FussSprungg 4:27–31 (2006) DOI 10.1007/s10302-006-0210-8
M. Thomas
BEITRAG ZUM THEMENSCHWERPUNKT
Ambulante Operationen am oberen und unteren Sprunggelenk Wo sind die Grenzen?
Surgical procedures in the upper and lower ankle joint in an outpatient facility – where are the limits? " Summary With the increase in specialization and the growing number of minimally invasive surgical procedures, there is also an increase of operations in out-
Eingegangen: 7. Dezember 2005 Akzeptiert: 5. Januar 2006
Dr. med. M. Thomas ()) Abteilung Fußund Sprunggelenkschirurgie Hessingpark-Clinic Augsburg Hessingstr. 17 86199 Augsburg E-Mail:
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patient settings. The ankle joint with a wide range of arthroscopic procedures deserves our special attention to define the limits of possible outpatient operations. The imminent change of the German health system is also taken into consideration. Under special consideration and review of the current literature, this article gives guidelines for ambulatory surgery at present and shows possible trends for the future. " Key words Upper ankle joint – lower ankle joint – minimalinvasiv surgery – distal ischiadic anesthesia – arthroscopy – ambulatory surgery " Zusammenfassung Bei zunehmender Spezialisierung und Ausweitung minimalinvasiver Verfah-
Einleitung Vor dem Szenario eines immensen Kostendruckes durch einerseits sinkende Entgelte für operative Eingriffe unter stationären Bedingungen und andererseits unveränderten Fixkosten für Krankenhauseinrichtungen vollzieht sich gegenwärtig ein Strukturwandel im deutschen Medizinwesen. Bislang nur im stationären Bereich denkbare operative Maßnahmen werden zunehmend in ambulanten Einrichtungen vorgenommen. Unter diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wo die Grenzen für ambulante Eingriffe zu ziehen sind. Inwieweit dürfen öko-
ren steigen die Möglichkeiten der ambulanten operativen Maßnahmen. Dies trifft ganz besonders auf den Bereich der Sprunggelenkseingriffe mit einer Vielzahl arthroskopischer Operationen zu. Vor dem Hintergrund nicht kalkulierbarer politischer Entwicklungen müssen die medizinischen Indikationen besonders sorgfältig beachtet und definiert werden. Trotz steigendem Kostendruck müssen Grundprinzipien beachtet werden. Unter Auswertung der aktuellen Literatur werden die einzelnen Problembereiche beleuchtet. " Schlüsselwörter Ambulante Operationen – Sprunggelenk – Minimalinvasive Operationen – Arthroskopie – distaler Ischiadicusblock
nomische Gesichtspunkte medizinische Vorgehensweisen und Indikationsstellungen beeinflussen? Was muss beachtet werden um einerseits kostenschonend zu arbeiten, gleichzeitig aber hohen medizinischen Standard und Sicherheit für den Patienten zu gewährleisten?
Anforderungen an fachliche Befähigung und Strukturqualität Ambulante Operationen und stationsersetzende Leistungen (Eingriffe nach § 115 b SGB V) sind nach
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den gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen unter Beachtung der Voraussetzung für vertragsärztliche Versorgung zu erbringen. Der Facharztstandard muß hierbei gewährleistet sein. Zu beachten sind die Empfehlungen des „RobertKoch-Instituts“ zu den Hygieneanforderungen bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen insbesondere beim ambulanten Operieren in Krankenhaus und Praxis [2, 3]. Der Umgang mit Medizinprodukten muss in Berücksichtigung des Medizinproduktegesetzes (zuletzt geändert 2001) und der Medizinbetreiberverordnung [2, 3, 16] vorgenommen werden. Weitere Auflagen der Qualitätssicherungsmaßnahmen zum ambulanten Operieren umfassen: • allgemeine organisatorische Anforderungen zur Gewährleistung einer guten Kooperation zwischen Operateur und vor-/nachbehandelndem Arzt. • Organisationsplan für Notfälle. • Fortbildungen und Notfallmanagement für das Praxispersonal.
Voraussetzung zur ambulanten Operation Bei der Patientenauswahl muss die medizinische Beurteilung im Vordergrund stehen; sozio-ökonomische Aspekte sollten zwar mitberücksichtigt werden, dürfen aber nicht ausschlaggebend sein. In den Leitlinien für ambulantes Operieren [18] sind wesentliche Patientenauswahlkriterien empfohlen: Medizinische Auswahlkriterien: • Einsicht in den geplanten Eingriff und die Nachsorge. • Ausschlusskriterium: Adipositas per magna. • Patientenauswahl nach physiologischem Status, nicht nach Alter. • Körperlich und physisch stabiler Patient (ASA I/II), bei chronischer Erkrankung (ASA III) nur nach anästhesiologischer Konsultation. • Präoperativ erfolgte klinische Untersuchung, unterschriebene Einverständniserklärung und Aufklärung über mögliche Komplikationen. • Kinder mit normalem Geburtstermin älter als 3 Monate, bei jüngeren Säuglingen frühestens 60 Wochen postpartal, nur nach anästhesiologischer Konsultation. Soziale Auswahlkriterien: • Bereitschaft des Patienten zur ambulanten Operation. • Vorhandene telefonische Verbindung. • Wohnung mit Minimalstandard (Heizung, Toilette, Licht, Küche, Bad).
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Abb. 1 Anterolaterales Impingement durch narbige Proliferation
• Verantwortliche Person für den Heimtransport so•
wie verantwortliche Person zur postoperativen Überwachung der ersten 24 Stunden. In den ersten 24 Stunden sollte auch diese Person, welche die Betreuung durchführt in der Lage sein, die Instruktionen zu verstehen und physisch wie mental in der Lage sein, Entscheidungen zum Wohle des Patienten, wenn notwendig, zu treffen.
Auch räumliche Mindestvoraussetzungen müssen gegeben sein. Räumliche Aspekte: • Geeignete Räume und Einrichtungen für ambulantes Operieren entsprechend den Empfehlungen der (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) zur Arbeitsplatzausstattung. • Enge Anbindung an Parkmöglichkeiten, Verfügbarkeit von Rollstühlen. • Enge Anbindung an stationäre Aufnahmebereiche. Durch die Anästhesisten und Operateure muss Facharztstandard gewährleistet werden. Ausgebildetes OP-Personal sowie erfahrenes und qualifiziertes Pflegepersonal sind personelle Grundvoraussetzungen. Bei Erfüllen folgender Voraussetzungen gelten Operationen als geeignet für ambulante Eingriffe: • Minimales Risiko einer Nachblutung. • Minimales Risiko postoperativ auftretender respiratorischer Komplikationen. • Keine spezielle postoperative Pflegebedürftigkeit. • Rasche Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme nach OP. In den Leitlinien für ambulantes Operieren [18] sind auch die Entlassungskriterien nach einem operativem Eingriff klar definiert:
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Abb. 2 Freier Gelenkkörper OSG
Abb. 3 Knöchern ausgeheilte Fraktur OSG
• Stabile Vitalzeichen für mindestens eine Stunde. • Orientierung nach Zeit, Ort und bekannten Per• • • • • • • •
sonen. Ausreichende Schmerztherapie mit oralen Analgetika. Fähigkeit, sich anzuziehen und herumzugehen entsprechend präoperativem Zustand. Allenfalls minimale Übelkeit, Erbrechen und Benommenheit. Orale Aufnahme von Flüssigkeit sollte ohne Erbrechen toleriert werden. Minimale Blutung bzw. Wunddrainageverlust. Fähigkeit die Harnblase zu entleeren sollte gesichert sein. Der verantwortliche Erwachsene zur Begleitung nach Hause sollte feststehen. Die Entlassung muss grundsätzlich vom Anästhesisten und dem Operateur vorgenommen werden.
• Eine schriftliche und mündliche Instruktion muss
• • • • •
für alle relevanten Aspekte der postnarkotischen und postoperativen Nachsorge dem Patienten übermittelt sowie auch der Begleitperson mitgegeben werden. Eine notfallmäßige Kontaktadresse (Person und Telefonnummer) muss mitgegeben werden. Eine geeignete Analgesietherapie für mindestens den 1. Tag nach der Therapie sollte vorgeschlagen werden. Grundsätzlich müssen Ratschläge einer Dauermedikation mitgeteilt werden. Eine telefonische Nachfrage am ersten postoperativen Tag sollte erfolgen. Der Patient muss prä- und postoperativ sowohl mündlich als auch schriftlich davor gewarnt werden, innerhalb der ersten 24 Stunden postoperativ einen Wagen zu fahren, Abschlüsse jeg-
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licher Art vorzunehmen oder Alkohol bzw. Sedativa (außer den empfohlenen Medikamenten) zu nehmen.
Ambulante Operationen am Sprunggelenk Unter Berücksichtigung der Leitlinien (18) und der formellen Anforderungen [2, 3, 16] können eine Vielzahl von Operationsindikationen am Sprunggelenk im ambulanten Bereich vorgenommen werden [1, 4, 7, 9, 14]. Vor allem arthroskopische Eingriffe (Narbenresektion, Knorpelchirurgie, arthroskopisch assistierte Arthrodesen) kommen hierfür in Frage [1, 4, 9, 11, 14], aber auch Metallentfernung, in Einzelfällen simple Frakturversorgungen oder Sehnenchirurgie [9, 11, 13]. Sowohl in meinem eigenen Krankengut als auch in der verfügbaren aktuellen Literatur ist die Patientenselektion ein essentieller Baustein für den Erfolg eines ambulanten Eingriffs. Bei Vorliegen von Risikofaktoren und/oder Rezidiveingriffen sollte ein stationärer Eingriff dem ambulanten Eingriff vorgezogen werden. Die Fortschritte in der arthroskopischen Chirurgie dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der statistischen Auswertung die Komplikationsrate für arthroskopische Eingriffe am Sprunggelenk [6, 15] gegenüber der Komplikationsrate am Kniegelenk [14] signifikant erhöht ist. Gerade deshalb sind auch arthroskopische Eingriffe am Sprunggelenk nur unter sorgfältiger Risikoabwägung unter ambulanten Bedingungen durchzuführen. Als operative Eingriffe unter ambulanten Bedingungen bieten sich bei Erfüllen der Leitlinien [15] und unter Ausschluss von Risikofaktoren am Sprunggelenk an: • Metallentfernung • Narbenkorrekturen • Osteosynthese einfacher Frakturen • Arthroskopisches Debridement • Arthroskopische Knorpelchirurgie • Einfache Bandnähte • Einfache Neurolysen • Arthroskopisch assistierte Arthrodesen in situ • Einfache Sehnennähte • Entfernung freier Gelenkkörper. Aus einer Vielzahl von Publikationen kristallisiert sich das Problem der ausreichenden Analgesie bei ambulanten Operationen heraus [5, 8, 10, 11, 19]. Insgesamt ist die Literatur bezüglich ambulanter Sprunggelenksoperationen überraschend spärlich. Eine kanadische Studie an 5700 Patienten [8] ergab,
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dass der postoperative Schmerz den häufigsten Grund für verzögerte Entlassungen oder unvorhergesehene Krankenhausaufnahmen nach ambulanten Eingriffen darstellt. Mit Hilfe der „Visuellen Analog Scala“ (VAS) wurde die postoperative Schmerzintensität 24 Stunden nach dem operativen Eingriff bestimmt. Hierbei zeigten 30% (!) der Patienten eine Schmerzintensität zwischen moderat und stark (VAS 4–10). Zu den schmerzhaftesten Eingriffen zählten hierbei die Sprunggelenkseingriffe. Bei 13% der Eingriffe musste der Notdienst binnen 24 Stunden telefonisch kontaktiert werden. In der Literatur [5, 11, 19] wird für ambulante operative Eingriffe eine Stufentherapie zur postoperativen Analgesie empfohlen: • Nach kleinen Eingriffen: orale Analgetika, unterstützt durch eine Infiltrationsbehandlung der Wunde mit langwirksamen Lokalanästhetika. • Nach kleinen, kurzen operativen Eingriffen: intravenöse Regionalanästhesie. • Nach größeren Eingriffen: distaler Ischiadicusblock, evtl. als Dauerinfusionstherapie (Goldstandard). Bei Bedarf kann dieses Verfahren sogar mit einer Blockade des N. saphenus oder N. femoralis kombiniert werden [5, 12, 17]. Das Verfahren des distalen Ischiadicusblockes in der fossa poplitea gilt als besonders schonend und wirksam (19) und ermöglicht selbst bei einmaliger Injektion eine Schmerzfreiheit bis zu 10 Stunden und länger.
Zusammenfassung Unter Berücksichtigung der anhaltenden Spezialisierung und des immensen Kostendruckes im Gesundheitswesen werden operative Eingriffe kleinerer und mittlerer Größenordnung zunehmend in den ambulanten Bereich verlegt [13]. Hierbei muss eine sorgfältige Patientenselektion unter Berücksichtigung der gültigen Leitlinien [17] und der gültigen gesetzlichen Vorgaben vorgenommen werden [2, 3, 16]. Operative Eingriffe im ambulanten Bereich erfordern eine abgestufte Schmerztherapie und eine engmaschige Kontrolle der Patienten [5, 6, 8]. Insbesondere für arthroskopische Eingriffe muss die statistische höhere Komplikationsrate gegenüber vergleichbaren Eingriffen am Kniegelenk beachtet werden [1, 6, 15]. Der Trend zur Verlagerung bisheriger stationärer Eingriffe in den ambulanten Sektor wird anhalten. Voraussetzung für gelungene ambulante Eingriffe bleibt neben der Qualifikation des Operateurs eine sorgfältige Patientenselektion und strukturierte Schmerzbehandlung in der postoperativen Phase.
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