Zbl. Bakt. II. Abt. 135 (1980), 5-11 [Lehrstuhl Bodenkunde und Mikrobiologie del' Sektion Pflanzenproduktion del' Martin-LutherUniversitat Halle-Wittenberg; Lehrstuhlinhaber: Prof. Dr. sc. Dr. h. c. Dr. h. c. GEORG MULLER]
Beitrage zum Problem der mikrobiell induzierten Harnstoffumwandlung im Boden II. Mitt.: Der EinfluLl von Bewasserung auf Verlagerung und Wirkung von Ureaseinhibitoren1 ) Contributions to the Problem of Microbially Induced Urea Transformation in Soil II. Influence of Irrigation on the Carriage and the Effect of Urease Inhibitors
G. MULLER und INGRID FORSTER Mit 7 Abbildungen
Summary Inhibition of ureolysis by specific inhibitors presume at first efficiency of the chemical compound itself and at second the joint distribution of both the compounds in the soil. In model experiments it could be confirmed that some inhibitors were carried along with percolating water up to four centimeters, being efficaeious in this range. Also for several formulations of urea with inhibitors a tendency of urea protection by the applied inhibitors from the surface up to a depth of 6 em was established.
Zusammenfassung Ureolysehemmung durch Inhibitoren setzt erstens die Wirksamkeit des Inhibitors und zwei tens eine mit dem Harnstoff gemeinsame Verteilung im Boden voraus. In Modellversuchen konnte bestatigt werden, daB etliche Inhibitoren bis zu 4 em von cinem abwarts gerichteten Wasserstrom mitgefiihrt werden konnen und in diesem Bereich wirksam sind. Auch fiir verschiedene Formulierungen konnte eine Tendenz zur Erhaltung des Harnstoffs durch den beigefiigten Hemmer von del' Oberflache bis zu ca. 6 em Tiefe festgestellt werden.
SolI die durch Bodenmikroorganismen bewirkte Hydrolyse des Harnstoffs (MULLER 1965) zeitweise gehemmt werden, urn Stickstoffverluste durch Verfluchtigung, aber auch durch Auswaschung als Nitrat zu vermeiden, den Harnstoff zu einer "langsamflieBenden Stickstoffquelle" (HARTBRICH et al. 1978) zu machen, so mussen hierfur eingesetzte Ureaseinhibitoren, auf die bereits CONRAD (1940) aufmerksam machte und die in den letzten Jahren vielerorts Forschungsgegenstand waren, die erforderliche Zeit in einem Bodenbereich vorhanden sein, in welchem mit der Anwesenheit von Harnstoff zu rechnen ist. Voraussetzung hierfur ist, daB sie eine ahnliche Beweglichkeit besitzen wie das Dungemittel, d. h. bei Einwaschung des Harnstoffs in den Boden mit ihm nach unten wandern konnen, sich im Bodenraum verteilen und den Harnstoff auch dart vor Hydrolyse schutzen. In einem Modellversuch wurde eine Reihe von Inhibitoren hinsichtlich ihrer Verlagerbarkeit und Wirkung in tieferen Bodenbereichen untersucht. 1) Herrn Prof. Dr. HANS GLATHE zum 80. Geburtstag gewidmet.
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G. MULLER und INGRID FORSTER
Material und Methoden Der Versuehsboden war ein humoser sandiger Lehm, pH 7,2. Bei den getesteten Inhibitoren handelte es sieh urn: Inhib. U: Tetramethylthiuramdisulfid1 ) Inhib. V: N-Methylrhodaninessigsaure 2 ) Inhib. W: Hydrochinonl) Inhib. X: Phosphorsaure- bis(phenylester)-amid 1 ) und urn die Formulierungen (Harnstoff mit 2%igem Zusatz des Inhibitors): Form. Y: Gemiseh von Inhib. X und Phosphorsaure-p-chlor-phenylester-diamidl ) Form. Z: Phosphorsaure-phenylester-diamidl ).
1. Getrennte Einbringung von Harnstoff und Inhibitor In Glasrohrehen von 20 em Hohe und 2 em Innendurehmesser wurden in deren mittleren Be· reich 4mal 10 g Boden eingebraeht, durch einen hauehdunnen Wattesehleier voneinander ge· trennt. Dies ergab eine Bodensaule von 4 X 2 em = 4 Tiefenstufen (I-IV). Mit dieser Anordnung wurden 4 Versuehsvarianten gepruft: Zwei Formen der Harnstoffverabreiehung, und zwar A) Beimischung des Harnstoffs in Hohe von 10 mg N zu den vier Teilproben, d. h. gleiehmaJ3ige Verteilung von 40 mg Harnstoff-N auf die gesamte Bodensaule, B) Aufbringung von 40 mg Harnstoff-N auf die Oberflaehe. Zwei Formen der Inhibitoreinbringung, und zwar II) auf die Oberflache der zweiten Teilprobe, III) auf die Oberflaehe der dritten Teilprobe. Die Bewasserung in Hohe von 50 mm erfolgte wahrend der ersten 24 Std. in sechs 3-ml-Portionen. Mit dieser Wassermenge wurde die volle Sattigung der WK erreicht, es erfolgte kein Durchlauf. Die Versuchszeit betrug 6 Tage bei Zimmertemperatur. Auswertung Die Teilproben zu je 10 g wurden sorgfiiltig von der Bodensaule abgetrennt. An ihnen wurde der losliche Stickstoff (NH4-N + N0 3 -N) im 1 N KCI-Auszug und der Restharnstoff kolorimetrisch unterVerwendung von p-Dimethylaminobenzaldehyd undMessung bei 435 nm (pers. Mitt.) ermittelt. Die Bestimmung der Ureaseaktivitat erfolgte nach SEIDEL (1975). Ihre Angabe erfolgt als mg NH 4-NJI00 g BodenJ3 Std., nachdcm der Bodenprobe 10 mg Harnstoff zugefUgt worden waren.
2. Gemeinsame Einbringung von Harnstoff und Inhibitor in Form von 2%igen For· mulierungen In die erwahnten Glasrohren wurden 3 X 10 g Boden eingebraeht (Tiefenstufen 1- 3) und der Harnstoff in Form der genannten Formulierungen in Hohe von 40 mg auf die Oberflaehe ge· geben. Die hier gewahlte sehr langsame Befeuehtung erfolgte so, daJ3 die zur Einstellung einer 60%igen Sattigung der WK benotigte Wassermenge beim Ansatz, nach 24 und 48 Std. zu je 1/3 verabreieht wurde. Bei diesel' Form del' Bewasserung durchdrang die Feuehtigkeit jeweils nur eine Tiefenstufe. Die Versuehszeit betrug 3 Tage bei Zimmertemperatur. Auswertung siehe unter 1. 1) Diese Substanzen stellte die Zentralstelle fur Anwendungsforschung Agrochemie, Cunnersdorf, zur VerfUgung, wofUr herzlieh gedankt wird. 2) Wir danken Herrn Prof. Dr. W. SCHROTH, Sektion Chemie der Martin-Luther-Universitat Halle-Wittenberg, fur die Uberlassung der Substanz.
Beitrage zum Problem der mikrobiell induzierten Harnstoffumwandlung. II.
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0 Abb. 1. Beeinflussung der Harnstoffumsetzung durch Hydrochinon (Inhib. W). Erklarungen: II (linke Darstellung): Einbringung des Inhibitors auf Tiefenstufe II. III (rechte Darstellung): Einbringung des Inhibitors auf Tiefenstufe III. R (vordere ausgezeichnete Flache): Restharnstoff. IN (hintere ausgezeichnete Flache): liislicher Stickstoff. Gestrichelte Flache: Ureaseaktivitat (rng NH 4 ·N/IOO g Boden/3 Std.).
Ergebnisse und Diskussion 1. Getrennte Einbringung von Harnstoff und Inhibitor Von den getesteten Substanzen erwiesen sich mehrere als ureolysehemmend, wie Inhib. W (s. Material und Methoden). Diese Substanz wurde in weiteren Untersuchungen als mikrobizid erkannt. Sie setzte beispielsweise die Bodenatmung drastisch herab. Die Hemmung der Ureolyse kann sowohl auf einer Inhibition des Enzyms als auch auf der Abti:itung der Bodenmikroorganismen beruhen. Der Wirkungsanteil der beiden Mi:iglichkeiten lieE sich im Rahmen dieser Untersuchungen nicht ermitteln. Aus Abb. 1 wird die Hemmung im Umfange einer Tiefenstufe deutlich. Der in H6he von 40 mg N auf die OberfHiche gebrachte Harnstoff wurde mit dem Sickerwasserstrom nach unten gefiihrt und in der Bodensaule verteilt. Er gerict damit in den Wirkungsbereich des Inhibitors, welcher auf die Tiefenstufen II und III gebracht worden war.
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Abb. 2. Beeinflussung der Harnstoffurnsetzung durch N-Methylrhodaninessigsaure (Inhib. V). Erklarungen s. Abb. 1.
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0 Abb. 3. Beeinflussung der Harnstoffumsetzung durch N-Methylrhodaninessigsaure (Inhih. V). Erklarungen s. Abb. 1.
Der in Tie£enstufe II wirksame Inhibitor hemmte die Ureolyse im Bereich von zwei Tiefenstufen (etwa 4 em). Auch bei tieferer Einbringung auf Tiefenstufe III verminderten sich - hier deutlicher sichtbar - die gleichfalls ermittelte Ureaseaktivitat und die Gehalte an Ioslichem Stickstoff (IN), es verblieb eine hOhere Menge an Restharnstoff (R). Eine wirkungsvolle Substanz ist Inhib. V (Abb. 2). In Variante A zeigte sich eine beachtliche Tiefenwirkung. Infolge der Bewasserung sind die hochsten Gehalte an Harnstoff und Ioslichem Stickstoff im allgemeinen in der III. und IV. Tiefenstufe zu finden. Man erkennt links ab der II. Tiefenstufe und rechts ab der III. die hamstoHerhaltende Tendenz des Inhibitors. Seine Wirkung erstreckte sich tiber zwei Tiefenstufen, d. h. tiber ca. 4 em hinweg. - Wird der gesamte Harnstoff auf die Oberflache gebracht (Abb. 3), so verbleiben hohere Gehalte in den oberen Teilproben, cloch wird die Tiefenwirkung der Substanz auch hier deutlich. Bei beiden Formen cler Harnstoffeinbringung wurden durch Inhib. V 50% des Harnstoffs und mehr erhalten.
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a Abb. 4. Beeinflussung der Harnstoffumsetzung durch Phosphorsaure-bis(phenylester)-amid (In. hib. X). Erklarungen s. Abb. 1.
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Abb. 5. Beeinflussung der Harnstoffumsetzung durch Tetramethylthiuramdisulfid (Inhib. U.) Erklarungen s. Abb. 1.
Eine ahnlich gute, in die Tiefe reichende Wirkung hatte Inhib. X in Variante B (Abb.4). Bei Hemmereinbringung auf Tiefenstufe II wurden uber 6 Tage hinweg mehr als 60 % des zugegebenen Harnstoffs und bei Einbringung auf Tiefenstufe III ca. 80 % vor Hydrolysierung bewahrt. Eine Substanz, die diese Wirkung nicht in befriedigendem MaJ3e zeigte, war Inhib. U (Abb. 5). Dies wird besonders deutlich in Variante B. Der gesamte auf die Oberflache gegebene Harnstoff wurde hydrolysiert. Geringen Mengen an Restharnitoff stehen hohe an Ammonium- und NitratstickstoH gegenuber. - Die Anderung der Ureaseaktivitat des Bodens folgt sehr deutlich dem Gehalt an 16slichem Stickstoff. Dies deutet darauf hin, daB der Harnstoff mit dem Sickerwasser verlagert wurde, erst in gro13erer Tiefe die Ureasebildung induzierte und eine Hydrolyse erfuhr.
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Abb.6. Beeinflussung del' Harnstoffumsetzung bei Einsatz einer 2%igen Formulierung; Inhibitor: Gemisch von Phosphorsaure.bis(phenylester)·amid und Phosphorsaure-p-chlor-phenylesterdiamid.
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Abb.7. Beeinflussung der Harnstoffumsetzung bei Einsatz einer 2%igen Formulierung; Inhibitor: Phosphorsaure-phenylester-diamid.
2. Gemeinsame Einbringung von Harnstoff und Inhibitor in For:in von 2proz. Formulierungen Unter den Bedingungen einer sehr langsamen Befeuchtung wurde die Wirkung von Formulierungen getestet. Es werden im folgenden Ergebnisse, welche an zwei Formulierungen erhalten wurden, dargestellt. Bei allen Formulierungen gilt bzgl. der Verlagerung des Harnstoffs in der Bodensaule das gleiche: Die 1. Bewasserung, welche die erste Teilprobe durchdrang, verteilte den Harnstoff in diesem Raum. Die 2. Wassergabe nach 24 Std. transportierte ihn auch in die 2. Teilprobe, wobei meistens noch annahernd die gesamte Harnstoffmenge vorhanden war. Die 3. Wassergabe verlagerte die noch vorhandenen Harnstoffmengen auch bis in die Tiefe von 4-6 cm. Starkere Durchfeuchtung des Bodens einerseits und Nachlassen der Hemmwirkung des Inhibitors, moglicherweise auch infolge zu starker Verdunnung, fuhrten zu einem Wiederaufleben der Ureolyse, denn nach 72 Std. ist der Restharnstoffgehalt wesentlich abgesunken, wobei jedoch Unterschiede zwischen den Hemmern auftraten, die moglicherweise auch mit der Art der Formulierung zusammenhangen konnen. Abbildung 6 zeigt Harnstoffbewegung und -umlagerung in Abhangigkeit von der Zeit. In Tiefenstufe 1 waren nach 24 Std. noch ca. 35 mg Harnstoff-N von 40 mg vorhanden (s. untere Saulenreihe, links). In den Stufen 2 und 3 ist er noch nicht angekommen. Nach 48 Std. sinkt der Gehalt in Stufe 1 auf 15 mg, dafur erscheinen 20 mg in der 2. und 8 mg in der 3. Nach 72 Std. gleichen sicn die Gehalte aus. Es sind noch ca. 32 mg Harnstoff-N (etwa 80 %) vorhanden - ein Beweis fur die Wirkung des Hemmers. Dem steht zu diesem Zeitpunkt ein Gesamtgehalt an loslichem Stickstoff von 4 mg gegenuber (s. obere Saulenreihe).
Beitrage zum Problem del' mikrobiell induzierten Harnstoffumwandlung. II.
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Eine gute Inhibitionswirkung zeigte auch Formulierung Z (Abb.7), denn nach 72 Std. sind noch ca. 60 % des Harnstoffs vorhanden. Zusammen£assel1d laBt sich £eststellen, daB eine Hemmung der Ureolyse durch Inhibitoren die Wirksamkeit der Substanz selbst und eine mit dem Harnstoff gemeinsame Verteilung im Bodenraum voraussetzt. Befand sich der Inhibitor in tieferen Bodenbereichen, so wurde der sich abwartsbewegende Harnstoff dort vor der Hydrolyse durch Bodenmikroorganismen (MULLER u. HICKISCH 1977) bewahrt, und zwar im Falle von Inhib. X, Variante B, im Bereich von 2 cm Bodentie£e und von Inhib. V, Variante A, in einer Tide von 4 cm. DaB jedoch eine gemeinsame Abwartsbewegung von Harnstoff und Inhibitor moglich ist, bestatigten die Untersuchungen mit Harnstofformulierungen bei Anwendung einer sehr langsamen Durchfeuchtung. Es konnten nach 3 Tagen noch 80 % bzw. 60 % des verabreichten Harnstoffs nachgewiesen werden.
Literatur CONRAD, J. P.: Hydrolysis of urea by thermolabile catalysis. Soil Sci. 49 (1940), 253. HARTBRICH, H.-J., OERTEL, lVI., HELD, P., ROTHE, G., THIEME. H., KLEPEL, lVI., und SIEGLIXG, S.: Die Anwendung von Ureaseinhibitoren ~ eine Moglichkeit zur Verringerung von Ammoniakstickstoffverlusten bei del' Harnstoffdiingung. speziell agroehemie Forschung und Praxis B 8 (1978), 20. HICKISCH, B., MULLER, G., und FORSTER, 1.: Bodenmikrobiologisehe Aspekte del' Harnstoffumwancllung. Tag .. Ber. Akad. Landwirtsch.-Wiss. DDR, Berlin, 155 (1978), 147. MULLER, G.: Bodenbiologie. Jena 1965. und HICKISCH, B.: Beitrage zum Problem del' mikrobicll induzierten Harnstoffwandlung im Boden. 1. Mitt.: Uber das Harnstoffverwertungsvermogen dol' Bodenmikroorganismen. Zbl. Bakt. II 132 (1977), 479. SEIDEL, A_: Uber die Ureaseaktivitat des Ackerbodens. Diss. Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg (1975). Anschrift cler Verfassor: Prof. Dr. so. GEORG l\ltrLLER und Doz. Dr. agr. habil. IN"GRID FbRSTER, DDR - 402 Halle (Saale), Weidenplan 14.