Europ. J. CancerVol. 5. PP. 215-217. Pergamon Press 1969. Printed in Great Britaifi
Der Unterschied in der Induzierbarkeit von Carcinomen zwischen Riicken- und Schwanzhaut der Maus in Beziehung zu ihrem Schrumpfungsverhalten F. SEILERN-ASPANG, K. MAZZUCCO und I. CHRISTIAN Institut J~r Ifrebsforschung der Universitiit Wien, Oesterreich
EINLEITUNG SPENCER konnte be:i M~usen an der Schwanzhaut im Gegensatz zum Rficken durch Cancerogene kein malignes Wachstum induzieren [1]. Untersuchungen von Orr [2], Gillman [3] und Seilern-Aspang [4, 5] legen es nahe, malignes Wachsmm als Versagen jener steuernden Wirkung aufzufassen, welche die Dermis auf die Proliferation und Differenzierung der Epidermis austibt. Die Steuerung dieser Vorg~inge durch die Dermis ist aus der Embryologie und yon Untersuchungen fiber die Regeneration bekannt. Transplantationsversuche mit der Epidermis haben gezeigt, dab auch im adulten Tier eine Steuerung der Epidermis durch unterlagernde Bindegewebselemente stattfindet [6]. Die Dermis des M~iuserfickens macht ihrem Schrumpfungsverhalten nach unter dem EinfluB yon Cancerogen einen st~irkeren Alterungsprozel3 durch [7]. Die Resistenz der Schwanzhaut gegen Carcinombildung macht es notwendig, den AlterungsprozeB und die Cancerogeneinwirkung im Vergleich zum Rticken mit Hilfe der Schrumpfungsvorg~mge zu untersuchen.
Weiters wurden 100 M~innchen mit 0,5% Methylcholanthren, gel6st in Benzol, 30× innerhalb yon 10 Wochen gepinselt. Der gleichen Behandlung wurden 100 Tiere mit Benzol allein ausgesetzt. Schrumpfungsvorg/inge wurden nach der frfiher beschriebenen Methode [7] untersucht. ERGEBNISSE An den mit Cancerogen behandelten Tieren traten am Rficken zu 100% Papillome und zu 90% Carcinome auf. Am Schwanz konnten in keinem Fall Papillome oder Careinome beobachtet werden. Der Schwanz hat dem gleichalten Riicken gegenfiber eine bis zu 3 ° h6here Schrumpfungstemperatur, eine etwas gr6Bere Dehnungsf'~ihigkeit und eine wesentlich geringere Schrumpfungsgr613e (Tabelle 1). Wie der Rticken zeigt der Schwanz eine parallel dem Alter zunehmende Schrumpfungstemperatur und abnehmende Dehnungsf~ihigkeit. Die junge Sehwanzhaut erreicht ihre maximale Schrumpfungsst~rke bei niedrigerer Temperatur als die alte. Die Schrumpfungsst~irke variiert von Tier zu Tier und erscheint nicht altersspezifisch (Tabelle 2). Bei Temperaturen fiber 60 ° tritt ein spiraliges Einrollen der Schwanzhaut auf. Dies wurde an der Rfiekenhaut nicht beobachtet. Es nimmt mit dem Alter und gegen die Schwanzspitze zu. Nach Behandlung mit Methylcholanthren steigt die Sehrumpfungstemperatur gegenfiber den Benzolkontrollen um ca. 1°.
TECHNIK Die Alterungsuntersuchungen wurden an je 10 GP M~usem~innchen im Alter von 6 Wochen, 8 Monaten und 1:2 Monaten durchgeffihrt. Eingereieht zur Publikation am 1. Oktober 1968. Akzeptiert am 18. November 1968. 215
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F. Seilern-Aspang, 1(. Mazzuc¢o und L Christian Tabellen 1-3 Tab. I. He betleWicht
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Schrumpfungsverh~iltnisse der Rtieken- und Schwanzhaut von GP-M/iusem/innchen w~ihrend laufender Temperaturerh6hung mad bei versehiedenem Alter. Die in % angegebene Schrumpfungsst~irke bezieht sieh auf ein Hebegewicht yon 0" 08 g, erw/irmt in Tyrode p H 8.2. R A = R i i c k e n h a u t einer 12 Monate alten Maus SA =Schwanzhaut einer 12 Monate alten Maus SJ = Sehwanzhaut einer 1½ Monate alten Maus SB = Sehwanzhaut einer 8 Monate alten Maus naeh 30 Pinselungen mit Benzol SM = Sehwanzhaut einer 8 Monate alten Maus naeh 30 Pinselungen mit Methyleholanthren gel6st in Benzol
Schrumpfungsst~rke und Dehnungsfithigkeit zeigen keine Ver~nderungen (Tabelle 3). DISKUSSION
Das Steigen der Schrumpfungstemperatur beim Schwanz gegeniiber dem Rficken k6nnte auf eine verst~irkte intermolekulare Vernetzung des Kollagens zuriickgeffihrt werden. Da jedoch die Dehnungsf~ihigkeit gegeniiber dem Rficken nicht verringert ist, besteht die M6glichkeit, dab andere Kr~tfte, wie eine ver~inderte fibrill~ire Vernetzung oder eine st~irkere Zementierung der Kollagenfibrillen durch Mucopolysaccharide, ~ihnlich einem gr6Beren Hebegewicht, die Schrumpfungstemperatur erh6hen. Ffir eine verst~rkte Q.uervernetzung der Fibrillenstruktur spricht auch die bei 60° einsetzende Eindrehung der Schwanzhaut. Die ver/inderten Schrumpfungsvorg~inge bei Methylcholanthrenbehandlung, die den Ver~nderungen des Alterungsprozesses entsprechen, deuten auf einen ~ihnlichen AlterungsprozeB unter CancerogeneinfluB hin, wie beim Rficken beobachtet wurde [7]. Der AlterungsprozeB ist jedoch gering.
Er liegt bei 8 Monate alten Tieren, welche mit Cancerogen behandelt wurden, unter dem eines 12 Monate alten. Im Gegensatz dazu zeigt der Rficken nach Cancerogenbehandlung Alterserscheinungen, die wesentlich die eines 12 Monate unbehandelten fibersteigen [7]. Der Unterschied zwischen Rticken und Schwanz im Verhalten ihrer Epidermis gegenfiber dem Cancerogen k6nnte also auf den geringeren durch Cancerogene ausgel6sten Alterungsprozessen bei der Schwanzdermis beruhen. Das v611ig andere Verhalten der Schwanzdermis gegenfiber der des Rtickens bei Schrumpfungsuntersuchungen gibt weiters die M6glichkeit, dab Strukturunterschiede der Dermis bei der Resistenz gegen malignes Wachstum beteiligt sind. Die Bildung eines Haarbalges durch epidermale Invasion in die Dermis stellt jeweils einen dem Beginn des malignen Wachstums vergleichbaren Vorgang dar [3]. Die Haararmut des Schwanzes k6nnte anzeigen, dab die im Schrumpfungsverhalten aufscheinende Ver~inderung der Struktur der Schwanzdermis ein invasives Wachstum der Epidermis ganz allgemein erschwert.
Der Unterschien' in der Induzierbarkeit yon Gareinomen zwischen Riicken- und Schwanzhaut der Maus 217 RESUME On confi~me les rgsultats obtenuspar Spencer [1] sur l'inefficacitg des cancgrogknesquant l'induction de cancers sur la peau de la queue des souris. La ter~pgrature du rgtrgcissement de la peau de la queue est beaucoup plus glevgeque ceUe du dos, toutefois l'intensitg du rgtrgcissement est moindre, et l'extensibilitg peu augment~e. En comparaison avec la peau dorsale, le traitement de la queue par les cancgrogknes provoque des modifications de la tempgrature du rgtrgcissement, moins marquges qu'au niveau du dos, et ne changepas l'intensitg du rgtrgcissementet l'extensibilitg de la peau. SUMMAdRY
It was ~und that chemical carcinogensfail to induce carcinomas in mouse tail skin. This confirms the results previously obtained by Spencer [1]. Tail skin is characterized by a considerably higher shrinkage temperature, a lower degree of contraction, and a slightly better subsequent relaxation, as compared to back skin. Treatment with carcinogens alters the shrinkage temperature of tail skin to a lesser degree than that of back skin. The degree of contraction and of relaxation is not affected at all. ZUSAMMENFASSUNG
Es werden die Ergebnisse yon Spencer[ 1] iiber die Nichtinduzierbarkeit yon Carcinomen mit Cancerogenen in der Haut des M~useschwanzes best~tigt. Die Srhrumpfungstemperatur der Schwanzhaut ist gegeniiber der Riickenhaut vlel h6her, die Schrumpfungsstgrke jedoch geringer und die Dehnungsfdhigkeit hb'her. Die Ver~nderungen nach Cancerogenbehandlung des Schwanzes sind in der Schrumpfungstemperatur gegeniiber dem Riicken viel geringer und fehlen in der Schrumpfungsst~rke und Dehnungsf~higkeit. LITERATUR 1. A . T . SPENCER, Subcutaneous transplantation of tail skin. Brit. Emp. Cancer Cam~OaignAnn. Rep. p. 384 (1961). 2. J . W . ORR, The role of the stroma in epidermal carcinogenesis. Nat. Cancer Inst. Monogr. 10, 531 (1963). 3. T. GILLMAN,J. PSNN, D. BRONK~S und M. Roux, Possible significance of abnormal dermal collagen and of epidermal regeneration in the pathogenesis of skln cancers. Brit. 07. Cancer9, 272 (1955). 4. F. SEILERN-ASPANOund K. KRATOCmarXL,Relation between regeneration and tumor growth. Proc. Regeneration in Animals North-Holland, Amsterdam, 452 (1965). 5. F. S~.I~RN-ASPANO, W. WIESER und M. WEISSBERG, Experimentelle Untersuehungen an einem epidermalen Haut-Garcinom bei Amphibien. Arch. Geschwulstforsch. 27, 207 (1966). 6. R.E. BILLINaHAMund W. K. SILVERS,Studies on the conservation of epidermal spec!ifieities of skin and certain mueosas in adult mammals. 07. exp. Med. 125, 429 (1966). 7. F. SmLERN-AsPANO,K. MAZZUCCOund I. CHmST~AN,Der Einflu6 yon Methylcholanthren auf das Schrumpfungsverhalten der Mausehaut. Europ. 07. Cancer 5, 211 (1969).