Lehrstuhl fUr Botanische Entwicklungsphysiologie der Universitat Hohenheim
Chalkon-O-glukoside im Verlauf der Biosynthese der Flavonoide von Petunia hybrida Chalcone-O-glucosides in the Biosynthetic Pathway of Flavonoids of Petunia hybrida RUDOLF ENDRESS Mit 1 Abbildung Eingegangen am 6. Juni 1974
Summary Earlier experiments have established that chalcones are natural intermediates in the biosynthetic pathway of flavonoids. But there was no knowledge about their degree of glycosidation. Therefore we synthesized 3,4,2',4',6'-penta-hydroxy- and 4,2',4',6'-tetra-hydroxy3-methoxy-chalcone-4'-glucoside and used these chalcones as carriers in trapping experiments. In this way we ascertained the existence of glucosidiced 3,4,2',4',6'-penta-hydroxy-chalcone in the biosynthetic pathway of flavonoids in petals of Petunia hybrida at the stage of intensive and linear anthocyanin accumulation.
Key words: Petunia hybrida; Solanaceae; anthocyan biosynthesis; O-glucoside 3,4,2',4' ,6' -Penta-hydroxy-chalcone.
0/
1m Verlaufe der Biosynthese von Flavonoiden sollen Chalkone das erste C-15Produkt mit zwei aromatischen Ringen darstellen. Ihr Vorstufencharakter (precursor, gemiiB der Definition von DAVIS, 1955; FREUDENBERG et aI., 1968) konnte durch Tracer-Versuche (Lit.: GRISEBACH und BARZ, 1969) nachgewiesen werden. Der erste Hinweis auf Chalkone als natiirliche Zwischenstufe (natural intermediates) wurde im Verlaufe der mit einer Arylwanderung verbundenen Synthese von Isoflavonen in Cicer arietinum durch den Nachweis eines 4,4',6'-Tri-hydroxy-chalkons erbracht (GRISEBACH und BRANDNER, 1962 a, b). 1m Cya-Typ von Petunia hybrida (HESS, 1963, 1965) konnte dann erstmals die Existenz des Systems Chalkon/Flavanon als «natural intermediate» an einem Objekt belegt werden, das eine intensive und lineare Anthocyanakkumulation aufweist (ENDRESS, 1972). Der Nachweis der Existenz von Chalkon-Flavanon-Isomerasen in verschiedenen Objekten (SHIMOKORIYAMA, 1957; MOUSTAFA und WONG, 1967; HAHLBROCK et aI., 1970 a, b) legte dies bereits nahe. Ober eine mogliche Glykosidierung dieser Chalkonzwischenstufe konnte allerdings bislang keine Entscheidung getroffen werden. So schien es Z. P/lanzenphysiol. Bd. 74. S. 179-182. 1974.
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bislang als sicher zu gelten, daB die O-Glykosidierung einen der letzten Schritte im Biosyntheseweg der Flavonoide darstellt (HARBORNE, 1962). 1m Rahmen von Untersuchungen tiber den EinfluB des B-Ring-Substitutionsmusters der Chalkone auf die Synthese von Anthocyanen (ENDRESS, 1974 a, b) bei Petunia hybrida, stellte sich uns jedoch die Frage, ob nicht bereits die Chalkone glukosidiert sein konnten. Zur KHirung dieser Frage wurden von uns Abfangversuche an Knospen des Cya-Typs von Petunia hybrida durchgeftihrt. Zur radioaktiven Markierung wurde Acetat-l-14C verwendet. Die Aufarbeitung erfolgte unter Zusatz von Tragerchalkonen. (Abb. 1) OR GI-O
~
OH OH
2'1
~G' OH
II
0
Abb. 1: Die in den Abfangversuchen als Tragersubstanzen verwandten Chalkonglukoside: R = H,3,4,2',4',6'-Penta-hydroxy-chalkon-4'-glukosid; R = CH a,4,2',4',6'-Tetra-hydroxy-3. methoxy-chalkon-4'glukosid; Gl = Glukose. Sowohl das Knospenmaterial als auch die Inkubationstechnik wurde bereits friiher beschrieben (ENDRESS, 1972, 74 a, b). Das als radioaktive Vorstufe zur Inkubation eingesetzte Acetat-1-14C (spezifische Aktivitat: 62 mCi/Mol, Radiochemical Centre/Amersham) besaB die Gesamtaktivitat von 50 ,uCi bzw. 100 ,uCi pro 10 ml Inkubationsmedium. Die Aufarbeitung des Pflanzenmaterials auf markierte Chalkonglukoside erfolgte, nachdem zu Beginn 0,02 g des 3,4,2',4',6' -Penta-hydroxy- bzw. je 0,1 g des 3,4,2',4',6' -Penta-hydroxyund des 4,2',4,6'-Tetra-hydroxy-3-methoxy-chalkon-4' -glukosids als Tragermaterial zugegeben worden war. Diese Chalkone entsprachen in ihrem B-Ring-Substitutionsmuster dem im Cya-Typ von Petunia hybrida vorkommenden Cyanidin- bzw. Paonidin-3-monoglukosid. (Abb. 1). Die Synthese dieser beiden Chalkonglukoside erfolgte iiber Tetra-acetyl-phloracetophenon-glukosid (ZEMPLEN und BOGNAR, 1942) und Protocatechualdehyd bzw. Vanillin (KAMIYA, ESAKI und HAMA, 1967). Aus ihrem Kaliumsalz wurden sie nach starkem Kiihlen durch Ansauern auf pH 5 mit gekiihlter 10 Ofoiger Salzsaure ausgetrieben. AnschlieBend wurden sie chromatographisch gereinigt (GRISEBACH und GRAMBOW, 1968). Nach Zusatz der Tragerchalkone wurde auf die in den Knospen vorkommenden Chalkonglukosiden aufgearbeitet. Die Knospen wurden in Xthylacetat mit einem Quirl-Mix homogenisiert und zur vollstandigen Extraktion auf der Pritte mehrmals mit Xthylacetat gewaschen (GILBERT, 1973). Die bei Zimmertemperatur bis auf wenige ml am Rotationsverdampfer eingeengten Extrakte wurden zur Reinigung auf Zellulose mittels des Systems Butanol: Essigsaure : Wasser = 6 : 1 : 2 (I), 15 Ofo Essigsaure (II) und Xthylacetat : Methylathylketon : Ameisensaure : Wasser = 5 : 3 : 1 : 1 (III) (GILBERT, 1973) bis zur konstanten spezifischen Aktivitat chromatographiert. Die Elution der gelb gefarbten Banden erfolgte mit Methanol/HCl konz (99 : 1). Die Bestimmung der jeweiligen Extiktion erfolgte im Zeiss-Spektralphotometer (Modell PMQ II), die Radioaktivitat wurde im Z. Pflanzenphysiol. Bd. 74. S. 179-182. 1974.
Chalkon-O-glukoside und Flavonoidsynthese
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Tricarb-Liquid-Scintillation Counter der Firma Packard (Tricarb 3320) bestimmt. Als Scintillationsgemisch diente eine Lasung aus 7 g PPO, 0,3 g dimethyl POPOP, 100 g Naphthalin auf 1 I Dioxan.
Bei der Chromatographie der Chalkonglukoside auf konstante spezifische Aktivitat konnte diese stets nur fUr das 3,4,2',4',6' -Penta-hydroxy-chalkon-4' -glukosid erzielt werden. Sie trat dabei jeweils ab dem 3. Reinigungsschritt auf (Tab. 1). Tab. 1: Gesamtaktivitaten in Impulsen/Minute (Ipm), Extinktion des Chalkonglukosids und seine «spezifische Aktivitat» in Impulsen pro Minute und Extinktion (Ipm/E) nach den einzelnen Reinigungsschritten. Die Daten zweier reprasentativer Versuche (a, b) werden angegeben. a) radioaktive Vorstufe: Acetat-1-14 C, 50 ,uCi/l0 ml Tragermaterial: 0,02 g 2',4',6',3,4-Penta-hydroxy-chalkon-4' -glukosid Spezifische Aktivirat des Penta-hydroxy-chalkon-4' -glukosids
DC
System
Gesamtaktivitat (Ipm)
1 2 3 4
I II III I
11 720,0 327,8 69,2 60,0
Extinktion
spezifische Aktivitat (Ipm/E)
34,24 5,24 1,58 1,38
342,2 62,6 43,8 43,5
b) radioaktive Vorstufe: Acetat-1-14 C, 100 ,uCi/10 ml Tragermaterial: 0,1 g 3,4,2',4',6' -Penta-hydroxy-3-methoxy-chalkon-4' -glukosid 0,1 g 4,2',4',6'-Tetra-hydroxy-3-methoxy-chalkon-4' -glukosid Spezifische Aktivitat des Penta-hydroxy-chalkon-4' -glukosids. Nur bei diesem Chalkon konnte konstante spezifische Aktivitat erzielt werden.
DC 2
3 4 5
System
Gesamtaktivitat (Ipm)
Extinktion
spezifische Aktivitat (Ipm/E)
I II III I III
695 125,8 63784,8 19 805,2 8485,0 2590,2
117 35,1 15,8 5,5 1,54
5941 1817 1253 1542 1681
In allen untersuchten Fallen konnte also flir das Glukosid des Chalkons mit dem Substitutionsmuster des Cyanidins, das 3,4,2',4',6' -Penta-hydroxy-chalkon-glukosid, eine konstante spezifische Aktivitat erzielt werden. Damit ist flir ein Objekt mit intensiver Anthocyansynthese aufgezeigt worden, dag im Verlaufe der Biosynthese der Flavonoide Chalkone in O-glukosidierter Form auftreten. Die Existenz eines Chalkonglukosids im Cya-Typ von Petunia hybrida steht ganz im Einklang mit den zahlreichen Befunden iiber Chalkonglukosiden bei anderen Pflanzen. AIlerdings handelt es sich hierbei stets urn Pflanzen, wie etwa Antirrhinum majus (GILBERT,
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1973) und Gnaphalium multiceps (MARUYAMA et a!., 1974), bei den en die Chalkonglukoside das Ende des Flavonoidbiosyntheseweges bilden. Nach Befunden an Phaseolus aureus, Cicer arietinum und Petrosilenum hortense stellen Chalkonglukoside allerdings kein Substrat fur die aus diesen Pflanzen isolierten Isomerasen dar (HAHLBROCK et a!., 1970 a). Falls sich diese Befunde auf Petunien ubertragen lassen, wurde dies bedeuten, daB die im Cya-Typ von Petunia hybrida synthetisierten Chalkone eventuell unter O-Glukosidierung dem Biosyntheseweg der Flavonoide entzogen werden konnen. Ihre Aufgabe konnte dann in einer Art Reservepool-Bildung bestehen, aus dem sie dann im Bedarfsfall wieder in den normalen Syntheseweg eingeschleust werden. Die Untersuchung erfolgte mit Mitteln des Bundesministers fUr Bildung und Wissenschaft. Fur die Anregung zu dieser Arbeit und die standige fordernde Diskussion danke ich Herrn Prof. Dr. D. HESS. Frl. E. KATZ danke ich fUr ihre technische Assistenz, Herrn Gartenmeister BLAICH fur die Aufzucht der Pflanzen.
Literatur DAVIS, B. D.: Advanc. Enzyml. 16,247 (1955). ENDRESS, R.: Z. Pflanzenphysiol. 67 (2), 188 (1972). - Phytochem. 13,421 (1974 a). - Phytochem. 13,599 (1974 b). FREUDENBERG, K., A. C. NEISH: In: Molekularbiologie, Biochemie und Biophysik. Constitution and Biosynthesis of Lignin. Springer, Berlin-Heidelberg-New York, 1968. GILBERT, R. I.: Phytochem. 12,809 (1973). GRISEBACH, H., W. BARZ: Naturwiss. 56, 538 (1969). GRISEBACH, H., G. BRANDNER: Biochemica et Biophysica Acta 60, 51 (1962 a). - - Experentia 18,400 (1962 b). GRISEBAH, H., H.]. GRAMBOW: Phytochem. 7 (1),51 (1968). HAHLBROCK, K., E. WONG, L. SCHILL, H. GRISEBACH: Phytomem. 9 (5), 949 (1970 a). HAHLBROCK, K., H. ZILG, H. GRISEBACH: Eur. ]. Biochem. 15 (1), 13 (1970 b). HARBORNE, J. B.: In: The memistry of flavonoid compounds, p. 593. Hrsg.: GEISMANN, T. A. Pergamon Press, Oxford-London-New York-Paris 1962. HESS, D.: Planta 59, 567 (1963). - Z. Pflanzenphysiol. 53, 1 (1965). KAMIYA, S., S. ESAKI, M. HAMA: Agric. and BioI. Chern. 31 (4), 402 (1967). MARUYAMA, M., K. HAYASAKA, S. SASAKI, S. HOSOKAWA, H. UCHIYAMA: Phytomem. 13 (1), 286 (1974). MOUSTAFA, E., E. WONG: Phytochem. 6, 625 (1967). SHIMOKORYAMA, M.: J. Amer. Chern. Soc. 79, 4199 (1957). RUDOLF ENDRESS, Lehrstuhl fur Botanische Enwicklungsphysiologie der Universitat Hohenheim, D-7000 Stuttgart 70, Emil-Wolff-Str. 25.
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