CLINIC.4CHIMICA ACT.4
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UBEK
EINE
NEUE
VEIXEKBTE
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PK~+~EIN-AN~MAI,IE
In den letzten Jahren sind durch die Einfiihrung ncuer analytischer Methoden unsere Kenntnisse iiber die krankheitsbedingten Vefinderungen des Eiweissbildes bedeutend erweitert worden. Zugleich wurden aber such Mitteilungen iiber Vcrgnderungen gemacht, fiir die die Frage von Erbeinfliissen diskutiert wird: BINJTOS~ bcschrieb rg5z das Fehlen der y-Globuline im Bluteiweissbild; seither sind in der ganzen Welt zahlreiche derartige Fglle publiziert worden. Hingegen sind die von BENSHOLD~ im Jahre 1954 mitgeteilten beiden FSlle von Analbuminaemie aus einer Familie bisher alleinstehend. Wir kijnnen iiber eine nefte protein-.-lnomalie, tine I)oPPel-.-lI&rminaemie, herichten, fiir die die Erbbedingtheit auf Grund unsrrer hisherigen I’ntersuchungcn als gcsichert angesehen werden kann. Am 4.11.1955 untersuchten wir das Serum der damals I5-jghrigen Ctc HSg., bcbi der seit Oktober des gleichen Jahres eine bereits im Abklingen begriffene Hepatitis bestand. Die Leber war noch 2 Querlinger vergriissert, das Serumbiliribin mit 5.83 mg% noch deutlich erhiiht. Dabei stellten wir bei der Elektrophorese eine I)ofifielbildung der Albumine fest. I)er Gesamtwert beider Fraktionen b&rug 49.3 rel”,,, die y-Globuline waren auf 26.5 ‘I; vermehrt; mit diesem Refund entsprach das Eiweissbild sonst einer durch eine Hepatitis bedingten diffusen Parcnchymstiirung der Leber. Bei einer drei Wochen spgter nach viilligcm Abklingen der Gelbsucht durchgefiihrten Kontrolle hatte sich das Eiweissbild mit einem Gesamtalbuminwert such jetzt bestand unvergndert die Doppel-.4lhuminbildung - von 59.403 und einer y-Fraktion von 18.g?,,normalisiert. I)er Befund der Albumindoppclung konnte von uns seither konstant und krankheitsunabhgngig nachgewiesen werden, d.h. wshrend eines Kontrollzeitraumes von 17 Monaten. Fig. I zeigt die Elektrophorese-Kurvc des Serums. Die krankheitsunabhgngige Konstanz dcs Befundes liess vermuten. dass cs sich urn eine erbbedingte Anomalie handeln kiinne. Wir haben dahcr die blutsverwandten Sippenangehiirigen untersucht und fanden dabei (Fig. 2) den gleichen Befund einer Doppelbildung des Albumins bei weiteren vier Familienmitgliedern. wobei sich der Erbgang durch drei Generationen verfolgen l&St. TXc Cntersuchung dieser Sippe hat bisher keinc Hinweise crbracht, dass anderc vercrbte Anomalien oder Missbildungen vorliegcn. Wir konnten nun diesen Befund einer I)oppel-Albuminaemic such noch bei einer anderen Familie feststcllen. Bei der Lyntcrsuchung des Serums dcs 56-jghrigen Patienten Anton Bx%i.wies das Elektrophoresc-Diagramm gleichfalls eine Albuminspdltung auf, die seither bei allen Wiederholungsuntcrsuchungen konstant nachweisbar ist. Bei dem Patienten war die Elektrophoreseuntersuchunp zum Ausschluss tainrs Literatur S. :j
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Leberschadens vorgenommen worden. Die Eltem des Patienten waren bereits verstorben ; von 4 Geschwistem fanden wir hier bei zwei Schwestem die gleiche Doppelbildung der Albumine, w5hrend sie bei einem Bruder und einer Schwester fehlte. Bei der Tochter einer Tragerin dieses Merkmales und bei der Tochter einer Nichttragerin
Fig. I. Elektrophorese des Serums Ute HBg.
was das Elektrophoresebild des Serums normal. Hier konnten wir also drei FPlle in einer Generation nachweisen. Insgesamt sind uns bisher in zwei Familien 8 F5lle von Doppel-Albuminaemie bekannt geworden, wobei der Befund konstant und krankheitsunabhangig ist. Bei der Durchsicht der Literatur fanden wir eine Arbeit von SCHEURLEN~, der 1955 tiber eine zg-jahrige Diabetikerin berichtete, bei der er wahrend des Komas mehrmals eine Spaltung der Albuminfraktion feststellen konnte. Dieser Befund war jedoch inkonstant und krankheitsabhangig und der Autor beschreibt in seiner Arbeit Familir
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Fig. 2. Sippentafel der Familie Hlg.
die Normalisierung mit einheitlicher Albuminfraktion nach Beherrschung des comat&en Zustandes. Dieser Befund stellt also etwas anderes dar, als unsere F5lle einer krankheitsunabhangigen, konstanten Doppelalbuminaemie mit gesichertem Erbgang. Eine Spaltung der Albuminfraktion ist in der Literatur unter besonderen VerL&mtur
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suchsbedingungen sowohl bei Pferde- als such Human-albumin beschrieben wordcn. Es handelt sich urn die Arbeiten von MCMEEKIS~, SHARP und Mitarbb., I.C’IXSCHI.X~ und ALBERTY’. Die Trennungen wurdcn in einem saueren Puffer mit rincm pH urn 4.0 vorgenommen. Man muss aber bei der Beurteilung dieser Arbeitcn damn dcnkcn. dass die Stabilitgt der Albumine in diesem pH-Bereich nicht grw~hrlcistrt ist, worauf schon SVEDBERG UND SJOKGE~ hingewiesen haben. Dissoziationserschrinungcn tlcr Albumine unter diesen besonderen Bedingungen kijnnen also nicht in BrzichunK LII Trennergebnissen bei einem pH-Wert des Puffers von 8.6 gesetzt wordt>n. Iw~ dim bekanntlich die Albuminfraktion des Serums obligat homogen ist. Die papierelektrophoretischen Serumtrennungen wurden nach dem \‘crfahrcn von GRASS~~ANX UND HANNIC;~ mit dem Elphor-Ger5t (Fa. Bender untl Hobein. Miinchen) durchgefiihrt, Es wurde ein 0.1 L&f.Michaelis-Puffers vom pH8.0 vrrwandt. I)ie Auswertung erfolgte mit dem selbstregistrierenden Extinktionsschrcibc~r dcbr Fa. Carl. Zeiss, Oberkochen. Die Untersuchungen in der freien Elektrophorcsc wurrl(an durch Herrn Dr. HANXIG (Max Plack-Institut fiir Eiweiss- und Lcderforschung, Miinchen) mit cinem Fokal-B-GerHt durchgefiihrt. Ftir die Lil~o!~roteiclf~rl~ungc~n fiihrtcn wil verwendeten wir die Methode von SWAHNlo, die Glykoproteidtirbungen in eincr eigencn Modifikation 11 der Methodc von K&v I’SD GHijN\vY\r.I.l~ durch. Es erschcint zweckmlssig, noch einigr Angabcn zur Fragc d(:r I )oppclallmminaemic zu machen : Bei einer Vcrgleichselektrophorcsc mit cinem Normalserum (desscn Bewrglichkeits-Charakteristika der einzelnen Fraktioncn uns hckannt warcn) zcigtc: t’s sich, dass der zweite I’raktionsgipfel langsamer als der cinhritlichc Albuminantcil dcs
Normalserums, jedoch schneller als die u,-Globulinfraktion diescs Serums wandertc. Zudem ist auf dem Trennstrcifen emdcutig tine selbststsndige u,-Globulinfraktion an normaler Stellc zu sehen. Am diesem Befund geht schon hervor, (lass es sich bei dcr zweiten Fraktion nicht urn tine excessive Erhijhung der ri,-Globuline handeln kann. Nun ist es so, dass nicht bri allen Fgllen die a,-Globulinfraktion als selbststindiges Maximum hervortritt. Da wir in den einzelnen Familien aber stets such FUe habcn, in denen neben den beiden Albumingipfeln das u ,-Globulin eindcutig hcrvortritt, erscheint es ach fiir die anderen 1Cille ohnc selbststgndigcs fl,-Globulin-Maximum als LitOY?f UY5. 7-j
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ausreichend gesichert, dass es sich bei dem 2. Fraktionsgipfel der Diagramme nicht urn eine excessiv hohe a,-Fraktion handelt. Bei der Lipoproteidftibung war der Bereich der A,-Fraktion frei von SudanFtibung, bei der Glykoproteidftibung fand sich eine Farbzone im Bereich, in dem die a,-Globulinfraktion lag, wenn ein Vergleichslauf mit dem Normalserum durchgefiihrt wurde. Eine Ultrazentrifugenuntersuchung des Serums Ute H8.g ergab keinen gegeniiber einem Normalserum abweichende Befund. Daraus kann geschlossen werden, dass die A,-Komponenten zumindest ein sehr weitgehend Zhnliches Molekulargewicht, wahrscheinlich aber ein gleiches hat, wie normales Albumin. Schliesslich seien hier die Befunde von Herrn Prof. GRABAR (Institut Pasteur, Paris) angefiihrt, der bisher 5 unserer Sera mit Doppel-Albuminaemie untersucht hat und mit seiner Methode der Immunoelektrophorese nachweisen konnte, dass sich in allen Falllen die A,-Fraktion immunologisch wie ein Albumin verhielt. Nach unseren bisherigen Befunden besteht zwischen den beiden Anteilen der Doppelalbuminaemie also weder ein physico-chemischer, noch ein immunologischer Unterschied. Wir nehmen an, dass die Ursache der Spaltung der Albuminfraktion u.U. in einer unterschiedlichen elektrischen Ladung der beiden Komponenten zu suchen ist. ZUSAMMENFASSUXTG Es wird iiber eine neue erbbedingte Proteinanomalie, eine Doppel-Albuminaemie, berichtet Der Befund einer Spaltung der Albuminfraktion in zwei Gipfel konnte bisher bei 8 Personen in zwei Familien beobachtet werden. Er ist krankheitsunabhgngig und konstant. In einer Sippe konnte die Vererbung durch drei Generationen verfolgt werden. Nach den bisherigen Ergebnissc handelt es sich urn eine miiglicherweise einfach dominante Vererbung mit wahrscheinlich hoher Manifestationswahrscheinlichkeit. Weitere IJntersuchungen sind z.Zt. noch im Gange.
SUMMARY A new, inheritable protein anomaly, a double albumin anaemia, is reported. The finding of a division of the albumin fraction into two peaks has been observed up to now in 8 persons of two families. It is constant and independent of sickness. In one family, the transmission could be followed for three generations. According to the results so far, the question is whether there is a single, dominant inheritance trace with probably a higher incidence of manifestation. Further investigation is in progress at present.
LlTERATUR I 0. C. BRUTON, Pediatrics, g (1952) 722. 2 H. BENNHOLD, Verhandl. deut. Ges. inn. Med., 60 (1954) 630. 3 P. G. SCHEURLEN, K&z. Wochschr., 33 (1955) 198. 4 T. L. MCMEEKIN, J. Am. Chem. Sot., 6r(Ig3g) 28884 ; ibid, 62 (1940) 3393. 5 0. G. SHARP, G. R. COOPER, J. 0. ERICKSON UND H. NLURATH, J. Biol. Chem., rq4 (19421 139. 6 J. A. LUETSCHER, J. Am. Chem. Sot., 61 (1939) 2888: J. Clin. Invest.. rg (1940) 317. 7 R. A. ALBERTY, J. Phys. Colloid Chem., 53 (1949) 114. 8 TH. WEDBERG UND B. SJ~RGEN, J. Am. Chem. Sot., 52 (1930) 2855. 9 W. GRASMANN UND K. HANNIG, Naturtiss., 37 (1950) 496. IO B. SWAHN, Scand. J. Clin. Lab. Invest., 4 (1952) 98. II M. KNEDEL UND G. RIECKE, unverijffentlicht. 12 E. Kdrv UND A. GR~~NWALL. Stand. J. Clin. Lab. Invest., 4 (1952) 244.