J. InsectPhyriol., 1966, Vol. 12, pp. 137 to 151. PergamonPressLtd. Printedin Great Britain
DIE PUFFERKAPAZITiiT VON BLUT UND VERDAUUNGSSAFT VON PIERIS BRASSICAE UND DER EINFLUSS VON ANOXIE UND BACILLUS THURIiVGIENSIS-ENDOTOXIN AUF DIE PERMEABILITiiT DER DARMWAND G. BENZ Entomologisches
Institut
der Eidgenijssischen (Received
23 June
Technischen
Hochschule,
Ziirich
1965)
Abstract-In
larvae of Pieris brussicue (L.) the blood has pH 6.64 and a buffer capacity/?= 0.026. Only minor changes in the blood pH occur at different The pH of both the crop and the midgut fluids are approxdevelopmental stages. imately 9.34, the buffer capacity of the crop fluid being higher (/3= 0.056) than Except between pH 6.7 and 7.5 the buffer capacity of that of the midgut fluid. When equal volumes of these two the blood is higher than that of the gut fluid. But when the gut of a larva body fluids are mixed, a pH of about 7.6 is reached. is injured with a needle so that the gut contents can freely leak into the blood, the pH rises only to about 7.17. It is therefore postulated that the volume of blood per larva is 2.5 to 3 times that of the gut fluid. Anoxia increases the permeability cf the gut wall. This has been demonstrated by the leaking of red kale colour from the gut into the blood. It is suggested that the increased permeability of the gut wall during anaerobiosis may result from the accumulation of acid in the cells of the midget epithelium. As a result of the increased gut permeability the pH of the crop juice decreases rapidly, whereas the blood pH increases only very slightly. Nevertheless, symptoms of general paralysis with dorsal muscle contraction occur, caused by the leaking of a paralytic substance from the gut into the blood. When larvae are fed with sporulated Bacillus thuringiensis Berliner, the gut wall becomes even more permeable. This causes a sharp drop in the pH of the gut fluid to about 7.18, and a rise of the blood pH to about 7.14, i.e. approximately the pH value obtained when the gut has been injured so that blood and gut contents have completely mixed in a larva. Anoxia as well as intoxication and infection with sporulated B. thuringiemis lead to septicaemia, which in turn causes a general decrease of the pH values. Since acid metabolic products accumulate during anaerobiosis, the drop in pH is more pronounced during septicaemia caused by anoxia than after infection with B. thuringiensis, although the latter treatment causes heavier septicaemia. EINLEITUNG THURINGIENSIS bildet bei der Sporulation einen doppelpyramidenf6rmigen Proteinkarper, der fiir viele Lepidopterenlarven giftig ist. Er liegt innerhalb des Sporangiums und wird nur bei dessen Au&sung frei, weshalb man ihn
BACILLUS
137
G. BENZ
138
als Endotoxin (ET) bezeichnet. Toxinkristalle, die von Lepidopterenlarven gefressen werden, l&en sich im Darmsaft auf, falls dessen pH hoch genug im alkalischen Bereich liegt (ANGUS, 1956). Das gelijste ET bewirkt bei solchen Raupenarten eine Paralyse des Mitteldarmes (VANCOVA, 1957; HEIMPEL und ANGUS, 1959) und eine erhohte Permeabilitat der Darmwand. Bei einigen Raupenarten mit hohem Darm-pH fiihrt die Durchlassigkeit der Darmwand zu einer pH-Erhiihung der Haemolymphe und einem Absinken der pH-Werte des Darminhaltes (ANGUS und HEIMPEL, 1956, 1959a, b). Falls das Blut dabei pHWerte von 7,5-8,0 erreicht, wird das Tier vollkommen paralysiert. Auch die Injektion von alkalischer Pufferlosung in das Haemocoel von Raupen bewirkt totale Paralyse, wenn ebenso hohe pH-Werte erreicht werden. Die erwahnten Autoren schlossen daraus, dass die bei sogenannten ‘Typ 1-Insekten’ nach ETVergiftung eintretende Totalparalyse eine direkte Folge der erhiihten pH-Werte des Blutes sei. In einer kurzen Mitteilung (BENZ, 1963) wurde gezeigt, dass die Raupen von Pieris brassicae L. und P. rapae L. in ihrem Verdauungssaft eine hitzelabile, nicht dialysierbare, paralytisch wirkende Substanz enthalten. Es wurde darauf hingewiesen, dass B. thuringiensis in diesen Insekten eine Paralyse ohne starke Erhiihung des Blut-pH’s bewirken konne, weil die insekteneigene toxische Substanz vom Darm in die Haemolymphe gelange, sobald der Darm durch das ET permeabel gemacht werde. AUBEL und LEVY (1931) haben bei Galleria mellonella und GAMO et al. (1933) bei Bombyx mori eine pH-Zunahme des Raupenblutes festgestellt, wenn die Larven in eine Stickstoffatmosphare gebracht wurden. Die japanischen Autoren interpretierten diese unerwartete Reaktion des Blutes als Folge einer erhijhten Permeabilitat der Darmwand, die eine Durchmischung des alkalischen Mitteldarmsaftes mit dem Blut ermoglicht. In der vorliegenden Arbeit werden diese Verhaltnisse eingehender untersucht und analysiert. Vor allem wurde die Pufferkapazitat der Haemolymphe und des Verdauungssaftes bestimmt, sowie Haemolymphe gegen Darmsaft und Darmsaft Zudem wurde die durch ET erhijhte Permeabilitat gegen Haemolymphe titriert. der Darmwand bewiesen und mit den Permeabilitatsverhaltnissen des Darmes unter Anoxie verglichen. Von den Titrationsexperimenten wurde erwartet, dass sie iiber die im Blut und im Darm vorherrschenden Puffersysteme, sowie fiber die physikalisch-chemischen Verhlltnisse unter den erwahnten pathologischen Zustanden Auskunft geben.
MATERIAL
UND
METHODEN
Tiermaterial P. brassicae-Raupen wurden aus einer kontinuierlichen Laboratoriumszucht bezogen. Es handelte sich urn einen urspriinglich englischen Stamm, den wir auf dem Umweg iiber die Tschechoslowakei von Dr. Weiser in Prag erhalten hatten.
DIE
PUFFERKAPAZIT~T
VON
BLUT
UND
VBRDAUUNGSSAFT
VON
PIERIS BRASSICAE
139
Der Stamm zeichnete sich durch eine vollkommene Resistenz gegen Granulosis aus. Die Tiere wurden im Treibhaus bei 25°C Tagestemperatur und 18°C NachtDie ersten zwei Larvenstadien wurden auf eingetopftem temperatur geziichtet. Kohl, die spateren Stadien ebenfalls auf Topfpflanzen oder auf taglich gewechselten, frischen Kohlbllittern gezogen.
Entnahme
von Kb’rperjltisigkeiten
Haemolymphe wurde durch Einstich durch die Haut direkt aus dem Haemocoel Die Methode hat den Vorteil, dass das Blut nur in Glaskapillaren aufgesogen. wenig Beriihrungsflache mit der Luft erhilt. Ebenso wurde Mitteldarmsaft meistens durch anal eingefiihrte Glaskapillaren direkt aus dem Mitteldarm gesogen. In einzelnen Fallen wurde allerdings der Mitteldarm herausprapariert, geoffnet und der Darmsaft unter Luftzutritt abgesaugt. Kropfsaft, der bei der Abwehrreaktion der Raupe aus dem Mund abgegeben wird (S. 009), konnte sehr einfach durch leichten Druck am Thorax aus dem Mund der Tiere erhalten werden. Die Raupen wurden dadurch in ihrer Vitalitat nicht beeintrachtigt.
pH-Messungen Individuelie pH-Bestimmungen kleiner Fliissigkeitsmengen wurden mit einer Kapillar-Glaselektrode in Verbindung mit einer gesiittigten Kalomelvergleichselektrode (Model1 Dr. Ingold, Zurich) gemessen. Die Kapillarelektrode wurde mit boraxhaltigem Wasser von 20 f 0,l”C umspiilt. Da der Thermostat mit Umwalzpumpe und damit such das boraxhaltige Umwalzwasser geerdet war, bewirkte dies nicht nur Temperaturkonstanz, sondern such Abschirmung der Kapillarelektrode gegen elektrische Ausseneinfliisse. Auch alle iibrigen Teile der Elektrode wurden durch geerdete Staniolfolien abgeschirmt. Die fiir eine Kapillarfiillung beniitigte Fliissigkeitsmenge betrug 13 ~1. Das Messgerlt erlaubte pHBestimmungen mit einer Genauigkeit von ) 0,Ol pH-Einheiten. Fur die Titrationen wurde eine stabfijrmige Glaselektrode von 5 mm Durchmesser verwendet.
Titrationen Haemolymphe oder Darmsaft vieler Individuen wurde in Glasrohrchen gesammelt, gemischt und in zwei Portionen geteilt. Die eine Portion wurde zur Alkalititration, die andere zur Sauretitration verwendet. Der alkalische Darmsaft wurde zum Ausschluss von Luft-CO, unter einer 5 mm dicken Schicht von Paraffinoel aufbewahrt, falls er nicht sofort titriert werden konnte. Zur Titration wurde gewohnlich normale (selten 0,l n) HCl oder NaOH verwendet. Saure oder Lauge wurde mit einer Mikrobiirette der California Laboratory Equipment Co. zugesetzt. Die Burette erlaubte genaue Zusitze von 0,l ~1. Vor jeder pH-Ablesung wurde mit einem magnetischen Riihrwerk gut gemischt. Zur Sicherheit wurden vielfach die Ablesungen nach einer Minute wiederholt.
140
G. BENZ RESULTATE
Das pH und die Pufleerkapazittit
der Haemoplymke
Im mittleren letzten Larvenstadium von Pieris brassicae schwankt das pH der Haemolymphe zwischen den Werten 6,56 und 6,80. Das Mittel von 45 Individuen betrug pH 6,637 + 0,016. Das Blut-pH lnderte sich in verschiedenen Entwicklungsstadien recht wenig (Tabelle 1). Nur kurz vor der Verpuppung konnte eine schwache, aber statistisch gesicherte pH-ErhShung urn 0,08 Einheiten festgestellt werden. Das Blut reagierte aber selbst in Extremfgllen noch schwach sauer. Kurz nach der Puppenbildung sank das Blut-pH wieder auf Normalwerte ab.
TABELLE 1-BLUT-pH VERSCHIEDENERENTWICI~LUNGSSTADIEN VON P. brassicae. DIE ANGEGEBENESTREUUNGDER pH-WERTE ENTSPRICHTJEWEILS DEM MITTLEFCENFEHLER DES MITTELWERTES
(=
STANDARD ERROR). N = ANZAHL
IN DER ERSTEN ZEILE,
wo
BEI
DER EINZELBESTIMMUNGEN,
AUSGENOMMEN
L3 NUR EINE BESTIMMUNGAN SAMMELBLUTDURCHGEF~~HRT WURDE
Stadium Mittleres 3. Larvenstadium Mittleres 4. Larvenstadium Mittleres 5. Larvenstadium Verpuppengsreife Raupen Frische Puppen ( N 6 h) Puppen 2 Tage alt
Blut-pH
N 10
6,6.5 6,647 6,637 6,718 6,632 6,653
10
45 10 5 10
+ 0,024 + 0,016* + 0,014* k 0,014 + 0,013
* Differenz 0,081 mit p = <0,05 >O,Ol statistisch gesichert (t = 2,336; 1~= 53).
Die Pufferkapazit?it gegeniiber starker Sgure und Base wurde nur an Haemolymphe von Raupen im mittleren letzten Stadium bestimmt. Eine repraesentative Titrationskurve ist in Abb. 1 dargestellt. Aus den Kurvenwerten wurde durch numerisches Diflerenzieren (ZURMtiHL, 1961) die Pufferkapazitgt nach VAN SLYICE (1922)
ermittelt.
Aus der Kurve
Sie ist fiir die verschiedenen ist ersichtlich,
pH-Bereiche
dass die Pufferkapazidt
in Abb.
2 dargestellt.
im physiologischen
Bereich
von pH 6,55-6,80 mit /3-Werten von 0,026 zwar relativ niedrig liegt, aber doch eine recht gute Pufferung aufweist. Diese bewirkt, dass sich das Blut-pH selbst nach llngerem Stehen des Blutes an der Luft und bei vielfacher Verdiinnung mit Wasser (Tabelle 2) kaum gndert. Wie bei anderen Insekten ist bei Pieris die Pufferkapazitiit nach der sauren wo sie bei pH 7,6 ihr Minimum
Seite etwas haher als nach der alkalischen Seite, erreicht. Auf der sauren Seite weist die Kurve ein Plateau bis gegen pH 5 auf. Bei pH 6,4, sowie bei pH 3,8 und 9,3 treten Maxima auf. Diese diirften in jenen pH-Bereichen besonders wirksame Puffersysteme
anzeigen.
Unterhalb
pH 4,5 und iiber
pH 8,5 wird die Pufferkapazitlt
DIE
PUFFERKAPAZITitT
VON
BLUT
UND
VERDAUUNGSSAFT
PIERIS
VON
sehr hoch, doch spielt sie in diesen unphysiologischen keine Rolle mehr.
BRASSICAE
pH-Bereichen
141
natiirlich
‘Y ‘0, ‘0,
\ .05
‘0 \ 4 \D \
1 :‘:,, , , , ,\ 0,
‘0,
S
\o \
L.-_ \ 0 \
t
0 \ 0 \
\
'345678 h3B.
1.
(gestrichelte
9
0
‘o/yL 10
pH
Titrationskurven von Blut (ausgezogene Kurve 0) und Kropfsaft Kurve 0). Ordinate = liquivalente von HCl ( = S) resp. NaOH ( = B).
Das pH und die Puflerkapaxitiit der VerdauungsjGssigkeiten Die Mitteldarmfliissigkeit von 10 Individuen wies im Durchschnitt pH 9,343 + 0,084 auf. Die Extremwerte schwankten zwischen pH 9,07-9,SO. Die Pufferkapazitat scheint relativ gering zu sein, denn kurzes Stehen an der Luft liess das pH stark absinken (Abb. 3). Wahrscheinlich nimmt der alkalische Darmsaft CO, aus der Luft auf. Die pH-Werte sanken aber nicht unter pH 7,s. Offenbar wird die Pufferkapazitat des Systems grosser in diesem pH-Bereich (vergl. unten). Auch der Kropfsaft ist alkalisch. Die individuellen Werte schwankten zwischen pH 8,95-9,Sl. Der Mittelwert von 36 Einzelbestimmungen betrug pH 9,341+ 0,076. Das pH von Vorder- und Mitteldarm ist also gleich hoch. Im Gegensatz zum Mitteldarmsaft ist aber der Kropfsaft bedeutend besser gepuffert, wie die pH-Stabilitat beim Stehen an der Luft (Abb. 3) und bei der Verdiinnung mit Wasser (Tabelle 2) zeigt. Eine Titrationskurve fiir Vorderdarmsaft ist in Abb. 1 dargestellt. Wie beim Blut wurden aus den Titrationswerten die in Abb. 2 dargestellten Werte der Pufferkapazitat fiir die verschiedenen pH-Bereiche errechnet. Die Kurve zeigt
G. BENZ
142
zwei deutliche Maxima, ein hohes im physiologischen Bereich von pH 9,3 und ein tief gelegenes bei pH 64. Diese beiden Maxima liegen erstaunlich ghnlich wie bei der Haemolymphe. Dagegen ist das im Blut hervortretende Puffersystem bei
0.0 AEB. 2.
3
4
5
Pufferkapazitiit /?= (dB/dpH) und Kropfsaft
0 ABB. 3.
1
6
7
8
(Ordinate) (gestrichelte
0
2
____-
9
1OpH
von Blut Kurve).
(ausgezogene Kurve)
24h
pH-VerSinderungen von Kropfsaft (ausgezogene Kurve) und Mitteldarmsaft (gestrichelte Kurve) beim Stehen an der Luft.
DIE PUFFERKAPAZITLT
PIERIS
VON BLUTUNDVERDAUUNGSSAFTVON
BBASSICAE
143
pH 3,8 im Kropfsaft hijchstens schwach angedeutet. Die Pufferkapazitgt des Kropfsaftes ist in allen pH-Bereichen geringer als diejenige der Haemolymphe, ausgenommen im Bereich von pH 6,7-7,4.
TABELLE
2-DER
EINFLUSS
VON
VERD~NUNG
MIT WASSER
AUF DAS pH VON
&hOPFSAFT
UNDBLUT Verdiinnung
pH Kropfsaft
pH Blut
-
9,17 9,17 9,12 9,09 9,07 8,59 8,82 8,62
6,63
7x 8x 9x 10x 20 x 40 x 80 x
1
0
I 10
I
20
6,64
I
30
I
40
I
50
%
ABB. 4. Titration von Blut mit Darmsaft und umgekehrt. Die Abszisse gibt den Prozentsatz der zutitrierten Fliissigkeit an. A = Blut mit Kropfsaft titriert resp. mit einer Mischung von Kropf- und Mitteldarmsaft (1 : 1) titriert. B = Mitteldarmsaft mit Blut titriert. C = Kropf- und Mitteldarmsaft (1 : 1) mit Blut titriert. D = Kropfsaft mit Blut titriert.
G. BENZ
144 Gegenseitige
Titration
von Blut und Darmsaft
Die vorhergehenden Versuche haben gezeigt, dass Blut zwar in den meisten pH-Bereich gegen reine starke Saure und Base starker gepuffert ist als Darmsaft, dass aber der Kropfsaft in seinem physiologischen Bereich von pH 9,3 eine hijhere absolute Pufferkapazitat hat als das Blut im physiologischen Bereich von pH 6,6. Da sowohl Anoxie, wie such das Endotoxin von Bacillus thuringiensis die Permeabilitit der Darmwand erhijhen (siehe unten) und somit bei den so behandelten Raupen ein Austausch von Blut und Darmsaft stattfindet, konnte man sich vorstellen, dass sich zu Beginn dieses Austausches das Blut-pH rascher andere Zur Priifung dieser Frage wurde Blut gegen Darmsaft und als das Darm-pH. Die Werte solcher Titrationen sind in Abb. 4 dargestellt. umgekehrt titriert. Die pH-Kurve des Blutes steigt bis zu einer Beimischung von annahernd 40 Prozent Kropfsaft oder gemischtem Darmsaft konstant an und flacht dann etwas ab. Dagegen fallt die pH-Kurve des Kropfsaftes durchwegs mit grosserer Steilheit Ganz anders verlluft die pH-Kurve des Mittelab, als die Blutkurve ansteigt. Sie ist nur bis zu einer Beimischung von ungefahr 9 Prozent Blut darmsaftes. sehr steil, nachher aber etwas flacher als die Blutkurve. Dieser letzte Vergleich ist allerdings nicht ganz korrekt, weil Blut nie mit reinem Mitteldarmsaft titriert wurde. Die Kurve von gemischtem Kropf-Mitteldarm-Saft verlauft bis zu einer Beimischung von annahernd 20 Prozent Blut bedeutend steiler, dann aber ahnlich steil wie die Blutkurve. Bei einer Mischung von Blut und Darmsaft im Verhaltnis 1 : 1 verschiebt sich das Blut-pH urn 1 Einheit, das pH des Darmsaftes aber urn 1,3-1,5 und mehr Einheiten. Die pH-Kurve des Blutes, als Ganzes betrachtet, verlauft also am Aachsten und zeigt damit an, dass die Pufferkapazitat des Blutes iiber diejenige des Darmsaftes dominiert und zwar vor allem zu Beginn der Durchmischung. Bei einem Austausch von Blut und Darmsaft, wie er bei erhiihter Permeabilitat der Darmwand auftreten kann, erwarten wir darum griissere pHAnderungen im Darmsaft als im Blut. Aus den Kurven A und C in Abb. 4 geht zudem hervor, dass wir ungefahr pH 7,6 erwarten diirften, wenn sich in einem Individuum Blut und Darmsaft vollkommen durchmischen wiirden und falls beide Fliissigkeiten in gleicher Quantitat vorhanden waren. Der EinfEuss von Anoxie auf die Permeabilitiit
der Darmwand
Raupen wurden 24 Stunden lang mit Rotkohlblattern gefiittert. Eine Kontrolle des Blutes solcher Tiere zeigte, dass der rote Kohlfarbstoff unter diesen normalen von mindesUmstanden nicht in das Blut gelangen kann. Nach einem Aufenthalt tens 90 Minuten in einer N,-Atmosphare kann aber im Raupenblut der rote Kohlfarbstoff nachgeweisen werden (Tabelle 3). Der Farbstoff erscheint vor allem leuchtend rot, wenn das Blut mit Eisessig angesauert wird. Wie die pH-Werte der Tabelle 3 zeigen, nimmt das pH des Vorderdarmsaftes rasch ab, wenn die Tiere in einer Stickstoffatmosphare gehalten werden. Das pH des Mitteldarmsaftes wurde nicht gemessen, doch diirfte es gleichermassen absinken. Dagegen erhoht sich das pH des Blutes nicht stark. Offenbar geniigt
DIE PUFFERKAPAZITi(T VON BLUTUND VERDAUUNGSSAFT VON PIERIS
145
BBASSICAE
bei Pieris die Pufferkapazitat des Blutes, urn die eingedrungene Menge des Darmsaftes ohne starke pH-Erhohung aufzufangen. Trotzdem treten 90-120 Minuten nach Anoxie typische Paralysesymptome auf. Die dorsale Muskulatur der Raupen kontrahiert sich stark, so dass der Riicken konkav gekriimmt wird und die Tiere TABELLE ~--DIE pH-VERSCHIEBUNGENVON BLUT UND KROPFSAFTUNTER ANOXIE. DIE ZElT IST IN MINUTEN NACH BEGINN DER ANOXIE EINGETEAGEN. IN DEN KOLONNEN ‘PAEALYSE’ UND ‘FARBE’ BEDEUTET+ DASSPAEALYSESYMPTOME (SIEHE TEXT) AUETRETEN, N= ZAHL RESP. DASS ROTER KOHLFARBSTOFF IM BLUT NACHGEWIESEN U~ERDEN KANN. DER INDIVIDUELLEN
pH-BESTIMMUNGEN
Zeit (Minuten)
N
Paralyse
Farbe
Blut-pH
15 60 90 120 180 300
10 15 7 10 10 5 5
+ + t
+ + + *
664 + 0,023 6,69 + 0,024 6,75 f 0,018 6,73 f 0,019 6,88 * 0,034 6,84 + 0,052 6,41 &-0,095
Kropf-pH 9,23 & 0,072 8,92 f 0,063 8,51 + 0,060 7,75 + 0,073 7,87 f 0,152 7,83 +_0,128 6,62 f 0,138
* = Septicaemie.
auf die Seite zu liegen kommen. Diese Paralyse tritt ein, sobald der rote Kohlfarbstoff im Blut nachgewiesen werden kann, d.h. wenn die Darmwand relativ stark permeabel geworden ist. Offensichtlich handelt es sich dabei urn die Wirkung der friiher beschriebenen, paralytisch wirkenden Substanz (BENZ, 1963), die vom Darm
in das Blut diffundiert.
Nach
5 Stunden
Die Darmwand
Anoxie
weisen
die Raupen
eine schwache
wird also selbst fur Darmbakterien
passierbar.
Septicaemie
auf.
Die pH-Werte
von
Blut und Darmsaft sinken dabei so stark ab, dass selbst der Darminhalt sauer reagiert. Sehr wahrscheinlich wird diese Acidose durch das Bakterienwachstum bewirkt,
doch diirften
wechsels
mitbeteiligt
Infektion
zudem saure Abbauprodukte sein.
Jedenfalls
wird
mit Bacillus thuringiemis nicht
Der Eirzjluss van Bacillus
soviel
thuringiensis-Endotoxin
des anaeroben Insektenstoff-
bei der starkeren
Saure
produziert
Septicaemie
(vergl.
nach
unten).
und -Infektion
Kurze Zeit nachdem Raupen mit einer Suspension von sporulierten B. thuringiensis bespriihte Kohlblgtter gefressen haben, hiiren sie auf zu fressen. Nach 2 Stunden zeigen die Tiere Anzeichen von Diarrhoe. Sie kriechen nur noch selten und langsam, zeigen aber bei Beriihrung noch die typische Abwehrreaktion. Diese besteht darin, dass die Raupe mit einer raschen, ruckartigen Bewegung den Kopf gegen die Beriihrungsstelle wendet und dort einen Tropfen Kropfsaft deponiert. Das pH des Blutes ist urn diese Zeit mit pH 6,69 noch normal. Auch 6
G. BENZ
146
der Mitteldarminhalt ist mit pH 9,12 noch als annlhernd normal zu bezeichnen. Dagegen hat der ausgeschiedene Kropfsaft nur noch pH 8,0-8,9. Nach 4-5 Stunden sind alle Raupen sehr trlge; sie kriechen nicht mehr, bewegen sich aber noch. Bei Beriihrung zeigen sie nur eine sehr langsame Abwehrreaktion. Das Blut dieser Tiere ist mit pH 6,92-7,Ol ungefghr neutral. Auch Kropf- und Mitteldarminhalt nHhern sich mit pH 7,3-7,6 der NeutralitPt. Die Erniedrigung der pH-Werte im Darm, bei gleichzeitiger Erhljhung des Blut-pH’s deutet an, dass die Darmwand permeabel geworden ist (Abb. 5). Bei mit Rotkohl gefiitterten Tieren 1Hsst sich dies durch das Auftreten der roten Kohlfarbe im Blut nach AnsPuerung mit Eisessig direkt nachweisen. Die mikroskopische Untersuchung des Blutes zeigt, dass keine Bakterien vorhanden sind.
I
0
I
I
2
I
I
4
I
I
6
I
I
I
12
20
h
ABB. 5. Zeitlicher Verlauf der pH-hderungen in den Kiirperstiften von Raupen nach Einnahme von Bacillus thuringiensis-Endotoxin. Blut = ausgezogene Kurve. Kropfsaft = gestrichelte Kurve. Mitteldarmsaft = punktierte Kurve. Bei Blut und Kropfsaft entspricht jeder Punkt dem Mittel von 5 individuellen pH-Bestimmungen. Die Punkte von Mitteldasmsaft entsprechen je einer Sammelprobe von 5 Individuen.
Nach 7-12 Stunden weisen alle Raupen eine mehr oder weniger stark ausgepr%gte Paralyse mit dorsaler Muskelkontraktion auf und zeigen bei Betihung keine Abwehrreaktion. Die stark paralysierten Tiere liegen auf der Seite. Die pH-Werte des Blutes betragen 7,02-7,13, jene von Kropf und Mitteldarm 7,20,
DIE PUFFERKAPAZIT#T
VON BLUT UND VJXRDAUUNGSSAFI VON PIERIS
BRASSICAE
147
resp. 7,30. Mit Rotkohl gefiitterte Raupen haben stark rot gefnrbtes Blut. Wie die mikroskopische Untersuchung zeigt, enthilt es einige vegetative Bakterienzellen und Sporen von B. thuringiensis. Dieser Befund deutet an, dass die locker gewordenen Darmw;dnde selbst fiir sehr grosse Bakterien durchlissig geworden sind. Wird die Darmwand in normalen Raupen kiinstlich verletzt, sodass Darminhalt und Blut sich im Tier vermischen k8nnen, so erreicht das Blut pH 7,12-7,22, d.h. annghemd gleiche Werte wie 12 Stunden nach B. thuringiensis-Vergiftung und -1nfektion. Wir diirfen darum annehmen, dass sich in diesem Infektionsstadium Blut und Darminhalt (mit Ausnahme der groben Bestandteile) fast vollst8;ndig durchmischt haben. Nach den Ergebnissen der Titrationsexperimente wire ungef5hr pH 7,6 erwartet worden, wenn das Volumen von Blut und Darmsaft gleich gross wire. Da das Blut nach kiinstlicher Verletzung des Darmes aber nur pH 7,12-7,22 erreicht, muss angenommen werden, dass in der Raupe 2,5-3 ma1 mehr Blut als Darmfliissigkeit vorhanden ist. Nach 20 Stunden ist die Riickenmuskulatur der Raupen wieder schlafX Die Tiere weisen also keine Paralysesymptome mehr auf. Dagegen zeigt die mikroskopische Blutuntersuchung das Bild einer stark ausgepdgten Septicaemie. Blut und Darmsaft haben pH 6,95. Der allgemeine Riickgang der pH-Werte diirfte auf der Slureproduktion der sich entwickelnden Bakterien beruhen. Interessant ist, dass diese starke Septicaemie zu einer weniger starken Reduktion der pH-Werte fiihrt als die schwache Septicaemie bei Anoxie. ZUSAMMENFASSUNG
UND
DISKUSSION
Das Blut von Pieris brassicae ist, wie das Blut der meisten Insekten, schwach sauer. Der gemessene Wert von pH 6,64 stimmt gut mit den von BRECHER(1925) Die mit der ruhenden Wasserstoffelektrode festgestellten Werten iiberein. individuellen Extremwerte liegen rund 0,24 pH-Einheiten auseinander. Im alkalischen Bereich liegende pH-Werte des Blutes, wie sie CRAIGund CLARK (1938) im letzten Larvenstadium von Pieris rupae gemessen haben, konnten bei P. brassicue nicht festgestellt werden. Kurz vor der Metamorphose trat zwar eine signifikante pH-Erhiihung des Blutes urn durchschnittlich 0,08 Einheiten auf, doch lagen selbst die oberen Extremwerte noch im sauren Bereich (vergl. BRECHER, 1925). FINK (1925) und BABERS(1941) fanden such fiir das Blut von P. rupae pH-Werte im sauren Bereich. P. rupae diirfte also keine Ausnahme darstellen. Die PufferkapazitPt des Blutes von P. brussicue ist im physiologischen pHBereich mit /3 = 0,026 recht hoch (nach VANSLYKE, 1922, betrngt /3 fiir menschliches Blut nur annghemd 0,023). Wie bei anderen Insekten ist das Blut gegen die saure Seite besser gepuffert als gegen die alkalische Seite, wo wir bei pH 7,6 das absolute Minimum der Pufferung finden. Diese ist aber mit fl= 0,021 such im Minimum noch erstaunlich hoch. Nach CRAIGund CLARK(1938) und BABERS (1941) finden wir bei pH 7,6 such die Minima von P. rupee (/3 = O,OlO), He&As obsoletu (/I = 0,017s) und Prodenia eriduniu (fi = 0,018). Diese Pufferung im Minimum diirfte in erster Linie auf der Wirkung von Protein-cr-aminogruppen beruhen. Die Blutpufferung von P. brassicae weist Maxima auf bei pH 3,8, pH 6,4
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und pH 9,3. Von direkter Bedeutung ist natiirlich nur das im physiologischen Bereich liegende Maximum bei pH 6,4. Es beruht wahrscheinlich auf dem Zusammenwirken der Puffersysteme des Phosphates (pK 6,8), des Bicarbonates und der Imidazolgruppen des freien und gebundenen Histidins (pK 6,l) und eventuell der Harnsaure (pK 5,X). Das bei pH 3,8 liegende Maximum wurde von BABERS (1941) such im Blut von Prodeniu eridunia festgestellt. Es diirfte auf der Pufferwirkung der Proteincarboxylgruppen, sowie Citrat, Lactat und Succinat beruhen (pK-Werte, 3,7-4,l). Im Maximum bei pH 9,3 sind wahrscheinlich neben den Proteinen vor allem die freien Aminosauren Arginin, Lysin, Histidin, Serin, Tyrosin und Glutaminsaure wirksam (pK-Werte 9,0-9,5). Interessant ist das Plateau zwischen pH 6,0 und pH 5,2. Es erweckt den Eindruck eines eben aufgefiillten Minimums, wie es bei pH 5,6 im Darmsaft auftritt. In diesem pHBereich kijnnten sich die zum Teil such bei pH 3,8 wirksamen Puffersysteme von Citrat, Malat und Succinat (pK-Werte 5,0-5,4), sowie Urat (pK 5,8) der generellen Proteinpufferung iiberlagern. Einfacher als das Puffersystem des Blutes scheint jenes des Verdauungssaftes zusammengesetzt zu sein. Vorder- und Mitteldarm haben dasselbe alkalische pH 9,34. Nach Abb. 3 muss aber angenommen werden, dass in diesem pHBereich nur die Pufferkapazitat des Kropfsaftes hoch, jene des Mitteldarmsaftes dagegen relativ gering sei. Beim Stehen an der Luft sinkt das pH des Mitteldarmsaftes rasch auf den Wert 7,8 ab, d.h. bis zu jenem Wert, wo wahrscheinlich die Pufferung des Phosphates wirksam wird und die Pufferkapazitat daher zunimmt des Vorder(vergl. Abb. 2). W a h rend bei vielen Insekten offenbar die Pufferung darmes geringer ist als jene des Mitteldarmes (vergl. DAY und WATERHOUSE, 1953), liegen die Verhaltnisse bei P. brassicae umgekehrt. Kropfsaft weist im physiologischene Bereich von pH 9,3 ein stark ausgepragtes Maximum auf (/3 = 0,059). Es ist wahrscheinlich, dass es sich dabei, wie beim Blut, urn die der Proteinpufferung Ein zweites Maximum bei iiberiagerte Wirkung von freien Aminosauren handeit. pH 6,8 deutet auf das Vorhandensein des Phosphatsystems, doch diirfte dieses im physiologischen pH-Bereich nur von untergeordneter Bedeutung sein. Werden Blut und Darmsaft von P. brassicae gegeneinander titriert, so erweist Gleich grosse gegenseitige Zusatze sich das Puffersystem des Blutes als starker. verschieben das Blut-pH weniger als das Darm-pH, obwohl die Pufferkapazitlt des alkalischen Darmsaftes gegeniiber reiner starker Saure bedeutend hiiher ist als jene des sauren Blutes gegeniiber reiner starker Base. Anoxie fiihrt nicht nur bei Bombyx mori (GAMO et al., 1933) und Galleria mellonella (AUBEL und LEVY, 1931), sondern such bei P. brassicae zu einer Permeabilitatssteigerung der Darmwand. Wahrscheinlich handelt es sich dabei urn ein allgemeines Phanomen, denn SIMON (1922) hat eine Permeabilitatssteigerung als Folge von Anoxie such am Froschmuskel festgestellt. Diese Erhiihung der Permeabilitit sol1 nach SIMON durch die zellinterne Ansammlung von sauren GILMOUR (1941) stellte in Tenebrio Stoffwechselprodukten verursacht werden. molitor fest, dass nach einem Aufenthalt von 4,5 Stunden in N, die Milchsaurekonzentration fast vierfach hiihere Werte erreichte als in Luft. Ebenso fanden
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DAVIS und SLATER (1928) in Blutta orientalis eine starke Zunahme der Milchsaure wlhrend der Anaerobiose. Bei Pieris, Bombyx und Galleria diirfte also Anoxie such zu einer Anreicherung von sauren Stoffwechselprodukten fiihren. Die zellinterne Anhaufung solcher Produkte im Darmephithel kijnnte dann die Permeabilitat der Darmwand erhohen. Eine allfallige Erniedrigung des Blut-pH’s wiirde dadurch sofort durch eindringenden alkalischen Darmsaft kompensiert. Bei Pieris erreicht das Blut nach 15-3 Stunden Anoxie nur rund pH 6,8, und der Darmsaft bleibt bei pH 7,8 ungefahr konstant. Wfhrend der Anaerobiose scheint sich also nicht der gesamte Darmsaft frei mit der Haemolymphe zu mischen (vergl. unten). Nach den Titrationsexperimenten miisste man schliessen, enthielte. Wenn wir nach dass das Blut bei pH 6,8 nur N 10 Prozent Darmsaft S. 011 annehmen, dass das Volumen des Darmsaftes etwa 3 ma1 geringer sei als jenes des Blutes, so miisste dies einer Beimengung von N 30 Prozent Blut zum Darmsaft entsprechen. Nach der Titrationskurve C in Abb. 4 ware dabei pH 7,9 zu erwarten. Dieser Wert ist mit dem gefundenen Wert von pH 7,8 gut vergleichbar, besonders wenn nach der oben aufgestellten Hypothese berticksichtigt wird, dass saure Stoffwechselprodukte die pH-Werte etwas erniedrigen kiinnten. Wie das Auftreten einer Septicaemie nach 5 Stunden Anoxie zeigt, wird aber bei Ianger dauernder Anaerobiose die Darmwand doch so stark geschadigt, dass Bakterien aus dem Darm in das Blut iibertreten kiinnen. Dass bereits der Beginn der Septicaemie das pH von Blut und Darm im Anaerobiose-Experiment vie1 starker absinken lisst als die starke Septicaemie nach B. thuringiens&Infektion, zeigt indirekt, dass der Insektenorganismus wlhrend der Anaerobiose vie1 Saure produziert. Dieser Befund unterstiitzt die aufgestellte Hypothese, dass die Erhiihung des Darmpermeabilitat eine Folge der Saureanreicherung in den Darmepithelzellen sein konnte. Ahnliche Effekte wie Anoxie hat such die Vergiftung des Darmes mit gelostem B. thuringiensis-Endotoxin (ET). Auch in diesem Falle wird der Darm permeabel und lasst Farbstoffe, paralytische Substanz und schliesslich Bakterien in das Haemocoel austreten. Wahrend das pH des Kropfsaftes und etwas verspatet das pH des Mitteldarmes auf pH 7,18 absinken, erhiiht sich das Blut-pH auf 7,13, d.h. auf annahernd gleiche Werte, wie nach mechanischer Verletzung des Darmes. Offenbar bewirkt also das ET eine so starke Permeabilitatssteigerung der Darmwand, dass sich Blut und Darmsaft beinahe vollkommen durchmischen kbnnen. HEIMPEL und ANGUS (1959) und HEIMPEL (1963) haben die fur B. thuringiensis anfalligen Lepidopterenlarven auf Grund ihrer pathologischen Reaktion drei Typ I mit hohem Mitteldarm-pH zeigt eine Erhiihung des Typen zugeordnet. Blut-pH’s urn mehr als eine Einheit, was zu totaler Paralyse der Raupe fiihrt. Typ II hat ebenfalls ein stark alkalisches Mitteldarm-pH, weist aber nach ETVergiftung nur eine Paralyse des Mitteldarmes, nie aber ein stark erhijhtes Blut-pH und Totalparalyse auf. Typ III hat ein niedriges Darm-pH und zeigt weder Darm- noch Totalparalyse. In allen drei Typen tritt schliesslich eine Septicaemie auf. P. brassicae gehiirt zu keinem der drei Typen, sondern wire zwischen Typ I
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und II einzureihen. Die Vergiftung mit ET erhoht wie bei Typ I die Darmpermeabilitat, fiihrt aber nur zu einer beschriinkten Erhohung des Blut-pH’s. Trotzdem tritt Paralyse ein, weil aus dem Darm eine paralytisch wirkende Substanz in das Blut iibertritt (BENZ, 1963). Wie der Typ von Pieris sind such die Typ IRaupen eher Ausnahmefalle. Nach ANGUSund HEIMPEL (1956) erhijht sich bei B. mori nach ET-Vergiftung das Blut-pH urn 1 Einheit, wahrend das MitteldarmpH urn 1 Einheit sinkt. Typ I-Raupen zeichnen sich also dadurch aus, dass ihr alkalischer Darmsaft gegeniiber dem Blut bedeutend besser gepuffert ist. Dies diirfte such der Grund sein, warum bei B. mori schon Anoxie zu einer starken Erhiihung des Blut-pH’s fiihrt. Dagegen dominiert bei P. brussicae das Blut, wenn Darmsaft und Blut gemischt werden. Sein pH wird darum bei Anoxie fast gar nicht und nach ET-Vergiftung nur wenig (N 0,s pH-Einheiten) erhiiht. Da such Typ II-Raupen schliesslich an einer Septicaemie zugrunde gehen, muss angenommen werden, dass ET such bei diesen Raupen den Darm durchliissig macht. Es ist daher wahrscheinlich, dass sich Typ II-Raupen, ihnlich P. brassicue, durch (im Vergleich zum Darmsaft) sehr gut gepuffertes Blut auszeichnen. Totalparalyse t&e dann deshalb nie auf, weil in diesen Arten das Blut-pH nicht geniigend erhoht wird und im Darm keine paralytisch wirkende Substanz vorhanden ist (fur ilhdacosoma newtriu ist dies gezeigt worden, vergl. BENZ, 1963). Starke Anoxie und im alkalischen Darmmilieu geliistes ET scheinen grundshzlich die gleiche pathologische Wirkung zu haben, namlich die Erhbhung der Darmpermeabilitat. Interessant ist, dass such das pH des Vorderdarmsaftes nach ET-Vergiftung, resp. Anoxie sehr rasch abnimmt. Man kijnnte aus dieser Tatsache ableiten, dass die erwihnten Behandlungen nicht nur die Mitteldarmwand durchliissig machen, sondern such den Vorderdarm. Dafi_ir wurde such die im Vorderdarm friiher als im Mitteldarm beginnende pH-Emiedrigung nach ET-Vergiftung sprechen (vergl. Abb. 5). Dagegen sprechen aber alle bisherigen Untersuchungen fiber die Wasserpermeabilitgt des Vorderdarmes. Da der Mitteldarmsaft jeweils aus der mittleren Partie des Mitteldarmes bezogen wurde, besteht natiirlich die Moglichkeit, dass das pH im vorderen Teil des Mitteldarmes (der nach HEIMPEL und ANGUS, 1959, zuerst von ET paralysiert wird) parallel mit dem Vorderdarm-pH absinkt. Falls ET nicht nur den Mitteldarm, sondern such den Verschluss zwischen diesen Darmabschnitten 1Hhmen wtirde, kiinnten Vorder- und Mitteldarm in direkter Kommunikation stehen. Genauere Versuche zu dieser Frage fehlen noch. LITERATUR ANGUST. A. (1956) The reaction of certain lepidopterous and hymenopterous larvae to Bacillus sotto toxin. Can. Ent. 88, 280-283. ANGUS T. A. und HEIMPEL A. M. (1956) An effect of Bacillus sotto on the larvae of Bon&m mmi. Can. Ent. 88, 138-139. ANGUST. A. und HJXMPEL A. M. (1959) Inhibition of feeding, and blood pH changes, in lepidopterous larvae infected with crystal-forming bacteria. Can. Ent. 91, 352-358. AUBEL E. und L&V R. (1931) Etude du potentiel d’oxydo-reduction dans les organismes vivants. Ann. Physiol. 7, 477-495.
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