Die Entwicklung von Agrobacterium-induzierten Wurzeln an Blättern

Die Entwicklung von Agrobacterium-induzierten Wurzeln an Blättern

Botanisches Institut der Universitat Heidelberg Die Entwicklung von Agrobacterium-induzierten Wurzeln an Blattern The Development of Agrobacterium in...

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Botanisches Institut der Universitat Heidelberg

Die Entwicklung von Agrobacterium-induzierten Wurzeln an Blattern The Development of Agrobacterium induced Roots on Leaves R.

BEIDERBECK

und R.

MULLER

Mit 9 Abbildungen Eingegangen am 2. ]uli 1973

Zusammenfassung Die Entwicklung von Agrobacterium-rhizogenes-induzierten Wurzeln wurde an Blattern von Kalanchoe daigremontiana untersucht. Einer typischen Wundreaktion folgt nach etwa 10 Tagen die Ausbildung kleiner meristematischer Zentren hinter dem Wundphelloderm, die allmahlich zu einer geordneten typischen Wurzelanlage auswachsen, nach 14 bis 16 Tagen das umgebende Blattgewebe durchbrechen und als Wurzeln sichtbar werden. Schnitte weisen die induzierte Wurzel als typische Dikotylenwurzel aus. Die Ergebnisse werden im Vergleich zur Tumorbildung und zur Entwicklung von Brutknospen an dieser Pflanze diskutiert.

Summary The development of roots induced by Agrobacterium rhizogenes is studied in detail on leaves of Kalanchoe daigremontiana. 1. There is a typical wound reaction leading to the formation of a wound phelloderm during the first 7-10 days after wounding and infection. 2. On the 10th day irregular groups of small cells with great nuclei and rich in protoplasma can be found. 3. These groups of cells grow into typical root primordia. 4. The primordia become linked to the xylem system of the leaf. 5. After 14-16 days the new roots penetrate the surrounding leaf tissue and can be seen at the wound sites. 6. Cross sections through young induced roots show typical root anatomy. 7. The results are dicussed in comparision to tumor formation and the formation of epiphyllous buds on Kalanchoe leaves.

Einleitung

Nach Verwundung und Infektion mit Agrobacterium rhizogenes entstehen an Sprossen (RIKER und HILDEBRAND, 1934) oder BHittern einiger Pflanzen Adventivwurzeln.

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Die histogenetische Entwicklung dieser Organe ist bisher nur andeutungsweise gepruft worden (RIKER und HILDEBRAND, 1934). Ein anatomischer Vergleich dieser Wurzeln mit Tumoren, die durch das verwandte Agrobacterium tumefaciens induziert wurden, liegt nicht yore Fur vergleichende Untersuchungen bietet sich Kalanchoe daigremotiana an, deren Blatter durch Infektion mit A. rhizogenes leicht zur Wurzelbildung veranlaBt werden konnen (BEIDERBECK, 1973). Fur dieses Objekt liegen genaue Studien uber die Tumorbildung vor (Bopp und LEPPLA, 1964), und die Bildung von Brutkorpern an den Blattern dieser Pflanze erlaubt den Vergleich mit normalen, an Blattern angelegten Wurzeln (NAYLOR, 1932). Vergleichsuntersuchungen der angedeuteten Art konnen zeigen, wie weit beim Transformationsvorgang durch Agrobacterium auch regulare Entwicklungsprozesse eingeschaltet werden konnen.

Material und Methoden In allen Experimenten wurden Pflanzen eines bereits fruher fur die Tumorinduktion (Bopp und LEPPLA, 1964) verwendeten Klons von Kalanchoe daigremontiana, HAM. et PERR., mit 2 X 107 Zellen von Agrobacterium rhizogenes (Stamm 15834 der American Type Culture Collection) pro ml infiziert (BEIDERBECK, 1970, 1973) Zu verschiedenen Zeiten nach der Infektion wurden je 10 Wundbereiche aus 3 BHittern ausgestanzt und fur 48 Std. in Alkohol (70 % ig)-Eisessig-Formalin (40 % ig) (90 : 5 : 5, v/v) fixiert. AnschlieBend erfolgte Dberfuhrung der Blattstucke in Paraffin, Anfertigung von Blattquerschnitten mit dem Mikrotom und Farben mit Safranin (16 Std.) und Fast Green (7 sec.). Nach dem Farben wurden die Objekte in Eukitt eingeschlossen. Methodik im Detail bei GERLACH (1969). Mikrophotos wurden mit Hilfe eines Zeiss-Photomikroskops angefertigt.

Ergebnisse Das unbehandelte Blatt von Kalanchoe daigremontiana zeigt unter der oberen und unteren Epidermis eine ein- bis zweischichtige Hypodermis. Der ubrige Teil des Blattes besteht aus wenig gegliedertem Mesophyll ohne deutlich erkennbare Palisadenund Schwammzellen. Zwei Tage nach Verwundung und Infektion mit A. rhizogenes finden in den direkt an die Wunde angrenzenden Zellen erste perikline Zellteilungen statt. Am 4. Tag haben entlang des ganzen Wundrandes Wundteilungen begonnen und 3 bis 6 perikline Zellschichten sind entstanden. In den folgenden Tagen werden die Teilungen am Wundrand fortgesetzt, die Zahl der periklinen Wundrandzellen nimmt bis etwa zum 10. Tage zu. Maximal konnen dann 12 Zellen in jeder Reihe des Wundgewebes gezahlt werden (Abb. 1). Spater findet allenfalls noch eine geringfugige Zunahme der Wundrandzellen statt. 1m wesentlichen scheint die Wundreaktion abgeschlossen. Am 10. Tag treten in Nachbarschaft zur Wunde, meist hinter den periklinen Wundrandschichten, Gruppen von 5 bis 20 kleinen, plasmareichen Zellen mit groBen Kernen im Schnittbild auf. Innerhalb dieser Zellgruppen ist eine klare Orientierung der Teilungsrichtungen nicht erkennbar (Abb. 2). Am 13. Tag zeigen viele Schnitte die genannten Gruppen kleiner Zellen. Vereinzelt finden sich nun hinter dem Wundrand groBere

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Abb. 1: Blattquerschnitt 7 Tage nach der Infektion. Am rechts liegenden Wundrand ist das perikline Wundphelloderm zu erkennen (mikroskop. Vergr. 64 X).

Abb. 2: Gruppen kleiner teilender Zellen hinter dem Wundrand 10 Tage nach der Infektion (mikroskop. Vergr. 125 X).

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Abb. 3: VergroBerte Zellhaufen mit plasmareichen Zellen 13 Tage nach der Infektion. Ordnung des Zellverbandes sichtbar (mikroskop. Vergr. 125 X).

Abb. 4: Eine junge Wurzelanlage durchbricht das Gewebe des tragenden Blattes am Wundrand (mikroskop. Vergr. 125 X).

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Gruppen von 50 bis 200 Zellen in der Schnittebene, die eine hohe Ordnung erkennen lassen (Abb. 3) und deutlich von Tumoren gleichen Alters verschieden sind (Bopp und LEPPLA, 1964). Sie zeigen die Enstehung eines neuen Meristems. Am 16. Tag ist ein Teil der Zellgruppen in klar gegliederte Wurzelanlagen iibergegangen (Abb. 4). An der dem Blattmesophyll zu gerichteten Seite der Wurzelanlagen differenzieren sich tracheidale Elemente (Abb. 5), die AnschluB an Leitbiindel des

Abb. 5: Die Wurzelanlage zeigt AnschluB an das LeitgefaBsystem des Blattes. Bei t Tracheiden, die zur Wurzelanlage fiihren, bei 1 quergeschnittenes Leitbiindel des Blattes (mikroskop. Vergr. 125 X).

Blattes finden. Beim Austreten aus der BlattoberfHiche durchbrechen die endogen angelegten Wurzeln das umliegende Blattgewebe (Abb.4), erste Wurzeln werden an den infizierten BHittern auBerlich sichtbar. Schnitte, die am 16. Tag in einiger Entfernung vom Wundrand gemacht werden, zeigen neben den beschriebenen Wurzelanlagen auch Tracheidenstrange und ungeordnetes kleinzelliges Teilungsgewebe wie man es in gleich alten Tumoren findet (Abb. 6). Dieses Gewebe ist am Blatt als Basalproliferation urn den Wundort herum zu erkennen (BEIDERBECK, 1973). Yom 19. bis 25. Tag werden die Wurzelanlagen und Wurzeln groBer und zahlreicher. Oft stehen sie in direkter Nachbarschaft zueinander, so daB schlieBlich dichte Wurzelbiischel entstehen. Die jungen Wurzeln sind deutlich vaskularisiert (Abb. 7), haufig konnen Anschliisse an das LeitgefaBsystem des Blattes nachgewiesen werden.

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Abb. 6: Blattquerschnitt in einiger Entfernung vom Wundrand zeigt neben differenzierenden Wurzeln (w) Tracheidenstrange (t) und kleinzelliges tumorartiges Teilungsgewebe (m) (mikroskop. Vergr. SOX).

Abb. 7: Blattquerschnitt, bei dem eine junge Wurzel langs getroffen wurde. Tracheidale Elemente (t) deutlich (mikroskop. Vergr. 64 X). Wurzel nicht median geschnitten.

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Abb. 8: Querschnitt durch die apikale Zone der blattbiirtigen Wurzel (mikroskop. Vergr. 125 X).

Abb. 9: GefaBsystem der induzierten Wurzel quergeschnitten; weiter basal als Abb. 8 (mikroskop. Vergr. 500 X).

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Querschnitte durch apikale Zonen der jungen Wurzeln (Abb. 8) zeigen den typischen Aufbau der Dikotylen-Wurzel (ESAU, 1969). Schnitte durch den Zentralzylinder weiter basal gelegener Zonen der Adventivwurzeln beweisen das Vorhandensein von Gefagteilen in annahernd radialer Anordnung (Abb. 9).

Diskussion Die Reaktion des Kalanchoe- Blattes auf die Infektion mit Agrobacterium rhizogenes verlauft in den ersten 7-10 Tagen genau wie eine normale Wundreaktion an dieser Pflanze (FELLENBERG und Bopp, 1966). Es wird ein AbschluB der Wunde durch ein Wundphelloderm erreicht. Wie bei der Tumorbildung (Bopp und LEPPLA, 1964) kommt es anschlieBend zu weiteren Zellteilungen hinter dem Wundrand, die Gruppen kleiner teilungsaktiver Zellen hervorbringen. Diese Gruppen entwickeln sich jedoch nicht zu einem undifferenzierten Tumor, sondern lassen Wurzelanlagen und schwache tumorartige Basalproliferationen entstehen. Die durch A. rhizogenes induzierten Wurzeln zeigen den typischen Wurzelbau (ESAU, 1969), sind in alteren Zonen deutlich vaskularisiert, bringen bei hoher Luftfeuchte Haare hervor und konnen Sprosse mit Wasser und Mineralien versorgen (RIKER et aI., 1934). Der Entwicklungsgang der induzierten Wurzeln weist eine Reihe von Khnlichkeiten mit dem der Brutknospenwurzeln (NAYLOR, 1932) auf: In beiden Fallen beginnt die Entwicklung mit einer kleinen Gruppe meristematischer hzw. restmeristematischer Zellen, es entsteht endogen eine typische Wurzelanlage, die das umgebende Blattgewebe durchstoBt. Die durch A. rhizogenes induzierte Wurzel scheint damit nach Bau und Entwicklung, zumindest im jugendlichen Zustand, einer normalen Wurzel gleich zu sein. Agrobacterium rhizogenes aktiviert offenbar vollstandig die in den Blattzellen vorhandenen Potenzen der Wurzelbildung. In Abwesenheit von Bakterien oder nach Infektion mit A. tumefaciens werden keine Wurzeln gebildet. Die Aktivierung ist spezifisch fur A. rhizogenes. 6 Wochen alte Wurzeln, die an Kalanchoe-Blattern induziert sind, sterben haufig abo Grunde dafur mogen in der Alterung des tragenden Blattes und in der schlechten Versorgung der induzierten Wurzeln bei groBer Wurzelanzahl an einer Wunde zu suchen sein. Wir danken Herrn H. KEUTNER fur die Anzucht der Testpflanzen, der Deutschen Forschungsgemeinschaft fur Sachbeihilfen.

Literatur R.: Z. Naturforsch. 25 b, 407 (1970. Z. Pflanzenphysiol. 68, 460 (1973). Bopp, M., und E. LEPPLA: Planta 61, 36 (1964). ESAU, K.: Pflanzenanatomie. G. Fischer, Stuttgart 1969.

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FELLENBERG, G., und M. Bopp: Z. Pflanzenphysiol. 55, 337 (1966). GERLACH, D.: Botanische Mikrotechnik. Thieme, Stuttgart 1969. NAYLOR, E.: Amer. Bot. 19,32 (1932). RIKER, A. ]., und E. M. HILDEBRAND: ]. Agric. Res. 48, 887 (1934). RIKER, A. ]., G. W. KEITH, E. M. HILDEBRAND und W. M. BANFIELD: ]. Agric. Res. 48, 913 (1934). R. BEIDERBECK, Botanisches Institut der Universidit, D-69 Heidelberg, Hofmeisterweg 4.

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