr-Thorax (Abb. 10) differenzierte die gedrehte Halterenscheibe ein Stigma (Sthl), das dorsal der Haltere lie@. Ventral der Haltere, in Bezug auf den ganzen Thorax also an der normalen Stelle, findet sich ausserhalb der Halterenderivate ein zweites Stigma (StT). Das dorsale Stigma (StM) ist aus der entsprechenden Anlage der Halterenscheibe entstanden, wie seine Lage innerhalb der Halterenderivate, sowie seine G&se und Struktur, zeigen. Das ventrale Stigma (StT) ist an der topographisch richtigen
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Stelle.gelegen. Es muss auf den metathorakalen Tracheenast zuriickgefiihrt werden, der an dieser Stelle die Korperoberflache erreicht hat. In der Normalentwicklung treffen die Stigmenanlagen von Halterenscheibe und Tracheensystem zusammen. Nach der Drehung der Scheibe ist der Tracheenast trotzdem in normaler Richtung ausgewachsen, hat daher die Halterenscheibe nicht erreicht und aus eigener Kompetenz ein verkleinertes Stigma differenziert oder induziert. Eine der exstirpierten Halterenscheiben, die als Kontrollen in Wirtslarven implantiert wurden, weist ein deutliches Stigma auf. Die operierte Seite der Spenderfliege enthalt ebenfalls ein kleines Stigma. Schliesslich wurden bei einer Kr-Fliege in der implantat-artigen Haltere (Abb. 9, St.), sowie auf der Defektseite des Thorax, ein Stigma gefunden. Auch diese beiden Falle bestatigen, dass fur die Differenzierung des Metathorakalstigmas zwei verschiedene Systeme zur Verfiigung stehen. Ein Feld der Halterenscheibe ist praedeterminiert und hangt in seiner Differenzierungsleistung hochstens teilweise vom Tracheensystem ab. Die Fahigkeit der Tracheenendigung, ein Stigma zu differenzieren oder zu induzieren, wird normalerweise von der anscheinend autonomen Komptenz der Halterenscheibe iiberlagert. Wenn die beiden Anlagen raumlich getrennt werden, ist aber das Tracheensystem selbstandig zur Entwicklung eines reduzierten Stigmas befahigt. Die Entwicklung der Amphibien weist ahnliche Beispiele von Strukturen auf, die moglicherweise als autonome sowie als induzierte Differenzierungen entstehen konnen. Nach neuerer Ansicht sind sie aber eher durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren zu erklaren. Vor allem ist die Linse von Rana esculenta zu erwahnen, die anscheinend als Selbstdifferenzierung der Epidermis entstehen kann, gleichzeitig aber vom Augenbecher induziert wird. Fur das Operculum der Kiemenhohle von Anurenlarven wurde gezeigt, dass die Perforation wahrend der Metamorphose auf verschiedene Ursachen zuriickgefiihrt werden kann: neben dem mechanischen Druck der wachsenden Vorderextremitat und der Selbstdifferenzierung des Operculum miissen such Produkte der Kiemen-Autolyse, Sekrete der Hautdriisen sowie hormonale Faktoren in Erwagung gezogen werden. Spemann (1936) fuhrte fur diese Vorgange den Begriff der “doppelten Sicherung” ein. Die Anwendung des Begriffes ist von verschiedenen Autoren kritisiert worden; fiir eine eingehende Besprechung verweise ich auf Needham (1950).
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Die Differenzierung des Metathorakalstigmas darf vorlsufig nicht als ein Fall von doppelter Sicherung gedeutet werden, denn wir wissen nicht, ob Tracheensystem und Halterenscheibe nicht in gegenseitiger Abhgngigkeit stehen oder von weiteren Faktoren abhsngig sind. Vor allem ist es unsicher, dass die implantierte Halterenscheibe wirklich isoliert ist. Im Kontakt mit Zellmaterial oder mit der Haemolymphe des Wirtes kijnnte des Implantat Induktorstoffe erhalten und eine autonome Differenzierung vortauschen. Zur Kontrolle miisste die Scheibe als Explantat in einem neutralen, das heisst sicher nicht induzierenden Medium zur Differenzierung gebracht werden. Dieses Experiment kann aber einstweilen aus technischen Griinden nicht realisiert werden. 7. DISKUSSION
a. Die A-Borden
als regulative
Neubildung
Die beschriebenen Experimente zeigen, dass die Halterenscheibe im Moment der Puparisierung nicht vollst2ndig determiniert ist. Sie hat noch die Fshigkeit, auf einen bestimmten Reiz mit einer Adventivbildung zu reagieren. Das bedeutet, dass ihre prospektive Potenz nicht nur in quantitativer, sondern such in qualitativer Hinsicht griisser ist als die prospektive Bedeutung. Die A-Borsten unterscheiden sich als Neubildung von den verschiedentlich beschriebenen regulativen Doppelbildungen, deren Untersuchung zur Konzeption der Feldstruktur der Imaginalscheiben fiihrte ( Hadorn, 1953). Waddington (1947, 1953) und Pantelouris und Waddington (1955) erkannten, dass Imaginalscheiben such zu regulativen Neubildungen beftihigt sind. Sie beschreiben Falle, wo nach Verlust einer Fliigelscheibe die Strukturen des Mesonotum teilweise von der gegeniiberliegenden Fliigelscheibe ersetzt wurden, oder wo der Thoraxriicken zur Hauptsache aus den Derivaten einer Fliigelscheibe und der Halterenscheibe der gegentiberliegenden Kijrperseite besteht. Ein Ersatz von spiegelbildlich homologen Strukturen, z.B. die Ausbildung von Mesonotum-Elementen auf der Defektseite durch die gegeniiberliegende Fliigelscheibe, kann mit der Feldtheorie der Scheibenorganisation erkllrt werden. Wir miissen annehmen, dass die beiden Mesothorakalscheiben einen urspriinglich einheitlichen, dann gespaltenen Anlagekomplex darstellen (Pantelouris und Waddington, 1955). Die Unterdriickung einer Seite kann in diesem Falle Regulations-
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vorgange in benachbarten Feldern der andern Seite ausliisen. Nach dieser Ansicht darf der Ersatz spiegelbildlich homologer Strukturen als regulative Doppelbildung aufgefasst werden. Auch der Ersatz ausgefallener Strukturen durch die Scheibe eines Nachbarsegmentes, z.B. mesothorax-ahnliche Entwicklung der Halterenscheibe nach Ausfall der Fliigelscheibe, steht in keinem Widerspruch zur Feldtheorie. Wir miissen bedenken, dass Fliigel- und Halterenscheibe die Anlagen metamer homologer Organe darstellen. Der Ausfall von Feldern des dorsalen Mesothorax kann, durch Ausbleiben eines Konkurrenzeffektes oder durch einen andern Koordinationsmechanismus, die Determination homologer Felder der Metathorakalscheibe andern. Ein “regulativer. Integrationsprozess” (GoldSchmidt, 1951) wird, im Anschluss an die veranderte Determination, die Differenzierung von mehr oder weniger harmonischen MesothoraxStrukturen garantieren. Auch in solchen Fallen fiihrt die Regulation nicht zu eigentlichen Neubildungen. Die Entwicklungspotenz der Scheibe wird nur in Richtung auf ein homologes Muster erweitert. Wahrscheinlich erreicht dabei jedes Feld wieder den Zustand, der ihm auf einer phylogenetisch friiheren Stufe normalerweise zukam. Die A-Borsten stellen dagegen eine echte Neubildung dar, unter normalen Bedingungen ist auf dem Thorax keine entsprechende Differenzierung vorhanden. Sie unterscheiden sich dadurch von den bisher beschriebenen Fallen von Regulation, in denen nur regelmassig vorhandene Strukturen verdoppelt oder ersetzt werden. Auch die Differenzierung der A-Borsten ist aber ohne weiteres unter dem Aspekt der Feldstrukter der Halterenscheibe verstandlich. Die Hypothese zur Erklarung ihres Auftretens basiert ja auf der Feldtheorie, indem wir annehmen, dass die Scheibe iiber ein latentes Borstenfeld verfugt, dessen Kompetenz normalerweise nicht realisiert wird. In diesem Zusammenhang diirfen such die A-Borsten als Regulationsleistung aufgefasst werden. Regulation bedeutet ja die Realisierung von latenten Entwicklungspotenzen embryonaler Blasteme. Im Falle der A-Borsten fiihrt diese Realisierung allerdings, im Gegensatz zu nicht offenkundig zur Normalenttypischen Regulationsvorgangen, wicklung. Hingegen ist es wahrscheinlich, dass wiederum ein friiherer, im Laufe der Evolution mutierter Normalthorax rekapituliert wird. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die A-Borsten als Regulationsleistung eines latenten Feldes der Halterenscheibe entstehen. Obschon sie eine Neubildung darstellen, sind sie den regulativen Mehrleistungen
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anderer Imaginalscheiben vergleichbar. Mit diesen haben sie im dass sie aus einem labil determinierten wesentlichen gemeinsam, Feld entstehen, das zur Realisation der vollen Potenz eines auslbsenden Reizes bedarf. 0. Zur Evolution
der A-Borden
Untersuchungen an Halterenscheiben, die sich an der Kiirperoberf&he metamorphosiert haben und A-Borsten aufweisen, sprechen daftir, dass das A-Borstenareal zu den ventralen Scheibenderivaten gehijrt. Beobachtungen an fragmentierten Scheiben bestgtigen den Schluss: neben den A-Borsten enthalten basale Fragmente hgufig au& das Stigma und die thorakale Borstengruppe. Diese Strukturen sind also benachbart und bilden gemeinsam den ventralen Teil des dorsalen Metathorax. Das Auftreten eines ghnlichen Musters in &hnlicher Lage bei den Sepsiden ist ein weiteres Argument zu Gunsten dieser Ansicht. Bei der Durchsicht einiger Testimplantate von Drosophi!cl hydei zeigte sich, dass von drei Halterenimplantaten dieser Species alle A-Borsten aufweisen; die Frequenzen sind 32, 41, 42. Die A-Borsten sind somit keine Besonderheit von Drosophila mclanoga.ster, sondern sind such bei andern Arten zu erwarten. Ihr Vergleich mit dem Muster einer andern Familie ist umso mehr gerechtfertigt, wenn sich die A-Borstenkompetenz als entwicklungsphysiologisches Merkmal einer Verwandtschaftsgruppe erweist. Fliigel- und Halterenscheibe bilden metamer homologe Anlagttkomplexe. Die metamere Homologie wird offenkundig in der Wirkung homoeotischer Mutationen, z.B. tetraptera und tetrnltera, wo dir beiden Segmente oft praktisch identische Strukturen entwickeln kiinnen. &Ian kiinnte somit erwarten, dass such die FliigeIscheibe iiber ein ventrales Borstenfeld verfiigt. Die Mesothorakal-Pleuren, das heisst die Fhigelscheibenderivate ventral des Fliigelansatzes, tragen aber keine Borsten. Eine Testserie von sechs Fliigelscheiben-Implantaten von Drosophila melanogaster liess ebenfalls keine Adventiv borsten erkennen. Die Implantate haben nur die normalen Borstenareale von Scutum, Scutellum und Fliigelvorderrand entwickelt. Ein Muster, das den A-Borsten des Metathorax homolog ist, kann also bei Drosophila nicht nachgewiesen werden. Das ist besonders iiberraschend, wenn zum Vergleich wiederum der Thorax der Sepsiden betrachtet wird. Ein ventraler Teil des dorsalen Mesothorax. die
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Mesopleura, trBgt hier ein Borstenmuster, das den Metathorakalborsten entspricht. Die Ubereinstimmung geht so weit, dass eine Makrochaete neben einer Anzahl kleiner Borsten vorhanden ist, wie es fiir die metathorakalen Borsten charakteristisch ist. Als Mutationswirkung sind neue Borsten in der Halterenregion von Drosophila melanogaster nur dorsal der Haltere aufgetreten, oder auf der Haltere selbst, die sich in solchen Fgllen fliigelartig entwickelt. Bei der Mutante tetraptera (Astauroff, 1929) und bei den verschiedenen bithorax-Mutanten kann sich der dorsale Metathorax mesothorax-ghnlich entwickeln und ein Borstenmuster tragen, wie es fiir das Mesonotum charakteristisch ist. Die Genwirkung kann w%hrend der Embryonalperiode mit Xtherbehandlung (Gloor, 1947) oder Hitzeschock (Maas, 1948) vollst$ndig kopiert werden. Dorsale Felder der Halterenscheibe verfiigen also iiber eine latente Borstenkompetenz, die ziemlich labil ist und leicht zur Manifestation gebracht werden kann. Da die direkten Beobachtungen zur ventralen Lokalisation des A-Areales nicht gesichert sind, wgre es an sich denkbar, dass die A-Borsten ein Metanotum-Area1 darstellen. Der Vergleich mit einer bithorax-Form macht aber diese Ansicht unwahrscheinlich, denn es treten im Halterenimplantat keine Makrochaeten auf, die fiir das bithorax-Metanotum charakteristisch sind. Da verschiedene Gene sowie physikalische und chemische Einwirkungen auf den Embryo das Muster stets gleich prggen, ist nicht anzunehmen, dass die mechanische Wirkung der Transplantation die selbe Anlage wlhrend der sptiteren Larvalperiode zu einer anderen Differenzierung veranlassen kann. Die oben vertretene Ansicht, dass die A-Borsten bei Drosophila keine metamer homologe Struktur finden, ist vie1 eher berechtigt. 8. ZUSAMMENFASSUNG 1. Die Derivate der dorsalen Metathorakalscheibe von Drosophda melanogaster wurden nach der Metamorphose in situ untersucht und mit den Derivaten transplantierter Scheiben verglichen. 2. Alle Strukturen des dorsalen Metathorax kiinnen im metamorphosierten Implantat identifiziert werden. Als Neubildung weisen die Implantate zudem ein Muster von Adventiv-Borsten ( A-Borsten) auf. 3. Die Frequenz der A-Borsten ist abhgngig vom Spenderalter und von der Konzentration der SalzlGsung, in der die Scheiben zur Transplantation vorbereitet werden. 4. Aus Beobachtungen an Scheibenfragmenten und aus den Lage-
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beziehungen zu anderen Strukturen des Implantates ist zu schliesscn, dass die A-Borsten von einem basalen Feld der Halterenscheibe differenziert werden. S. Die Borstenkompetenz dieses Feldes bleibt in der Normalentwicklung latent. Es wird angenommen, dass ein mechunischer Rciz w&rend der Transplantation fiir die Realisation der Kompetenz verantwortlich ist. 6. Heterozygote Kriippel-Fliegen (Kr/ + ) we&en in implantutghnlich entwickelten Halteren oft A-Borsten auf. An Kr-Fliegen werden ausnahmsweise A-Borsten in situ beobachtet. Diese Fiille stiitzrn die vorgeschlagene Hypothese. 7. Die A-Borsten als Neubildung werden mit Mehrleistungen anderer Imaginalscheiben verglichen. Die Interpretation der Borsten als Regulationsleistung, sowie ihre Beziehung zu einem metathorakalen Borstenmuster der Sepsiden, werden diskutiert. 8. Es war nicht miiglich, in Fragmentierungsversuchen regulati\~c Doppelbildungen der Halterenscheibe nachzuweisen. 9. Das R/Ietathorakalstigma entsteht als Selbstdifferenzierung der Halterenscheibe. Bei Verlust der Scheibe tritt ein reduziertes Stigma in der NBhe des Defektes auf. Es wird angenommen, dass fiir dicse Ersatzdifferenzierung das Tracheensystem verantwortlich ist.
1. The structures developed by a transplanted dorsal metathoracic disk of Drosophila melnnognster are compared with the derivatives of the same disk in situ. 2. The transplanted disk develops all the normally occurring structures. In addition, a pattern of adventitious bristles (A-bristles) appears after transplantation. 3. The frequency of the A-bristles is influenced by the age of the donor larva and by the concentration of the saline in which the disks have been prepared for transplantation. 4. The A-bristles originate from a basal field of the haltere disk, as is indicated by their occurrence in disk fragments and by their topographic relation to other derivatives of the disk. 5. The competence to differentiate A-bristles remains latent during normal development in situ. The mechanical disturbance during transplantation appears to be responsible for the realization of this competence in transplanted disks,
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6. The transplanted haltere with A-bristles is simulated occasionally in heterozygous flies of the mutant Kriippel ( KT/ + ). Defective Kr-halteres have in a very few cases produced A-bristles in situ. These findings are in support of the hypothesis proposed above. 7. The occurrence of A-bristles is compared with other cases of regulation in imaginal disks. A probable relationship between Abristles and a pattern of metathoracic bristles in Sepsidae is discussed. 8. Cases of regulative duplication were not detected in the present investigation. 9. The haltere disk is autonomous for the differentiation of the spiracle. However, after loss of the disk, a reduced spiracle is found in the defective area. The tracheal system seems to be responsible for this compensatory differentiation. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. E. Hadorn, verdanke ich die Anregung und Leitung der vorliegenden Arbeit. Herrn P.D. Dr. P. S. Chen danke ich fur die Einfiihrung in die Operationstechnik, Herrn P.D. Dr. H. Burla fur die Unterstiitzung in statistischen Fragen. Herr Prof. Dr. H. Gloor, Leiden, stellte mir die Kriippel-Stamme zur Verfiigung. Herr Prof. Dr. A. H. Sturtevant, Pnsadena, verwies mich fur vergleichende Untersuchungen auf die Sepsiden. Die Entomologische Sammlung der University of Massachusetts iiberliess mir Sepsiden zur mikroskopischen Praparation, und am Museum of Comparative Zoology, Harvard University, konnte ich weiteres Material untersuchen. Fur alle gewahrte Hilfe danke ich herzlich.
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