Kurze Mitteilung
Weitere Untersuchungen zur thermodynamischen Struktur der Biosynthesesequenz Glutaminsaure - - Prolin in wassergestreSten Buschbohnen Further Investigations Concerning the Energy Profile of the Glutamic Acid +---+ Proline Sequence in Water-stressed Bean Plants E. PAHLICH 1), H.-J. JAGER2),,) und M. HORZ I) Institut fiir Allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie der Justus-Liebig-Universitat GieBen
2) Institut fiir Pflanzeniikologie der Justus-Liebig-Universitat, Heinrich-Buff-Ring 38, D-6300 GieBen, F.R.G. Eingegangen am 18. Dezember 1981 . Angenommen am 2. Januar 1982
Summary The concentrations of proline, glutamic acid, NADH+H+ and NAD+ have been determined in water-stressed and well watered plants (Phaseolus vulgaris L.). The mass action ratio of the P5C-reductase reaction has been calculated with these values. The results confirm the suggestion that the proline accumulation in water-stressed plants can hardly be the result of an enhanced rate of the synthetic sequence glutamic acid -+ proline.
Key words: Phaseolus vulgaris, water stress, proline biosynthesis, energy profile.
Einleitung Als Ursache fur die Prolinanreicherung in wassergestrefhen Pflanzen werden erh5hte Raten der Synthese bzw. verringerte Abbaugeschwindigkeiten des Prolins diskutiert Oager und Meyer, 1977; Huang und Cavalieri, 1979; Pahlich et al., 1981). Die Erkenntnisse, die diesen Annahmen zu Grunde liegen, basieren vornehmlich auf Untersuchungen einzelner Enzymaktivitaten der Reaktionssequenz, ohne daB die thermodynamischen Voraussetzungen fur die einzelnen Katalyseschritte hinreichend berlicksichtigt worden waren. Urn aber beurteilen zu k5nnen, ob eine Reaktionssequenz unter gegebenen in vivoBedingungen bevorzugt im Sinne der Vor- oder Ruckreaktion ablauft, muB zusatzlich Abbreviations: Pro, Prolin; Glu, Glutaminsaure; P5C, Li-Pyrrolin-5-carboxylat; MCW, Methanol/Chloroform/Wasser; r, Massenwirkungsquotient. ") To whom offprint requests should be addressed. Z. Pjlanzenphysiol. Bd. 105. S. 475-478.1982.
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E. PAHLICH, H.-J. JAGER und M. HORZ
das Energieprofil bekannt sein. Deshalb haben wir vor kurzem tiber das Energieprofil der Glutaminsaure -+ Prolin Sequenz und die freie Energie der PSC-Reduktasereaktion unter Standardbedingungen berichtet (Pahlich et al., 1981) und festgestellt, daa unter diesen Bedingungen ein erhebliches Energiegefalle in Richtung Prolinbildung besteht. Urn Aussagen tiber die thermodynamische Struktur einer Reaktionssequenz unter in vivo-Bedingungen machen zu konnen, werden neben den freien Energien AGO! aber noch die Massenwirkungsquotienten r benotigt. r ist der Massenwirkungsquotient einer Reaktion unter aktuellen Reaktionsbedingungen. Der Zusammenhang zwischen freien Energien AGO! und den aktuellen Konzentrationen unter in vivo-Bedingungen ist ausftihrlich z. B. bei Pahlich (1981) abgehandelt. Nach der Beziehung ~G~[u. = ~GO!
+ RxTlnf
(GI. 1)
kann ftir einzelne Reaktionsschritte das aktuelle Energieprofil errechnet werden. In dieser Arbeit berichten wir tiber Versuche zur Ermittlung des Massenwirkungsquotient en der PSC-Reduktase in wassergestreaten Buschbohnen. Mit diesen Untersuchungen sollte geklart werden, wie sich Wasserstrea auf das Energieprofil der Glutaminsaure-Prolin-Sequenz auswirkt. Material und Methoden Die Anzucht und StreBbehandlung der Pflanzen (Phaseolus vulgaris L. cv. St. Andreas) erfolgte nach Jager und Meyer (1977). Nach viertagiger Keimung der Samen in feuchtem Vermiculite bei 30°C im Brutschrank wurden die Pflanzen in Einheitserde umgetopft und unter kontrollierten Bedingungen kultiviert. Zum Zeitpunkt der Ernte waren die Pflanzen 36 Tage alt, wobei die StreBbehandlung in Form eingeschrankter Wasserversorgung am 18. Tag nach der Aussaat einsetzte. Zur Charakterisierung des StreBausmaBes wurde das Wasserpotentialljl der Pflanzensprosse mit einer Druckkammer nach Scholander et al. (1965) bestimmt. Die Konzentrationsermittlung von Glutaminsaure und Pro lin erfolgte mit einem Aminosaureanalysator LKB 3201 wie bei Jager (1975) beschrieben. Die quantitative Bestimmung von NADH+H+ wurde mit der Biolumineszenzmethode (Luminometer M 1070 und Reagenzienkit der Fa. Abimed, Dusseldorf) ausgefuhrt. NAD+ wurde nach der gleichen Methode erfaBt, jedoch nach vorheriger Reduktion zu NADH+H+ mit kauflicher Malatdehydrogenase (Brolin et aI., 1971). Die Aufarbeitung des Pflanzenmaterials (20-30 g frische Blatter) fur die Coenzymbestimmungen geschah in Methanol/Chloroform/Wasser Qager, 1975), wobei die zur Trockne eingeengten MCW-Extrakte in 0,1 M Kaliumphosphatpuffer (pH"" 7,7) aufgenommen und in diesem Puffer nach der Biolumineszenzmethode mit Hilfe eines Eichstandards gemessen wurden. Die Konzentrationen der Aminosauren und Coenzyme wurden fur die Berechnung der aktuellen freien Energien auf den Wassergehalt der Pflanzen bezogen.
Ergebnisse und Diskussion In Tab. 1 sind die Konzentrationen der hier interessierenden Aminosauren und Coenzyme in Kontrollpflanzen und gestreaten Proben miteinander verglichen. Die Zahlenwerte bestatigen zunachst die vielfach nachgewiesene Prolinanreicherung in Pflanzen unter Wasserstrea (Review siehe Paleg und Aspinall, 1980). Zudem geht aus Z. P/lanzenphysiol. Bd. 105.
s. 475-478.1982.
Thermodynamik der Biosynthesesequenz Glutaminsaure ~ Pro lin
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Table 1: Comparison of the concentrations (IlMol· g-I dry wt) of glutamic acid, proline, NADH + H+ and NAD+ in the leaves of controls and water-stressed bean plants (3 experiments with 5 determinations each). NAD+
Pro
Glu
NADH+H+ NAD+ INADH+H+
7.30 x 10- 2 57.5 4.03 1.02 4.20 P 0.05 0.05> P;:. 0.01 0.53 x 10- 2 2.60 491.0 Water-stressed (IJI= -16.5 bar) 6.16 19.60
Controls (1jI = -3.5 bar)
der Tabelle hervor, da~ in gestre~ten Buschbohnen das NAD+ INADH+H+ -Verhaltnis stark zugunsten des NAD+ verschoben ist. Die erheblich angestiegene Konzentration von Prolin und die Abnahme von reduziertem Coenzym bei geringfugig verandertem Glutaminsauregehalt weisen auf ein deutlich flacheres Energieprofil der Glutaminsaure-Prolin-Sequenz der Stre~proben gegenuber den Kontrollen hin. Eine erhebliche Abflachung des Energiesprunges ist auch fur die Reaktion der PSC-Reduktase gestre~ter Pflanzen zu sehen. Dies geht aus der folgenden Berechnung hervor:
r
=
[Pro][NAD+] [P5C] [NADH]
Mit diesem Betrag von r berechnet sich die freie Energie der Reaktion nach: i1GO! akt. (Kontrolle) =
=
i1GO! + R·T·ln
[Pro)[NAD+] + R·T·ln [NADH] [P5C]
o 19· 10- 3 • 044 '10- 3
-28,5+8,32' 10- 3 '298 In '
, 0,0076' 10- 3
1
+ R·T·ln--
[P5C]
Der L\GO!-Wert von -28,5 entstammt unserer fruheren Untersuchung (Pahlich et aI., 1981). Die Konzentrationen von Prolin und den Coenzymen sind in Moll-I angegeben. Der Wassergehalt, der der Berechnung zu Grunde liegt, ergibt sich aus der Differenz von Frischgewicht und Trockengewicht. =
-38+2,5 ·In _1_ [kJMol- 1] [P5C]
Unter der Annahme, da~ die PSC-Konzentration die Gro~enordnung der NADHKonzentration hat, erhalt man den folgenden i1G~kt,-Wert: AGO!akt. (Kontrolle)
L.1
=
-10 , 2 [kJMol- 1]
Fur Stre~pflanzen gilt: 3 3 i1GO!. = - 28,5 + 8,32 . 10- 3 • 298 In 3,12' 10- . 0,86' 10- + R. T .In 1 akt,(St"g) 0,00174 '10- 3 [P5C] 1
_
-27,4+2,5 In - - [kJ Mol I] [P5C]
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E. PAHLICH, H.-J. JAGER und M. HORZ
Mit derselben Annahme fur die Konzentration des PSC wie im vorausgegangenen Rechenbeispiel wird daraus: LiG~kt(St,,6)
=
+ 5,8 [kJ Mol-I]
Der Vergleich der beiden Ergebnisse verdeutlicht, dag das in den Kontrollpflanzen zu beobachtende Reaktionsgefalle in Richtung Prolin bei den Stregpflanzen aufgehoben, wenn nicht gar umgekehrt ist. Dnter diesen Dmstanden ware es unmaglich, mit Hilfe der angenommenen Reaktionssequenz aus Glutaminsaure Prolin zu synthetisieren. Mithin kann dann auch eine erhahte Syntheserate uber die Glu-Pro-Sequenz nicht fur die Akkumulation von Prolin verantwortlich gemacht werden. Die Aussage gilt fur den Fall, dag Substrate, Produkte und Enzyme der Glu-Pro-Sequenz demselben Kompartiment angeharen. Wir uberprufen derzeit auch, ob die augenblicklich favorisierte Hypothese einer verminderten Abbaugeschwindigkeit des Prolins uber die Prolinoxidasereaktion (Stewart, 1980; Elthon und Stewart, 1981) das Problem der Prolinakkumulation einer Lasung naher bringt. Ein kritischer Punkt un serer Berechnung ist zweifellos in der T atsache zu sehen, d~ die Kompartimentierung der an der Reaktion beteiligten Metaboliten und Coenzyme unberucksichtigt geblieben ist. Es ist jedoch schwer vorstellbar, dag die beobachteten Veranderungen der Coenzymkonzentrationen in gestregten Pflanzen sich nicht auf aile Kompartimente erstrecken sollten. Wir gehen von der Annahme aus, dag die beobachtete Tendenz der Konzentrationsabnahme an NADH + H+ sich auf aile Kompartimente erstreckt. Schon aus diesem Grunde entfiele eine wesentliche Voraussetzung fur eine magliche Forcierung der reduktiven Synthesesequenz Glutaminsaure-Prolin. Die Frage der Kompartimentierung der Metaboliten und Coenzyme versuchen wir Z. Z. experiment ell zu klaren.
Literatur BROLIN, S. E., E. BORGLUND, L. TEGNER, and G. WETTERMARK: Anal. Biochem. 42, 124-135 (1971).
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STEWART, C. R.: Plant Physiol. 66, 230-233 (1980).
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