Chirurgische Infektionslehre Teil 1 – Grundprinzipien Corinna Langelotz: Herr Hohmann, Sie schreiben, dass eine konventionelle Thorax- und Abdomenu¨bersichtsaufnahme zur Standarddiagnostik bei abdominalen Infekten geho¨re. Warum soll neben der Sonographie des Abdomens auch eine Ro¨ntgenu¨bersicht des Abdomens erfolgen? Ulrich Hohmann: Eine konventionelle Ro¨ntgen-Thoraxaufnahme sollte zum Ausschluss pulmonaler bzw. mediastinaler Pathologien, die sich ins Abdomen projizieren, immer durchgefu¨hrt werden. Freie intraabdominale Luft, ein wichtiges diagnostisches Kriterium, kann mit hoher Sicherheit durch eine Thoraxaufnahme im Stehen bzw. eine Abdomenu¨bersichtsaufnahme in Linksseitenlage nachgewiesen werden. Der sonographische Nachweis freier Luft ist ha¨ufig bei Meteorismus und Adipositas erschwert und in großem Maße von der Erfahrung des Untersuchers abha¨ngig. Im Zusammenhang mit Klinik und Anamnese ist die Diagnose freier Luft ausreichend fu¨r eine dringliche Operationsindikation und erspart somit Zeit und Aufwand fu¨r weitere diagnostische Untersuchungen. Edoardo Viviano: Herr Hohmann, Sie erwa¨hnen unter den operationsfernen Entzu¨ndungen die nosokomiale Pneumonie. Welche Rolle spielt in der Pra¨vention dieser gefu¨rchteten Komplikation die perioperative Periduralanalgesie? Ulrich Hohmann: Die Periduralanalgesie geho¨rt zum Standardkonzept
bei großen bauchchirurgischen Eingriffen. Durch Einsatz eines PDK werden perioperative Schmerzen effektiv gesenkt und der Verbrauch von Opiaten reduziert. Gleichzeitig fu¨hrt die Periduralanalgesie zu einer Da¨mpfung der Sympathikusaktivita¨t und vermindert die operative Stressreaktion. Dies ermo¨glicht eine gute Mobilisation, schnellen oralen Kostaufbau und verhindert allgemeine Komplikationen, wie z.B. eine postoperative Pneumonie. Außerdem werden bei thorakaler Anlage des PDK die Darm und Blasenfunktion nicht beeintra¨chtigt. Corinna Langelotz: Sie sagen, dass bei der Behandlung von Handinfektionen neben dem radikalen chirurgischen Debridement auch eine sofortige Antibiotikatherapie zu erfolgen habe. Wu¨rden Sie also auch bei einem Panaritium immer eine Antibiose empfehlen? Ulrich Hohmann: Das Panaritium ist eine sehr ernst zu nehmende Infektion, die sich rasch entlang der Beugesehnen des Fingers ausbreiten kann. Eine sofortige chirurgische Intervention mit kalkulierter Antibiotikatherapie und Ruhigstellung der Hand verhindern das Fortschreiten der Infektion und spa¨tere funktionelle Einschra¨nkungen. Die Behandlung erfolgt stationa¨r. Edoardo Viviano: Sie za¨hlen zur Diagnostik von Infektionen die Laborparameter CRP und Leukozytenzahl. Wann ist eine Erweiterung
der apparativen Diagnostik um das Procalcitonin (PCT) sinnvoll? Ulrich Hohmann: PCT ist ein sensitiver Parameter in der fru¨hen Diagnostik einer bakteriellen Infektion. Es sollte vor allem bei den klinischen Zeichen einer postoperativen Sepsis bestimmt werden. In solchen Fa¨llen ist das PCT dem IL-6 aufgrund seiner ho¨heren Spezifita¨t fu¨r das Vorliegen eines bakteriellen Infektes u¨berlegen. Bei einer Sepsis wird das PCT weiterhin als Verlaufsparameter zur Prognosebeurteilung eingesetzt. Corinna Langelotz: Sie empfehlen weiterhin, dass bei Abszessen neben dem pyogenen Sekret auch ein Teil der Abszesswand gesondert zur mikrobiologischen Untersuchung eingesandt werden sollte. Halten Sie dies auch bei unkomplizierten Abszessen, wie z.B. den ha¨ufigen Glutealabszessen, fu¨r nutzbringend? Ulrich Hohmann: Der Erregernachweis ist bei jeder chirurgischen Infektion obligat. Beim Abszess ist in der Regel ein Aspirat von 2 ml fu¨r die mikrobiologische Untersuchung ausreichend. Eine hohe Konzentration vitaler Erreger befindet sich im Bereich der Abszessmembran. Teile der Abszesswand sollten in jedem Fall dann zur mikrobiologischen Untersuchung eingesandt werden, wenn nicht genu¨gend flu¨ssiger Debris vorhanden ist, z.B. nach spontaner Perforation.