Was kann und tut die Rehabilitationspsychologie?

Was kann und tut die Rehabilitationspsychologie?

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Was kann und tut die Rehabilitationspsychologie? Ju¨rgen Bengel Die Rehabilitationspsychologie ist eine der zentralen Disziplinen innerhalb der Rehabilitation und der Rehabilitationswissenschaften. Sie hat sich in Deutschland und auch weltweit von einer prima¨r diagnostischen Aufgabenstellung und Funktion in den 70er Jahren zu einer Disziplin mit einem breiten Ta¨tigkeitsprofil entwickelt. Zielsetzungen einer Psychologie in der Rehabilitation liegen in der Unterstu¨tzung bei der Krankheitsverarbeitung, der Reduktion von psychosozialen Belastungen und der Versorgung von psychischen Sto¨rungen bei den Rehabilitanden und den Angeho¨rigen. Psychologische Maßnahmen zielen auf eine Sta¨rkung der Vera¨nderungsmotiva¨ nderung tion und geben Hilfen zur A eines gesundheitlich risikoreichen Lebensstils. Zentrale Aufgaben der Rehabilitationspsychologie liegen in der Verringerung von gesundheitlichen Risikofaktoren wie zum Beispiel Rauchen, Fehlerna¨hrung, mangelnde ko¨rperliche Aktivita¨t und inada¨quates Stressmanagement und in der Sta¨rkung von gesundheitlichen Schutzfaktoren wie zum Beispiel soziale Unterstu¨tzung und Selbstwirksamkeit. Hinzu kommen die Verbesserung der therapeutischen Compliance und Adha¨renz sowie die Vorbereitung auf invasive und belastende Eingriffe und Therapien. Nicht zuletzt wirken Psychologen bei der beruflichen Wiedereingliederung der Rehabilitanden mit. Das patientenzentrierte Ta¨tigkeitsprofil la¨sst sich wie folgt gliedern: - Psychologische Diagnostik (u.a. psychosoziales Screening, Abkla¨rung psychischer Symptome, Feststellung

von Leistungsvermo¨gen und Belastbarkeit) - Psychologische Intervention (u.a. Beratung von Rehabilitanden und Angeho¨rigen, Kurzzeitpsychotherapie und Krisenintervention) - Patientenschulung in indikationsspezifischen und indikationsu¨bergreifenden Gruppen (u.a. Schmerzbewa¨ltigung, Stressbewa¨ltigung) - Gesundheitstraining, Gesundheitsbildung und Gesundheitsfo¨rderung (u.a. Entspannung, Raucherentwo¨hnung). Dabei spielen heute die unterschiedlichen interventiven Maßnahmen eine weitaus gro¨ßere Rolle als die diagnostischen Aufgaben. Nach einer neuesten Erhebung la¨sst sich rund jeweils ein Drittel der Arbeitszeit von Rehabilitationspsychologen einerseits Einzelberatungen und Therapiegespra¨chen sowie andererseits Gruppenangeboten zuordnen (Reese et al., im Druck). Die Ta¨tigkeit eines Psychologen in der Rehabilitation basiert auf dem biopsychosozialen Modell von Krankheit und Gesundheit und der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfa¨higkeit, Behinderung und Gesundheit). Er bedient sich der gesamten Palette der klinischen und der Gesundheitspsychologie, insbesondere auch des Selbstmanagementansatzes, der Motivations- und Volitionsmodelle. Konzepte wie Salutogenese und Empowerment sowie Ressourcenorientierung bieten ebenfalls eine theoretische Orientierung. Die Interventionskonzepte der klinischen Psychologie werden auf den institutionellen Rahmen der Rehabilitation angepasst.

Neben der patientenzentrierten Ta¨tigkeit ist der Psychologe in der Rehabilitation auch (mit-)verantwortlich fu¨r organisations- und institutionsbezogene Aufgaben, Fall- und Teambesprechungen und im Teamtraining (Supervision, Beratung), beim Qualita¨tsmanagement und der Evaluation, in der Aus- und Weiterbildung anderer Berufsgruppen, in der Organisationsund Konzeptentwicklung und in der Rehabilitationsforschung. Der Psychologe in der Rehabilitation arbeitet in einem interdisziplina¨ren Team, das verschiedene Behandlungsansa¨tze (somatische, funktionelle, berufliche und psychosoziale Maßnahmen) kombiniert. Die Psychologie zeichnet sich als Berufsgruppe mit hoher forschungsmethodischer Kompetenz aus, fo¨rdert die interdisziplina¨re Zusammenarbeit und ist ha¨ufig in der Teamfortbildung und der Moderation von Qualita¨tszirkeln ta¨tig. Zu Beginn der 70er Jahre wurden durch die damalige Bundesversicherungsanstalt fu¨r Angestellte (heute Deutsche Rentenversicherung Bund) die ersten Stellen fu¨r Diplompsychologen in (somatischen) Rehabilitationskliniken in Deutschland geschaffen. Inzwischen arbeiten in Deutschland ungefa¨hr 3500 Psychologen in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und stellen damit ca. 8% aller Psychologen. Psychologen sind in der medizinischen Rehabilitation fest etabliert, der Stellenschlu¨ssel fu¨r Psychologen entspricht jedoch nicht dem deutlich ho¨heren Bedarf. Die Bedeutung der Psychologie im Bereich der medizinischen Rehabilitation und der Versorgung chronisch kranker Menschen wird gerade angesichts der steigenden psychischen

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Belastungen und Sto¨rungen weiter zunehmen. In den na¨chsten Jahren werden mehr Psychologen und Psychotherapeuten in der stationa¨ren und ambulanten medizinischen Rehabilitation gebraucht. Ebenso werden Psychotherapeuten beno¨tigt, die sich insbesondere auch in der ambulanten Versorgung auf chronisch ko¨rperlich kranke Menschen mit einer komorbiden psychischen Sto¨rung spezialisieren. Ku¨nftig werden Psychologen vermehrt Leitungsfunktionen in Rehabilitationseinrichtungen einnehmen, viele Psychologen in der Rehabilitation sind als Psychologische Psychotherapeuten approbiert (Heilkundler).

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Angesichts der demografischen Entwicklung, der Zunahme psychischer Belastungen und Sto¨rungen und der Fortschritte in der Akutmedizin sowie der Bedu¨rfnisse und Anforderungen der Patienten werden die Anforderungen an die Psychologie in der Rehabilitation zunehmen. Psychologische Kompetenz wird insbesondere bei Rehabilitanden mit schweren Erkrankungen und Einschra¨nkungen sowie Rehabilitanden in stark belastenden Arbeitskontexten und solchen mit Migrationshintergrund gebraucht, da diese ha¨ufig eine ungu¨nstige Krankheitsverarbeitung und mehr psychische Sto¨rungen aufweisen. Daneben tra¨gt der Psychologe in der Rehabili-

tation auch im Teamtraining und in der Fortbildung zur Psychohygiene der Mitarbeiter und zum Arbeitsklima bei. Der korrespondierende Autor erkla¨rt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt. Literatur siehe Literatur zum Schwerpunktthema. http://journals.elsevier.de/pubhef/literatur doi:10.1016/j.phf.2011.10.001 Prof. Dr. phil. Dr. med. Ju¨rgen Bengel Universita¨t Freiburg Abteilung fu¨r Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie Institut fu¨r Psychologie 79085 Freiburg [email protected]

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Einleitung Die Rehabilitationspsychologie ist eine der zentralen Disziplinen innerhalb der Rehabilitation und der Rehabilitationswissenschaften. Sie hat sich in Deutschland und auch weltweit von einer prima¨r diagnostischen Aufgabenstellung und Funktion in den 70er Jahren zu einer Disziplin mit einem breiten Ta¨tigkeitsprofil entwickelt. Zielsetzungen einer Psychologie in der Rehabilitation liegen in der Unterstu¨tzung bei der Krankheitsverarbeitung, der Reduktion von psychosozialen Belastungen und der Versorgung von psychischen Sto¨rungen bei den Rehabilitanden und den Angeho¨rigen. Psychologische Maßnahmen zielen auf eine Sta¨rkung der Vera¨nderungsmotivation und geben Hilfen zur ¨ nderung eines gesundheitlich risikoreichen Lebensstils. A Schlu¨sselwo¨rter: Rehabilitationspsychologie = Rehabilitation Psychology, Diagnostik = Diagnostics

Literaturverzeichnis Reese C, Mittag O, Ja¨ckel WH. Die somatische Rehabilitation als Arbeitsfeld fu¨r Psycholo-

gen: Ergebnisse einer bundesweiten Befragung zu Strukturen und Praxis in der stationa¨ren orthopa¨dischen und kardiologischen

Rehabilitation. Druck).

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