Die Chemie der Zellwand in vitro kultivierter pflanzlicher Gewebe

Die Chemie der Zellwand in vitro kultivierter pflanzlicher Gewebe

Flora, Bd. 155, S. 544-557 (1965) Aus dem Institut fiir Faserstoff-Forschung, Teltow, der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Die Chemie ...

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Flora, Bd. 155, S. 544-557 (1965) Aus dem Institut fiir Faserstoff-Forschung, Teltow, der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

Die Chemie der Zellwand in vitro kultivierter pflanzlicher Gewehe VI. Der Einflu8 verschiedener Mono· und Oligosaccharide auf die Zusammensetzung der l
Von HELMUT KoBLITZ, DoROTHEA KoBLITZ und lRMGARD HAGEN (Eingegangen am 11. November 1964)

Einleitung

In unserer letzten Mitteilung hatten wir tiber die qualitative Zusammensetzung der Holocellulosen einiger in vitro kultivierter Karottengewebe berichtet; ferner hatten wir versucht, die Mengen der einzelnen bei einer Partialhydrolyse entstehenden Monosaccharide abzuschatzen. Dabei wurden Galactose als Hauptbestandteil, Glucose, Arabinose, Xylose und Rhamnose, und in Spuren Ribose gefunden. Letzteren Zucker konnten wir in allen Holocellulosen feststellen; wir halten dieses Ergebnis fur besonders bedeutungsvoll hinsichtlich der Moglichkeit der Anwesenheit von RNS in der Zellwand, was eine Voraussetzung ist fur die Synthese eines zellwandeigenen Proteins und damit die auch von uns vertretene Hypothese einer zumindest teilautonomen Zellwand unterstiitzt. Unl6sliches Phosphat ist in der Zellwand ebenfalls in betrachtlicher Menge enthalten ( eigene unverOffentlichte Ergebnisse). Derartige Aspekte wurden kiirzlich von NEWCOMB (1963) ausfiihrlich erortert. Eng im Zusammenhang hiermit steht der Zweck vorliegender Untersuchungen. Wir haben versucht, die loslichen Zucker von in vitro kultivierten Karottengeweben in Abhangigkeit von verschiedenen im Medium gebotenen Zuckern qualitativ zu erfassen, urn auf diese Weise einen Einblick in den Kohlenhydratvorrat zu gewinnen, a us dem gegebenenfalls das Material fur den Aufbau der Zellwandpolysaccharide cntnommen wird. Bei den Untersuchungen haben wir uns zunachst auf die Feststellung der einfachen Mono- und Oligosaccharide beschrankt, ohne Beriicksichtigung eventuell anwesender Zuckerphosphate, Zuckernucleotide usw. Als Nahrzucker haben wir in dieser Arbcit Hexosen, hexosehaltige Oligosaccharide und Pentosen benutzt. 1) V. Mitteilung: Papierchromatographische Untersuchungen an den Holocellulosen verschiedenartig kultivierter Karottengewebe. Faserforsch. u. Textiltechn. 13, 571-574 (1962): vgl. auch: Chemisch-physiologische Untersuchungen an pflanzlichen Zellwiinden. Flora 164 (1964), 511-546.

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Material und Methoden Als Versuchsmaterial diente unser Gewebestamm 57 (Callusgewebe) von Daucus carota, vorkultiviert auf einem Medium, enthaltend Mineralsalze nach HELLER, Vitamine und Aminosauren nach REINERT und ScHRAUDOLF, 5 g Maisextrakt, 1 mg IES und 20 g Saccharose im Liter Losung. Kleine Gewebeproben wurden dann auf das Versuchsmedium mit dem entsprechenden Kohlenhydrat iibertragen und fiir sieben W ochen in der Klimakammer im Dunkeln bei 25° kultiviert. Das Nahrmedium hestand aus Mineralsalzen nach HELLER, einer Losung von Vitaminen und Aminosauren, 0,1 ppm Kinetin, 0,04 ppm Gibberellinsaure und 20 gfLiter des jeweiligen Kohlenhydrats (KoBLITZ und HAGEN 1962). Der pH-Wert wurde in jedem Falle auf 6,5 eingestellt; die Messung erfolgte potentiometrisch. Gepriift wurden: Glucose, Galactose, Fructose, Mannose, Saccharose, Maltose, Raffinose, Arabinose, Ribose und Xylose. Eine weitere Variante der Versuchsbedingungen hestand darin, daB wir zur Sterilisation der Medien einmal gespannten Wasserdampf (Autoklavieren), zum anderen eine Filtration der gesamten Losung durch ein J enaer Bakterienfilter 225 G 5 benutzten und die filtrierte Losung erst dann mit der vorsterilisierten waBrigen Agar-Losung vereinigten. J eder Versuchsansatz umfaBte 25 Einzelkolben. Nach Ablauf der Kultivierungsdauer wurde der groBte Teil des gewachsenen Gewebes geerntet. Mit dem restlichen Material wurden abermals je 25 Kolben beschickt und fUr weitere sieben W ochen unter den gleichen Bedingungen kultiviert. Beide Passagen wurden analytisch untersucht, urn festzustellen, inwieweit eine Veranderung der Zuckerzusammensetzung, vielleicht auf Grund von Zuckerreserven aus der Vorkultivierung erfolgt ist. Das gesammelte Gewebe wurde mehrmals in Wasser aufgeschwemmt und sorgfaltig von Resten des Agar-Mediums befreit. Dabei wurden auch eventuell vorhandene nekrotische Bereiche entfernt. Das gewaschene Gewebe lieBen wir dann tiber eine Fritte G 1 abtropfen und erhielten so ein wassergesattigtes Material. Die Substanz wurde in Portionen von je ca. 20 g in 50 ml absolutem Athanol fiir 20 Sekunden im Biihler-Homogenisator aufgeschlagen. N ach dem Abzentrifugieren wurde das Sediment in 50 ml 85 %igem Athanol aufgenommen und nochmals 20 Sekunden homogenisiert. Der ganze Ansatz wurde fiir 30 Minuten am RiickfluB gekocht, filtriert und dreimal mit 80%igemAthanol gewaschen. Die vereinigten Homogenisierungs- und Waschfliissigkeiten wurden im Vakuum auf ca. 50 ml, dann auf dem W asserbad und schlieBlich im Luftstrom zur Trockne eingeengt. Die entstandenen Zuckersirupe wurden im Wasser aufgenommen (auf je 10 g wassergesattigtes Ausgangsmaterial kommen 2 m! Wasser) und in Mengen von 5, 10, 15, 20 und 30 p,l auf Schleicher & Schiill 2043 bGI (Keilstreifen, MATTHIAS 1954a und b) dreimal 12 Stunden aufsteigend chromatographiert. Als FlieBmittel diente BenzolfButanolfPyridinfW asser (3: 10: 5 : 4; ~IATTHIAS 1956); als Spriihmittel verwendeten wir AnilinfPhthalsaure (PARTRIDGE 1"949), ft-NaphthylaminfHCI (NovELLIE 1950), PhloroglucinfTrichloressigsaure (HORROCKS znd l\fANXING 1949) und PhloroglucinfHCI (BoRENFREUND und DISCHE 1957), fiir spezielle Untersuchungen iiber die Fructose auBerdem HarnstoffjHCl (DEDONIER 1952), 2.4-DinitrophenylhydrazinfHCl (GRAY 1952) und N apthoresorcinfHCI (FoRSYTH 1948). SchlieBlich wurde fiir einige Fragen des Verhaltens von Kohlenhydraten im filtrierten bzw. autoklavierten Medium (nichtenzymatische Veranderungen) die Diinnschichtchromatographie auf Kieselgel GfBorsaure (PASTUSKA 1961, FREY, BERBALK und KRAUSZ 1961, 1962) mit dem gleichen FlieBmittel eingesetzt.

Ergebnisse

Vorweg ist zu berner ken, daB das Wachstum der Gewebe auf Medien mit Hexosen und hexosehaltigen Oligosacchariden ausgezeichnet war; sie kiinnen also samtlich als

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HELMUT KoBLITZ, DoROTHEA KoBLITZ

und

IRMGARD lL\GEN

Kohlenstoffquelle durch die Karottengewebe verwertet werden. Derartige Feststellungen sind schon des Ofteren getroffen worden, so z. B. von GAUTHERET (1945) im Falle seiner klassischen Karottengewebe, bei denen Saccharose die beste Wirkung zeigte, gefolgt von Glucose, Maltose, Raffinose, Fructose, Galactose und Mannose. Eine neuere Untersuchung von MrcHE.JDA (1964) tiber das Wachstum isolierter Karottengewebe zeigte im Faile von Saccharose und Raffinose als Nahrzucker einc bessere Entwicklung bei 24 oc als bei 18 °C, wahrend sich Glucose und Fructose umgekehrt verhalten. Kein W achstum erfolgte dagegen auf Medien, die ausschlieBlich Pen to sen als Kohlenstoffquelle enthielten. Dieser Befund steht in Dbereinstimmung mit Ergebnissen von HILDEBRANDT und RIKER (1949) hinsichtlich des W achstums von isolierten Crown-Gail-Geweben aus Tagetes erecta, Chrysanthemum frutescens, Vinca rosea und Helianthus annuus. Zur Prtifung der Frage, ob die Pentosen lediglich ungeeignet sind, als Kohlenstoffqueile zu dienen, oder ob sie direkt toxisch wirken, haben wir die Versuche in Gegenwart von Saccharose wiederholt. In diesem Faile zeigten aile Gewebe ein befriedigendes W achstum, das sich von dem auf einem pentosefreien Saccharosemedium nicht unterschied. Es liegt also keine toxische Wirkung vor. Glucose. - Die auf filtrierten Nahrbi:iden gewachsenen Gewebe enthalten in der ersten Versuchspassage als liisliche Zucker Saccharose, Glucose und Fructose. Lediglich auf Streifen mit hiiheren Zuckerkonzentrationen (30-,ul-Streifen) ist mit AnilinjPhthalsaure und P-NaphthylaminjHCl eine Andeutung von Raffinose und Xylose zu bemerken. Urn sicher zu gehen, daB es sich bei dem oberhalb der Fructose gefundenen schwachen, aber deutlilch ausgepragten Streifen nicht urn Ribose handelt, wurde zusatzlich auf die 30-fll-Anai:ysenstreifen Ribose aufgetropft und cochromatographiert. In diesem Faile trat auBer der Xylose-Bande deutlich abgesetzt der Riboscstreifen auf. Die zweite Passage unterscheidet sich hinsichtlich der Natur der loslichen Zucker vom ersten Durchgang dadurch, daB hier der Anteil an Xylose leicht vermehrt ist, wahrend Raffinose tiberhaupt nicht mehr in Erscheinung tritt. Auf dem autoklavierten Medium treten in der ersten Versuchspassage die gleichen liislichen Zucker auf. In der zweiten Passage ist, starker als im Filtrationsversuch, eine deutliche Steigerung des Xyloseanteils zu bemerken (hier ebenfalls wieder gegen Test-Ribose scharf getrennt). Eine weitere Pentose tritt oberhalb der Test- Ribose- Ban de auf und konnte als Rhamnose erkannt werden, so daB sich also die liislichen Zucker der Gewebe, die auf einem autoklavierten Glucose-Medium gewachsen waren, in der zweiten Passage aus Saccharose, Glucose, Fructose, Xylose und Rhamnose zusammensetzen. Galactose.- Zusatzlich zu den Grundzuckern Saccharose, Glucose und Fructose tritt hier in der ersten Versuchspassage auf filtriertem Medium der geftitterte Zucker, Galactose, auf, und zwar auf Kosten der Saccharose. Auch die Glucose ist bedeutend starker vertreten als im ,Glucose-Versuch". Xylose liegt nur in Spuren

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vor. Im zweiten Durchgang ist der Xylosespiegel erhOht; auch Raffinose ist recht stark vertreten. Au.Berdem treffen wir Spuren von Rhamnose an. Auf autoklavierten Galactose-Medien sind in der ersten Passage Galactose und Saccharose etwa gleich stark vorhanden, wahrend Glucose immer noch in erheblichem tberschu.B vorliegt. Auf Kosten der reduzierten Galactosemenge sind bier ferner Xylose und Rhamnose kraftig vertreten, wobei die Konzentration der ersten Pentose so hoch liegt, da.B sie fast die der Fructose erreicht. Au.Ber einer Spur Raffinose tritt hier unmittelbar oberhalb der Fructose mit ketoseanzeigenden Reagenzien eine kraftige Bande auf, die eventuell Sorbose darstellen kiinnte. Es ware dies das einzige Mal, da.B Sorbose unter den liislichen Zuckern unseres Gewebes zu finden ist. Diese Verhaltnisse werden auch in der zweiten Passage im vollen Umfang aufrecht erhalten. Somit enthalten die Gewebe von autoklavierten Galactosemedien ein relativ reichhaltiges Spektrum an liislichen Zuckern, bestehend aus Raffinose, Saccharose, Galactose, Glucose, Fructose, Sorbose, Xylose und Rhamnose. Fructose. - Diese Ketose erzeugt im filtrierten Zustand in heiden Passagen ein sehr monotones Zuckerspektrum: Saccharose und Glucose etwa in gleichen Mengenverhaltnissen, Fructose in etwas geringerer Konzentration. Lediglich der Gehalt an Raffinose, der in der ersten Passage nur Spurenwerte erreicht, steigt in der zweiten Passage betrachtlich an. Xylose ist in heiden Passagen nur in Spuren vorhanden. Dieses Bild andert siCh, wenn wir die Wirkung eines autoklavierten fructosehaltigen Mediums auf die Zuckerzusammensetzung der Gewebe betrachten. In der ersten Passage erscheint neben Xylose- und Raffinosespuren eine geringe Menge an Rhamnose. Wahrend aber im zweiten Durchgang der filtrierten Kulturen die Raffin o s b vermehrt war, ist diesmal eine au.Berordentliche Steigerung des Rhamnoseanteils zu bemerken, wahrend der Raffinosespiegel nicht erhOht ist. Auch Xylose ist starker vertreten. Diese Erhiihungen gehen offensichtlich auf Kosten von Saccharose und Fructose. Manno s e. - Die Applikation dieser Hexose, die mit Fructose und Glucose epimer ist, ftihrt zu einem Zuckerspektrum, das aus Saccharose, Glucose, Fructose, Xylose und Raffinose besteht. Dabei tritt Saccharose bei allen vier Versuchsmodifikationen in gleicher Menge auf. In der zweiten Passage der autoklavierten Reihe ist ein gro.Berer Glucosevorrat anzutreffen. Auch der Gehalt an Raffinose, die sonst nur in Spuren auftritt, ist hier erhoht. Au.Berdem findet man oberhalb der Raffinose noch die Bande eines unbekannten Oligosaccharides. Wahrend in der ersten Passage die Xylose nur undeutlich in Erscheinung tritt, sind in der zweiten Passage gut sichtbare Spuren festzustellen. Mit dem Harnstoffreagens sind in allen Ansatzen betrachtliche Fructosemengen nachzuweisen. Benutzt man jedoch Anilin/Phthalsaure als Entwickler, so ist im FructosejMannose-Bereich ein ganz schwacher braunlicher Schimmer zu erkennen, was auf die Anwesenheit von Mannosespuren hindeutet. Auf kei.nen Fall aber findet man substantielle Mengen des geftitterten Zuckers; er

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HELMUT KoBLITZ, DoROTHEA KoBLITZ

und

IRMGARD HAGEN

wird offensichtlich sofort nach Aufnahme in die Zelle zu Glucose undfoder Fructose epimerisiert. Saccharose. - Dieser Zucker nimmt insofern bei unseren Untersuchungen eine Sonderstellung ein, als wir den ganzen Gewebestamm 57 von Anfang an auf Saccharose kultiviert haben und somit keine Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Versuchspassage zu erwarten sind. Dies hat sich in der Tat bestatigt. Ahnlich wie bei filtrierter Fructose findet man im Faile der filtrierten Saccharose nur Saccharose und ihre Hydrolysenprodukte in substantiellen Mengen. Xylose und Raffinose sind nur dann nachzuweisen, wenn man mit der Auftragsmenge his auf 50 pl heraufgeht; Rhamnose ist aber auch in dies em Fall nicht zu find en. Maltose und Raffinose.- Diese heiden Zucker unterscheiden sich in ihrem Verhalten hinsichtlich des erzeugten Zuckerspektrums in filtrierten Zustand in der erstcn Passage nicht voneinander: auBer den drei Grundzuckern findet man nur geringe Spuren von Xylose und Raffinose. Lediglich im autoklavierten Zustand verschwindet im Maltoseversuch die Xylose. Im zweiten Versuchsdurchgang mit filtrierten Zuckern ist in heiden Fallen kaum noch Raffinose nachweisbar. Das gleiche gilt fur den Fall der hitzcsterilisierten Kohlenhydrate. Wahrend aber im Filtrationsversuch bei Maltose nur Spuren von Xylose zu finden sind, erscheint diese Pentose im Raffinoseexperiment in substantiellen Mengen. Anders liegen die Verhaltnisse, wenn man die Nahrlosung autoklaviert. Auch dann ist kaum Raffinose feRtzustellen, jedoch findet man im Faile der Maltose neben Spuren von Xylose auch geringst~ Mengen Rhamnose; im Raffinoseversuch dagegen sind Raffinose in Spuren und Xylose die einzig nachweisbaren Zucker neben den drei Hauptkohlenhydraten. Es ist jedenfalls sehr bemerkenswert, daG geftitterte Raffinose in der ersten Passage zwar noch in Spuren vorliegt, in der zweiten aber praktisch verschwunden ist. Die Ergebnisse vorstehender Untersuchungen tiber die Beeinflussung des Zuckerspektrums durch Hexosen und Hexose-Oligomere sind in Tabelle 1 enthalten. Arabinose, Xylose und Ribose (in Verbindung mit Saccharose).- Wie bei der gleichzeitigen Ftitterung mit Saccharose zu erwarten war, findet man die drei Hauptkohlenhydrate (Saccharose, Glucose und Fructose) unter den loslichen Zuckern der Gewebe in groBer Menge; lediglich im Arabinose-Versuch scheinen die Mengen an Glucose und Fructose zugunsten der Rhamnose verringert zu sein, unabhangig von der Versuchsdauer (erste oder zweite Passage) und der Sterilisationsart. Spuren von Raffinose sind ubiquitar anzutreffen. W esentlich erscheint nun Folgendes. Alle applizierten Pentosen treten im jeweiligen Versuch unter den lOslichen Zuckern in groBter Menge auf. Sic werden also zwar von der Zelle aufgenommen, dort aber nicht weiter metabolisiert, sondern lediglich akkumuliert. Eine derartige Erscheinung wurde bisher zu einem gcwisscn Bruchteil nur bei der Galactose beobachtet, wahrend beispielsweise Mannose vollig in den Stoffwechsel der Zelle tibergeht und aus dem Spektrum der lOslichen Zucker verschwindet. Alle anderen gefundenen Zucker auBer der

autoklaviert

filtriert

autoklaviert

filtriert

autoklaviert

filtriert

autoklaviert

filtriert

autoklaviert

filtriert

autoklaviert

filtriert

autoklaviert

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Die gefundenen Zuckermengen werden nach einem Vierpunkte-System beurteilt ( +)

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Fructose

Galactose

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filtriert

Glucose

Saccharose

Gefundene liisliche Zucker

Die Zusammensetzung der liislichen Zucker in vitro kultivierter Karottengewebe in Abhangigkeit vom applizierten Nahrzucker (Hexosen und Hexose-Oligosaccharide)

Applizierte Zucker

Tabelle 1

autoklaviert

filtriert

autoklaviert

filtriert

autoklaviert

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Gefundene !Osliche Zucker

Die gefundenen Zuckermengen werden nach einem Vierpunkte-System beurteilt ( +)

Ribose

Xylose

Arabinose

filtriert

Applizierte Zucker

'fabelle 2 Die Zusammensetzung der !Oslichen Zucker in vitro kultivierter Karottengewebe in Abhangigkeit vom applizierten Niihrzucker (Pentosen + Saccharose)

0

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unbehandelt filtriert autoklaviert unbehandelt filtriert autoklaviert unbehandelt filtriert autoklaviert unbehandelt filtriert autoklaviert unbehandelt filtriert autoklaviert unbehandelt filtriert autoklaviert unbehandelt fil triert autoklaviert unbehandelt filtriert autoklaviert unbehandelt filtriert autoklaviert unbehandelt filtriert autoklaviert

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Ribose

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HELMUT KOBLITZ, DOROTHEA KOBLITZ und lRMGARD HAGEN

,Niihr"-Pentose stammen sehr wahrscheinlich aus dem Stoffwechsel der Saccharose. Es ist somit eine Erkliirung gefunden fiir die Unfahigkeit der Pentosen, das Wachstum isoliert kultivierter Gewebe aufrechtzuerhalten ohne gleichzeitig toxisch zu wirken. Ob allerdings eine kontinuierliche Gewebeziichtung in Gegenwart von Pentosen infolge deren iibermii13iger Akkumulation nicht doch zu Sti:irungen der harmonischen Entwicklung des lebenden Systems Veranlassung geben ki:innte, ist nicht ausgeschlossen. Beziiglich des Arabinoseversuchs scheint sich am SchluB der zweiten Passage etwas Ahnliches anzubahnen, wie iiberhaupt die Arabinose auch hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Zuckerspektrum der Gewebe eine Sonderstellung einnimmt. Die Ergebnisse der Pentoseversuche sind in Tabelle 2 dargestellt. Die Wirkung der Sterilisationsverfahren auf die Niihrli:isungszucker Bevor ein Nahrmedium fiir die Kultivierung pflanzlicher Gewebe eingesetzt werden kann, muLl es in irgendeiner geeigneten Weise keimfrei gemacht werden, urn das W achstum von Mikroorganismen zu verhindern. Hierfiir stehen mehrere Methoden zur Verfiigung. Das alteste und auch heute noch am meisten angewendete Verfahren besteht im Abtoten der Keime durch Hitze. Abgesehen davon, daB hierdurch im Medium enthaltene thermolabile Stoffe zerstort werden, ist eine Veranderung von mehr oder weniger hitzestabilen Substanzen durchaus moglich. Im Falle der Zucker ist dies auch bereits beschrieben worden, jedoch weniger hinsichtlich einer Identifizierung der entstandenen Reaktionsprodukte als vielmehr beziiglich W achstum und Entwicldung der kultivierten Gewebe. So fand BALL (1963), daB eine teilweise Hydrolyse der Saccharose durch Autoklavieren im Falle von Sequoia- Gewebe ein besseres W achstum bewirkt als das unveranderte Disaccharid. Eine derartige Hydrolyse von Oligosacchariden durch Hitze ist bei der schwachen Bindungsenergie der glykosidischen Bin dung durchaus plausibel. W esentlicher erscheint uns der Befund von NITSCH und NITSCH (1966), daB auch die Glucose nach Autoklavieren ein besseres W achstum bewirkt als der unveranderte Zucker. Ein schonenderes Verfahren zur Keimfreimachung von N ahrlosungen besteht im Abfiltrieren der Keime mittels eines Bakterienfilters. Aber auch hier gibt es Unzulanglichkeiten. So konnen gewisse Stoffe aus der Losung ,herausfiltriert" werden, was im Faile von oligodynamisch wirksamen Substanzen unter Umstanden zur volligen Wirkungslosigkeit des Mediums hinsichtlich der Gewebeentwicklung fiihren kann. Dabei diirfte nicht so sehr die Porenweite des Filters ausschlaggebend sein als vielmehr Adsorptionseffekte. Falls das Filter aus gesintertem GlasgrieJ.I besteht, wie es bei den J enaer Bakterienfiltern der Fall ist, die wir benutzt haben, muLl eine weitere Moglichkeit in den Kreis der Betrachtungen einbezogen werden. Ein derartiges Glasfilter besitzt eine sehr groJ.Ie freie Oberfliiche, die hinreichend alkalisch ist, urn gegebenenfalls Veranderungen an den Zuckern, etwa in Form von Epimerisierungen zu bewirken. SchlieBlich bleibt noch als modernes Verfahren die Keimfreimachung von Losungen mittels energiereicher Strahlen (kurzwelliges UV, Rontgen-, y-Strahlen u. a.). Von den vielfachen unerwiinschten N ebenwirkungen dieser Methode sei hier nur auf die Entstehung freier Radikale hingewiesen, die schwerwiegendere Folgen nach sich ziehen kann als die Veranderung beim Autoklavieren oder Filtrieren. Wir haben dieses Verfahren jedoch nicht gepriift. Mittels papier- und diinnschichtchromatographischer Methoden haben wir nun versucht, die auf nichtenzymatischem Wege erfolgte Neuentstehung von Kohlenhydraten aus Niihrlosungszuckern beim Autoklavieren bzw. Filtrieren zu verfolgen.

Aus Glucose entsteht beim Filtrieren offenbar kein anderes Kohlcnhydrat; es ist nur die Glucose-Bande zu erkennen. Typische Ketose-Reagenzien, wie z.B. Harn-

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stoffjHCl, geben auch keinen Hinweis auf die Anwesenheit von Fructose, Sorbose, Saccharose usw. Dagegen kann man bei einer autoklavierten GlucoselOsung das Auftreten von Fructose (gelbe Fluoreszenz mit AnilinjPhthalsaure im UV, kraftige Farbung mit Harnstoff) neben Glucose deutlich feststeilen. - Derselben Situation begegnet man im Faile der Galactose. Auch hier ist im filtrierten Zustand keine Veranderung des Zuckers zu bemerken, wahrend nach dem Autoklavieren eine kraftigc Fructose-Bande neben Galactose erscheint. -Fructose bleibt bei dcr Sterilfiltration stabil. Dagegen kann man in autoklavierten FructoselOsungen neben Fructose eine crhebliche Menge von Glucose nachweisen, ferner eine deutliche Mannose-Ban de (besonders signifikant im Diinnschichtchromatogramm), so daB also hier aile drei Bpimeren Formen nebeneinander vorliegen. - Mannose verhalt sich wie Fructose. Unvcrandert nach Filtration, entwickelt sie im autoklavierten Zustand auf dem Chromatogramm (Papier und Diinnschicht) eine schwache Glucose-Ban de; auBerdem ist in Spuren Fructose zu finden. - Saccharose entwickclt nach dem Autoklavieren auf dem Chromatogramm einen sehr schwachen Glucosestreifen. Dberraschenderweise erscheint keine Fructose, auch nicht mit Harnstoff als Entwickler, so daB man annehmen muB, daB nach dcr Hydrolyse die Fructose an der Glasoberflache bzw. im iiberhitzten Medium zu Glucose epimerisiert worden ist. Dies steht im gewissen Wider-_ spruch zu den Versuchen mit filtrierter Fructose, wobei keine Veranderung der Ketose festgesteilt wurde. Dazu ist zu sagen, daB in diesem Faile cine ,stabile" Fructose vorgelegen hat, wahrend beziiglich der Saccharose erst einmal Fructose durchHydrolyse abgespalten werden muBte und damit in cine ,aktive" Form gebracht wurde, die einer Epimerisierung leichter zuganglich ist. Eine Priifung dieses Hypothesenkomplexes ware nur durch Verwendung einer im Fructoserest markierten Saccharose miiglich. - Die glucosidische Bindung in der Maltose scheint besonders empfindlich zu sein. Sowohl in filtrierten als auch in autoklavierten Maltoseliisungen findet man fast gleich groBe Mcngen an Maltose und Glucose. Es muB ailerdings eingeraumt werden, daB die benutzte Maltose bereits chromatographisch nachweisbare Spuren an Glucose enthalt; diese Mengen sind jedoch gegeniiber den in den Versuchen gefundenen zu vernachlassigen. - Raffinose erleidet weder beim Filtrieren noch beim Autoklavieren irgendeine Veranderung, ganz im Gegensatz zur Saccharose und Maltose. - Bei den Pentosen erwies sich unser Arabinose-Praparat als mit Glucose verunreinigt, so daB iiber die miigliche Bildung von Glucose beim Filtrieren bzw. Autoklavieren nichts ausgesagt werden kann. Dagegen erscheint nach dem Autoklavieren auf dem Diinnschichtchromatogramm auch ein schwacher Fleck von Fructose. - Xylose und Ribose werden nur durch das Autoklavieren schwach verandert insofern, als auf dem Chromatogramm Spuren von Glucose sichtbar sind. Auf dem Diinnschichtchromatogramm der Ribose ist auBerdem noch eine geringe Spur Fructosenachweisbar. Eine Zusammensteilung der Ergebnisse iiber die Veranderungen der Zucker durch das Sterilisationsverfahren ist in Tabeilc 3 gcgeben.

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HELMl:T KoBLITZ, DoROTHEA KoBLITZ

und

lRMGARD HAGEN

Besprechung der Ergebnisse

1954 fand Goms bei Ernahrungsversuchen an einem Karottenstamm, daB im Medium enthaltene Fructose mehr Saccharose im Gewebe bildet als eine gleich groBe Menge Fructose. Andererseits fand er bei Verwendung von Xylemgeweben aus Karottenexplantaten eine starkere Saccharosebildung bei Fiitterung mit Glucose, wahrend entsprechendes Phloemgewebe sowohl aus Glucose als auch aus Fructose gleiche Mengen Saccharose synthetisiert. Gewebekolonien von Sequoia sempervirens und Vinca rosea enthalten nach BALL (1955) Saccharose, Glucose und Fructose. Kultiviert man in Gegenwart von Mannose oder von Lactose, so findet man zusatzlich zu den erstgenannten Kohlenhydraten die applizierten Substanzen unter den li:islichen Zuckern der Gewebe wieder. Dagegen fiihrt Fiitterung mit Raffinose zum Auftreten von Galactose und umgekehrt. Allgemein kann man also feststellen, daB der ,Freie-Zucker-Pool" isolierter Pflanzengewebe bisher als ziemlich monoton angenommen worden ist und sich im wesentlichen auf Saccharose und ihre Hydrolysenprodukte beschrankte. Dagegen konnten wir zeigen, daB in vielen Fallen Xylose in recht betrachtlicher Menge auftreten kann und auch Rhamnose haufig unter den li:islichen Zuckern anzutreffen ist. Beziiglich der Galactose ki:innen wir den Befund BALLS nicht im vollen Umfang bestatigen, daB eine Applikation dieser Hexose den Raffinosespiegel erhi:iht. Wir fanden dagegen eine starke Erhi:ihung des Raffinosegehalts bei Fiitterung der Gewebe mit Fructose. Praktisch keine Raffinose findet man in den Geweben, die auf Raffinose oder Saccharose gewachsen waren. Eine Mi:iglichkeit zur Erklarung dieser Tatsache bietet eine kiirzlich erschienene Arbeit von CoNSTABEL (1963) iibcr die extracellulare Hydrolyse von Kohlenhydraten durch Wacholder-Gewebekulturen. So wird Raffinose bereits im Medium zu Galactose, Fructose und Saccharose gespalten, so daB das Trisaccharid gar nicht erst in die Zelle aufgenommen wird. Auch Maltose und Saccharose sollen extracellular zu einem betrachtlichen Teil hydrolysiert werden. Die Ergebnisse, da13 Pentosen nicht als Kohlenstoffquelle fiir die Ernahrung isoliert kultivierter Karottengewebe dienen ki:innen und daB dieses Unvermogcn auf einer metabolischen Indifferenz der Pentosen beruht, zeigen erneut, daB die Vorstellungen von NEISH (ALTERMATT und NErsH 1956 a und b) hinsichtlich der Biogenese der Zellwandpolysaccharide via UDP-Glucose (vielleicht auch noch anderer NueleotidZucker, wie bei der Cellulose-Biosynthese aus GDP-Glucose [ELBEIN, BARBER und HAssm 1964]) auch in diesem Fall zutreffen. Die einzige Diskrepanz besteht in dem Verhalten der Xylose, die iiber Sedoheptulose ebcnfalls in Glucose umgewandelt und auf diesem W ege in den Nucleotid-Zuckerstoffwechsel eingcschleust werden miiBte. Offen bar ist dieser W cg bci unseren Karottengeweben blo ckiert. Andererseits miissen wir aile unter den IOslichen Zuckern der Hexoseversuche gefundenen Pentosen als Stoffwechselendprodukte betrachten, die in einer Nebenreaktion gebildet worden

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sind und fiir den weiteren Metabolismus der Zelle keine Rolle mehr spielen, es sei denn, daB sie durch ubermaBige Akkumulation zu einer Gefahr fiir die Zelle uberhaupt werden. Wir sprachen bereits davon, daB sich ein derartiger Verlauf bei unserem Arabinoseversuch am Ende der zweiten Passage (nach 14 Kultivierungswochen) eingestellt hat. Freie Pentosen kommen also als Ausgangsmaterial fur die Synthese von Zellwandpolysacchariden in isoliert kultivierten Karottengeweben nicht in Betracht. Da andererseits alle Gewebe in der Lage sind, unabhangig von der Art der gebotenen Hexose Galactose, Glucose, Arabinose, Xylose und Rhamnose in kurzester Zeit in den Hemianteil der Zellwand einzubauen, muB eine Transformation in die entsprechende Nueleotid-Glucose (UDPG, GDPG u. a.) auBerordentlich schnell erfolgen. Auch BARNOUD (1957) fand bei in vitro kultivierten Geweben von Syringa und Carpinus als lOsliche Zucker lediglich Saccharose, Glucose und Fructose, gleichzeitig stellte er aber fest, daB Galactose, Glucose, Arabinose und Xylose sofort in die Zellwandfraktion eingebaut werden. Dieses Ergebnis wirft erneut die Frage auf, ob die Transformation der Zucker nicht direkt in der Zellwand stattfindet, so daB die entsprechenden Zuckerphosphate gar nicht erst in Erscheinung treten und die gebildeten Pentosephosphate unter Transphosphorylierung sofort synthetisch an Hemicelluloseketten angelagert werden. Dann aber konnte man bei den in vitro kultivierten Geweben auch daran denken, daB ein von auBen applizierter Zucker im Faile seiner Beteiligung am Aufbau der Zellwand gar nicht erst in die Zelle eintritt, sondern bereits in der Wand metabolisiert und zu wandeigener Substanz umgebaut wird. DaB die Wand den hierfiir benotigten Fermentapparat besitzt, wurde von verschiedenen Seiten wahrscheinlich gemacht (KIVILAAN, BEAMAN und BANDURSKI 1961, LAMPORT und NoRTHCOTE 1960, STRAUS 1962). Fur die sorgfaltige Mitarbeit bei der Anlage und Betreuung der Gewebekulturen danken wir Frau D. KowALKA, fur die gewissenhafte und saubere Ausfiihrung der umfangreichen papier- und dunnschichtchromatographischen Arbeiten Fraulein I. FLIEGER. Unser besonderer Dank fiir die groBzugige Bereitstellung von Mitteln fiir die Durchfiihrung der Arbeiten gilt dem Direktor des Instituts fiir Faserstoff-Forschung, Herrn Professor Dr. H. KLARE. Zusammenfassung Ein Stamm isolierter Karottengewebe wurde wiihrend einer liingeren Zeit mit verschiedenen Hexosen, Hexose-Oligosacchariden und Pentosen als Kohlenstoffquelle versorgt. Dabei zeigte es sich, daB alle verwendeten Pentosen nicht in der Lage sind, das W achstum aufrechtzuerhalten. Deshalb wurden die Pentosenversuche in Gegenwart von Saccharose durchgefiihrt. Es wurde gefunden, daB die Pentosen zwar von der Zelle aufgenommen, jedoch nicht weitermetabolisiert, sondern in unveriindertem Zustand akkumuliert werden und a us diesem Grunde nicht fiihig sind,

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Stoffwechsel und Entwicklung der Gewebe zu gewahrleisten. Die fiir den Aufbau des Hemicellulosenanteils der Zellwand benotigten Pentosen scheinen direkt aus dem Nucleotid-Zuckerstoffwechsel entnommen zu werden; sie treten nicht in freier Form auf. Die bei den Hexoseversuchen in geringen Mengen nachgewiesenen Pentosen sind als Stoffwechselendprodukte zu betrachten; sie scheinen keine Bedeutung fiir den Metabolismus der Zelle zu besitzen.

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