Flora, Bd. 164, S. 339-346 (1975)
Uher okologische Beziehungen zwischen Steppenpflanzen und alpinen Elementen H. WALTER Botanisches Institut, Universitiit Hohenheim, Stuttgart
Ecological Relations Between Plants of the Steppe and Those of the Alpine Belt Summary Steppe plants grow in Central Europe on dry sites at low altitudes while alpine plants are found in humid cold regions of high mountaills. In Middle Asia with an extreme continental and arid climate it is different. In the mountains of Central Tyanshan a montane forest belt is lacking, the steppes reach the alpine region and gradually pas~ to an alpine vegetation. The reason is the hot summer eYen at high altitudes. Steppe species need a season of four months with good water supply and high temperatures. The other eight months may be dry (low altitUdes) or partly dry and partly cold (montane belt) or only cold (lower alpine belt) where the competition of steppe species with alpine plants takes plac~.
1. Allgemeines Wenn man nur die Verhaltnisse in Mitteleuropa kennt, so wird man kaum annehmen, daB Steppenpflanzen, die in tiefen Lagen auf warm en und trockenen Biotopen wachsen, mit alpinen Elementen der hohen Gebirgslagen tiber der Baumgrenze je in Wettbewerb tn-ten konnen. Doch fallt es schon in den nordlichen Kalkalpen auf, wie hoch Stepp enheideelemente an sonnigen Stidhangen ins Gebirge hinaufsteigen, oft bis zur Baumgrenze oder sogar dartiber hinaus. Der in Steppellheiden haufige Wundklee, Anthyllis vulneraria, kommt z. B. als var. alpestris in der alpin en Stufe bis 2300 m vor. Die Kalkaster der Steppenheide, Aster amellus, wird in der alpinen Stufe durch die ihr nahestehende Art Aster alpinus vertreten, die jedoch keineswegs ein typisches alpines Element ist. Denn im kontinentalen Sibirien findet man sie in tiefen Lagen, z. B. in Auenwiesen oder in lichten Larchenwaldern zusammen mit Lilium martagon, aber am Baikalsee auch in extrazonalen Steppen und in der AuBeren Mongolei in echten Stepp en mit Helictotrichon schellianum, Festuca valesiaca, Koeleria cristata zusammen mit Leontopodium ochroleucum. In den Steppen des Transbaikalgebiets mischen sich Stipa, Helictotrichon, Koeleria, Artemisia und Pulsatilla mit Aster alpinus, Polygonum viviparum und Elyna bellardii (WALTER 1974). In seiner Arbeit tiber die Elyneten der Allgauer Alpen weist MEUSEL (1952) ausdrticklich auf das Auftreten solcher Stepp en- oder Steppenheideelemente in dieser Gesellschaft hin, insbesondere auf steilgestellten Aptychenkalken in 2000-2100 m NN. Auf S.54 erwahnt er auch das Vorkommen solcher Elemente am Grat der Hofats und schreibt: "Hier gedeihen in tiber 2000 m Hohe Cotoneaster integerrima, Thalictrum minus, Allium montanum, Onobrychis montana, Prunella grandiflora,
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Teucrium montanum, Hippocrepis comosa wie an den sonnig-warmen Hangen unseres Kalkhugellandes oder an den trockenen, fohnbeeinflul3ten Talhangen des Alpenvorlandes." Fur die Beurteilung der okologischen Verhaltnisse darf man sich nicht nur auf die Erfahrungen in einem beschrankten Gebiet verlasscn, sondern mul3 das Verhalten im gesamten Euro-Nordasiatischen Raum vergleichend mit berucksichtigen. Dann wird man erkennen, dal3 die in der alpinen Stufc der Alpen vertretencn Gattungen Festuca, Avena s. lat., Astragalus, Oxytropis, Hedysarum oder Leontopodium ihren Schwerpunkt in den Steppen und Halbwusten des ariden ostlichen Raumes haben. In diesem verwischen sich die Grenzen zwischen Stepp en und alpiner Vegetation fast vollig, wie wir es an einem Beispiel zeigen wollen. 2. Hiihenstufen im Zentralen Tjanschan
In den ariden mittelasiatischen Gebirgen nehmen die Niederschlage in hoheren Lagen zu, so dal3 unter gunstigen Verhaltnissen eine subalpine Waldstufe vorhanden sein kann, aber oft genugt die Zunahme der Niedersehlage nicht; es kommt dann nur zur Ausbildung von Gebirgssteppen. Eine solche waldlose Hohenstufenfolge wurde von T. G. ABRAlIWW im Zentralen Tjanschan (42°25' ~41 °50' N und 76°15' ~ 75°10' E) auf stationaren Versuchsparzellen in 2000~4000 m NN untersucht. Folgende Stufen werden von ihm unterschieden: Halbwuste unter 2000 m NN Gebirgssteppe 2000~2600 m NN Subalpine Stufe 2600~2900 m NN Alpine Stufe 2900~3500 m NN (untere) Alpine Stufe 3500~4000 m NN (obere) Nivale Stufe 4000 m und hOher Stufe der Halbwuste Unter 2000 m NN stehen salzhaltige terti are Lehmc an mit "Badland"-Charakter. Die Vegetation ist wustenhaft und setzt sich aus Artemisia- und Salsola-Arten zusammen; Straucher kommen nur in den Flul3auen vor (Hippophae rhamnoides, Nitraria schoberi) sowie an steinigen Hangen (Lonicera microphylla, Dasiphora (Potentilla) fruticosa). Nasse Boden in den Talern sind von einer wiesenartigen Vegetation bedeckt, die sich entlang der Flusse folgendermal3en zusammensetzt: 4 Phragmites communis (bis 2,5 m hoch), 1 Alopecurus ventricosus, 1 Poa pratensis, + Sium latifolium u. a. Etwas weiter yom Flul3ufer entfernt herrscht Alopecurus ventricosus vor, in der zweiten Schicht Rumex spec. sowie Sium latifolium und in der untersten Schicht Myosotis palustris, Blysmus compressus, Triglochin palustre u. a. Die Gesamtdeckung erreicht 70%. Stufe der Gebirgssteppen Vorrherrschende Arten sind: Stipa caucasica, Festuca sulcata, Artemisia compacta und A. tianschanica. 1m ersten Fruhjahr entwickeln sich die Ephemeren. An steil en SW-
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und W-Hangen betragt die Deckung 45-50%. Die Zahl der Arten auf 100 m2liegt bei 15-20. Es lassen sich drei Schichten unterscheiden: 40-50 cm hoch: Elymus spec. und Agropyron dshungaricum I II 10-35 cm hoch: Stipa caucasica, Agropyron cristatum, Festuca sulcata III 3-5 cm hoch: Androsace villosa. An NW- und NE-Hangen mit 18-30 0 Neigung erreicht die Deckung 60-75% und die Zahl der Arten 25-30/100 m2. Die Schichtung ist folgende: I 20-50 cm hoch: Festuca sulcata, Helictotrichon (Avenastrum, Avena) desertorum und Artemisia spp. II 10-20 cm hoch: Astragalus spec., Leontopodium alpinuml), Potentilla conferta u. a. III 3-5 cm hoch: Androsace villosa Auf steinigen Hangen wachs en Straucher: Caragana jubata, Dasiphora (Potentilla) fruticosa, Rosa webbiana, Lonicera microphylla, Clematis songarica, Convolvulus spinifex, Kochia prostrata, Eurotia ceratoides. Einen genaueren Eindruck von der Zusammensetzung der Vegetation vermittelt eine Aufnahme der Probeflache in 2600 m NN: Artemisietum-Stiposo-Festucosum, ESE-Hang mit 18° Neigung I 3 ..Artemisia compacta, 2 A. tianschanica, 2 Festuca sulcata, 1 Stipa caucasica, 1 Helictotrichon desertorum,1 Koeleria gracilis, 2, 3 Carex sp., + Elymus sp., + Saussurea salicifolia, + Astragalus sp., + Bupleurum densiflorum, + Jurinea lanipes, + Phlomis oreophila II 2 Potentilla conferta, 1 Lagochilus platyacantha (LAB.), 1 Allium korolkovi, + Tulipa dasystemon, + Gentiana kaufmanniana, + Aster altaicus (Steppenaster) Bliitezeit Juli (Anfang August); nur bei Artemisia, Saussurea, Bupleurum und Phlomis Mitte August. Gentiana kaufmanniana kann schon als alpine Art angesehen werden.
Subalpine Stufe Diese Stufe in 2600-2900 m NN zeichnet sich aus durch die zunehmende Beimischung von alpin en Arten zu den noch tiberwiegenden Arten einer Wiesensteppe mit viel Phlomis oreophila namentlich in SW-Exposition. Als Beispiel bringen wir wieder die Anfnahme einer Probeflache in 2800 m NN an einem Nordhang mit 22° Neigung. Diese Lage bedingte, daB die echten Steppenelemente schwiicher vertreten waren. Die Deckung erreichte 100 %. Es lieBen sieh drei Schiehten unterscheiden (I 35-70 em, II 20-35 cm, III unter 20 cm, Moosschicht am Boden fast fehlend). Die Zahl der Arten ist 35-40/100 m 2 • Herbetum phlomidosum I 2 Helictotrichon pubescens, 2 Poa pratensis, 1 Phleum phleoides, 1 Koeleria gracilis, 1 Roegneria (Agropyron) schrenkiana, + Festuca kirilovii, + F. rubra, 2 Carex sp., 2 Neogaya mucronata (Umbel!.), 2 Polygonum bistorta, + Campanula glomerata, + Solenanthus stylosus (Borag.), II 3 Phlomis oreophila, 3 Trollius altaicus, 2 Galium verum, 2 Kobresia humilis, K. capillifolia, 2 Cerastium arvense, + C. sp., 2 Geranium collinum, 2 Potentilla nivea, 1 P. sp., 1 Artemisia sericea, 1 Buphorbia alatavica, 1 Dianthus hoeltzeri, 1 Thalictrum foetidum, 1 Leontopodium alpint/Ill, 1 Aconitum napellus var. tianschanicum, + Polygonum viviparum, + Melandrium apetalum, + Allium sp. 1) Fraglich, ob mit dem in den Alpen identiseh.
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III 2 Astragalus sp., 2 Parnassia palustris, Gentiana kaufmanniana, 1 Thalidrum alpinum, Zaria a!taica, + Tulipa dasystemon Die Bliitezeit ist fast ganz auf den J uli beschrankt.
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An alpinen Arten sind hinzugekommen: Kobresia spp., Potentilla nivea, Thalictrnm alpinnm, Aconitnm napellns, Polygonnm viviparnm und Leontopodinm alpinnm, das aber schon in den Gebirgssteppen auftritt. Eine andere Probeflachc in 2700 m NN zeichnete sich durch das Auftreten von nitrophilcn Arten aus (Rhenm wittrockii bis 1 m hoch, Taraxacnm officinale, Tragopogon dnbins, Erysimnm marschalliannm). Es dtirfte sich um eine frtihere Lagerflache gehandelt haben. An Steppenarten waren Festuca snlcata, Agropyron dshnngaricnm und Poa relaxa vorhanden. Auf einer dritten Probeflache, ebenfalls in 2700 m NN, kamen neben den Wiesensteppengrasern die Stcppenarten Stipa cancasica, Festnca sulcata, Potentilla bifurca, Pulsatilla albana und Sanssnrea salicifolia nebcn den alpinen Elementen Gentiana spec., fotentilla nivea, Leontopodinm alpinnm u. a. vor. Die alpine Stufe Als alpin wird die Stufe tiber 2900 m NN bezeichnet, in der Steppenelemente fchlen und Kobresia- Wiesen vorherrschen. Au13erdem kommt Garex stenocarpa oft dominant vor. Es ist eine Art, die man auch in der dunklen sibirischen Taiga aus Pinns cembra ssp. sibirica findet. In dieser Stufe besteht der Boden aus einem dichten Wurzelfilz der Kobresia- und Garex-Arten. Durch Solifluktion ist die Bodenoberflache buckelig mit niederliegender Garagana jnbata und Dracocephalnm imberbe, dazwischen Polygonnm viviparnm, Minnartia verna u. a. An quelligen Standorten wachsen Saxifraga hirculns und S. sibirica; zwischen gro13eren Blocken der Konglomerate findet man Ghrysosplenium nndicanle, Cortnsa matthioli, Festnca coelestis u. a. Die Gattung Dracocephalum ist 1111Ch in den Wiesensteppen vertreten; Festnca coelestis und Poa relaxa sind Arten der alpinen Steppen Pamirs tiber 4000 m. Auch sonst kommen vereinzelt noch Steppenelemente vor, wie Stipa, Ptilagrostis, Roegneria. Man sieht, wic schwer cs ist, die alpine Stufe abzugrenzen. Die Ubergange von den Gebirgsstcppen zur subalpinen Stufe und hoher zur alpinen sind gleitend. Als Beispiel fiir die alpine Stufe kann ein Bestand auf der Probeflache in 3200 m NN an einem Osthang mit 24" Neigung dienen. Die Schichtung ist wenig ausgepragt; nur einige Artei' ragen iiber die geschlossene Pflanzendecke hinaus, auch in der Bodenschicht sind nur vereinzelte Polytrichum alpinum-Polster vertreten. Kobresietum der unteren alpinen Stufe 3 Kobresia capillifolia, 2 H. humilis, 2 Carex stenocarpa, 1 Festuca tianschanica, 1 F. coelestis, + F. kryloviana, 1 Stipa regeliana, 1 Ptilagrostis mongolica, + Roegneria schrenkiana, 1 Trisetum spicatum, :2 Astragalus sp., 2 Polygonum viviparum, 2 Potentilla nivea, 2 Thalictrum alpinum, 1 Oxytropis sp., 1 Primula algida, 1 Aster alpinus, 1 Gentiana kaufmanniana, + G. spec., 1 Allium monadelphum, 1,2 Trollius altaicus, 1 Melandrium apetalum, 1 Dracocephalum imberbe, + Polygonum bistorta, + Pulsatilla albana, + Papaver nudicaule, + Parrya sp., + Erigeron aurantiacus, + Bupleurum densiflorum, + Phlomis oreophila, + Ligularia altaica, + Tulipa dasystemon, + Corydalis gortschakovii, + Aconitum rotundifolium.
Einc starke Veranderung erfahrt die Vegetation auf Lagern durch die Stickstoffdtingung. Zur Vorherrschaft gelangen nitrophile Arten:
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3,4 Alchemilla retropilosa, 3 Poa pratensis, 3 Carex melanantha, 2,3 Taraxacum officinale, 2,3 Geranium collinum, 2,3 Myosotis sylvatica, 1,2 Polygonum aviculare neben vielen anderen. Zugleich steigt die Produktion an Pflanzenmasse auf das 3 -4fache gegeniiber den nicht gediingten Alpenmatten und erreicht fast 10 t pro Hektar an Frischmasse und 3,5 t an Trockenmasse. Soweit die Tatsachen. Wir wollen versuchen, sie zu erklaren.
3. Okologische Deutung der Hohenstufenfolge Urn das Hinaufsteigen der Steppenpflanzen in den kontinentalen Klimagebieten bis in die alpine Stufe hinein zu verstehen, mu.B man die okologischen Voraussetzungen kennen, an die die Verbreitung der Stepp en im Euro-Nordasiatischen Raum gebunden ist. Es sind folgende:
1. Die Niederschlage oder besser die Wasserreserven im Boden miissen unter der Hohe liegen, die fUr das Gedeihen eines Waldes notwendig ist. 2. Die Vegetationszeit mit giinstigen Verhaltnissen fUr die Entwicklung der Graser (feuchter Boden, relativ hohe Sommertemperaturen) mu.B etwa 4 Monate betragen. 3. Die iibrigen 8 Monate konnen kalt oder trocken sein. 4. Die Tiefe der Wintertemperatur spielt keine Rolle, da die Graser einziehen und die Erneuerungsknospen schon durch eine diinne Schneedecke vor der Frosttrocknis geschiitzt sind. Auf diese Verhaltnisse wurde bereits bei der Behandlung der inneranatolischen mediterran getonten Steppengebiete hingewiesen (WALTER 1956). Die mittelasiatischen Gebirge besitzen ein ahnliches Klima. Das Klimadiagramm von Ankara am Rande der inneranatolischen Steppe entspricht dem von Turkestan, Samarkand und Taschkent am Fu.Be der mittelasiatischen Gebirge. Es handelt sich urn ein Klima mit ausgesprochenen Winterniederschlagen und einem Regenmaximum im Friihjahr, worauf eine hei.Be Sommerdiirrezeit folgt. Dieser Klimatypus herrscht auch im Gebirge vor. Niederschlagsmessungen aus den verschiedenen Hohenlagen kennen wir nicht.Sie hatten auch nur eine lokale Bedeutung. Denn die Steigungsregen im Gebirge hangen sehr stark vom Verlauf der Gebirgsriicken, von der Hangexposition und oft von ganz lokalen Winden ab, die sich z. B. im Ferganabecken nur stellenweise auswirken. Dazu kommt, daB auch die Hangneigung, die Durchlassigkeit der Bodenoberflache fUr Wasser und die wasserhaltende Kraft des Bodens selbst fUr die Wasserreserven im Boden ausschlaggebend sind, die den Pflanzen wahrend der Vegetationszeit zur VerfUgung stehen. Wichtig ist fUr unsere Betrachtungen, daB der Boden im Friihjahr gut durchfeuchtet ist und daB die feinkornigen Boden der Steppenstandorte so viel Wasser speichern, daB die Diirrezeit fUr die Pflanzen erst beginnt, wenn die Wasserreserven im Sommer aufgebraucht sind. Nach den phanologischen Phasen, die auf den Versuchsflachen im Zentralen Tjanschan den Sommer iiber beobachtet wurderl, konnen wir die Verhaltnisse in den verschiedenen Hohenstufen so darstellen, wie es die Abb. 1 zeigt.
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Abb. 1. Schematische Darstellung der Rohenstufen im Zentralen Tjanschan und der mit zunehmender Rohe abnehmenden Dauer der Vegetationszeit. WeiB: Vegetationszeit, Punktiert: Fiir die Pflanzen diirre Jahreszeit. Schraffiert: Winterkalte Ruhezeit. Nahere Erlauterungen im Text.
In der kollinen HalbwUstenstufe unter 2000 m NN dauert die kalte Jahreszeit von November bis Anfang Marz, also 4 Monate. 1m Marz ist der Boden gut durchfeuchtet, so daB die Entwicklung der Ephemeren (Therophyten und Geophyten) einsetzt und bis in den April anhalt. Die HalbwUsten-Chamaephyten verlangen fUr das Wachstum hohere Temperaturen und treiben erst spater aus. lhre assimilierende Blattoberflache vergroBert sich langsam, deshalb erfolgt die Anreicherung der fUr die BlUte und Frucht notwendigen Assimilate im Laufe mehrerer Monate; da jedoch der Wasserverbrauch der Chamaephyten ebenfalls gering ist, werden die Wasserreserven nur allmahlich erscbOpft und die DUrrezeit ist keine vollstandige Ruhezeit; die BlUte und Frucht erfolgen im Spatsommer und Herbst. Von der gesamten Vegetationsdauer von 8 Monaten werden die ersten zwei Monate von den Ephemeren ausgenutzt, die weiteren 6 von den Chamaephyten. Bei den geringen Jahresniederschlagen ist in den tiefen Lagen der Boden fUr Steppenpflanzen zu trocken. In der montanen Gebirgssteppenstufe dauert die kalte Jahreszeit schon 6 Monate. Die Niederschlage insbesondere auch als Schnee sind bOher. 1m FrUhjahr, das spater bereits bei hoherem Sonnenstand beginnt, ist der Boden gut durchfeuchtet, und die Temperatur ermoglicht eine rasche Entwicklung der Blattflache bei den Grasern und das Einsetzen einer intensiven Assimilation mit Assimilatbildung. 1m Gegensatz zu dem langsamen Entwicklungsrhythmus der HalbwUstenpflanzen mit der spaten BlUtezeit verlauft die Entwicklung der Graser sehr rasch, und die BlUte beginnt frUh im
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OkologiSl'hc Beziehungen Yon ~tcppenpflaJlZe)l nnd alpincn Elcmelltnl
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Sommer. Aber bei dem hohen IV asserverbrauch sin d die IV asserreserven im Boden bereits Ende Juli ersch6pft; nach der Fruchtreifc brennt die Steppe im Herbst aus. Die Vegetationszeit betragt 4 Monate, die Ruchzeit 8 Monate (2 Durrcmonate und 6 kaltc). Die starke Deckung der ausdauernden Pflanzen drangt die Ephemeren zurUck. III der subalpinen Stufe verlangert sich die kalte Jahreszeit auf 7 Monatc oder etwas mehr, doch verkurzt sich entsprechend die Durrezeit, so da13 den Steppenpflanzen eine Vegetationszeit von 4 Monaten noch zur Verfugung steht. Der Sommer ist jedoch feuchter und nicht so hei13. Das gibt den alpin en Pflanzen die Moglichkeit, mit Erfolg in Wettbewerb mit den Steppenpflanzen zu treten. Beide okologischen Typen kommen nebeneinander vor. Von den Steppenpflanzen sind weniger die Vertreter der thermophilen Steppen vorhanden, sondern die etwas hygrophileren Arten der Wiesensteppen. In der unteren alpinen Stufe reicht die Vegetationszeit von 4 Monaten neben der kalten Jahreszeit von 8 Monaten fUr die Entwicklung der Wiesensteppenpflanzen gerade noch aus, aber die alpinen Arten, die unter den gegebenen Feuchtigkeits- und Warmeverhaltnissen rascher wachsen, gewinnen im Wettbewerb bereits die Oberhand. In der oberen alpinen Stufe schlie13lich ist die Vegetationszeit von 3 Monaten und weniger selbst an stark besonnten Sudhangen fUr die Entwicklung der Steppenpflanzen schon zu kurz. Uber 4000 m NN findet man alpine Steppen nur im Pamir mit extrem geringen Niederschlagcn und fast fehlender Bewolkung. Alpine Wiesen sind dort auf nasse Boden an quelligen Stellen, in Bachtalern und unter tauenden Schneeflecken beschrankt (vgl. WALTER 1974, S. 320-327). In den Gebirgen der mehr maritimen Klimagebiete, somit auch der Alpen, wird das Hinaufsteigen der Steppenpflanzen in gro13e Hohen vor aHem durch die Bewolkung verhindert. Zwar erreichen die Temperaturen an klaren Tagen uber der BodenoberWiehe der Sudhange ebenfalls hohe Werte, aber die Zahl dieser Tage ist gering und infolgedessen die Temperatursumme der gesamten Vegetationszeit zu niedrig. Nur an kleinklimatisch besonders begunstigten Standorten, wie z. B. an den von MEUSEL (1952) erwahnten, konnen Steppenelemente noch hinaufgehen. 1m Gegensatz dazu sind die Temperatursummen in den ariden Gebirgen der Alten und Neuen Welt mit fast wolkenlosen Sommern an SUdhangen in der bodennahen Luftschicht sehr hoch, insbesondere bei Gebirgen urn den 40. nord!. Breitengrad, weil bei ihnen die Sudhange im Sommer viele Stun den am Tage fast senkrecht von den Sonnenstrahl en getroffen werden. Die Expositionsunterscheide dieser Gebirge sind so extrem, da13 man die Hohenstufenfolge am Sud- und am Nordhang nicht vergleichen kann. C. TROLL hat bereits bei seinen Studien im Nanga Parbat-Gebiet darauf hingewiesen, und wir konnen dasselbe fUr die Gebirge in Utah und Nevada (USA) bestatigen. Oft hat man am Nordhang cine sehr gut ausgebildete Waldstufe, wahrend sie an den Sudhangen nur durch offene Baumfluren (oft Juniperus-Arten) angedeutet ist oder ganz fehlt und durch eine Wusten- oder Steppenvegetation ersetzt wird.
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H. WALTER, Okologische Beziehungen von Steppenpflanzen
Literatur ABRAMOV, T. G., Einige Ergebnisse der stationiiren Beobachtungen im Einzugsbecken des Flusses Ukok im Kotschkorsk-Gebiet der Kirgisischen SSR. Arb. Leningrade r Ges. Naturforscher 69, 32-62 ~1949) russisch. Die iibrigen Angaben sind russischen Arbeiten entnommen, die in WALTER (1974) besprochen wurden. MEUSEL, H., Uber die Elyneten der Allgauer Alpen. Ber. bayer. bot. Ges. 29, 47-55 (1952). TROLL, C., The threedimensional zonation of the Himalayan system. Erdwissenschaftliche Forschung Wiesbaden), Bd. IV, 265-275 (1971). WALTER, H., Vegetationsgliederung Anatoliens. Flora 143, 295-326 (1956). _ Das Problem der zentralanatolischen Steppe. Die Naturwissellschaften 43,97-102 (1956a). _ Die Vegetation Osteuropas, Nord- lI.nd Zentraiasiells. VegetationsmoI1ographien d. eirz. GroBraume, Bd. VII, Stuttgart 1974. Eingegangen 28. Januar 1975. Anscbrift des Verfassers: Prof. Dr. HEINRICH WALTER, Universitat Hohenheim, Botanisches Institut, D - 7000 Stuttgart 70, Postfach 106.