Die „Suchbewegungen“ der Pflanzen.

Die „Suchbewegungen“ der Pflanzen.

Die "Suchbewegungen" der Pflanzen. Von J. M. Janse. Mit 25 Abbildungen im Text. I. TElL. Einleitung. Die Bewegungen der Pflanzen stellen ohne Zweifel...

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Die "Suchbewegungen" der Pflanzen. Von J. M. Janse. Mit 25 Abbildungen im Text.

I. TElL. Einleitung. Die Bewegungen der Pflanzen stellen ohne Zweifel einen der verwickelsten Abschnitte der Physiologie dar, wie es schon die iiberreiche Literatur der letzten 50 Jahre beweist. Eine allgemeine Ubersicht iiber die zahllosen Einzelbeobachtungen verlangt, daB sie unter moglichst einfache Gesichtspunkte gebracht werden t was jedoch bis jetzt nur in unvollstandigem MaBe geschehen ist. In einer friiheren ArbeiU) wurde zu diesem Zwecke, unter anderem t eine neue Einteilung der Bewegungen in "Zwang"- und "Suchbewegungen" vorgeschlagen, welche von mehr prinzipieller Art ist wie die bisher gebrauchIiche, obwohl die Gruppen in beiden ungefahr, aber doch nicht, ganzIich, iibereinstimmen. Die "Zwangbewegungen" wiirden dann solche, welche von vornherein sowohl nach Richtung als (groBtenteils) nach Amplitude bestimmt sind, umfassen; auBerdem werden sie von den groberen Reizen (z. B. Beriihrung oder StoB) hervorgerufen. Die "Suchbewegungen" waren dagegen solche, bei welchen die Kriimmungsrichtung sowie derer GroBe nur derart ist, wie die jedesmaIigen U mstande es erheischen; sie werden durch die feineren Reize (Licbt, Schwerkraft usw.) veranlaBt 2). In dieser Arbeit werden nur die letzteren zur Spracbe gebracbt werden. 1) J. M. Jan s e, Eine neue Einteil ung der Pflanzenbewegungen. Flora 1927, Bd. 122, S. 29.

2) Schon 0 It man s, Uber Phototaxis (Zeitschr. f. Bot. 1917, Jahrg. 9, S. 336). gebrauchte das Wort "Suchbewegungen" in Beziehung zu chemotaktischen und phototaktischen Bewegungen freilebender Zellen, mit welchen dann auch die hier gemeinten Kriimmungen in einer bestimmten Hinsicht eine merkwiirdige Ubereinstimmung zeigen, wie sich spliter herausstellen wird. 11i*

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Es ist gebrauchlich, diese Bewegungen einfach als Kriimmungen zu beschreiben; obwohl dieses unbedingt der Art der auBeren Erscheinung entspricht, so scheint es mir, flir einen richtigen Begriff der docb hauptsachlich innerbalb des Pflanzenteiles sich abspielenden Vorgange, niitzlicher, von einer etwas abweichenden Vorstellung auszugehen. Diese ware, daB ein zur "Suchbewegung" befahigtes Organ, welches sich momentan nicht bewegt, zwar in Ruhe verkehrt, doch nur weil die darauf wirkenden Faktoren einander aufheben und es so eigentlich eine Gleichgewichtslage einnimmt, welche bei der geringsten Veranderung eines jener Faktoren gestort werden muE; geschieht solches, so gibt der Pflanzenteil die bisherige Lage auf, um eine neue Gleichgewichtslage, welche den veranderten Umstanden entspricht, aufzusuchen. Daher wurde eben der Name "Suchbewegung" flir diese Krlimmungen gewahlt. Wichtig ist, daB bei dieser Vorstellungsweise nicht nur die Ursache des Eintretens der Krlimmung, sondern auch die des Aufhorens beachtet werden mutt Der Zweck dieser Bewegungen besteht nun darin, den betreffenden Pflanzenteil in eine vorteilhaftere Lage zu bringen, aber nich t in die vorteilhafteste im ge g eben en Mom en te und flir das be s tim m te Or g an, sondern vielmehr in die flir die g a n z e P fl a n z e und auf die Dauer. So kriimmt z. B. eine Keimwurzel sich nicht geotropisch nach unten, weil sie seIber dadurch in giinstigere Umstande gelangt, was dann auch bei weitem nicht immer der Fall ist, sondern weil aus einer senkrecht hinuntergewachsenen Keimwurzel sich ein kraftigeres, nach allen Seiten ausgebreitetes, Wurzelsystem entwickeln kann; ein heliotropisch sich kriimmender Stengel hat seiber keinen Vorteil von der Lageveranderung, doch die ganze Pflanze kann, wegen der kraftigeren Assimilation, davon groBen Nutzen ziehen usw. Die Meinung, daB auch ein fernliegender Zweck als unmittelbare U rsache einer Erscheinung gelten konnte, bildet den Grundgedanken der Teleologie, welche zumal frliher sehr viel Anhanger zahlte; physiologisch ist eine solche Auffassung jedoch nicht haltbar. Dennoch kann auch ein fernliegender Zweck jedesmal mit Sicherheit erreicht werden, wenn dieser mittels einer Serie physiologischer Wirkungen mit einem sehr naheliegenden Zwecke, welcher unmittelbar erreicht werden kann, in unabanderlicher Weise verkettet ist. Es ware dieses daher etwa so, als wenn ein Passagier in irgendeinem groBen Hafen an der Stelle steht, wo links und rechts ein Ozeandampfer zur Abreise bereit liegen; ein einziger Schritt kann dann dariiber entscheiden, ob er, nach Tagen oder Wochen, in Amerika oder in

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Afrika landen wird: im ersteren Faile braucht er nur links zu gehen, im anderen FaHe rechts. Aber auch, und das ist hier am wichtigsten: wenn er nach Amerika will, so m u B er links gehen, wei! er sonst sein Ziel n i c h t erreicht. Das Auffinden von diesem naheliegenden Zwecke ware dann der erste Schritt zu einer Erklarung des Erreichens von einem weit entfern ten Erfolge; wir kommen weiter unten hierauf zuriick. Wenn schon zur Erklarung vom Zustandekommen jeder Reizbewegung unbedingt irgendeine Mitwirkung des Protoplasten zugezogen werden muB, so ist es von vornherein begreiflich, daB, wenn man auch die Bewegung des "Suchens" erklaren will, die Annahme eines noch tieferen Eingreifens der lebenden Substanz in den Vorgang, als bisher geschah, zur unbedingten Notwendigkeit wird. Doch steht diesem gegeniiber, daB dann auch ein weiterliegendes Ziel erreicht werden kann. Etwas Neues ist solches jedoch nicht, wei! ahnliche Anforderungen stets gestellt wurden und auch gestellt werden miiBten, wenn die Fortschritte der Physiologie ein wei teres Eindringen in die LebensauBerungen verlangte. wie aus folgender kurzer geschichtlicher Ubersicht der Entwicklung der Lehre von den Pflanzenbewegungen hervorgehen kann, Um die Zeit, als Sachs' "Experimentalphysiologie" erschien (1865). war von einer eigentiichen, irgendwie aktiven, Beteiligung des Protoplasmas an den Bewegungen noch nicht die Rede; zuerst waren es damals Imbibition von ZeHwand und Protoplasma, sowie Gewebespannung, welche dabei die Hauptrolle spiel en soH ten (wie z. B. noch, zwar etwas verspatet, in Hofmeisters "Die Lehre von der Pflanzenzelle", 1867), wahrend erst spater Turgordifferenzen, als Ursache ungleichen Wachstums an entgegengesetzten Seiten, als Krummungsursache betrachtet wurden. Indessen lag auch dann dem Begriffe des Turgors eine weniger scharfe Definition zugrunde wie jetzt; lloch in der 4. Auflage des bekannten "Lehrbuches" von Sachs (1874) wird Turgor die "gegenseitige Spannung von Zellhaut und ZellinhaIt" genannt, welches also zwar vollkommen auch unseren jetzigen Ansichten entspricht, woraus aber nicht hervorging, welchen Anteil die verschiedenen Teile des Zellinhaltes (Protoplasma und Zellsaft), jedes fur sich, daran hatten, Kurz nachher, in 1877, konnte de V r i e s 1) beweisen, daB die Rolle von Protoplast und Zellsaft beim Turgor eine grundverschiedene 1) Untersuchungen fiber die mechanischen Ursachen der Zellstreckung usw, Leipzig 1877. Das Prinzip der gesonderten Bedeutung von Protoplast und Zellsaft beim Zustandekommen der Turgeszenz wurde von ihm jedoch schon vorher kurz aus-

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ist: der Zellsaft zieht das Wasser in die Zelle hillein und liefert dadurch fiir sich allein die zur Ausdehnullg erforderte Kraft; daB diese Losullg, trotz des herrscbendell Druckes, in der Zelle eingescblossen bleibt, ist moglich, weil dem protoplasmatischen Wandbelege die Eigenschaft zukommt, fiir gelOste Storfe nicht, oder kaum, permeabel zu sein. Zuerst wurde also der ganze Protoplast als Ursache dieser Semipermeabilitat betrachtet, doch spater, 1885 1), gelang es de V r i e s zu zeigen, daB nur der illnerell Wandschicht des Protoplasten, der Vakuolenwand oder dem Tonoplasten, die Eigenschaft der Semipermeabilitat zukommt. Dieser Fortschritt war auch fiir das Studium der Bewegungen, welche doch aIle auf Turgeszenzanderungen beruhell, von groBter Bedeutung. Was nun die Untersuchungen iiber die Bewegungen seIber betrifft, so hatte Frank2) (1870) den Transversalgeotropismus an Zweigen entdeckt, und dabei den Nachdruck darauf gelegt, daB hier nur von einem indirekten Zusammenhange zwischen Schwerkraft und Bewegung die Rede sein konnte, wahrend C i e s i e Is k i 3) (1872) bewies, daB auch beim positiven Geotropismus der Wurzeln die Schwerkraft nicht direkt beteiligt sein konnte. Die Annahme einer Mitwirkung der lebenden Substanz der Zellen war so zur Notwendigkeit geworden. Diese Meinung war so sehr in Streit mit den damaligen Auffassungen, nach welchen man danach zu streben hatte, aIle Lebenserscheinungen ausschlieBlich durch die zu der Zeit schon bekannten physikalischen und chemischen Naturgesetze zu erklaren, daB die neuen Betrachtungen bisweilen schon als "vitalistische" bezeichnet wurden, wohl nicht urn sie dadurch schon ills sehr wahrscheinlich zu empfehlen. Allmahlich gewann jedoch die neue Ansicht die Dberhand, und es entstand die Dberzeugung, daB der Protoplast den autonomen Bestandteil der Zelle darstellt und daB auBere Umstande zuerst auf ihn und nachher durch ihn auf die LebensauBerungen einwirken. Von "Vitalismus" war dabei dann also nicht mehr die Rede, ebensowenig wie jetzt 4). einandergesetzt, so in: Sur la permeabilite du protoplasme des betteraves rouges. Archives Neerlandaises 1871, T.4, p. 117. 1) Plasmolytische Studien iiber die Wand der Vakuole. Jahrb. f. wiss. Botanik 1885, Bd. 14, S. 465. 2) Die natiirliche wagerechte Richtung von Pflanzenteilen usw Leipzig 1870. 3) Untersuchungen iiber die Abwilrtskriimmungen der Wurzel. Co h n s Beitriige zur Biologie der Pflanzen 1872, Bd. 1,2, S. 1. 4) Am Schlusse iibnlicher Beobachtungen sagt 0 I t man s (Uber Phototaxis. Zeitschr. f. Bot. 1917, Jahrg.9, S.337): "Die zweite erfordert verwickeltere Vor-

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Inzwischell brachten die stets zablreicher werden den Einzeluntersuchungen ein stan dig wachsendes Tatsachenmaterial, welches zeigte, nicht nul', daB sehr verschiedene Reize auf Pflanzenteile einzuwirken vermogen, doch auBerdem, daB dieselbe Zelle odeI' dasselbe Organ zu gieicher Zeit fur mehr als einen Reiz empfindlich sein kann. Diesem Ergebnis del' Experimentalforschung konnte damais jedoch von anatomischer Seite keine Stutze geboten werden.

In 1892 wurde ein erster Schritt in dieser Richtung getan, odeI' vielmehr wurde die erste theoretische Grundlage zu einem solchen Schritte gelegt. Es war N 011 1 ), der darauf hinwies, daB die mit dem Geotropismus zusammenhangendell Probleme ihrer Losung um vieles naherkommen wurden, wenn es gelange, auch in der Pflanze Vorrichtungen, iihnlich den en, durch welche die Tiere, nach damals erst VOl' kurzem (1887) erworbenen Erfahrungen, die Richtung del' Schwerkraft zu perzipieren vermogen, aufzufinden. Fur eine solche Richtungsperzeption war, nach No I I, unbedingt notwendig, erstens: "StatoIithen", welche, in einem Medium mit abweichen~em spezifischen Gewichte liegend, der Schwerkraftwirkung stets gehorchen wurden, zweitens: ein fur Druck empfindlicher Protoplasmateil in der "Statozyste", welcher jede Lageveranderung der StatoIithen anzuzeigen vermochte. Uber die StatoIithen konnte Noll damals keine Aufklarung geben, doch was den Druckreiz anbetrifft, muBte er aus theoretischen Griinden darauf hinweisen, daB, wahrend das statische Organ der Tiere meistens durch sehr kompIizierte und hochdifferenzierte Teile dargestellt wird, es bei den Pflanzen nul' aus einer einzigen Zelle bestehen kann. Dementsprechend weist er die als unbewegIich betrachtete hyaline Hautschicht des Protoplasten als den Sitz der Reizbarkeit an, doch betont er dabei ausdriicklich (S. 18), daB auch diese EmpfindIichkeit nur daun zu einer Richtungsperzeption fiihren kann, wenn sie an verschiedenen Stellen der Hautschicht eine ungleich groBe ist. Dieses zeigt also wiederum, wie eine tiefer eindringende Erklarung der geotropischen Erscheinungen einen immer weiteren Anspruch auf die Mitwirkung des Protoplasten notig macht, so daB diesmal selbst die Hypothese der strengen LokaIisierung einer Eigenschaft (Reizbarkeit) in einem bestimmten Plasmateile verlangt und selbst dort noch, stellenweis begrenzte, Quantitatsdifferenzen in Reizbarkeit erheischt; es ist klar, daB stellungen; sie mag fur manchen - nicht fur mich - an das Psychische grenzen. Wenn aber Tatsachen reden, muE man folgen ... " 1) F. Noll, Uber heterogene Induktion usw. Leipzig 1892.

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dadurch an die Differenzierung im Plasmakorper wohl sehr hohe Anspriiche gestellt werden, so hoch, daB wir uns das "wie" auch jetzt noch nicht oder kaum vorsteIIen konnen. Durch diese Betrachtungen steIlte No I I also theoretisch fest, daB StatoIithen, in Statozysten gelegen, auch bei der Pflanze zum Empfinden der Schwerkraftrichtung fiihren kQnnen, doch fehlte es ihm an jedem Anhaltspunkte betreffs dem tatsachlichen Vorkommen solcher Zellen. Erst in 1900 wurde von N e m e c und H abe rl and t, zu gleicher Zeit, von ersterem fiir Wurzeln, von letzterem fiir Stengel, die in bestimmten Zellen sich vorfindenden, beweglichen Starkekorner als "Statolithen" angewiesen 1). Obwohl die "Statolithentheorie" vielleicht noch nicht als vollig bewiesen geIten mag, so hat sie doch schon so viel Aufklarung gebracht in unsere Auffassungen, daB sie nicht ohne wei teres zur Seite geschoben werden darf; sie jetzt voIlig abzuweisen, ware eine Riickkehr zur voIIigen Unwissenheit, was diesen Punkt anbetrifft, von vor 1892. Es ware dieses urn so bedauernswerter, weil jetzt nichts anderes an ihre Stelle gesetzt werden kOnnte. Dieses wird hier darum so nachdriicklich erwahnt, weil aIle un sere weiteren Betrachtungen ganzlich auf dem Vorkommen von Statozysten in der Pflanze beruhen. Wie diese Statozysten gebaut sind, ware volIkommen gleichgiiItig, wenn sie nur ihre physiologisch erforderte Eigenschaft, die Schwerkraftrichtung zu perzipieren, besitzen. Die Anforderungen, welche N oIl an den Protoplasten der ihm damals noch unbekannten Statozysten stellte, wurden von H abe r I and t und N em e c voIIstandig iibernommen, weil sie, auch fiir den inzwischen aufgefundenen Statozysten, als vollig unumganglich erkannt wurden. Aus dieser kurzen Ubersicht geht also hervor, wie sehr jeder Fortschritt un serer experimentellen Kenntnisse der geotropischen Bewegungen zu neuen, immer komplizierteren Hypothesen iiber die Vorgange im Protoplasten fiihrte; sie wurden jedoch als notwendig anerkannt und daher ohne den geringsten Widerstand in die Physiologie einverleibt Wenn nun un sere Kenntnisse sich noch mehr ausdehnen und wenn diese wiederum neue Auffassungen fiber das Mitwirken des Protoplasten und dementsprechend neue Hypothesen verlangen, wird man also auf

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1) Hier wird stets von "spezifisch schwereren Statolithen" (meistens wohl StarkekBrner) und von ihrem "Heruntersinken" gesprochen werden; es geschieht dieses jedoch nur der Einfachheit wegen und schlieEt die MBglichkeit, daE, wie bei einzelnen Tieren, auch spezifisch leichtere KBrperchen, welche also hinaufsteigen, in bestimmten Fallen die Rolle von Statolithen iibernehmen kBnnen, nicht im geringsten aus.

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Grund des geschilderten Entwicklungsganges nicht das Recht haben, solche von vornherein abzuweisen, falls sie uns nur zu tiefergehenden Erklarungen fiihren 1). Aus obigen Betrachtungen geht also ohne Zweifel hervor, dati ein geniigend begriindetes mehr und mehr Inanspruchnehrnen der Tatigkeit des Protopiasten auch jetzt keinesfalls als ein Versuch zur Einfiihrung irgendeiner "vitalistischen" oder selbst "neo-vitalistischen" Grundlage in der Pflanzenphysiologie aufgefallt werden darf, urn so weniger, als es doch nur eine weitere Stufe in der Entwicklung unserer physiologischen Denkweisen darsteIlt, wobei allein die sonst iiberall giiltigen, noch bei weitem nicht geniigend bekannten, Gesetze der Physik und Chemie, aber nur in hOchst verwickelten Kornbinationen, zur Anwendung gebracht werden. 1) Ich kann nicht umhin, hier darauf hinzuweisen, dafi wohl keiner den wohltatigen Einflufi der Hypothesen auf die Entwicklung unseres Kannens und Wissens in kraftigeren, schOneren Worten geschildert hat, wie Mae t e r lin c k in seinem beriihmten Werke: "La vie des abeilles", aus welchem ich hier folgendes zitieren machte (Livre VII, Ch. VII): "Neanmoins, quand on ne peut savoir la verite d'une chose, il est bon qu'on accepte I'hypothese qui, dans Ie moment ou I'hasard nous fait naitre, s'impose Ie plus imperieusement it la raison. II y a a parier qu'elle est fausse, mais tant qu'on la croit vraie, elle est utile, elle ranime les courages et pousse les recherches dans une direction nouvelle. A premiere vue, pour rem placer ces suppositions ingenieuses, il semblerait plus sage de dire simplement la verite profonde, qui est: qu'on ne sait pas. Mais cette verite ne serait salutaire que s'iI etait prouve qu'on ne saura jamais. En attendant elle nous maintiendrait dans une immobilite plus funeste que les plus filcheuses illusions. Nous sommes ainsi faits que rien ne nous entraine plus loin ni plus haut que les bonds de nos erreurs. Au fond, Ie peu que nous avons appris, no us Ie devons toujours it des hypotheses, toujours hasardeuses, souvent absurdes et pour la plupart moins circonspectes que celles d'aujourd'hui. Elles etaient peutMre insensees, mais elles ont entretenu I'ardeur de la recherche." Diese ,,8priinge" (Hypothesen), durch welche also un sere Kenntnisse von Wachstum und Bewegung in so hohem Mafie gefardert wurden, waren nach dem vorhergehenden daher: Imbibition der Zellwande (H 0 f me i s t e r), Mitwirken der lebenden 8ubstanz (C i e s i e I ski, F ran k) , 8pannung zwischen Zellwand und Inhalt (8 a c h s) , getrennte Wirkung von Zellsaft und semipermeabelem Protoplasten, resp. Vakuolenwand (d e Vries), 5. Zellen, Statozysten, mit e i n em, durch 8chwerkraft verschiebbaren, Gegenstand, Statolith (N 0 II).

1. 2. 3. 4.

Ungeachtet aller dieser Hypothesen haben wir das Endziel jedoch noch nicht erreicht.

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Vielleicht k6nnte hier, beispieIsweise, auf meinen Versuch, die Mitwirkung lebender Zellen bei der Wasserbewegung zu erkHiren 1), hingewiesen werden, weil ich darin das Auftreten der Druckerscheinung beim Wurzeldruck usw. auf verschiedene bekannte Wirkungen zuriickzufiihren versuchte. Ob dieser Erklarungsversuch der richtige ist, mag jetzt dahingestellt bleiben; hier wird er nur zitiert, urn zu zeigen, daB es beim Weiterschreiten unserer Kenntnisse (in casu iiber Kolloide, Fermentwirkungen usw.) in einem bestimmten Momente gelingen kann, durch Kombinationen der .neuesten Erfahrungen anderer Wissenschaften, zu einer ungezwungenen, neuer Hypothesen nicht bediirftigen, Erklarung eines bisher ziemlich unbegreiflichen Vorganges zu gelangen. Ahnliches ware ohne Zweifel auch jetzt schon bei einzelnen anderen Lebenserscheinungen zu erreichen, wenn es nur versucht wiirde, obwohl gewiB in den meisten Fallen un sere Kenntnisse noch viel zu diirftig sind, urn zu erwarten, daB jetzt schon ahnliche Versuche stets ErfoIg haben wiirden. So z. B. wissen wir von Kolloiden im allgemeinen, und im besonderen von dem so auBerordentlich komplizierten kolloidalen Protoplasma, noch viel zu wenig, urn selbst vermuten zu k6nnen, welche AufkHirungen iiber verschiedene Lebenserscheinungen uns schon eine nahere Einsicht in ihre Eigenschaften zu verleihen vermag. Aber ebensowenig wie wir vor 25 Jahren eine Ahnung haben konnten von ahnlich gestalteten Losungen verschiedener Probleme, ebenso wenig vermogen wir jetzt zu vermuten, was vielleicht schon nach abermals 25 Jahren gelingen kann. Und, solange die Hilfswissenschaften fortschreiten, solange mochte mir der Streit "Vitalism us" (resp. "Neovitalismus") oder "Nicht-Vitalismus" ganzlich verfriiht erscheinen. In dieser Beziehung soIl man sich dann ebenfalls klar machen, daB eigentlich kaum je versucht wurde, das Eingreifen des Protoplasmas in bestimmte Vorgange zu analysieren und daB wohl eben daher sehr gewohnlich auftretende Erscheinungen fast als ganz natiirliche Ereignisse aufgefaBt werden. Dieses kommt jedoch nur dadurch, daB man es nie versuchte, sie zu ergriinden. Sobald man sich aber an ihre Erklarung heranmacht, dann erst lernt man einsehen, wie auBerst schwierig selbst die nachstliegenden Fragen sich gestalten und iiberzeugt man sich leicht, daB sie ohne neue Hilfshypothesen einer Losung keinen Schritt naher zu bringen sind; man denke z. B. nur an Protoplasmabewegung, Kern- und Zellteilung, Zilienbewegung, Polaritat der Zelle und so viele andere mehr. 1) J. M. Jan s e, Die Wirkung des Protoplasten in den Zellen, welche bei der Wasserbewegung beteiligt sind. Jahrb. f. wiss. Bot. 1913, Bd. 52, S. 603.

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So geht es eigentlich jetzt noch in bezug auf die Suchbewegungen; die letzte Hypothese von Noll ist seit Jahren v61Iig ausgenutzt und dennoch Jiegen ganz prinzipielle EigentiimIichkeiten, welche bei den Be.. wegungen zu beobachten sind, vollig unerklart da. Dieses beweist, daB das Aufstellen einer neuen Hypothese jetzt nicht mehr umgangen werden kann und daB es daher nur darauf ankommt, ausfindig zu machen, nach welcher Richtung diese zu suchen ware. Indem wir auf diese Frage weiter unten zuriickkommen, wollen wir zuerst auch die iibrigen Suchbewegungen kurz betrachten. Mit den Statozysten hiitte man also das erste Reizorgan, auf Schwerkraftwirkung eingestellt aufgefunden; es ist begreiflich, daB nachher auch nach ahnlichen Organ en fur andere Reize geforscht wurde. Es war H abe r I and t, der dann auch, kurz nachher, ein solches Sinnesorgan, jetzt fur den Transversalheliotropismus, entdeckte 1). Was diese Entdeckung anbetrifft, sei hier nur daran erinnert, daB seine "Linsentheorie" zwei, bisher vollig getrennt dastehende Erfahrungen in gliicklichster Weise in Verbindung bringt, und zwar erstens, daB die transversal-heliotropischen Blatter nur dann in Ruhe verkehren, wenn sie yom einfallenden Lichtbiindel senkrecht getroffen werden, und zweitens, daB nur solche Blatter eigentumlich geformte Epidermiszellen aufweisen, welche, als konvexe Linsen funktionierend, das einfallende Strahlenbiindel auf die Hinterwand zu einem kleinen, intensiveren Flecken konzentrieren. Eine andere Erklarung des Zusammenhanges dieser Tatsa.chen liegt iiberhaupt nicht vor, und so muB der bekannten Haberlandtschen Erklarung eine groBe Wahrscheinlichkeit zuerkannt werden. Seit 1905 wurden uns daher zwei Sinnesorgane bekannt sein; seitdem sind wir jedoch nicht weiter gekommen. Unbegreiflich bleiben uns daher noch immer: positiver und negativer Heliotropismus, Hydrotropismus, Chemotropismus, Rheotropismus und wie viele ahnliche mehr. Man konnte nun versucht sein, fur jede dieser Kriimmungen ein gesondertes Sinnesorgan zu erwarten, und so meinte dann auch Noll (S. 54), daB die Zahl der empfindbaren Reizkategorien durch die Zahl der spezifischen Sinnesstrukturen gegeben sein miisse. Diese Auffassung mochte ich jedoch nicht unterschreiben, denn wenn man bedenkt, daB vielmals verschiedene solcher Strukturen zu gleicher Zeit in derselben Zelle vorkommen miissen, daB die Reaktion das eine Mal in der einen, das andere Mal in der entgegengesetzten 1) G. Ha be rl an d t, Die Lichtsinnesorgane der LaubbUitter.

Leipzig 1905.

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Richtung stattfindet, daB zu jeder Struktur wohl eine eigene Reizleitung gehoren sollte usw., dann wird es deutlich, daB alles dieses zusammen zu einem so verwickelten Ganzen fiihren miiBte, daB dessen Verwirklichung darum schon von vornherein viel Unwahrscheinliches an sich hat. Wenn man dagegen bedenkt, daB es bei wissenschaftlichen Problemen nicht selten vorkommt, daB auBerst verwickelte Fragen, wenn man sie von einer neuen Seite beleuchtet oder bei ihrer Betrachtung von einem anderen Standpunkt ausgeht, mit einem Male eine viel einfachere Gestaltung annehmen, so scheint es zumal in diesem FaIle angewiesen, vorher zu versuchen, einen anderen Ausgangspunkt aufzufinden, in der Hoffnung, auch dadurch eine erhebliche Vereinfachung der Auffassungen zu erzielen. Wiinscht man diesen Weg einzuschlagen, so kommt es also zuerst darauf an, zu bestimmen, in welcher Richtung dabei nach einem neuen Anhaltspunkte zu suchen ware; mir will es scheinen, daB uns wiederum die geschichtliche Entwicklung der Reizphysiologie dabei wichtige HiIfe leisten konnte. Als man allmahlich entdeckt hatte, daB verschiedene Reize auf Pflanzenteile einwirken und sie zu Kriimmungen veranlassen, schien es ohne weiteres selbstredend, daB aIle jene Reize unter sich gleichberechtigt wa.ren, und auch jetzt noch werden sie meistens als solche betrachtet. Aus dem nachfolgenden moge jedoch hervorgehen, daB zu dieser Auffassung eine geniigende Veranlassung fehIt, und daB im Gegenteil dem Schwerkraftreiz eine weit wichtigere Rolle zuerteilt werden muB, wie allen iibri'gen. Schon in 1868 hat Hofmeister l ), sich stiitzend auf eine groBe Anzahl von Beobachtungen, vielfach durch Rotationsversuche unterstiitzt, zu zeigen versucht, welche iiberwiegende Bedeutung gerade die Schwerkraft fUr die morphologische Ausbildung verschiedenster Pflanzen hat. Ais wichtige Beispiele davon zitiere ich hier nur die folgenden: bei symmetrischen Pflanzenteilen steht die Symmetrieebene stets vertikal; trifft solches in einzelnen Fallen nicht zu (Eliiten), so bildet doch die Infloreszenz ein symmetrisches Ganze, wiederum mit vertikaler Symmetrieebene (S. 580); die in der Knospe nach oben gerichteten Blatt- oder Stipularh1ilften sind im Wachstum bevorzugt (S. 583); die Blatter sind an Seitenzweigen stets schief an der Achse angeheftet (S. 586); 1) Allgemeine Morphologie der Gewachse.

18'68.

§ 23.

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die Gramineen zeigen eine von Blatt zu Blatt wechselnde RoHungsrichtung der Scheiden (S. 588); in an Seitenzweigen stehenden Knospen, in welchen die Blatter zusammengefaltet sind, liegen die Mittelrippen stets nach unten (S. 591); die Antidromie (Gegenlaufigkeit) der Blattspiralen an einander gegeniiberstehenden Seitenzweigen (S. 613), sowie auch die SteHung des ersten oder der beiden ersten gegeniiberstehenden Blatter an Seitenzweigen (S. 620). Kurz nachher konnte Frankl) beweisen, daB die mehr oder weniger genau wagerechte SteHung von Zweigen und Lebermoosthalli auf eine ~igentiimliche Reaktion auf der Schwerkraft, auf Transversalgeotropismus, beruhen, welche Wirkung von E If v i n g 2) ebenfalls als Ursache des horizontal en Weiterwachsens der Rhizomspitzen erkannt. wurde. V 0 c h tin g 3) bewies die Wirksamkeit des Geotropismus beim Bestimmen der SteHung verschiedener Bliiten, und das namliche konnte No114) spater noch fur die Blumen mancher anderer Pflanzen nachweisen, wahrend F ran k (I. c., S. 64) schon friiher zur Uberzeugung gelangt war, "daB auch die natiirlichen SteHungen der Blatter an den horizontalen Zweigen, bei NadelhOlzern sowohl wie bei LaubhOlzern, durch die Schwerkraft aIle in bewirkt werden konnen". Einen weiteren sehr groBen Schritt tat No 11 5) abermals, als es ihm gelang, zu zeigen, daB auch das Winden auf geotropischer Reizung, auf Lateralgeotropismus, beruht. Inzwischen hatte sich auch auf anderem Gebiete der Physiologie die groBe Wichtigkeit der Schwerkraft fiir das Pflanzenleben erwiesen, indem A. Fischer 6) zu zeigen vermochte, daB nicht alle Schlafbewegungen der Bliitter in derselben Weise zustande kommen; er konnte die Pflanzen in zwei Gruppen, die "auto-nyktitropen" und die "geo-nyktitropen", einteilen, je nachdem die Schwerkraft als Veranlassung der Bewegung keine, oder im Gegenteil eine hervorragende Rolle spielt; die !nderung der Lichtintensitat bildet in allen jenen Fallen zwar die direkte Ver1) ~ie natiirliche wagerechte Richtung von Pflanzenteilen. Leipzig 1870. 2) Uber einige horizontalwachsende Rhizome. Arb. bot. lnst. Wiirzburg 1880, Bd. 2, S. 489. 3) Die Bewegungen der Bliiten und Friichte. Bonn 1882. 4) Uber die normale Stellung zygomorpher Bliiten usw. Arb. bot. Inst., Wiirzburg, Bd. 3 j I, 1883 und II, 1887. 5) Uber heterogene lnduktion. Leipzig 1892. 6) Uber den EinfluB der Schwerkraft auf die Schlafbewegungen der Bllltter. Bot. Zeitg. 1890, S. 711.

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anlassung zum Eintritt der Bewegung, doch wird bei den geo-nyktitropen die Bewegung seIber vollig von der Schwerkraft beherrscht. SchlieIHich scheint es wahrscheinlich, daB dem Schwerkraftreize selbst beim Wachstum von Stengeln und Wurzeln eine Rolle zuerkannt werden muB, weil er eine allseitig gleiche Ausdehnung hervorrufen wurde 1). Es ware dieses urn so wichtiger, als dann aIle Bewegungen, welche auf Wachstum beruhen, ebenfalls und ohne weiteres, unterm EinfluB des Schwerkraftreizes stehen wurden. Wenn nun die Geschichte also zeigt, wie sehr der Schwerkraftreiz allmahlich an Wichtigkeit gewonnen hat, so lehrt sie demgegenuber aueh, daB von einer gleiehzeitigen Zunahme an allgemeiner Wichtigkeit bei den sonstigen Reizen nicht nur nichts zu bemerken ist, sondern selbst daB diese a.bnimmt. So zumal, was den zweiten Hauptreiz, das Licht, anbetrifft: es wurde nicht nur bemerkt, daB negativer Heliotropismus verhiiitnismaBig sehr selten vorkommt, viel seltener als von vornhereiu vermutet werden konnte, sondei'll auch ging fiir ihn die Wirkung als Orientierungsreiz bei der groBen Gruppe der Geonyktitropen ganzlieh verloren. Die ubrigen Reize blieben, ganz wie zuvor, den beiden genannten gegenuber aueh spater vollig im Hintergrunde. Es geht hieraus wohl zur Genuge hervor, daB die Schwerkraft selbst dem Lichte gegenuber im Reizleben der Pflanzen bei weitem die wichtigste Rolle spielt. Dieser Vorrang der Schwerkraft ware auBerdem, von rein biologischem Standpunkte betrachtet, sehr begreiflich: Wenn namlich eine festsitzende Pflanze sich ihrer Umgebung gegenuber zu orientieren hat, so braucht sie dazu an erster Stelle einen stets zuverlassigen Reiz; welcher nun ist in Richtung sowie in Intensitat konstanter als die Schwerkraft und welcher dagegen, ebenfalls in Richtung wie in Intensitat, wechselnder, als das Licht? Als allgemeiner, primitiver Orientierungsreiz miiBte ersterer also wohl den fiir die Pflanze von vornherein am meisten zweckentsprechenden Reiz darstellen. Wenn nun also, bis in den letzten Jahren, unsere Einsicht in der Wichtigkeit des Schwerkraftreizes fortwahrend zugenommen hat, so gibt uns nichts das Recht, zu vermuten, daB wir gerade jetzt schon alles damit Zusammenhiingende ergrundet hiitten. Wie es jedoch auch sei, jetzt ist es wohl nicht mehr erlaubt, dem Lichtreiz eine gleich groBe Wichtigkeit wie dem Schwerkraftreize bei1) J. M. Jan s e, Reizwirkung bei Rektipetalitllt und bei senkrechtem Wachstum. Jahrb. f. wiss. Bot. 1922, Bd. 61, S. 590.

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zumessen. Damit verliert dann aber auch die Auffassung, daB, weil die Schwerkraft ein eigenes Sinnesorgan aufzuweisen hat, ein soIches auch fur das Licht zu erwarten ware, ganzlich an Bedeutung. Hiermit stimmt dann auBerdem der, zwar negative, Befund uberein, daB, trotz emsigen Suchens, kein Sinnesorgan fur den sonst doch wichtigen positiven und negativen Heliotropismus aufgefunden wurde; auf den Transversalheliotropismus kommen wir spater ausffihrlich zuruck bei der speziellen Besprechung dieser Erscheinungen (Abschnitt I). Da es daher kaum mehr zu erwarten ist, daB ein Suchen nach einem neuen Sinnesorgan einen gunstigen Erfolg haben wird, ware es angewiesen, sich nach einem anderen Ausgangspunkte, welcher bess ere Resultate verspricht, umzusehen. Ein solcher konnte nun z. B. darauf beruhen, daB angenommen wird, daB die nichtgeotropischen Reize nicht unmittelbar, jeder fur sich, auf etwaige, zur Perzeption dieser Reize bestimmte, Sinneszellen einwirken, sondern daB sie ebenfalls nur in den Statozysten perzipiert werden und nur dahin wirken, den Effekt des Schwerkraftreizes zu modifizieren. Was die Erklarung der Suchbewegungen seIber anbetrifft, so waren an ein soIches VerhaIten mehrere Vorteile gebunden, z. B.: erstens wurde die Pflanze nur ein einziges Perzeptionsorgan, fur aIle Reize zusammen, brauchen, bzw. die Statozyste; z wei ten s wurde in der Pflanze nur ein einziger Reiz fortgeleitet werden; d ri t ten s ist es ohne weiteres klar, daB aIle Reize stets eine gleiche Reaktion, hauptsachlich in einem einseitig beschleunigten Langenwachstum bestehend, veranlassen miissen. Eine solche Auffassung ist nicht neu, sondern nur schein bar ganzlich vergessen; verschiedene Forscher, wie S t a h lund N 0 I I, haben nicht nur experimentell festgestellt, daB ein Organ, auf das Schwerkraft und Licht zu gleicher Zeit einwirken, sich nicht immer auf die ResuItante beider Reize, wenn diese gesondert gewirkt hatten, einstelIt, doch hat Noll daraus schon den SchluB gezogen 1): "Der Lichtreiz ist nicht ... mit dem Bewegungsvorgang verkettet, sondern hat als Resultat nur die Umlagerung der geotropischen Struktur; damit ist sein Wirkungskreis abgeschlossen". W eiter ausarbeiten konnte er diesen Gedanken damals jedoch nicht, weil bei ihm die "geotropische Struktur" noch von ganz hypothetischer Art war und ihm so jeder weitere Ankniipfungspunkt fehIte. 1) Heterogene Induktion 1892, S. 55.

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Wenn in den letzten Jahren die Wichtigkeit der Statolithentheorie fiir die Pflanzenphysiologie vielleicht etwas weniger gewiirdigt wird, als kurz nach ihrem Erscheinen, so mochte dieses nicht so sehr daher riihren, daB neue Untersuchungen das Recht gaben, an ihrer Anwendbarkeit zu zweifeln, sondern vielmehr daher, daB ihre Weiterentwicklung ins Stocken geriet, so daB sie zur weiteren Losung der betreffenden Erscheinungen nicht mehr ausreichte. Die Physiologie verlangte also etwas N eues, urn darauf weiter bauen zu konnen. Hoffentlich wird es nun aber dieser Arbeit gelingen, das Vertrauen auf den Nutzen und auf die Fruchtbarkeit jener Hypothese neu zu beleben, wenn es erhellt, daB sie, nach notwendig gewordener Ausdehnung, noeh viel mehr zu bringen imstande ist, als vorher vermutet werden konnte. Wenn hier also versucht werden wird, die vielen hierbei in Betracht kommenden Fragen neu zu beleuehten, so befinde ich mich einigermaBen in ahnlicher Lage, in welcher N 011 sich damals, in 1892, befand: In der Erwartung, daB spatere Untersuchungen die erforderliehe anatomische Grundlage fiir seine "geotropische Struktur" verschaffen wiirden, hat er inzwischen schon unternommen, unter Zuhilfenahme seines Schemas, die Anwendbarkeit und Brauchbarkeit seiner hypothetischen Statozysten zur Erklarung der geotropischen Bewegungen zu beweisen und so den Weg zur Losung scharf anzugeben. Durch die Untersuchungen von H abe r I and und N erne C (1900) wurden alsdann seine Erwartungen in Erfiillung gebracht. Wenn ich nun hier weitergehe und annehme, daB die Pflanze nur ein einziges Sinnesorgan besitzt, bzw. fiir die Sehwerkraft, auf welches aber auch aUe sonstigen Reize einwirken konnen, und wenn dazu ein bestimmtes neues Schema aufgestellt wird, so geschieht dieses ebenfalls in der Erwartung, daB spatere Untersucher auch fiir unser physiologisches Schema die anatomische Grundlage nachweisen werden und so zeigen, daB es gleichfalls auf reellem Boden beruht. Bevor wir nun dazu ubergehen, unser Schema vorzufiihren, wollen wir zuerst die neue, sich als notwendig ergebende, ausgedehntere Hypothese aufstellen und besprechen. Unsere neue Hypothese zerfallt in 4 Unterhypothesen: 1. Die Reizbarkeit fiir Druck ist, in den Statozysten, an einer bestimmten Stelle des Protoplasten (dem "Mittelfelde") eine maximale und nimmt von dort ringsherum gleichmaBig ab; ob sie an der gegeniiberliegenden Seite = 0 oder nur gering ist, ware un wesen tHch. 2. Ein Pflanzenteil ist nur dann in Ruhe, wenn die Stelle m a x imal e r Erregbarkeit gereizt wird.

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3. Die Stelle maximaler Reizbarkeit hat, der Zellwand gegenuber, keine fixe Lage, sondern sie kann, durch bestimmte Einwirkungen, eine, aber immer Iangsame, Verschiebung erfahren. 4. Die Bewegung des Pflanzenteils findet stets in der Weise statt, daB dabei die Intensitat des Reizes in jedem AugenbIick die schnellste Steigerung erfahrt (d. h. also Bewegung der StatoIithen in der Richtung vom Maximum-gradient). Zur Erlauterung dieser Unterhypothesen moge folgendes dienen: ad 1. Die erst ere umschreibt genau die Art der VerteiIung der Erregbarheit im Protoplasten der Statozyste; sie verlangt die Anwesenheit einer MaximalsteIIe, von wo aus die Reizbarkeit ringsherum regeImaBig bis zu einem an der entgegengesetzten Seite Iiegenden Minimum abnimmt; das Minimum kann = 0 sein, aber braucht es nicht zu sein. DaB derselbe Protoplast an verschiedenen Stellen einen Unterschied in Reizbarkeit aufweisen kann, wurde nicht nur von Noll, sowie auch von H abe r I and t und N erne c angenommen, doch wurde es z. B. von Eng elm ann 1) be wiesen, daB bei E u g len a und wahrscheinIich auch bei Schwiirmsporen, nicht der hintere grune Teil die Iichtempfindliche Stelle darstellt, sondern daB diese Reizbarkeit nur dem ungefiirbten Protoplasma an der Spitze, oder sonst dem darin liegenden roten Augenfleck, zukommt 2). ad. 2. Diese Annahme ist der Noll schen 2), daB nur bei Beruhrung der nichtreizbaren Stelle Bewegung ausbIeibt, gerade entgegengesetzt. Dieser Gegensatz wird begreiflich, \Venn man bedenkt, daB es nicht Iogisch war, aus dem Ausbleiben einer Reaktion sofort auf ein FehIen jeder Reizung zu schlieBen. Es konnen doch immer Umstiinde eintreten, welche, nach stattgefundener Erregung, das Zustandekommen einer sichtbaren Reaktion verhindern. Letzteres ist nun tatsiichIich der Fall, wenn man von un serer Hypothese ausgeht. Es ist doch deutIich, daB bei Druck auf die Stelle maximaler Erregbarkeit jede Krummung ausbleiben muB, wei! urn diesen Punkt herum die Art der Reizverteilung nach allen Richtungen dieselbe ist, so daB der gereizte Pflanzenteil keine Veranlassung hittte, sicb eher nach der einen als nach der anderen Richtung zu biegen, und daB er daher gerade bleiben muB. Umgekehrt wfirde das Geradebleiben auch beweisen, daB die Maximalstelle gereizt wird, denn, wenn auf einem anderen Teile der Druck Iasten wfirde, so ware die Reizverteilung urn 1) Pfl iigers Archiv ffir Physiologie 1882, Bd.29, S.396. 2) Vgl. 0 It ill an s, tIber Phototaxis. Zeitschr. f. Bot. 1917, Bd. 9, S. 309. Flora, Bd. 123. 16

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diese Stelle herum nicht nach allen Richtungen dieselbe und konnte das Organ daher nicht in Ruhe bleiben (4. Unterhypothese). Zwar ware auch bei Reizung der am wenigsten erregbaren Stelle die Reizverteilung ringsherum wieder die gleiche, aber dann miiBte dennoch, ebenfalls nach unserer vierten Unterhypothese, Bewegung eintreten, weil dann jede Kriimmung gerade eine Steigerung des Reizes zur Foige haben wiirde. Nach unserer wie auch nach der Noll schen Hypothese veranlaBt Reizung zum SchluB an bestimmter Stelle eine Verstarlmng des Wachstums; diese ist, bei seitlichem Reize, einseitig und fiihrt daher zu einer Kriimmung. Wenn nun abel' del' Ruhestand mit del' starksten Reizung zusammen gebt, so muB wohl ebenfalls angenommen werden, daB auch bei dieser Reizung Wachstumsbeschleunigung hervorgerufen wird, welche dann jedoch, weil sie nicht zu einer Kriimmung fiihrt, nur eine allseitig gleiche sein kann 1). Durch diese Auffassung wiirde dann also auch das verstarkte Langenwachs tum unter den Bereich des Schwerkraftreizes gelangen, und dadurch miiBten weiter alle sonstigen Bewegungen, welche in ungleicher Wachstumsbeschleunigung innerhalb der Wachstumszonen ihre Veranlassung finden, damit ebenfalls zusammenhiingen. Von allgemeinem reizphysiologischen Standpunkte aus konnte gegen diese Unterhypothese vielleicht die Einwendung gemacht werden, daB auf lwnstanten Reiz Ermiidung und dadurch unvollkommene Reaktion des Pflanzenteiles folgen miisse, und daB eine ununterbrochene Reizung del' Maximalstelle demnach doch nicht zum Ziele fiihren wiirde. Demgegeniiber konnen jedoch folgende Tatsachen angefiihrt werden ~ Erstens hat Dar win gezeigt, daB kein Pflanzenteil beim Wachsen stets genau gerade bleibt, sondern daB die Spitze fortwahrend geringe Schwankungen nach allen Richtungen ausfiihrt, urn eine Achse, welche die definitive Wachstumsrichtung darstellt. Diese "Zirkumnutation" kann man als Folge einer unvollkommenen Reaktion der wachsenden Stelle auf die das Wachstum beeinflussenden Faktoren auffassen, wie ich schon friiher kurz erwahnte (vgl. Reizwirkung usw., S. 607). Ein solches fortwahrendes Hin- und Herschwanken, wie gering es auch sei, muB zur Folge haben, daB die Statolithen einen stets wechselnden Druck auf eine bestimmte Stelle ausiiben werden und datl S(} ein Ermiiden umgangen wird. 1) Vgl. auch meine Arbeit: Reizwirkung bei Rektipetalitat und bei senkrechtem Wachstum. Jahrb. f. wiss. Bot. 1922, Bd. 61, S. 602.

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Zweitens, weil die Statozysten in Stengeln und Wurzeln sich in den wachsenden Geweben befinden, werden auch sie stets neu gebildet, so daB jede einzelne Statozyste nur eine bestimmte Zeit zu funktionieren braucht. Was die Kalyptra angeht, ist es schwierig, genauere Angaben dariiber zu bekommen, wie schnell die Statozysten durch neue ersetzt werden, doch bei Stengeln, wo das tagliche Wachstum so groB oder selbst groBer sein kann wie die Lange der Wachstumszone, miissen stets innerhalb 24 Stunden aile Statozysten vollig durch neue ersetzt sein. AuBerdem will es bisweilen schein en, als wenn es zumal die jiingeren Statozysten sind, welche den groBten EinfluB auf die Bewegungen ausiiben, so daB auch dadurch die Zeitdauer ihrer Wirkung verkiirzt wiirde. ad 3. Die Annahme, daB der reizbare Teil des Protoplasten als Ganzes der Zellwand gegeniiber verschiebbar gedacht wird, eroffnet erstens eine viel einfachere Einsicht in bestimmte verwickelte Bewegungen, wie es bei der speziellen Besprechung (Abschnitt II) hervorgehen wird, und ermoglicht auBerdem, bisher unerldarte Erscheinungen in einfachster Weise den Bewegungen anzuschlieBen. Diese Verschiebbarkeit soli so aufgefaBt werden, daB sie nur durch ganz bestimmte Veranlassungen zustande kommt und stets nur langsam verlauft. Die Art und Weise wie die Verschiebung vor sich ginge, mochte vielleicht an die bekannte Chlorophyllbewegung, welche durch wechselnde Lichtintensitaten veranlaBt wird, erinnern; auch hierauf werden wir spater zuriickkommen. ad 4. Diese letzte Unterhypothese soll nns die Erklarung bringen, erstens, warum ein Pflanzenteil, der aus seiner Ruhelage gebracht wird, darin iiberhaupt wieder zuriickzukehren versucht und zweitens, warum er dabei gerade den kiirzesten Weg einschlagt; die Hypothese Noll s kann keine Antwort auf diese beiden Fragen verschaffen. Wenn dagegen die Reizbarkeit im erregbaren Teil des Protoplasten derart verteilt ist, wie in der ersten Unterhypothese angenommen, so muB unbedingt ein fortgesetztes Suchen nach starkster Reizsteigerung schlieBlich zur Folge haben, daB der Pflanzenteil in einer flachen Ebene sich kriimmt und so den kiirzesten Weg einschlagt. In keiner anderen Weise ware, wie mir scheint, ein solcher Erfolg zu erzielen, und so kann auch die Annahme des Aufsuchens der Maximalreizung 1) nicht umgangen werden, wenn eine vollstalldige Erklarung der langst bekannten Erscheinungen verlangt wird. 1) "Maximal"-Reizung ist hier selbstverstandlich gleichbedeutend mit: "unter den gegebenen Umstanden starkste" Reizung. 16*

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Dieses Erzielen der Maximalreizung ware dann. fiir die Suchbewegungen, jener "naheliegende Zweck", welcher unabanderlich zum Erreichen des weitentfernten Zweckes fiihren muB, uber welchen oben (S. 221) in bezug auf teleologische Erklarungen gesprochen wurde. Zur Unterstfitzung dieser Annahme k6nnte darauf hingewiesen werden, daB, als die Physiologie fruher vor die L6sung einer etwas ahnlichen Frage gestellt wurde, sie zu derselben Hypothese greifen muBte, als zu der einzig m6glichen, und daB sie eben darum sofort allgemein angenommen wurde und auch jetzt noch anerkannt wird. In jenem FaIle betraf es die Chemotaxis; sie wird bekanntermaBen so erklart, daB die freibeweglichen Zellen sich stets in der Richtung der Konzentrationssteigerung (oder -abnahme, je nachdem es sich urn positive oder negative Chemotaxis handelt) bewegen. Wei! diese Bewegung jedoch nur dann auf tritt, wenn die gel6ste Substanz auf die betreffenden Zellen einwirkt, d. h. also wenn die ZeBen sie als Reiz spuren, so bewegen sie sich daher auch stets in der Richtung der starkeren Reizung und werden nur dadurch (z. B. wenn es sicb urn Spermatozoiden handelt) der Mundung des Archegoniums zugeleitet. DaB man diese Zellen meistens nicbt in geraden Linien, doch stets hin- und berschwankend, sich dem Ziel nabern siebt, wird begreiflich, wenn man bedenkt, daB bei der auBerordentlicb groBen Reir.barkeit (Farnspermatozoiden lassen sich scbon durch eine L6sung von TO~O % Apfelsaure in ein R6brchen hineinlocken) auch die geringste UnregelmaBigkeit in den Konzentrationsgefallen innerhalb der Losung sie von dem geraden Wege ableiten muB, welche Abweichungen dann von den oft heftigen Bewegungen noch verstarkt werden. Solcbe StOrungen in der geradlinigen Bewegung treten bei den Suchbewegungen, welche so sebr langsam verlaufen, nie auf. Jene Auffassung der Chemotaxis wird, wie gesagt, uberall ohne jede Einwendung als richtig angenommen, obwohl von einer tieferreichenden Erklarung, warum der Spermatozoid sicb so verMlt, auch hier nicht der erste Anfang vorliegt. Da nun andererseits un sere Unterhypothese ebenso notwendig ist fUr eine voBstandige Erklarung der Sucbbewegungen wie die obige fiir die Chemotaxis, so steht dem nicbts entgegen, erstere ebenfalls auf die Statozyste anzuwenden. Mit der Phototaxis verMlt es sich auBerdem genau so wie mit der Cbemotaxis, wei! ibr Prinzip beruht auf der "Fahigkeit von Organismen, 6rtliche Unterscbiede des Lichtes zu empfinden und gemaB dem Reizgefalle darauf zu antworten" 1). 1) 0 It ill a n s, Uber Phototaxis, Zeitschr. f. Bot. 1917, Bd. 9, S. 321.

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Wenn wir jetzt, nach dieser Einleitung, dazu ubergehen konnen, unsere Hypothese in Anwendung zu bringen, ist es deutlichkeitshalber erwunscht, die Vorgange innerhalb der Statozyste mit einem gewissen Schema zu verbinden. Unter Hinweis auf die fruhere diesbetreffende Bemerkung (S. 224) nehmen wir als Statolithen hier Korperchen, welche spezifisch schwerer sind als das umgebende Plasma, an. Ais reizperzipierender Teil konnte auch bier wieder die Hautscbicbt betracbtet werden, obwobl nur dann, wenn sie auch den neueren Anforderungen unserer Hypothese entspricht. Was die andere Verteilung der Sensibilitat in der Hautschicht, in Vergleich mit der Annahme von NolI, angeht, wurde Imine Schwierigkeit vorliegen, weil sie bei beiden volIkommen auf Hypothese beruht, doch gilt solches nicht, was ihre Beweglichkeit anbetrifft. Die Wahl des reizempfanglichen Teiles war damals auf die Hautschicht gefallen, eben auf Grund ihr~ vermutlichen, volligen Unbeweglichkeit der Zellwand gegeniiber, welche fUr eine Richtungsperzeption unbedingt notwen dig ist, eine UnbewegIichkeit, welche zumal durch das Vorkommen von Plasmaverbindungen (Plasmodesmen) begreiflich scheint. Wenn un sere Hypothese dagegen eine Verschiebbarkeit der reizbaren Schicht, obwohl nur in sehr beschranktem MaBe, unbedingt erfordert, so muB entweder die Hautschicht als Reizempfanger gehandhabt bleiben, aber dann die MogIichkeit ihrer Verschiebung der Zellwand gegenuber a~erkannt werden, oder aber es muB das Vorkommen einer gesonderten verschiebbaren Schicht, zwischen Korperplasma und Hautschicht liegend, angenommen werden, welcher ausschIieBlich die Reizbarkeit zukame. Von diesen beiden Voraussetzungen ist die erstere unbedingt die einfachere, weil dabei die Hautschicht diesel be Rolle wie fruher spielen wiirde. Ais neu ware dann nur anzunehmen, daB wahrend der langsamen Verschiebung an der Zellwand entlang die Plasmaverbindungen nicht zerrissen werden, sondern mit der Hautschicht in fortwahrendem Kontakt bleiben, in ahnlicher Weise vielleicht wie z. B. die die Vakuole durchsetzenden Protoplasmastrange mit der Wandschicht in steter Verbindung bleiben, obwohl sie eine fortwahrende Lagenveranderung erfahren. Die zweite Voraussetzung wiirde dagegen die Annahme eines ganz neuen Apparates im Protoplasten erfordern, einen Apparat, welchem ausschlieBIich die Reizbarkeit fiir Druck zukommen wiirde und den man sich als kontinuierliche Schicht zwischen Kornerplasma und Hautschicht

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liegend, und beiden gegenfiber beweglich, zu denken hatte. Ein solcher Apparat branchte sich nur in den reizempfindlichen Zellen vorzufinden. Die Verteilung del' Reizbarkeit entweder in del' Hautschicht oder in jener neuen Schicht, welche wir den "statischen Apparat" nennen wollen, mfiBte dann derart sein, daB sie den Anforderungen unserer erst en Hypothese entsprache, d. h. eine maximale Reizbarkeit an einer bestimmten Stelle und regelmaBige Abnahme ringsherum aufweist. Welche von den beiden Voraussetzungen den Vorrang verdient, wollen wir dahingestellt lassen, urn so mehr, wei! beide schlieBlich auf dasselbe hinauskommen und sich beide gleich gut bei den Erklarungen del' speziellen Bewegungen verwenden lassen. Wenn wir weiterhin also das letzte Schema, das mit dem "statischen Apparate" also, benutzen werden, so geschieht dieses au s s chI i e.B 1i c h, weil dieses bei unseren Vorstellungen und Beschreibungen eine etwas groBere Bequemlichkeit darbietet. Von dem Noll schen Schema unterscheidet das unsrige sich also prinzipiell dadurch, daB ersteres nur e i n e n e i n zig e n beweglichen Teil, die Statolithen, enthalt, wahrend in unserem Schema deren z wei vorkommen, und zwar nebst den Statolithen auch noch der gesondert gedachte, reizbare Teil des Protoplasten. Der groBe Vorteil von unserem Schema beruht nun darauf, daB, wahrend eine Statozyste nach dem Noll schen Schema in einer einzigen, nur von der Schwerkraftrichtung abhangigen, SteHung in Ruhe verkehrt, bei unser em Schema jede Richtung eine Ruhestellung sein kann, wei! sie auBerdem von der jedesmaligen Lage des statischen Apparates bestimmt wird. Nun ist es zwar richtig, daB man in dieser Weise imstande ist, durch willkfirliche Verschiebungen des statischen Apparates, auch jede beliebige Bewegung und Gleichgewichtslage zu erklaren, und daB diese Erklarungen daher auch hOchst willkfirlich scheinen konnen, urn so mehr, weil jede direkte Kontrolle fiber die Richtigkeit jener Erldarungen bis jetzt fehlt. Demgegenfiber wird sich jedoch zeigen: E r s ten s: daB un sere Hypothese sehr einfache Erklarungen von bisher auBerst verwickelten Bewegungen zu Hefern imstande ist und dadurch schon eine groBe Vereinfachungunserer Begriffe veranlaBt. Z wei ten s: daB die Hypothese das Auftreten von auf Grund frfiherer Auffassungen unerwarteten Bewegungen voraussehen lieB und daB diese Erwartungen durch den Versuch vollig bestatigt wurden. D ri t ten s: daB ich mich erst entschloB, das Prinzip yom steten Suchen nach kraftiger Reizung, obwohl es etwas psychisch scheinen mag

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(doch nicht fiir mich). hier einzufiihren, nachdem ich die Uberzeugung bekommen hatte, daB dasselbe Prinzip in viel ausgedehnterem MaBe in der ganzen lebenden Natur anzutreffen ist und dort eine groBe Rolle spielt. Es ist hier jedoch nicht der Ort, darauf weiter einzugehen. Das neue Schema lieBe sich durch nebenstehende Figur (Fig. 1) vorstellen; es bedeutet darin Z die Zellwand, SA der statische Apparat und S der Statolith. Die ungleiche Starke der Linie SA solI n u r auf ihre stellenweis ungleiche Reizbarkeit deuten. Eine solche schematische Figur ist zur Darstellung aller jener Bewegungen, welche in einer flachen Ebene verlaufen, vollkommen ausreichend, doch wenn sie im Raume stattfinden, reicht sie nicht mehr aus. Fiir solche FaIle habe ich mir daher Modelle anfertigen lassen; sie bestehen aus einem klein en geschlossenen Glasapparat von der Form eines Rotationsellipsoides, 6-7 cm lang. Dieses soIl eine Statozyste vorstellen, in derem Inneren dementsprechend eine kleine Stahlkugel oder Quecksilbertropfen, der Statolith, eingeschlossen ist; an einem oder an beiden Enden des Glasmodelles wird ein kurzer ---z Stiel angeschmolzen zum bequemen Festhalten. Die jedesmalige Lage der Stelle maximaler Reizbarkeit --s A kann durch ein auEen angeklebtes rundes Papierscheibchen angegeben werden, welche man fiir be---s stimmte FaIle aus verschieden gefarbtem Papier schneiFig. 1. den kann. Wenn der angeschmolzene Stiel in das Ende einer langen Stahldrahtspirale geschoben wird, so kann das ganze einen Pflanzenteil vorstellen, welchen man die verschiedensten Bewegungen ausfiihren lassen kann, mit welchem dann entsprechende Verschiebungen des Stahlkiigelchens, dem Papierscheibchen gegeniiber, Hand in Hand gehen und welche sich von auBen bequem verfolgen lassen. Diese beiden Bewegungen, die Kriimmung des Stieles und die Verschiebung des Stahlkiigelchens, sind selbstversUindlich so vollkommen voneinander bedingt, daB nicht nur eine bestimmte Kriimmung das Kiigelchen immer wieder denselben Weg zuriicklegen IaBt, aber auch umgekehrt (und darauf kommt es hier ganz besonders an) wenn das Kiigelchen diesen Weg nimmt, muB der Stiel jene bestimmte Kriimmung ausfiihren. SO Z. B. wenn die Kriimmung in einer flachen Ebene stattfindet, muB das Kiigelchen sich in einer geraden Linie (oder besser auf kiirzestem Wege an der Innenwand des Apparates entlang) bewegen, aber wenn man umgekehrt die Kriimmung in der Weise ausfiihrt, daB das Kiigelchen

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in einer geraden Linie verschoben wird, so rnutl die Kriirnrnung in einer flachen Ebene stattgefunden haben. Unserer zweiten Unterhypothese entsprechend kann erst dann der Pflanzenteil als in Ruhe befindIich betrachtet werden, wenn irn GIas-

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a Fig. 2.

rnodell das Kiigelchen auf dern Papierscheibchen liegt, wo dieses letztere sich auch vorfindet. Urn ahnliches in einfachster Weise auch in unseren flachen Figuren anzugeben, wurde die Vorstellung gewahlt, .wie in beistehenden Figuren

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Fig. 3.

2 und 3 angegeben, und welche auch nachher stets gebraucht werden wird: in diesen stellt die autlere, starkere Linie wieder die Zellwand vor, die diinnere, inn ere den "statischen Apparat", welche jedoch hier iiberall gleich stark gezeichnet wurde; die Stelle der rnaxirnalen Reizbarkeit wird hier aber nur dadurch angegeben, dati auf eine kurze Strecke der Raurn zwischen beiden Linien ausgefiillt ist.

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Wenn eine solche Figur daher eine Statozyste darstellen solI aus einem sich im Gleichgewicht befindlichen PfJanzenteiI, so ist die e i n zig e Bedingung, daB der Statolith, welcher sich selbstverstiindlich stets am niedrigsten Punkt befindet, auf der ausgefiillten Stelle liegt. Darum befinden sich z. B. in den Figuren 2 a, b und c die Statozysten, obwohl sie untereinander ganz verschiedene Richtungen aufweisen, aIle in der Stellung maximaler Reizung, wobei das Organ sich also nicht zu kriimmen braucht. In den Figuren 3 a, b und c dagegen werden die Statozysten, obwohl sie diesel ben Richtungen haben wie in den korrespondierenden Figuren 2, nicht maximal gereizt und Mnnen also sich nicht in der Gleichgewichtslage befinden, miissen sich daher bewegen und zwar so, daB der Statozyst auf kiirzestem Wege die Stelle maximaler Reizung erreicht, was nur durch Kriimmung in der Richtung der beistehenden Pfeile zu erzielen ist. Aus denselben Figuren ersieht man weiter, daB, wenn eine Statozyste z. B. nach dem Schema von Fig. 2 c in Ruhe ist und es veriindert sich innerhalb der Zelle sonst nichts, als daB der statische Apparat verschoben wird, z. B. in der Weise, daB der reizbarste TeiI dann die Lage wie in der Figur 3 c einnimmt, der PflanzenteiI dadurch allein schon aus dem Gleichgewichte geriit und versuchen wird, sich in der Richtung des Pfeiles bei 3 c zu kriimmen. Von den verschiedenen Bewegungsgruppen und von den sonstigen Erscheinungen, welche sich an diesen anreihen lassen, wollen wir jetzt einige Beispiele besprechen, urn zu zeigen, daB es mittels unserer Hypothese tatsachlich gelingt, sie aIle unter denselben Gesichtspunkt zu bringen und so eine zugleich umfassendere doch auch einfachere Einsicht in das Ganze zu verschaffen. Daraus geht dann aber auBerdem hervor, daB auch, abgesehen von unserer Erkliirungsweise, zwischen allen jenen Erscheinungen ein inneres Band bestehen muB, mit welchem auch sonst stets Rechnung zu tragen sein wird. In dieser Arbeit werden nur die Rei z e, welche als die Veranlassungen zu den verschiedenen Bewegungen aufgefaBt werden, zur Besprechung kommen; die Vorgange, welche zum Ausfiihren dieser Bewegungen erforderlich sind, bleiben daher giinzlich auBer Betrachtung. Die hier befolgte Haupteinteilung beruht an erster Stelle auf dem verschiedenen Verhalten, welches der "statische Apparat" zeigen miiBte, weil dieser wahrend den betreffenden Erscheinungen entweder an derselben Stelle verb lei ben (Abschnitt I) oder durch irgendeine Ursache eine Verschiebung erleiden kann (Abschnitt II).

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Abschnitt 1.

Feste Lage des "statischen Apparates". Unsere Hypothese geht also von der Voraussetzung aus, daB die Wachstumsrichtung eines Pflanzenteils mit der jedesmaligen Lage des statischen Apparates (und mehr im besonderen mit der ihrer reizbarsten Stelle) zusammenhangt, und daB sie sogar von ihr bedingt wird. Wenn es nun moglich ware, in unmittelbarer Weise zu erfahren, welehe Lage del' Apparat innerhalb der Statozyste einnimmt, so ware der Beweis der Richtigkeit unserer Auffassung selbst in jedem einzelnen Fane zu verschaffen. Da jenes jedoch von vornherein ausgesehlossen ist, bleibt nur ubrig bei unseren Betrachtungen von der vermutlichen Lage des Apparates auszugehen und dann zu zeigen, daB mit dessen Hilfe eine einfache Erklarung der betreffenden Erseheinung erzielt werden kann. Die groBe Anzahl der so erworbenen, ungezwungenen Erklarungen muB dann die Wahrseheinliehkeit unserer Hypothese mitbestimmen helfen. Zuerst werden in diesem Abschnitte jene Bewegungen, bei welchen der statische Apparat als festliegend betrachtet werden kann, zur Bespreehung gelangen, wobei dann wieder unterschieden wird, ob die reizbarste Stelle entweder der unteren oder der oberen Querwand, oder einer der Liingswiinde anliegt, oder schlieBlich, ob sie der Zellachse gegenfiber eine schiefe Lage einnimmt. Nachher wird der Transversalheliotropismus der Bliitter besproehen werden, wei! es sich zeigen wird, daB dieser sieh, in ungewungener Weise, den zuvor besprochenen Erscheinungen anreihen lieBe.

A. Schwerkraft. 1. Die empfindlichste Stelle des statischen Apparates Iiegt der unteren Querwand der Statozysten an.

a) Senkrechtes Wachstum. Wenn die empfindlichste Stelle des statischen Apparates nach unten gekehrt ist, liegen in der Hauptachse (St) sowie in der Hauptwurzel ( W) die Statolithen also jener reizbarsten Stelle an und befinden diese Teile sich somit in der Ruhelage (Fig. 4). Weil diese Teile senkrecht hinauf- oder hinunterwachsen (von der D arwinschen Zirkumnation abgesehen), obwohl die Reizung am kriiftigsten sein muB, so geschieht solches, weil zu einer Krummung eher in der einen als in der entgegengesetzten Richtung keine Veranlassung besteht und daher der Reiz ausschlieBlieh als Stimulanz des Wachstums in gerader, senkrechter Richtung in den Vordergrund treten muB.

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Hierin konnte also die Erklarung Iiegen von der allbekannten Erscheinung, daB bei senkrechter Stellung das Wachstum von Hauptstengel und von Hauptwurzel ein Maximum erreicht, und daB es urn so mehr geschwacht wird, je mehr ihre Richtung von der senkrechten abweicht. Diese Verhaltnisse sind wohl nicht einfacher Art, doch werden wir nicht weiter darauf eingehen, weil, wie gesagt, in dieser Arbeit der Nachdruck auf die Reizverhaltnisse gelegt wird; hier kann ich mich daher darauf beschranken, nach dem in einer vorhergehenden Arbeit dariiber Gesagtem zu verweisen 1).

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Fig. 4.

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Fig. 5.

Nur mochte ich noch hervorheben, daB es scheint, daB, wahrend kraftigere Reizung bei senkrecht wachsenden Teilen das Liingenwachstum fOrdert, eine Verringerung derselben eine Ausdehnung in der Dicke an einer hinter der Wachstumszone liegenden Stelle veranlaBt, welche jedoch nicht auf Zellvermehrung, doch auf einer mehr oder weniger bedeutenden Streckung in radialer Richtung beruht 2). 1) Reizwirkung bei Rektipetalitat und bei senkrechtem Wachstum. Jahrb. f. wiss. Bot. 1922, Bd. 61, S. 602 ff. 2) V gl. J. M. Jan s e, Eine neue Einteilung der Pflanzenbewegungen. Flora 1927, Bd. 122, S.20ff.

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b) P 0 sit i v e run d neg a t i v erG e 0 t r 0 pis m u s. Wenn eine senkrecht gewachsene Pflanze in eine andere, z. B. wagerechte Stellung gebracht wird, so zeigt die Hauptwurzel positiven, die Hauptachse negativen Geotropismus. In jener Stellung treten die Statolithen, wegen der veranderten Richtung in Beziehung zur Schwerkraft, nach einer der Seitenwande uber, wie in a der Fig. 5 beim Stengel sowie bei der Wurzel. Die betreffenden Organe konnen sich dann nicht mehr in der Gleichgewichtslage befinden; urn diese wieder zu erreichen, mussen, nach unserer Hypothese, die Statolithen auf kiirzestem Wege wieder die reizbarste Stelle zu erreichen suchen, was nur dann stattfindet, wenn der Stengel sich emporkriimmt, die Wurzel dagegen sich nach unten biegt (beide in einer senkrechten Ebene), wie es durch die beiden Lagen b in umstehender Figur verdeutlicht wird. DaB die Krummungen, welche beide Teile ausfiihren, in en t g e ge ngesetzten Richtungen verlaufen, obwohl die Statolithen in den Stellungen a unter ganz denselben UmsUinden ve~kehren, wird begreiflich, wenn man bedenkt, daB die Lage der reizbarsten Stelle im statischen Apparate der der Wachstumszone gegeniiber eine entgegengesetzte ist: im Stengel liegt sie der Kriimmungszone zugekehrt, in der Wurzel dagegen ist sie von ihr abgewendet. c) Einwirkung der Zentrifugalkraft. Auch die zuerst schon von K n i g h t (1806) erIorschte Einwirkung der Zentrifugalkraft auf die Wachstumsrichtung von Keimstengel und Keimwurzel laBt sich, von unserem Schema ausgehend, in einfachster Weise begreiflich machen. Wenn auf eine senkrecht gestellte Pflanze eine Zentrifugalkraft (Z in Fig. 6) einwirkt, wird diese zunachst eine mechanische Verschiebung der Statolithen in der Richtung jener Kraft zur Folge haben, wie in der Figur bei a angedeutet ist; in Stengel und in Wurzel muB die Verschiebung in derselben Richtung stattfinden. In beiden ist dadurch die Gleichgewichtslage gestOrt worden, wie aus der Figur zu ersehen ist; urn wieder darin zuriickzukehren, muB der Stengel sich der Richtung der Zentrifugalkraft en t g e g en, also nach links ii berbiegen, wahrend die Wurzel nur durch Kriimmung in der Richtung jener Kraft, nach rechts, ihre Ruhelage wiedergewinnen kann, wie in b. Es stimmt dieses also mit den bekannten Erfahrungen vollkommen iiberein. (Beim Gebrauch der oben S. 239 beschriebenen Glasmodelle soll zur Darstellung dieser Vorgange ein Modell mit einem Stahlkiigelchen als Statolith be-

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nutzt werden, welches man dann mit Hilfe eines kraftigen Magneten zur Seite zieht.)

2. Lagerung an der oberen Querwand. Wenn die reizbarste Stelle des statischen Apparates der oberen Querwand anliegt, wie in den Figuren 7 a fur den Stengel und 7 b fUr die Wurzel, so konnen diese Organe in jenen Stellungen nicht in Gleichgewicht sein, wei! die Statolithen gerade dann den entgegengesetzten Querwanden anliegen. Es mussen beide also eine Stellungsanderung erfahren, bis sie die Lage 7 a, resp. 7 b, angenommen haben. z

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Fig. 6.

Fig. 7.

Solche Verhaltnisse muBten vorkommen bei positiv geotropischen Stengel organ en (z. B. Fruchtstiele von Arachis u. a.) und bei den negativ geotropischen Wurzeln (Atemwurzeln von Jus s i e u a, Son n era t i a und A vic e n n i a, sowie Luftwurzeln einzelner tropischer Orchideen, wie Grammatophyllum, Cymbidium, Oncidium). Von TischIe r 1) konnte dann auch nachgewiesen werden, daB die Wurzeln gel) Untersuchungen an Mangrove- und Orchideenwurzeln mit spezieller Beziehung auf die Statolithentheorie des Geotropismus. Ann. Jard. Botan. de Buitenzorg 1910, 3. Suppl. I, S. 131.

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nannter Pflanzen tatsachlich negativ-geotropische Kriimmungen ausfiihren konnen, und daB sie aIle auch StatolithensHirke fiihren, gerade wie bei sonstigen W urzeln. Wenll sie dennoch eine ganz abweichende Wachstumsrichtung annehmen, so kann solches nur auf einer entgegengesetztell Lage der reizbarell Struktur im allgemeinell, hier also der reizbarstell Stelle, beruhell. 3. Lagerung an einer der Liingswlinde.

Die transversal-geotropischen Organe verllingern sich stets in wagerechter Richtung und sind auch dann nur im Gleichgewicht; werden sie von dieser Richtung abgelenkt, so kriimmen die wachsenden Teile sich derart, daB sie in schnellster Weise wieder in die horizon tale Lage zuriickkehren. Von derartigen Pflanzenteilen sind erstens die meisten Rhizome, zweitens die Seitenzweige mancher Koniferen und anderer Baume die meist bekalllltell Beispiele. doch auch sehr viele Blatter gehoren zu dieser Gruppe.

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a) Rhizome.

Ueber das VerhaIten von Rhizomen hat Elfvingl) zuerst berichtet; das Ergebnis seiner Versuche laBt sich in einfachster Weise durch unsere Figur 8 erklaren: wenn die reizbarste Stelle des staFig. 8. tischen Apparates der momentan unten liegenden Langswand anliegt, kann das Rhizom nur dann in deT Gleichgewichtslage verkehren, wenn es wagerecht liegt, wei! nur dann auch die Statolithen auf jener Stelle zu Iiegen kommen (8 a); wird das Rhizom aus dieser Lage gebracht (8b), so. muB es daher durch eine entsprechende Kriimmung versuchen darin zuriickzukehren (8 c). Ahnliches muE stattfinden, wenn die Rhizome in eine beliebige andere Lage gebracht werden. Es sei hier iibrigens noch bemerkt, daB die drei von Elf v i n g benutzten Rhizome, z. w. von Heleocharis palustris, Sparganium ramosum, Scirpus maritimus, alle anatomisch und wahrscheinlich auch physiologisch radiiir gebaut sind. Ahnliche Versuche mit Rhizomen von ausgesprochen dorsiventralem Bau, kennbar z. B. durch die oft ab1) Fr. Elf v i n g, fiber einige horizontal wachsende Rhizome. Arb. bot. lnst. Wiirzburg 1880, Bd. II, S. 489.

Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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geflachte Form und das Auftreten von Wurzelbildung nur an der Unterseite (I r is, A cor u s) wurden nicht genommen, und doch ist es von vornherein noch nicht sicher, daB beide Arten von Rhizomen in aller Hinsicht ubereinstimmende Ergebnisse liefern wiirden; Ausdehnung jener Versuche ware daher erwunscht. (1) Horizontale Seitenzweige von Koniferen und von Laubhiilzern_

Bei verschiedenen Baumen stehen die Seitenzweige erster Ordnung in wagerechter Richtung au, und auch die Seitenzweige hOherer Ordnung werden dann vielfach in der horizontalen Ebene ausgebreitet. Frank 1) hat zuerst dargetan, daB diese Eigenschaft auf Transversalgeotropismus beruht, unter anderem weil sie eben falls durch Biegungen stets in die friihere Richtung zuriickzukehren versuch~n. Selbst findet solches statt, und das ist hier von besonderer Wichtigkeit, wenn sie sich im

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Fig. 9.

Dunkeln befinden, so daB dem Lichte dabei gar keine Bedeutung zukommt, wie von vornherein kaum vermutet werden konnte. Dasselbe gilt fiir die wagerecht stehenden Seitenzweige der Laubbiiume, was F ran k (I. c. S. 30-42) ebenfalls durch Versuche gelang, zu beweisen. Es fiel ihm dabei auf, daB die Zweige, welche kiinstlich durch Anbinden aus ihrer urspriinglichen Lage gebracht werden, zwar stets versuchen, sich so zu kriimmen, daB die wachsenden Spitz en wieder in die natiirliche Lage gelangen, doch daB sie dabei nicht immer denselben Weg folgen. Ein bestimmter Weg, der kiirzeste, wird dabei zwar am h1iufigsten eingeschlagen, doch bisweilen wird auch ein anderer, etwas langerer, gewiihlt. 1) Die natiirliche wagerechte Richtung usw.

Leipzig 1870.

S. 22-30.

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Am haufigsten wird eine dem Zweige aufgezwungene Kriimmung, nach oben oder nach unten, einfach durch eine mit Wachstum verbundene entsprechende Gegenkriimmung wieder vollsHindig aufgehoben (Fig. 9 a, b; die Spirale bedeutet der Bindfaden, die punktierte Linie die spatere Lage); seltener wird die Kriimmung beim Weiterwachsen gesteigert, so daB die Spitze noch weiter iiberbiegt und so doch wieder in der wagerechten Lage anlangt (9 c). Weil in letzterem Falle jedoch die friihere Unterseite oben zu liegen kommen wiil'de, findet, zugleich mit dieser Kriimmung, auch noch eine Achsendrehung um 180 0 innerhalb der Wachstumszone (wie in 9 c durch den gebogenen Pfeil angegeben) statt, so daB schlieBlich die fl'iihere Oberseite doch wieder zu der oberen wird. Wenn das Wachstum des Haupttriebes nicht mehr lange genug andauerte, um die angefangene Bewegung ganzlich zu beenden, so beobachtete F ran k, daB dieser es nicht weiter als bis zum Umbiegen brachte, doch daB dann seine, Hinger wachstumsfahig bleibenden, Seitenzweige jede fUr sich die Achsendrehung ausfUhrten. Mit Hilfe unserer Hypothese konnen aIle diese Bewegungen in einfacher Weise erklart werden, wie aus den beigehenden Figuren 10 zu ersehen ist. Fig. 10 a stellt die horizontale Ruhelage des Seitenastes vor, welche Lage durch Anbinden in eine vertikale iibergefiihrt wurde (wie in allen folgenden Figuren). In 10 b ist der Statolith dadurch nach unten gesunken, liegt also nicht mehr der reizbarsten Stelle auf. Um wieder dahin zuriickzukehren, stehen ihm jetzt drei Wege offen; in der Figur sind sie durch unterbrochene Linien angegeben, wobei die Strichlinien in der Papierebene liegend gedacht werden, wahrend die punktierten der inneren Oberflache der Statozyste entlang laufen, also unter (odeI' iiber) unserer Papierebene. Um sich eine richtige Vorstellung del' verschiedenen Vorgange zu verschaffen, ist hier speziell das beschriebene Glasmodell ziemlich unentbehrlich. Del' erste Weg, welchen der Statolith nehmen kann, von 1 nach 2, wird von der Strichlinie 1-2 angegeben; dies em entspricht daher die beschriebene Riickkriimmung in der Vertikalebene, und sie bringt den Seitenzweig in die Stellung von 10 c, welche wieder die Ruhelage ist; diesel' Fall trat also am haufigsten auf und entspricht, wie man sieht, auch dem kiirzesten Wege des Statolithen. Der zweite Weg, 1-3-2, besteht aus einer Kombination von Uberbiegen und von einer gleichzeitig auftretenden Achsendrehung, durch welche also der Zweig zwar die falsche Richtung einschlagt, aber dennoch mit einem Male wieder in die Ruhelage iiberfiihrt wird (10 c,). Dieser Weg ist einerseits offen bar etwas langer wie der erste, doch ist

Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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er andererseits der kiirzeste, welcher unter diesen Umstanden von 1 nach 2 fiihrt. Auf dem dritten Wege, 1-4-2, verlaufen Uberbiegen und Achsendrehung getrennt: zuerst wird ,das Organ durch Weiterfiihren der ihm durch Anbinden verliehenen Kriimmung, von b in die Lage c" gebracht, welche Bewegung also dem Weg 1-4 des Statolithen entspricht, nachher findet die Achsendrehung statt, wobei der Statolith den Weg 4-2 nimmt, so daB das Organ wieder zur richtigen Endstellung gelangt (d,,). Dieser Weg ist deutlicherweise wiederum langer fiir den Statolith en wie der zweite.

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d. Fig. 10.

Aus diesen Beispielen zeigt sich deutlich das stetige Bestreben den Kriimmungsweg zu verkiirzen oder, was auf dasselbe herauskommt, wahrend der Bewegung die Reizsteigerung moglichst zu beschleunigen, denn der kiirzeste Weg des Statolithen wird fast immer eingeschlagen, der ein wenig langere viel seltener, wahrend der dritte, langste Weg nur gewahlt wird, und dann nur zum Teile voIlbracht wird, wenn das begrenzte Wachstum des Zweiges eine voIlstandige Ausfiihrung des Vorganges nicht mehr zulaBt, so daB der letzte Teil, die Achsendrehung, ganzlich den Seitenzweigen iiberlassen wird. Es kOnnte anfangs scheinen, als wenn die Schwerkraft ausschlieBlich benutzt werden solIte, urn in irgendeiner W;eise die horizon tale Lage des Zweiges wieder herzusteIlen und daB dann mehr spezieU dem Lichte die Rolle zuerteilt ware, die Oberseite stets nach oben zu kehren; demFlora, Bd. 123.

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gegeniiber lwnnte F ran k (S. 29) beweisen, daB auch die Achsendrehungen auf einer Wirkung der Gravitation beruhen, eine Aussprache also, welche die Anwendung unserer Hypothese vollig rechtfertigt. r) Bliitter.

Frank (1. c.), der zuerst die Ursache der natiirlichen SteHung der Blatter, bei NadelhOlzern sowie bei Laubbaumen. eingehend untersuchte, zeigte (S. 64), daI3 diese ,durch die Schwerkraft allein bewirkt werden kann und zwar in manchen Fallen im Dunkeln wie im Lichte mit derselben VollsHindigkeit. Auch dieses war einigermaBen iiberraschend, weil doch eine intensive Funktion der Blatter in erster Linie mit der giinstigsten Lage dem Lichte gegeniiber zusammenhangt und eine allgemeine und vorwiegende Regulierung dieser Lage durch den Lichtreiz daher zu erwarten gewesen ware. Seitdem haben die Versuchsergebnisse vieler anderen Untersucher diese Auffassungell nur noch verstarkt und so konnte P f e ff e r z. B. in seiner Physiologie sagen (1904. II, S. 687): "Denn auf diese Weise wird unter normalen Verhaltnissen bereits durch die geotropische Reizung eine Orientierung des Blattes gewonnen, die entwcder schon eine giinstige Lichtlage gewahrt, oder doch in eine solche, zumeist durch eine maBige phototropische Orientierungsbewegung, iibergefiihrt werden kann". DaB der Schwerkraftreiz in erster Linie fUr die Blattorientierung maBgebend ist, muB also als endgiiltig festgestellt betrachtet werden. Ein weiterer treffender Beweis dafiir wird hier unten bei der Besprechung der Stengeltorsionen (S. 252) noch erwiihnt werden. Heliotropismus, nach unserer Auffassung somit durch Einwirkung des Lichtes auf den Statozysten veranlaBt (siehe auch den zweiten Teil dieser Arbeit in einem der nachsten Hefte) , und Transversalheliotropismus wiirden dann, letzterer mittels der "Linsenzellen" H abe rI and t s, notigenfalls die feinere Einstellung der Blatter verursachen. Die Lage der reizbarsten Stelle an der unteren, also der Unterseite der Blatter zugewendeten, Langswand wiirde, wie bei den soeben besprochenen Rhizomen und Zweigen, das stetige Aufsuchen der horizontalen SteHung der Blatter erklaren. Die besondere Orientierung dieser Blatter und Zweige, welche hier als Fo\ge des Transversalgeotropismus gedeutet ist, wurde friiher an einer inneren Eigenschaft, der Plagiotropie, zugeschrieben 1); sie sind 1) J. Sac h s, Uber orthotrope und plagiotrope Pflanzenteile. Arb. Bot. Inst. Wiirzburg 1879, I3d. II, S.227.

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schon durch ihre Lage den senkrecht wachsenden orthotropen Organ en entgegengesetzt. In seiner Arbeit weist Sac h s (S. 248) darauf hin, daB plagiotrope Pflanzenteile durch Zusammenrollen oder Zusammenfalten or thotrop werden und erinnert dabei, was die hOheren Pflanzen anbetrifft, an die in jugendlichem Zustande aufgerollten Blatter von Nuphar, Pinguicula und von den Grasern, auch an die becherfOrmigen Blatter von Nepenthes und Sarracenia, nnd schlieBlich an die zusammengerollten Blattknospen der meisten Monokotylen, welche aIle senkrecht stehen, doch deren Blatter bei Weiterentwicklung sich, wenn moglich, horizontal ausbreiten. Die schwertfOrmigen Blatter von Iris usw. sind zusammengefaltet, was aber denselben Erfolg hat. Bei allen beruht die senkrechte Stellung offen bar darauf, daB jede FJanke fiir sich nach unten biegen will, doch daran durch die gegeniiberliegende verhindert wird, solange sie fest miteinander verbunden sind. Mit Hilfe unserer Hypothese waren auch diese Erschei~ungen in einfacher Weise zu erklaren: es ist von vornherein deutlich, daB es keine einzige Lage gibt, in welcher an die Anforderungen aller so verschieden orientierten Statozysten zu gleicher Zeit und vollig Geniige getan werden kann, so daB nur dann eine Ruhestellung erreicht wird, wenn die Anforderungen jeder einzelnen Statozyste in gleichem MaBe, obwohl dann nur unvollstandig, erfiiIlt werden; dieses findet nur in der vertikalen Lage statt, weil nur in dieser Stellung alle die Statozysten symmetrisch urn eille bestimmte Richtung, die Lotlinie, angeordnet sind. 15) Torsionen.

Die Torsionen, welche bisweilen an Achsen, Blattstielen usw. auftreten, scheinen nicht immer in derselben Weise zustande zu kommen. Das Kennzeichen einer typischen Torsion ist, daB die Achse dabei voIlkommen gerade bleibt. Sie kann nur dadurch entstehen, daB die auBeren Gewebe fortfahren zu wachsen, wahrend das Zentralgewebe schon zu wachsen aufgehOrt hat. Da solche Torsionen nicht zu einer festen Orie~tierung der betreffenden Pflanzenteile fiihren, brauchen sie t hier nicht weiter besprochen zu werden. Eine schein bare Torsion kann man sich so entstanden denken, daB ein korkenzieherartig gewundener Teil so sehr in die Lange ausgezogen wird, daB die zuvor ebenfalls spiralige Achse fast oder ganzlich in eine gerade Linie iibergeht. Torsionen, welche in dieser Weise entstehen, kommen im Pflanzenreich wohl nicht vor, aber andererseits Mnnen korkenzieherartige Spiral en auftreten, welche so steil aufsteigen, daB die 17*

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Achse beinahe gerade ist und das Ganze daher fast wie eine typische Torsion aussieht. Eine andere Art Torsion, welche ebenfalls zu einer bestimmten Orientierung der betreffenden Teile fiihrt, muB hier etwas ausfiihrlicher besprochen werden. Sie bezieht sich auf die bekannte Erscheinung, daB bei Strauchern und Baumen an den ungefahr wagerecht gewachsenen Zweigen aBe Blatter in einer, meist horizontalen, Ebene Iiegen. Die Torsion zeigt sich an Zweigen mit sehr verschiedenartiger Blattstellung: z. w. 1/2, 2/s und auch bei Dekussierung; sie tritt, wie F ran k 1) gezeigt hat, im Dunkeln in genau derselben Weise auf wie im Lichte und muE demnach ausschlieBlich durch die Schwerkraft veranlaBt werden. Am auffallendsten zeigt sich die Erscheinung bei Dekussierung, weil dabei jedes Internodium urn 90 0 tordiert wird, abwechselnd nach links und nach rechts, wie es die Fig. 7 (bei F ran k) zeigt. Eigentiimlich ist dabei, daB immer nul' ein einziges Internodium im Wachstum begriffeu ist; erst wenn das jiingste sein Wachstum einstellt, fiingt das nachfolgende zu wachsen und zu tordieren an. Bei dekussierter Blattstellung verlauft alles immer nach diesel' Regel; nie folgt auf eine Linksdrehung abermals eine Linksdrehung, obwohl auch dadurch das letzte Blatt in die erwiinschte Lage geraten wiirde. Bei Zweigen mit 2/s-Blattstellung dagegen kommt es wohl ein einzelnes Mal vor, daB zwei aufeinanderfolgende Blatter an derselben Seite des Zweiges gelegen sind, welches durch eine Drehung in die falsche Richtung hervorgerufen wurde; dabei war dann der etwas langere Weg gewahlt. DaB es bei diesen Vorgiingen die Blatter sind, von welchen die Veranlassung zur Torsion des Stengels ausgeht, wird in auffallender Weise durch einen von de V r i e s 2) angestellten Versuch bewiesen: als er bei Philadelphus und Deutzia die beiden Blatter von einem Blattpaare, das soeben aus del' Knospe hervorgetreten war und das von einem noch nicht tordierten Internodium getragen wurde, abschnitt, trat nachher eine Torsion auch nicht ein, so daB die Blattnarben auch am Ende der Entwicklung vertikal standen. Dadurch verblieb nun aber das nachste Blattpaar schon von vornherein in der normalen, horizontalen Stellung 1) Die natiirliche wagerechte Richtung usw. Leipzig 1870, S. 56 ff. 2) Uber einige Ursachen der Richtung bilateral-symmetrischer Pflanzenteile. Arb. bot. lnst. Wiirzburg 1872, Ed. I, S. 273.

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und dementsprechend bekam das nachfolgende Internodium auch keine Torsion 1). Die Ursache der Torsion muB demnach ungezweifelt in denselben Statozysten gesucht werden, welche auch in diesen Bliittern den Transversalgeotropismus hervorrufen. Genau so wie die Statozysten der genannten Blattter, an horizontalen Zweigen sitzend, die Torsion der Internodien beherrschen, wodurch sie, trotz der Dekussierung, aHe in eine Ebene gesteHt werden, scheinen sie auch bei einigen zygomorphen Bliiten auf die sie tragenden Internodien des Bliitenschaftes einzuwirken. Nur so doch latH sich die Beschreibung Noll s von den Beobachtungen an den Interfloreszenzen von Scutellaria und Digitalis deuten 2 ): ihre Bliitenspindel neigen normal so sehr iiber, daB der obere Teil "in eine schrage, oft annahernd horizontale Lage gerat. Durch entsprechende Torsionen der Internodien urn 90 0 werden dann, genau wie bei horizontal wachsenden Philadelphus-Zweigen die Blatter, so hier die Bliiten, zweizeilig gesteHt und zwar so, daB dieselben seitlich an der Spindel zu liegen kommen". 4. Schiefe Lagerung des statischen Apparates.

Wenn auch in vielen Fallen die Seitenorgane erster Ordnung wagerecht abstehen, wie oben besprochen, so bildet eine schiefe Stellung doch unbedingt den haufigsten Fall; sie tritt auBerdem nicht n ur bei Asten, sondern auch bei Bliiten und bei Wurzeln auf. a) Seitenaste. Die SteHung, welche Seiteniiste erster Ordnung im Raume, also der Lotlinie gegeniiber, ann ehmen, ist bei den verschiedenen Pflanzen eine sehr verschiedene, aber doch fUr jede Art stets diesel be; es tragt dieses nicht wenig dazu bei, der Pflanze ihr charakteristisches AuBere zu verleihen. Eine so konstante Lage muB unbedingt eine bestimmte inn ere Ursache haben und so liegt es fUr uns nahe, diese Ursache darin zu suchen, daB auch hierbei die Schwerkraft regulierend eintritt. Wir 1) Einige weitere von de Vries beschriebenen Versuchsergebnisse, ebenfalls auf S. 273, nach welchen, nach dem Abschneiden von nur einem Blatte eines Blattpaares, keine Torsion eintrat, wenn das obere Blatt entfernt wurde, doch dagegen eine sehr bedeutende Torsion (von etwas iiber 90 0 ) eintrat, wenn das untere abgeschnitten war, sind zur Zeit nicht zu erkliiren. Schon P f e f fer (Physiologie 1904, II, S.694, Note 1) meinte, daB Nachuntersuchung von diesem Ergebnis nlltig war. 2) Arb. d. bot. Inst. Wiirzburg 1883, Bd. III, S. 238.

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konnen uns dieses so vorsteIlen, daB in jenen Fallen in den betreffenden Statozysten die reizbarste Stelle des Apparates eine Mittelstellung einnimmt, zwischen Quer- und Langswand, so daB der ganze Apparat der Zellachse gegeniiber schief orientiert ist. Solche Mittelstellungen gibt es natiirlicherweise viele, und daher ist auch immer eine dabei, welche einer der sehr verschiedenen Stellungen der Seitenaste entspricht. Die Figuren 11 a, b und c verdeutlichen, wie die Aste von z. B. Populus pyramidalis (a) sowie auch die von verschiedenen Laubbiiumen, wie z. B. andere Popul us-Arten (b) und Tilia (c), sich aIle in der Ruhelage befinden konnen, trotzdem sie sich in so verschiedenen Richtungen entwickelt haben. DaB hierbei von einer fixen Lage gesprochen werden konnte, ware jedoch erst durch Abbiegen in verschiedenen Richtungen zu beweisen, weil sie dann durch Kriimmungen ihre natiirliche Richtung wieder aufnehmen miiBten. Es scheint, daB solche Versuche bisher noch nicht unternommen wurden, wahrscheinlich weil die Frage, ob auch diese natiirlichen Stellungen einer aktiven, fixen Lage der Schwerkraft gegeniiber entsprachen, nicht gestellt wurde, und so die direkte Veranlassung zu solchen fehlte. Fig. 11. b) S e i ten w u r z e I n. Das Wachstum von den Nebenwurzeln wurde bekannterweise von Sachs schon vor vielen Jahren eingehend untersucht t ); das Hauptergebnis, zu welchem er gelangt, war, daB die Seitenwurzeln erster Ordnung stets einen bestimmten, fiir jede Art verschiedenen Winkel mit der Hauptwurzel bilden und in dieser Richtung gerade weiterwachsen. Seine Erklarung ging darauf hina.us, daB sie einen geringeren Grad von Geotropismus besitzen, wodurch sie nicht senkrecht hinunterwachsen wiirden. Zum Beweise stellte er den bekannten Versuch an, in welchem er das Wurzelsystem einer Keimpflanze sich hinter einer Glaswand entwickeln lieB, das Ganze dann um 180 0 drehte, mit der Oberseite nach 1) Arb. d. bot. Inst. Wiirzburg 1874, Bd. I, S. 584.

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unten, urn nachher, als die Nebenwurzeln die neue Richtung angenommen hatten, den Kasten wieder in seine friihere Lage zuriickzubringen; dann kriimmten die Seiten wurzeln sich nochmals, bis sie ihre urspriingliche Richtung wieder angenommen hatten. Un sere Fig. 12 ist eine Kopie von den zwei bOchsten Seitenwurzeln von Vicia aus dem Sachsschen Versuch (1. c., S. 605); die klein en Pleile geben die jedesmalige Richtung der Schwerkraft an. Wenn wir dies en Versuch rekonstruieren unter Anwendung unserer Hypothese, so kann die normale Ruhelage durch Fig. 13 a vorgestellt werden, weil darin der Statolith auf der reizbarsten Stelle ruht; nach Umkehrung der PfIanze nimmt das Ganze die Lage b an. Darin kann das Organ jedoch nicht mehr in Ruhe sein, weil die reizbarste Stelle oben, der Statolith unten b liegt. Es wird sich daher nach unten kriimmen und, nach der Auffassung von

Fig. 12.

Fig. 13.

Sachs damit aufhoren, wenn es die Lage c angenommen hat, weil es dann wieder den Winkel a mit der Hauptwurzel, also auch mit der Vertikale, macht. Diese Zeichnung c zeigt jedoch, daB nach unserer Auffassung die Wurzel dann noch nicht in ihrer Ruhelage angelangt sein kann, weil diese erst in der Lage d erreicht ware, in welcher der Statolith also genau dieselbe Lage hat wie in a. Auch noch in anderer Weise liiBt sich zeigen, daB die Sachssche Auffassung betreffs der Nebenwurzeln mit unseren Darstellungen in Streit ist. Wenn namlich eine Seitenwurzel immer in der Ruhelage verkehren wiirde, wenn sie nur den bestimmten Winkel mit der Lotlinie macht, so

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miHlte sie auch dann noch ungestort weiterwachsen, wenn der Kasten urn 180 0 gedreht wird, doch so, daB die Seitenwurzel dabei die Drehungsachse darstellt; es kommt dieses auf dasselbe heraus, als wenn man den Kasten in del' Vertikalebene dreht, also urn eine horizon tale Achse, uber einen Winkel von 2 a, so daB die Nebenwurzel dann doch wieder den Winkel a mit der Lotlinie macht; Fig. 14 a stellt Haupt- und Nebenwurzel dar vor dieser Drehung und b dieselben nachd~m. Nach Sachs muBte nun die Nebenwurzel auch in der Lage b in der Ruhelage verkehren und somit gerade weiterwachsen, nach unserer Auffassung ware sie hingegen aus ihrer Ruhelage gebracht, wie aus der Skizze b zu ersehen ist, und muBte sich krummen, bis sie die Lage c erreicht hat, welche wiederum diesel be ist wie die Anfangslage a. Die Richtigkeit dieser SchluBfolgerung muBte experimentell zu prufen sein. Zu diesem Zwecke habe ich dann auch einige vorlaufige

Fig. 14.

Versuche angesteIlt, in welchen ich Samen von Ph a s eo Ius, Pis u m und Vic i a, in dem sogenannten Sac h s schen Kasten hinter Glas keimen lieB. Ais die Seitenwurzeln erster Ordnung eine Lange von einigen Zentimeteru erreicht hatten, wurde der Kasten urn eine horizontale Achse uber einen Winkel von 2 a gedreht, so daB die Nebenwurzeln an der jetzt unteren Seite der Hauptwurzel die Lage wie in Fig 14 b annahmen, aber dabei doch den gleichen Winkel a mit der Lotlinie (L) machten, wie vorher. Schon am nachsten Tage war es sehr auffallend, daB keine von diesen Nebenwurzeln in der fruheren Richtung weitergewachsen war, wie es doch nach der Auffassung von Sachs hiitte geschehen sollen; aIle hatten sich dagegen mehr oder weniger nach unten gekriimmt, in der Richtung also, wie von Fig. 14 c angegeben, und unserer Erwartung also volIkommell entsprechend. Die Nebenwurzeln an der jetzt oberen Seite der Hauptwurzel waren durch die Drehung des Kastens ebenfalls in eine ganz andere

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Lage zur Lotlinie gegenuber gelangt und hatten sich demnach ebenfalls nach un ten gekrummt, doch dieses hiitte auch nach Sachs scher Auffassung geschehen mussen. Eine weitere Untersuchung des Verhaltens der Nebenwurzeln ist inzwischen durch die obigen vorlaufigen Ergebnisse sehr erwiinscht geworden, auch weil noch andere Fragen sich daran anschIieBen. c) B I u ten. Auch fur BIuten ist eine bestimmte Orientierung der Schwerkraftrichtung gegenuber von hOchstem Gewichte; zumal gilt ·dieses fur die zygomorphen BIumen, weil davon ihre giitIstige Lage fiir die Bestaubung durch Insekten abhiingig sein kann 1). Einzelstehende BIuten mussen jede fur sich diese Stellung zu erreichen suchen, doch an Infloreszenzen im allgemeinen, und speziell bei Trauben, kann auch der BIutenschaft in hohem MaBe dabei behilflich sein. Sehr allgemein tritt auch bei sol chen Pflanzen die Erscheinung . zutage, daB die Infloreszenzachsen ihren negativen Geotropismus lange beibehalten und daB die dabei auftretende Krummung stets unterhalb der noch geschlossenen BIuten auftritt (Noll, S. 213); demzufolge wirdjeder BIiite die Gelegenheit geboten, ihre Eigenbewegung stets unter normalen Verhiiltnissen, was die Richtung der Schwerkraft anbetrifft, auszufiihren (I. c. S. 251). DaB jedoch auch jede BIute fiir sich unter allen Umstanden imstande ist, die ihr passende Lage anzunehmen, und daB zwischen den verschiedenen Teilen einer Infloreszenz bestimmte korrelative Verhaltnisse eine Rolle spiel en, geht wohl am besten aus dem sehr instruktiven Versuche mit Umbelliferendolden hervor (S. 192 und Fig 3, 4 und 5). Es zeigte sich dabei namlich, daB je nach der Stelle, wo die Infloreszenz in einer Klemme fixiert wurde, entweder nur der Doldenstiel sich kriimmte oder nur die einzelnen Stiele der Doldchen oder endIich jeder der Blutenstiele fur sich. In den beiden ersteren Fallen wurden also die Bltlten tatsachlich einer selbstandigen Orientierung enthoben. Zumal an traubenartigen Infloreszenzen weisen auch die BIuten einen "geotropischen Grenzwinkel" auf, und bestrebt sich die Achse, womoglich ihren bliitentragenden Teil senkrecht zu stellen, so daB die BIuten dadurch schon ohne weiteres die normale Lage zur Lotlinie erhalten. DaB es, ebensowenig wie z. B. bei den Seitenwurzeln, nur auf das Beibehalten dieses Winkels ankommt, laBt sich auch hier durch 1) Vgl. z. B. Noll, Uber die normale Stellung zygomorpher Bliiten usw. Arb. d. bot. lnst. Wiirzburg, Bd. III, I 1885, S. 189-252; II 1887, S. 315-371.

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J. M. Janse,

Umkehren der ganzen Pflanze beweisen; man sieht dann, daB die BIuten stets danach streben, ganzlich in die friihere Lage zuruckzukehren. Die ausfuhrliche Besprechung der betreffenden Versuche Noll s haben gezeigt, daB dieses durch Zusammenwirken von negativem Geotropismus (Mediankriimmung) und von einer Lateralbewegung verursacht wird 1). Noll beschreibt (S. 204 ff.) fur A con it urn ausfuhrlich die beobachteten Versuchsresultate. Bei Horizontalstellung der Hauptachse, wahrend ihre geotropische Aufwartskriimmung verhindert wurde, gelangten die BIuten in sebr verschiedener Lage der Lotlinie gegenuber; dennoch erreichten aIle, durch negativ-geotropische Kriimmung, alsbald wieder die ursprungliche Orientierung; nur die seitlich stehenden BIuten bedurften dazu noch einer geringen nachherigen Lateralkrummung.

Fig. 15.

Bei inverser Aufstellung verhielt sich die Sache dagegen etwas anders; unsere Fig. 15 moge die verschiedenen Bewegungsstadien der BIute angeben: Fig. 15 a stellt die normale Lage der BIute vor (doch zugleich eine der Statozysten in der BIute), 15 b dieselbe BIute bei umgel{ebrter Stellung der Achse. In etwa 10 Stunden krummte die junge, eben geoffnete BIute sich dann in der Vertikalebene empor (15 e) und gelangte dabei zwar in die richtige Lage der Lotlinie gegenuber, doch war ihre Offnung jetzt der Achse zu- anstatt abgewendet. Damit 1) Urn zurnal diese Bewegungen richtig zu verstehen, ist einer der oben (S. 20) beschriebenen Glasapparate kaurn zu entbehren. Da es fUr diesen Zweck notwendig war, auch die Lage der Statozyste der Symrnetrieebene der Bliite gegenliber anzugeben, wurde das Ellipsoid am Ende schief abgeplattet und an die so entstandene langere Seite des Apparates ein Tropfen blaues Glas angeschmolzen, welcher die Lage des oberen Blumenblattes angeben sollte. Die Form des Apparates geht auI.\erdem aus der Fig. 15 hervor.

Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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war die erwiinsehte Lage offenbar noeh nieht erreieht, weil naehher eine seitliehe Bewegnng anfing, welehe die Blute sehlieBlieh doeh in ihre urspriingliehe, naeh auBen gewendete, Lage zuriiekfiihrte (15 d). Diese Ietztere, die "Lateralbewegung", trat jedoeh, wie ausdriieklieh hervorgehoben wird, "weder mit der Energie, noeh mit der Konstanz der Medianbewegung auf", weil ihre Wirkung nieht stets dieselbe ist, und, was ihre Energie anbetrifft, weil in einem ganz gelungenen Versuehe die Bliite nieht weniger als 11 Tage dazu brauehte, urn die zweite Bewegung zu been den .. Der Umstand, daB die definitive Lage von der Blute also sozusagen in zwei Stufen erreieht wird, maeht den Eindruek, als suehe sie eigentlich ein doppeltes Ziel zu erreiehen, z. w. erstens ein physiologisches, welches nur ihr Aufrichten bis in die zur Lotlinie normale Lage bezweckt, und zweitens ein biologisches, welches die giinstigste SteHung in bezug auf die Bestaubung zu erzielen sucht. Auffallend ist dabei also, daE das physiologische Ziel so bald, in 10 Stunden, erreicht wurde, wahrend das biologische bei dieser Pflanze einen Zeitraum von nicht weniger als 11 Tage erforderte 1). Bei anderen Pflanzen trat die Lateralbewegung wohl friiher auf, doch erreichten die Bluten andererseits vielfach iiberhaupt nicht die nach auEen gekehrte Lage. Vom physiologischen Standpunkte aus muE jene Lage daher wohl von untergeordneter Bedeutung sein. A.hnliche Kriimmungen, wie an dem umgekehrten Schafte von A con i tum auftreten, spiel en sich bei C y tis u s und anderen Pflanzen, welche hiingende Infloreszenzen tragen, normal abo Bei diesen werden die Bliiten an der jungen Achse in normaler Lage angelegt, doch gelangen sie nachher, durch das Uberhiingen der Infloreszenz, in die umgekehrte Lage; auch dann sieht man jede einzelne Bliite sich wenden und erheben, bis die normale Stellung wiedergewonnen ist. Bei Benutzung unserer Glasmodelle sind aIle die verschiedenen, von Noll fiir A con it u m abgebildeten Bewegungen (1. c. S. 240 ff.) leicht zu verfolgen; a steHt somit die normale Ruhelage dar, b die inverse, wobei die Bliite also aus ihrer Gleichgewichtslage gebraeht ist. Urn 1) Noll (I. c. S. 240) erwahnt noch, da~, wenn die sonst wagerecht iibergebogenen Spitz en junger Infloreszenzen von S cut e II a ria gezwungen werden, in senkrechter Richtung weiter zu wachsen, die meisten der jiingeren Knospen zugrunde gehen; die Ursache davon blieb ihm unbekannt. Diese konnte jedoch wohl darin bestehen, da~ in jener aufgezwungenen Lage der Schwerkraftreiz erhebJich geschwacht ist, und dann ware diese Erfahrung wiederum ein Beweis dafiir, da~ dieser Reiz fUr die normale Entwicklung notwendig ist.

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J. M. Janse,

dahin zuriickzukehren, stehen ihr zwei Wege offen. Beim ersteren, kiirzeren, sollte der Statolith sich der punktierten Linie 1-3 entlang bewegen, welche also am Rinterrand der Statozyste (unterhalb der Papierebene) verlauft; hierdurch wiirde die BIiite mit einem Male ihre iibliche Lage, d, erreichen konnen. Dieser Weg scheint jedoch nie eingeschlagen zu werden. Stets wird dagegen der, etwas langere, Weg 1-2-3 gewahlt; sie wird in die Papierebene liegend gedacht und wiirde einer Kriimmung ausschlieEHich in der Vertikalebene entsprechen. Dadurch wird dann die Lage c erzielt, welche also, wie aus der Figur zu ersehen ist, einer geotropischen Gleichgewichtslage vOllig entspricht. Zu einer weiteren, lateralen, Bewegung wiirde daher jede Veranlassung seitens des geotropischen Reizes fehlen; dementsprechend sieht man aueh, beim Nachahmen del' Lateralkriimmung (von Lage c nach Lage d) mittels des 6lasmodells, daB del' Statolith wahrenddem andauernd dem Mittelfelde des statischen Apparates aufliegen bleibt. Die Lateralbewegung fiir sich wiirde demnach kaum vom Schwerkraftreize ausgehen Mnnen, und ihre so inkonstante, auBerst schwache Natur ware damit in Ubereinstimmung, und dieses mochte daher ebenfalls anzeigen, daB del' sonst so kriiftige Sch werkraftreiz hierbei nieht wirksam ist. DaB dabei auch dem Lichte keine Rolle zukommt, geht ebenfalls aus den angefiihrten Versuchen her VOl' (S. 210), und so ware die direkte Veranlassung zu jener Lateralbewegung noch zu erforschen. Ahnliche Versuche wie mit A con i tum stellte Noll auch mit anderen zygomorphen Bliiten, u. a. mit S c r 0 p h u I a ria, an. Eine auffallende Erscheinung trat dabei zutage: durch die Lateralbewegung wurde eine seitlich schiefe Lage erzielt, "aus welcher sich clie BIiite durch geotropische Aufrichtung energisch erheben wiirde, wenn man sie kiinstlich in diesel be hineingebracht batte" (S. 216). Die letztere Bemerkung kommt mir jedoch nicht richtig vor, denn wenn man mit unserem GlasmodeJle diese Bewegung eben falls nachahmt, so sieht man, daB dabei das Quecksilber fortwahrend auf der Stelle maximaler Reizbarkeit Hegen bleibt, selbst wenn die von Noll beschriebene schiefe StelIung erreicht ist, so daB auch diese fiir die BIiite eine Gleichgewichtslage bedeutet, was also nur mittels un serer Hypothese begreifHch gemacht werden kann. Spater hat Noll gezeigt, daB auch beim Winden eine ahnliche Lateralbewegung auftritt und daB sie auf Schwerkraftreiz beruht und so kann das obige Zusammenwirken von negativem Geotropismus und Lateralbewegung dann auch wohl von der einzigen Statozystenreizung

Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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ausgehen, was also mit un serer Auffassung und mit dem, was unser Glasmodell zeigt, vollkommen iibereinstimmt.

B. Licht. T ran s v e r s a I - He I i 0 t r 0 pis m u s. Schon friiher (S. 227) wurde hervorgehoben, daB es Haberlandt durch seine anatomischen und physiologischen Untersuchungen gelungen war, zwei bisher vollstandig getrennt dastehende Erscheinungen, z. w.: daB transversal- heliotropische Blatter nur dann in Ruhe verkehren, wenn sie yom einfallenden Lichtbiindel senkrecht getroffen werden, und daB nur solche Blatter Epidermiszellen besitzen, die als konvexe Linsen wirken, durch seine sogenannte "Linsentheorie" miteinander zu verbinden. Obwohl diese Vorgange dem Geotropismus vollig fremd zu sein scheinen, mochte ich dennoch versuchen, sie mit diesem in Verbindung zu bringen. DaB die Lichtperzeption die transversal-heliotropischen Blatter zu einer Bewegung veranlaBt, sucht H abe rl and 11) dadurch zu erklaren, daB in den betreffenden Oberhautzellen verschiedene Partien der Plasmahaut (Hautschicht) auf verschiedene Lichtintensitaten abgestimmt sind und daB eine Anderung in der Verteilung der Lichtintensitaten (nicht also eine allgemeine Zu- oder Abnahme der Intensitat) eine tropistische Bewegung veranlaBt; daB diese dann das Blatt gerade wieder in die Gleichgewichtslage bringt, sollte auf einen selbstregulatorischen Mechanismus zuriickgefiihrt werden). Weil nun einerseits diese Erklarung eine so ·wenig scharfe ist, und andererseits die Fragen, erstens: warum das Blatt gerade wieder in die Ruhelage zuriickzukehren versucht, zweitens: warnm es dabei den kiirzesten Weg einschlagt, eine so groBe Ubereinstimmung mit der gleichlautenden Frage betreffs des Geotropismus aufweisen, veranlaBte dieses mich, zu untersuchen, ob beide Fragen vielleicht in ahnIicher Weise zu beantworten waren. Wenn man annimmt, daB, wie H abe r I and t angibt, das der unteren Epidermiswand anliegende Mittelfeld auf die groBte Lichtintensitat abgestimmt ist, die Partien ringsherum dagegen auf eine geringere, so muB die totale Lichtempfindung der Zelle eine Steigerung erfahren, wahrend das Blatt aus einer willkiirlich anderen Lage in die Ruhestellung zuriickkehrt; nach unserer Hypothese geschieht dassel be, wenn 1) Die Lichtsinnesorgane der Laubblatter.

Leipzig 1905.

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geotropische Bewegungen stattfinden. Man kOljnte demnach auch sagen, daB jene Blatter ebenfalls nur dann in Ruhe verkehren, wenn die "LinsenzeIle", resp. ihr Mittelfeld, maximal gereizt wird. Nach dieser Auffassung ware daher der Transversal-Heliotropismus neben Geotropismus, Chemotaxis und Phototaxis die vierte Erscheinung in der Pflanzenphysiologie, bei welcher dieselbe Annahme yom Suchen nach stets kraftiger Reizung zu einer einfachen Erklarung fiihrt, was also nicht nur die Brauchbarkeit, sondern auch die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme im allgemeinen sehr vergroBert. Auffallend ist dabei, daB schon Haberlandt 1) auf die bemerkenswerte Analogie zwischen der Perzeption des Lichtreizes bei den Blattern und der der Schwerkraft den Nachdruck legt. Meiner Ansicht naeh liegt die Hauptanalogie darin, daB es bei beiden nicht nur darauf ankommt, daB die empfindlichen Zellen einen Reiz wahrnehmen konnen, sondern daB sie den Zweck zu erfiillen haben, mittels des Reizes eine Ric h tun g zu perzipieren; hieraus konnte dann schon ohne weiteres die Wahrscheinlichkeit, daB beide diesen Zweck durch Verwendung ahnlicher Einrichtungen zu erreichen versuchen wiirden, abgeleitet werden. Daher auch kann die Hypothese iiber die Verteilung der Erregbarkeit der empfindlichen Plasmaschicht bei beiden diesel be sein, und muB diese daher bei beiden zu einer geniigenden Erklarung der beobachteten Bewegungen fiihren. DaB auBerdem aIle Veranlassung vorliegt anzunehmen, daB die reizbaren Stellen der Statozyste auch fiir Lieht empfindlich sind, wird sich bei der Besprechung des positiven und negativen Heliotropismus (Abschnitt II B) ergeben. Alles zusammengenommen ware es daher nicht unwahrscheinlieh, daB man die Linsenzellen als Statozysten zu betraehten batte, welche sich, durch ihre Form und Lage, einer Konzentration des einfallen den Lichtbiindels angepaBt haben. Die Statolithen fehlen natiirlich ganzlich und damit gebt ihnen auch die Reizbarkeit fiir die Schwerkraft ab, doch dieses ist eher ein Vorteil, weil eine Reizbarkeit der "Linsenzellen" fiir Schwerkraft der erwiinschten Orientierung des transversal-heliotropischen Laubblattes nur scbadlich sein kOnnte. DaB das Blatt immer wieder in dieselbe Lage zuriickkehrt, wiirde der unveranderlichen Lage des lichtempfindlichen Mittelfeldes zuzuschreiben sein, ahnlich also, wie wir es fiir aIle in diesem Abschnitte 1) Die Perzeption des Lichtreizes durch das Laubblatt. Ber. d. bot. Ges. 1904, Bd. XXII, S. 118.

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beschriebenen Bewegungen und Stellungen annahmen. Demgegeniiber ist es interessant, an dem von H abe r I and t genannten An th uri u m Warocqueanum, dessen BlattfIachen stets mit dem einfallenden Lichtbiindel einen etwas schiefen Winkel bilden, zu erinnern. Dieses abweichende Verhalten miiBte einer etwas schiefen Lage des Mittelfeldes entsprechen, ebenso wie es oben (S. 254) fUr die schief abstehenden Seitenzweige usw. angenommen wurde. Am Ende des zweiten Abschnittes werden wir noch auf weitere Vorgange, welche mit diesen zusammenhangen, zuriickkommen miissen.

Abschnitt II A. Veranderliche Lage des "statischen Apparates". Die im erst en Abschnitte besprochenen Bewegungen sind samtliche, welche schon mittels der Hypothese e i n e s e i n zig en beweglichen Teiles im Statozysten zu erldaren sind, und zu derer Erkliirung also schon die Hypothese Noll s vollkommen zureichend ware. AIle die weiter unten (in Abschnitt II A und II B) zu erwahnenden bediirfen dagegen unbedingt einer ausgedehnteren Hypothese, zw. die Annahme yom Vorkommen z wei e r beweglicher Teile innerhalb der Statozyste. Der eine Teil (der Statolith) wird dann von der Schwerkraft, der zweite (die reizbare Schicht) yom Protoplasten in Bewegung gesetzt. Die Kriimmung des Pflanzenteiles wird letzterer Bewegung, des stetigen Aufsuchens der kraftigeren Reizung wegen, immer auf den FuB folgen miissen, mit einem solchen Zeitintervall jedoch, welches ausreicht, urn die zur Kriimmung notwendigen Turgoranderungen zustande kommen zu lassen. Bei andauernden Bewegungen miissen Kriimmung und Verschiebung des statischen Apparates synchron verlaufen. Die Verschiebung miiBte, je nach der Art der betreffenden Bewegung, sehr verschieden sein, zuerst was ihre Veranlassung anbetrifft, z. B. ob sie durch innere oder durch auBere Ursachen hervorgerufen wird. Was erstere Gruppe angeht, muB dann weiter unterschieden werden, ob sie nur einmal stattfindet oder mehrmals, oder endlich ob sie ununterbrochen vor sich geht; auf diesem verschiedenen Verhalten beruht die unten befolgte Einteilung.

A. Autonome Verschiebung des Apparates. Unter autonomer Verschiebung wollen wir eine solche verstehen, welche durch irgendeine inn ere Ursache hervorgerufen wird. Verschiedene Pflanzen zeigen bekanntlich die Erscheinung, daB ein Organ an einem bestimmten Augenblicke seine bisherige Stellung oder Wachstums-

J. M. Janse,

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richtung wechselt, ohne daLl auLlere Umstande dazu Veranlassung geben. DaB sie von sozusagen willktirlichen Anderungen in den lokalen Wachstumsprozessen hervorgerufen wird, ist natiirlich nicht anzunehmen, so daLl nur die Moglichkeit iibrig bleibt, daLl sie durch irgendeine Anderung in der Wachstums u r sac he zustande lwmmen.

1. Zeitweise Verschiebung. Unter "zeit weise Verschiebung" verstehen wir also, daLl der Apparat an einem bestimmten Augenblicke seine bisher unveranderte Lage aufgibt und von der Stelle riickt, so daB einige Zeit nachher der reizbarste Teil an einem anderen Ort anlangt und dort vorlaufig wieder liegen bleibt. Spater kann es dann notigenfalls wieder eine Verschiebung erleiden in dieser oder jener Richtung. Auf jede Verschiebung des Apparates muLl eine Anderung der Gleichgewichtslage des Pflanzenteils folgen (S. 241). Solche Richtungsanderungen, die ohne irgendwelche bekannte oder vermutliche Veranlassung auftreten, haben vielfach die Aufmerksamkeit der U ntersucher auf sich gelenkt; man sprach dann von "Dispositionsanderung" oder "Stimmungswechsel", W orte, welche nur den allgemeinen Eindruck der Stellungsanderung wiedergeben, doch im Grunde ohne jede physiologische Bedeutung sind. DaB man recht hat, diese Bewegungen schon von vornherein mit der Schwerkraft in Verbindung zu bringen, geht wohl daraus hervor, daB sie stets in einer Vertikalebene stattfinden, was ganz sicher nicht der Fall sein wiirde, wenn die Statozysten nichts mit ihnen zu tun hatten. Die Verschiebung muLl man sich wohl, je nach den betreffenden Erscheinungen, von Fall zu Fall verschieden denken: so kann sie z. B. in einer Vertikalebene stattfinden, welche dann zu Kriimmungen, ebenfalls in einer Vertikalebene, flihren muLl. Zahlreiche Bewegungen, ziemlich verschieden, zumal was die Pflanzenteile, welche sie ausfiihren, anbetrifft, konnen zu dieser· Gruppe gebracht werden; von dieseu werden hier nur einzelne beispielsweise besprochen werden, urn die Anwendbarkeit un serer Hypothese sowie die Einfachheit der damit erzielten Erklarungen hervorzuheben. Eine vollstandige Besprechung aller bekannten Bewegungen ware hier vollkommen zwecklos. a) Verschiebung des statischen Apparates in senkrechter Rich tung. a)

Oberbiegen der Spitze windender Keimpflanzen.

Das Uberbiegen der Stengelspitze bei noch ganz jungen Sprossen windender Pflanzen ist wohl das einfachste Beispiel dieser Art Be-

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S h s v G z

Eie "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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wegungen, erstens weil die Kriimmung eine so deutliche ist, und zweitens, weil es hier ganz klar ist, daB sie mit irgendeiner auBeren Veranlassung nicht in Beziehung steht. Die Bewegung wird folgendermaBen beschrieben: nach dem Erreichen einer gewissen Hohe beugt sich die Spitze des Sprosses (z. B. von C a I y s t e g i a), und zwar auch durch eine aktive Bewegung, heriiber und nimmt nun eine ungefahr horizontale Stellung ein (vgl. J 0 s t: Pflanzenphysiologie, Vorl. 34). DaB man jedoch bei dies em "Stimmungswechsel" den groBen EinfluB der Schwerkraft sofort und klar erkannte, gebt am deutlichsten daraus hervor, daB diese Kriimmung auch nicht selten so umschrieben wird, daB an einem gewissen Momente der negativ geotropische SproB dia- oder transversal-geotropisch wird; das Uberkriimmen muB daher in dieser oder jener Weise auf einer Anderung im Perzeptionsapparat fiir die Schwerkraft, also im Protoplasma desselben beruhen. Welche diese Anderung sein konnte, war bisher unklar, weil selbst die Auffassung Noll s dazu keinen Stiitzpunkt bot; mit un serer Hypothese liegt sie ganz vor a b der Hand: wird in den Statozysten des jungen Sprosses die reizbarste Stelle, welche Fig. 16. urspriinglich wie gewohnIich der Unterwand anliegt (Fig. 16a), nach der Seitenwand verschoben (16b), so muB der SproB iiberbiegen, bis diese Seitenwand un ten liegt (16 c), und kann dann in der neuen Richtung weiterwachsen. DaB sofort nach dem frberbiegen das Winden anfangt, wird von einem weiteren Verschieben des statiscben Apparates veraniaBt, welchen Vorgang wir jedocb erst spater besprechen werden (S. 283).

)

{J) Aufrichten der Spitze monopodialer Rhizome.

Wenn monopodiale Rbizome sicb dazu vorbereiten, oberirdische Sprosse mit Blattern und Bliiten zu bilden, dann richtet die bisher horizontal im Boden fortwachsende Rhizomspitze sicb auf und wachst senkrecht empor. Aucb dieses biIdet somit ein auffallendes Beispiel von Stimmungswecbsel, wie man gewohnlich sagt, wobei TransversalGeotropismus in negativen Geotropismus iibergeht. Eine Veranlassung zu dieser Wachstumsanderung vermogen wir nicht anzugeben; wir Flora, Bd 123.

18

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konnen nur vermuten, da8 sie stattfindet, wenn die Pflanze sich zur Bildung von Blattern usw. anschickt, so daB irgendwelche Stoffwechslungsvorgange dabei wohl eine Hauptrolle spielen werden 1); Pfeffer 2) bezeichnet solche FaIle mit dem Namen "korrelative Umstimmung". Wie dieser Vorgang den "Stimmungswechsel" veranlaBt, war bisher nicht naher anzugeben; nach un serer Hypothese wurde es genugen, wenn das Mittelfeld von der bisher unten liegenden Langswand nach der unteren Querwand verschoben wurde. Der ganze Vorgang konnte dann durch die Skizzen in Fig. 17 a, b und c dargestellt werden. Was die Richtung der Verschiebung anbetrifft, ware sie also derjenigen, welche wir bei der keimenden Windepflanze annehmen muBten, gerade entgegengesetzt, wei! dort die Verschiebung von der Querwand zur Langswand geht.

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y) Kriimmung von Bliiten- und Infloreszenzaehsen vor und naeh der Befruehtung. Richtungsanderungen an 0 b den Achsen von Blutell und Infloreszenzen sind uberaus haufig; im allgemeinen konnte Fig. 17. man sagen, daB sie zum Zweck haben, die geofflleten Bluten, wegen der Bestaubung durch Insekten, soviel wie moglich zur Schau zu tragen, doch dagegell die jungen Knospen und die Fruchte dem Auge der Tiere zu entziehen. Auch diese Krummungen muBten wohl zu den "korrelativen Umstimmungen" gerechnet werden, wei! das Exponieren der Blumen bei ihrem Aufgehen wohl wieder indirekt durch Stoffwechselprozesse veranlaBt wird, wiihrelld bei der Bewegung der Bluten nach ihrer Bestaubung, die Befruchtung, oder vielleicht schon die Bestaubung seIber, unzweifelhaft eine uberwiegende Rolle dabei zu erfiillell hat. Viele der Beispiele solcher Bewegungen, zumal von mehreren der symmetrisch gebautell Bluten, sind etwas mehr verwickelter Natur und werden weiter unten (S. 275) besprochen werden; hier sollen nur einige Beispiele von Bewegungstypen besprochen werden, welche sich durch einfachere Verschiebungen des Mittelfeldes schon erklaren lassen.

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1) Vgl. Go e bel, Organographie 1898, S. 644. 2) Pflanzenphysiologie 1904, II, S. 612.

Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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1. Narcissus. Einige BIiiten, z.B. Narcissus, erreichen den Zweck, die geOffneten BIiiten in auffallender Weise hervortreten zu lassen, indem die junge, bisher senkrecht hinaufgewachsene Knospe kurz vor dem Offnen sich zur Seite biegt und eine mehr oder weniger wagerechte Lage annimmt; sie behalt diese Lage bei, auch wenn sich spateI' eine Frucht en twickel t. V 0 c h tin g 1), welcher verschiedene dieser Bewegungen, und zumal die von Narcissus Pseudo-Narcissus griindIich untersuchte, konnte zeigen, daB es nur die Schwerkraft ist, weiche das seitliche Uberkrummen v~ranlaBt. Man kOnnte die Bewegung daher so umschreiben, daE beim Herannahen des entwickeiten Zustandes der BIiite ihr negativer Geotropismus in einen transversalen verwandelt wird. Genau dasselbe geschah auch beim Uberbiegen des Keimstengels von Windepflanzen und kann somit, mittels un serer Hypothese, in derselben Weise erklart werden (S. 265), d. h.: das zuvor stets der unteren Querwand anIiegende Mittelfeid verschiebt sich nach einer der Langswande. 2. Hemerocallis. Hem e roc a 11 i s fl a v a zeigte sich in ihrem Verhalten dem von N arc iss us ahnlich, nul' mit dem Unterschiede, daE die BIiiten, als Knospen ebenfalls negativ geotropisch, beim Uberbiegen nicht immer die horizon tale Lage erreichen, sondel'll bisweilen nur Winkel von 40 0 bis 60 0 mit der Lotlinie machen. Dennoch ist die Schwerkraft, nach V 0 c h tin g (S. 92), auch hier wieder das einzig wirksame Agens. Eine Verschiebung unseres Mittelfeldes von der unteren Querwand in del' Richtung nach einer der Langswande, welche aber aufhOrt, noch bevor die Mitte dieser Wand erreicht ist, miiBte zu einer solchen schiefen Lage der Bliite fiihren, so wie es oben fiir die Seitenzweige erster Ordnung mancher unserer Buume (S. 253 und Fig. 11 a, b, c) beschrieben wurde. 3. Agapanthus. Die Bewegungen, welche an dem BIiitenstande von Agapan th us u m bell a t us zu beobachten sind, beschreibt V 0 c h tin g (1. c. S. 90) derweise: "daB die junge Knospe ein negativ, die BIute ein horizontal und die Frucht endIich ein positiv geotropisches Organ darsteUt". An 1) Die Bewegungen der Bliithen und Friichte. Bonn 1882, S. 77 ff. 18*

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der jungen Infloreszenz stehen namlich die Knospen senkrecht empor, kurz vor dem Aufbliihen biegen sie sich um etwa 90 0 zur Seite, wahrend die jungen Friichte alsbald oben am Stiele scharf umknicken und dann ungefiihr senkrecht herunterhiingen. Die Schwerkraft zeigte sich ebenfalls als die einzige Veranlassung beider Kriimmungen. Eine Verschiebung des Mittelfeldes, zuerst von der unteren Querwand zur Seitenwand und nachher von dieser zur oberen Querwand, wiirde diesen Kriimmungen entsprechen. 4. Unterirdische friichte.

Viele der kleineren krautartigen Pflanzen versuchen die jungen Friichte durch Herabbiegen dem Auge der Tiere zu entziehen und sie an versteckten Stellen reifen zu lassen. Am auffallendsten trifft man dieses bei Pflanzen mit sogenannten "unterirdischen" Friichten, wie Trifolium subterraneum, Arachis hypogaea, Voandzeia subterranea usw., an. Eine Bewegung des Mittelfeldes in der Richtung von der unteren zur oberen Querwand, wie soeben bei A gap ant h u s besprochen, miiBte die verlangte Bewegung veranlassen. 5. Bewegung der Bliiten von Papaver usw. Die wohlbekannten und auffallenden Bewegungen, welche die Bliiten verschiedener Papaver-Arten zeigen, verdienen hier eine ganz besondere Besprechung, nicht am wenigsten, weil sie schon so sehr oft den Gegenstand spezieller Untersuchungen ausmachten. Es sind jedoch nicht nur die Pap a v e r - Arten, welche das Herabhiingen der jungen Knospen zeigen, denn die Infloreszenzen von T u s s i 1ago u. a. verhalten sich physiologisch vollkommen in derselben Weise. Eine "bliitenbiologische Differenz" besteht jedoch darin, daB Pap a v e r in senkrecht aufgerichteter Lage bliiht, wahrend T u s s i I ago sich erst kurz vor der Samenreife emporkriimmt. V 0 c h tin ghat beide Pflanzen sehr eingehend untersucht, besonders in bezug auf den EinfluB der Schwerkraft; er gelangte dabei zu sehr merkwiirdigen Ergebnissen, von welchen wir hier nur die von Pap a v e r besprechen werden. Wie bekannt, stehen die jiingsten Bliitenknospen vertikal empor, doch nehmen sie bald nachher, bei vielen Arten wenigstens, eine hiingende Lage an, wobei der Bliitenstiel somit einen Bogen von 180 0 bildet. Beim Weiterwachsen wird der untere, senkrechte Teil des Stieles stets langer, wahrend Form und Durchmesser des Bogens unverandert bleiben ;

i R R v R v d i S e h a r i

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Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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auch das kurze Stiick zwischen Bogen und Knospe verlangert sich nicht oder kaum. Es gelang V 0 c h tin g, zu zeigen, daB die Wachstumszone nicht unter, sondern auf dem Bogen gelegen ist, was also auf einen komplizierteren WachstumsprozeB deuten miiBte. Er erklarte jenes Verhalten derweise, daB del' Bogen stets die Tendenz hat, durch kraftigeres Wachstum der AuBenseite die Kriimmung zu verstarken, doeh daB eine andere, noch unbekannte Veranlassung, welche er die "RektipetaIitat" nannte (1. C., S. 31), fortwahrend den unteren Teil des Bogens, welcher also an dem geraden Teil des Stieles anschlieBt, urn ebensoviel gerade streckt, als das Wachstum am oberen Teile die Kriimmung steigertI). Eine weitere Entdeckung war die, daB, wenn eine hfingende Knospe oben am Stiele abgeschnitten wird, oder auch wenn nur innerhalb der Knospe der Fruchtknoten durchschnitten wird, der Stiel zu wachsen aufhort, doch sich zuerst ganz oder fast ganz gerade streckt. Bei T u s s i I ago war der ungestorte Zusammenhang del' jungen Friichte mit dem Stiele ebenfalls absolut notwendig fiir das Weiterwachsen sowie fiir das Erhalten der Kriimmung des Stieles. Daher konnte V 0 c h tin g erkHiren (S. 127): "daB die positiv geotropische Kriimmung des Stieles von T u s s i I ago Far far a lediglich von den Friichten aus bestimmt werde, daB die Angriffspunkte der Schwerkraft in den letzteren und nicht im Stiel zu suchen seien". V 0 c h tin g sah in del' Rektipetalitat also eine den Pflanzenteilen innewohnende Eigenschaft, sich gerade zu strecken, nachdem sie durch Reize eine Kriimmung erfahren hatten; sie tritt nur nach AufhOren des Reizes auf, doch erfordert fiir sich seIber keinen neuen Reiz. In einer vorhergehenden Arbeit habe ich zu zeigen versucht 2), daB man die Rektipetalitat auch in anderer Weise erklaren kann, und zwar in bezug auf vorIiegenden Fall folgenderweise: Die positi v geotropische Kriimmung des Stieles, zusammen mit dem Umstande, daB del' Reiz dazu offenbar im Fruchtknoten perzipiert wird, beweist, daB dieser Reiz nur an einer Seite der wachstumsfahigen Zone zugefiihrt wird, und dadurch nur ein einseitig verstarktes Wachstum an der konvexwerdenden Seite hervorruft. Es besteht nun, nach meiner Meinung, keine Veranlassung, anzunehmen, daB der Reiz es bei seinem Fortschreiten in der Langsrichtung bewenden laBt, und daB es im Gegenteil sehr gut mogIich ist, daB er sich allmahlich auch seitwarts verbreitet. Dabei wiirde er 1) Bewegungen der Bliithen und Friichte. Bonn 1882, S. 92 ff. 2) Reizwirkung bei Rektipetalit1J.t und bei senkrechtem Wachstum. wiss. Bot. 1922, Bd. 61, S. 590.

Jahrb.

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J. M. Janse,

dann zuerst an den beiden Flanken und schlieBlich an der Konkavseite des Bogens anlangen. Die beiden Flanken wiirden dann zuerst zu erhOhtem Wachstum gebracht werden, doch, weil diese beiden Verlangerungen einander entgegenwirken, wiirde die Kriimmung keine !nderung erfahren. Wenn jedoch die beiden Reize weiter von den Flanken aus ihren seitlichen Weg verfolgen und an der konkaven Seite des Bogens wieder zusammentreffen, muB jetzt diese zu kraftigerem Wachstum gereizt werden, welches dann die Kriimmung wieder gerade zu strecken versucht. Dieses geschieht tatsachlich, erstens am unteren Ende des Bogens, oder sonst, wenn inzwischen die Reizung an der konvexen Seite aufhort, durch Abschneiden der Knospe oder Zerstorung des Fruchtknotens. Der ganze Wachstumsvorgang konnte noch begreiflicher folgenderweise dargestellt werden: Beim ersten Anfang ist der Bliitenstiel gerade, und so ist er auch beim Aufbliihen; folglich ist das Wachstum schlieBHch an jeder Seite des Stieles gleichgroB gewesen; wenn inzwischen eine so starke Kriimmung auftritt und diese nachher sich wieder ausgleicht, so kommt solches einfach daher, daB in der Zuwachszone die konvexwerdende Seite e her zum Wachstum angeregt wird als die entgegengesetzte, welche ihrerseits, jedoch spater, den Riickstand voIlstandig einholt. Die Wachstumsprozesse sind also tatsachlich auf beiden Seiten dieselben, kommen jedoch an der konkaven Seite nur etwas spater zustan de als an der konvexen. Diese Betrachtung stimmt daher mit un serer obigen Auffassung, daB der Reiz an der konvexen Seite eher anlangen wiirde als an der konkaven, vollkommen iiberein, und darans ergibt sich dann weiter, daB der hierbei wirkende Reiz ausschlieBlich der der Schwerkraft ist. Was nun die Erklarung aIler dieser Erscheinungen mit Hilfe unserer Hypothese anbetrifft, so kann sie eine auBerst einfache sein: die Mittelfelder der Statozysten (welche also offen bar im Fruchtknoten zu suchen waren) liegen anfiinglich den unteren Querwanden an (Fig. 18 a) und verschieben sich kurz nachher nach der oberen Querwand (b), was ein Umkippen der Knospe zur Folge hat (c). Wahrend der Stiel nun in der beschriebenen Weise weiter in die Lange wachst, bleibt das Mittelfeld an Ort und Stelle (d). Kurz vor dem Aufbliihen schlagt es jedoch den Riickweg ein, bis es wieder an der unteren Querwand angelangt ist (e) und als Folge dessen erhebt sich der Stiel wieder und streckt sich vollig gerade (f). Die geotropische Reaktionsfahigkeit des Bliitenstieles beschrankt sich jedoch nicht auf das bisher Besprochene, weil ein horizontal gestellter

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Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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junger Stiel sich alsbald in seinem unteren Teile negativ-geotropisch kriimmt; diese Kriimmung findet stets statt, welches auch die Richtung sei, in welche die Kriimmungsebene des Bogens gestellt wurde (V och ting). Diese doppelte Schwerkraftreaktion eines einzigen Pflanzenteiles ist eine hOchst auffallende, obwohl nicht gerade seltene Erscheinung. Sie wird auch hier noch naher besprochen werden miissen. Pap a v era r gem 0 no ide s verMIt sich etwas abweichend, indem der Bliitenstiel bisweilen nicht eine halbe, sondern anderthalbe Schlinge bildet; das eine Mal nimmt die weitere ganze SchIinge auch diesel be Richtung wie die erste halbe, das andere Mal schHigt sie jedoch die entgegengesetzte Ricbtung ein. Bisweilen treten aucb noch andere, seitliche Kriimmungen c auf, aber in allen Fallen gerat die Knospe am Ende dennoch in die iibliche hiingende Lage (vgl. Va c htin g, 1. c. S. 95 und Taf. I, Fig. 10, 12). Auch diese Erscheinungen sind von unserem Standpunkte leicht zu erkliiren: wenn die empfindlichste Stelle des Statozysten zuerst, wie iiblich, von unten nach d e oben gewandert ist, wodurch die hal be Schlinge entsteht, setzt sie den Weg weiter fort, erst nach unten und dann wieder nach oben, und zwar entweder in der urspriinglichen oder in der entgegenFig. 18. gesetzten Richtung. In den sonstigen FiiIlen tritt eine unregelmiiBige Verschiebung ein, aber am En de ist ihre Lage demnach stets dieselbe, zw. an der unteren Querwand. Die Erkliirung fiir T u s s il ago wurde, nach dem oben Gesagten, eine vollkommen iihnliche wie fur Pap a v e r sein mussen; nur konnte man fragen, wieviel der zahlreicben Fl'ucbtknoten zul' AuslOsung del' Reizbewegungen des Stieles el'fol'del'lich wiiren und ob vielleicht scbon ein einzigel' aus dem ganzen Kol'bchen dazu ausreicbte. Die bekannten Erscheinungen, welche an Bluten und Fl'uchtstanden von Gel' ani u m und E rod i u m zu beobachten sind (vgI.

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Vochting, 1. c., S. 162,171), weisen im groBen und ganzen auf eine weitgehende prinzipielle Ahnlichkeit mit denen von Pap a v e r und T u s s i I ago hin: die junge BIutenknospe Mngt senkrecht herunter, richtet sich erst beim Aufbluhen empor und beMlt die senkrechte Stellung bis zur Reife der Fruchte. Der Hauptunterschied, welcher tatsachlich jedoch nur auf eine Nebensache Beziehung hat, besteht darin, daB die eigentumlichen Krummungen, welche hier nach der Befruchtung auftreten, nur in den Gelenken (erstens zwischen BIuten- und Infloreszenzstiel, zweitens zwischen Infloreszenzstiel und Stengel) auftreten, wiihrend die vollig ausgewachsenen Stiele seIber dabei gerade bleiben. Demnach beherrscht e i n e Reizung sozusagen die Krummung in z wei durch eine groBere Strecke voneinander getrennten Gelenken. Zumal auch bei diesen Pflanzen war es auffallend, daB bei Nichtbefruchtung irgendeiner BIute ihre eigene weitere Bewegung ausbleibt, und daB bei Zerstorung des ganzen, jungen Fruchtknotens die BIute sich aisbaid erhebt, wie bei Papaver also. Weiter konnte Vochting zeigen, daB die betreffenden Bewegungen ungesWrt verlaufen, selbst nachdem vier der fUnf jungen Samen verletzt wurden. Die hier besprochenen Beispiele von Bewegungen von BIuten und Friichten beziehen sich wohl auf aIle dabei vorkommenden und am ausfiihrlichsten untersuchten Haupttypen; sie reichen daher wohl aus, urn zu zeigen, daB sie aIle, selbst die scheinbar verwickeltsten, in einfacher Weise mit Hilfe unserer Hypothese zu erklaren sind. Die Stellungsanderungen symmetrischer Bliiten, soweit sie nicht schon friiher (S. 258) behandelt wurden, werden weiter un ten (S. 275) besprochen. il)

Epinastie und Hyponastie.

Epinastie und Hyponastie beruhen nach de V r i e s 1) auf jedesmaligen Unterschieden in den Wachstumsgeschwindigkeiten von Oberund Unterseite plagiotroper Organe. Zuerst wurden sie der Wirkung von einem inneren, noch unbekannten Einflusse zugeschrieben, doch weil die Pflanzenteile stets bestrebt sind, die Krummullgen in einer vertikalen Ebene auszufiihren, muBte man wohl annehmen, daB allerdings die Schwerkraft dabei nicht unwirksam ist. In der Literatur wird von 1910 an, zuerst von Kniep (Jahrb. wiss. Bot., Bd.48, S. 1), auf Grund von Versuchen zumeist mit BIattern von Lop h 0 s per mum, auf den Zusammenhang von Epinastie mit Geotropismus den Nachdruck gelegt. 1) Arb. des bot. lnst. Wiirzburg, 1872, Bd. l, S. 252.

Die "Surhbewegungen" der Pflanzen.

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Da also die Ursache tatsachlich noch unvollstandig bekallnt ist, konnten wir jetzt versuchen, ihr dureh Analogie auf die Spur zu kommen, in del' Weise z. B., wie ieh es hier versuchen mochte. Unter den Pap a vel' - Arten gibt es nur sehr wenige, bei welchen die Knospen fortwahrend senl{recht emporstehen, bei den meisten beschreibt del' junge Bliitenstiel dagegen alsbald die oben besehriebene Kriimmung uber 180 0• Etwas abweichend verhiilt sich P. argemonoides, wie oben (S. 271) beschrieben, welche sich uber 3x1800 krummt. 1st also bei diesel' Art das Bilden von anderthalber Schlinge eine Ausnahme, Regel scheint solches dagegen bei All i u m con t I' 0 vel'S u m (Syn. von A. p yren ai cu m?) zu sein. V 0 ch tin g bildet sie ab (Taf. II, Fig. 1), doch war er nicht in del' Lage, sie geniigend physiologisch zu untersuchen; dennoch ist es, nach dem Vorhergesagten, nicht zweifelhaft, daB sie sieh, in ihrem Verhalten der Schwerkraft gegenuber, den Pap a vel' - Arten vollkommen ahnlich verhiilt. AIle jene FaIle werden in del' Physiologie jedoeh nicht unter Epiund Hyponastie gerechnet. Sehr auffallende Beispiele davon sind dagegen die epinastisch eingekriimmten Farnblatter, sowie einige Ranken (Cucurbitaeeae). Sie stehen immer in der Vertikalebene und bilden eine flache Spirale von einzelnen Windungen, bei Farnen bisweilen nul' 11/" oder 2, bei Ranken mehrere. Was diese Kriimmungen angeht, wurden sie sich also del' obengenannten Beispielsreihe anschlieBen, so daB die Frage VOl' del' Hand liegt, ob sie sich auch physiologisch den Bliiten del' Pap a vel' - Arten ahnlich verhalten wiirden. Hierzu ware noch folgendes zu bemerken: wie schon erwahnt, ist der untere Teil der Bliitenstiele von Pap a vel' negativ geotropisch, eine Eigenschaft, welche dem Ausfiihren der oberen Krummung, welche doch stets in einer Vertikalebene stattfindet, sehr zugute kommt. Auch in vielen anderen, unten naher zu besprechenden Fallen kommt eine solche doppelte Schwerkraftreaktion eines einzigen Organes vor. Da diese Eigenschaft daher offenbar als eine bestimmte Anpassung zur Orientierung del' Organspitze, del' Schwerkraft gegeniiber, aufzufassen ist, kam es mil' nicht unwahrscheinIich VOl', daB Versuchsergebnisse, wie fiir Papaver beschrieben, auch mit jungen Farnblattern zu erzielen sein muBten. Nul' einzelne orientierende Versuche wurden angestellt, welche alsbald zeigten, zuerst, daB auch die j ungen Blattstiele von Pte r is s err u I a t a und Ad ian tum sich in ihrem unteren Teile negativ geotropisch kriimmen, nachdem die Pflanze in die gehOrige SteUung

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gebracht war. Zweitens zeigte sich, daB nach dem Abschneiden aller Blattscheiben (also nach Durchschneiden des Stieles gleich unterhalb der ersten Verzweigung) die Stiele von jungen Blattchen nicht mehr wei tel' wuchsen, daB auch schon am nachsten Tage die Kriimmung sehr deutlich zuriickgegangen war, und daB dieses Entrollen sich auch, zwar langsam, in den folgenden Tagen fortsetzte. Diese Ergebnisse entsprachen also vollig meiner Erwartung; daB die Versuche in noch viel ausgedehnterer Weise auch mit anderen Farnen wiederholt werden miissen, ist selbstverstandlich, ware es nur, weil es nicht von vornherein sichel' ist, daB alle Farnblatter bei solchen Versuchen sich vollkommen gleich betragen werden. Wenn man nun bedenkt, daB auch diese Blatter im allerjiingsten Stadium gerade sein miissen (bei einer Lange von z. B. 1 mm ist eine Spiralkriimmung doch iiberhaupt ausgeschlossen) und daB sie in erwachsenem Zustande ebenfalls wieder gerade sind, so kann man auch hier, wie zuvor bei Pap a v e r, das Wachstum derart vorstellen, daB die betreffenden Vorgange an allen Seiten zwar in gleicher Weise verlaufen, doch da13 sie sich an der U nterseite fr ii her abspielen wie an der Oberseite; am Ende hat doch jede Seite des Stieles sich urn gleichviel verlangert. Dasselbe gilt ohne Zweifel auch fiir die jungen Ranken, welche im ausgewachsenen reizbaren Zustande wieder ganz gerade sind. Nur spater, wenn ihre Reizbarkeit voriiber ist, tritt ein erneutes Wachstum auf, doch dann allein an der Oberseite, welches die Ranken sich definitiv aufrollen laBt, aber meistens nicht in einer flachen Spirale, sondern in Korkenzieherform. Dabei wird stets die Oberseite zur konvexen Seite, das heiBt also, daB das zuletzt, beim Geradewerden aufgehOrte Wachstum aufs neue an fiin gt ; diese ist jedoch offen bar physiologisch von ganz untergeordneter Bedeutung. Es scheint also, im AnschluB an die genannten Beispiele, moglich, daB die Ranke wahrend der flachen Spiralrollung unter dem EinfluB des Schwerkraftreizes steht (del' negative Geotropismus des sie tragenden Stengelteiles kann auch hier wieder diese Kriimmungsebene stets vertikal stellen), doch muB dieses noch von Anfang an bewiesen werden; Untersuchungsmaterial steht mir jetzt im Winter nicht zur Verfiigung. Die Epi- und Hyponastie der Blatter wurde zuerst von de V ri e s (1. c. S. 223) eingehend untersucht; zu seinen Versuchen verwendete er nicht nur ganze Blatter, sondern auch nicht selten nur die, am BlattsUel verbliebenen, Blattmittelrippen. Fiir unseren Zweck geniigt es hier, als Hauptergebnis zu erwahnen, daB die Blatter, je nach ihrem Alter,

Die ,,8uchbewegungen" der Pflanzen.

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Epi- odeI' Hyponastie aufweisen, daB die Kriimmungen stets in der Vertikalebene verlaufen, und daB auch del' Blattstiel auBerdem negativ geotropische Bewegungen ausfiihren kann. Da bei den Blattern also dieselbe Kombination von Epi- und Hyponastie mit negativem Geotropismus des unteren Organabschnittes zutage tritt, so ware es denkbar, daB auch dort die ersteren dieser Kriimmungen eher mit dem Schwerkraftreize als mit irgendeinem inneren Reize zusammenhangen wiirden. Unter diesen neuen Gesichtspunkten ware demnach eine ausfiihrIiche Nachuntersuchung von allen Erscheinungen, welche mit Epi- und Hyponastie zusammenhangen, dringend geboten. Wahrend es deutlich ist, daB ein epi- odeI' hyponastisches Sichsen ken und Erheben von Blattern usw. durch Verschieben des statischen Apparates in senkrechter Richtung zu erklaren ware, da diese Bewegungen denen von Narcissus usw. so sehr ahnlich sind, so gestatten unsere bisherigen diirftigen Kenntnisse uns dagegen nicht, zu vermuten, durch welche inneren Vorgange das Aufrollen und Entrollen von einigen Ranken und Blatteril veranlaBt wird. b) Vel's chi e bun g des A p par ate sin del' Que I' I' i c h tun g. Die meisten Kriimmungen, welche in einer oder anderer Weise mit dem Schwerkraftreize zusammenhiingen, finden stets in der Vertikalebene statt; solches ist jedoch keine N otwendigkeit, und so kommen Abweichungen von dieser Regel dann auch nicht selten VOl'. Die auffallendsten Beispiele davon trifft man unter den zygomorphen Bliiten an. Zy gomorph e BI ii ten. Die Kriimmungen, welche diese Blumen zeigen konnen, sind oft verwickelter Natur, und so war es denn auch del' Zweck Noll s ausgedehnter Untersuchungen iiber ihre Ursache Klarheit zu gewinnen 1). Das Hauptergebnis seiner Versuche war, daB bei der normalen Orientierung ein bis drei verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Die Bewegungen bestehen stets und in erster Lillie aus einer Kriimmung in senkrechter Richtung, einer "Mediankriimmung", welche abel' mit einer seitwarts gerichteten kombiniert werden kann. Erstere beruht auf negativem Geotropismus, letztere entweder auf "heIiotropischer Lateralbewegung" oder auf "exotropischer Lateralbewegung", 1) Dber die normale 8tellung zygomorpher Bliiten und ihre Orientierungsbewegungen zum Erreichen derselben. Arb. d. bot. Inst. Wiirzburg, 1,1885,8.189-252; II, 1887, S. 315-371.

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je naehdem das Licht dabei eine Rolle spielt oder nieht. Die "Exotropie" tritt nur bei nieht oder sehwaeh heliotropisehen Eluten auf, doeh bildet sie eine Komponente, welehe von nieht konstanter Natur ist, und daher, fugt Noll hinzu, bedeutet sie eine Orientierung gegenuber der Mutteraehse, welehe nieht von auBeren Riehtkraften veranlaBt wird, sondern von der MutterpfIanze selbst ausgeht (S. 370). Da also der Geotropismus stets wirksam ist, Heliotropismus und Exotropismus dagegen nieht immer, so spielt ersterer stets und unbedingt die Hauptrolle. Zu bemerken ware hier noeh, daB Noll wiederholt den N aehdruek darauf legt, daB die normale Lage stets auf kiirzestem Wege erreieht wird. Von den besonderen Ergebnissen einiger seiner Versuehe moehte ieh hier folgendes hervorheben: Zuerst: daB, wahrend es sonst immer die Blutenaehsen sind, in welehen die Krummungen stattfinden (die unterstandigen Fruehtknoten sehlieBen sieh darum in ihrem Verhalten aueh den Aehsen an, wie bei Orehideen), es aueh vorkommen kann, daB die Kriimmung (Torsion) ganzlieh in die Kronenrohre verlegt wird, wie z. B. die' Torsion bei Justieia u. a. 1) und die Mediankriimmung bei Goldfussia. Zweitens: daB, wenn del' obere Teil einer Infloreszenz entfernt wird und die obere Blute dadureh eine freie Bewegliehkeit bekommt (Ophrys) oder aueh wenn die Infloreszenzspindel nul' eine einzelne Blute tragt (Cypripedium), diese ihre Normalstellung nieht, wie sonst, dureh Torsion erreieht, abel' dureh einfaehes t'Tberbiegen naeh der anderen Seite del' Spindel (S. 338). Diese kurz zusammengefaBten allgemeinen Ergebnisse zeigen, daB, obwohl die normale Lage dureh Wirkung von ein, zwei odeI' drei Bewegungsursaehen erreieht wird, die Ruhelage sehlieBlieh stets dieselbe ist. Eine soIehe fixe Ruhelage kann jedoeh nur von einer einzigen Ursaehe abhangig sein, denn, wenn sie des Zusammenwirkens mehrerer Faktoren bedurfe, so kOnnte del' Erfolg nieht immer so ganz genau derselbe sein. Nul' so kOnnte es z. B. erklart werden, daB die Bewegungen von phI' Ys je naeh den U mstanden in versehiedener Weise verlaufen, und doeh sehlieBlieh das LabeIIum genau naeh unten gekehrt wird. Jede Erklarung muB daher unbedingt damit Reehnung tragen, daB es bei allen zygomorphen Bluten nur eine einzige Ruhelage gibt. Noll hat auf diesen Umstand keinen besonderen Naehdruek gelegt und ihn daher aueh bei seiner Erklarung unbeaehtet gelassen.

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1) Merkwftrdigerweise kOnnen nOtigenfalls auch die schlauchfOrmigen Bliitter von Dar Ii n g ton a eine iihnliche Torsion des Schlauches erleiden (S. 365).

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Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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Un sere Hypothese gibt dagegen sofort Antwort auf die Frage, warum solches der Fall ist: z. w. weil die Ruhelage ausschlieBlich durch die Lage des Mittelfeldes der Statozyste bestimmt wird. Was die ErkHirung der Art der Bewegungen seIber betrifft, wollen wir hier die FaIle besprechen, in welchen der Heliotropismus keine Rolle spielt und nur Geotropismus (vertikal), mit oder ohne Exotropismus (lateral), die Kriimmung verursachen. Da diese Bewegungen sehr oft nicht in derselben Ebene stattfinden, sind sie meistens schwierig durch Skizzen zu verdeutlichen; auch fiir diese FaIle ist daher unser GIasmodell von S. 239 unbedingt notwendig. Bei Bewegungen ausschlieBIich in der Vertikalebene fallt offen bar auch der Exotropismus aus, so daB sie auf Grund unserer Hypothese und in derselben Weise wie oben, durch eine Verschiebung der empfindIichsten Stelle in der senkrechten Richtung erklart werden Mnnen. So z. B. der soeben genannte Fall von Cyp ripe d i urn, aber auch der von 0 ph r y s nach dem Entfernen der oberen Teile der Infloresc zenz. Fig. 19 konnt.e den ganzen Vorgang bei letzFig. 19. teren vorstellen; in a: ein Teil einer ganz jungen Spindel, von welcher der Gipfel entfernt wurde, mit einer B1iite in nicht resupinierter Stellung; in b: altere B1iite, welche sich zur Resupinierung anschickt, weil die empfindlichste Stelle schon an die andere Seite des Bliitenstieles geriickt ist; in c: Uberbiegen der B1iite, in der Vertikalebene, bis in ihre Ruhestellung. Fiir die einzige B1iite am Schafte von Cyprivedi urn wiirden diese Skizzen ebenfalls gelten. So miiBte das einfache Hiniiberriicken der schief unten Iiegenden empfindlichsten Stelle (1) nach der gegeniiberliegenden Stelle, also von 1 iiber 2 nach 3, die beschriebene Kriimmung in der Vertikalebene veranlassen. An den aufrecht stehenden Ahren der Orchideen tritt jedoch gewohnIicherweise die bekannte Torsion der Fruchtknoten iiber 180 0 auf; sie ist eigentlich nicht eine richtige Torsion (mit gerade gebliebener Achse also), sondern vielmehr eine steile Spirale von einem halben Umgange. Mit unserer Hypothese konnten wir eine Torsion dadurch

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entstanden denken, daB, wie in Fig. 20 d, die reizbarste Stelle von 1 nach 3 iibersiedelt, dabei den Weg iiber 4, also an der Hinterwand del' Statozyste entlang, nehmend, wahrend die schwache Spirale entstehen wiirde, wenn sie, ebenfalls an der Hinterwand, der S-fOrmig gebogenen Linie, iiber 5, folgt. Die Skizzen 20 a, b, c Mnnen zu gleicher Zeit angeben, wie die Bewegung der Knospe seIber vor sich geht. Noll faSt auch hier die ganze Bewegung als ein Zusammenwirken von negativem Geotropismus und Lateralbewegung auf, doch sagt er ausdriicklich (S. 337), daB die geotropische Mediankriimmung, also der negative Geotropismus, den Kardinalpunkt der ganzen Orientierungsbewegung darstellt. Schon friiher (S. 258) wurden diese Verhaltnisse hier besprochen. Beachtenswert sind in dieser Beziehung auBerdem die abweichenden Erscheinungen, welche bei einzelnen Orchideen anzutreffen sind. Einige Microstylis- und Malaxis-Arten, sowie Angraecum superbum

Fig. 20.

zeigen stets ein nach oben gerichtetes Labellum; dabei ist jedoch die Torsion nicht unterblieben, sondern sie hat sich im Gegenteil von 180 0 bis auf 360 0 vergroBert (S. 341). Die zweite Haifte dieser Torsion konnte man, nach Noll, betrachten als "eine innere U mstimmung, an ein gewisses Altersstadium der BIiite gebunden". Diese Umstimmung bestande nach un serer Auffassung darin, daB die reizbarste Stelle, welche von 1 nach 3 verschoben wurde (Fig. 20 d), ihren Weg jetzt an der Vorderwand der Statozyste, also weiter, fortsetzt und so wieder in 1 anlangt, womit eine weitere Torsion um 180 0 verbunden sein miiBte. Etwas Ahnliches wurde schon oben (S. 271) bei Papaver argemonoides besprochen; FaIle von Umkehrung der Bewegung, wie bei dieser Pflanze, wurden bei den Orchideen jedoch noch nicht beobachtet. 2. Andauernde Verschiebung des silltischen Apparates. Wenn zur Erklarung der bisher in dies em Abschnitte besprochenen Bewegungen angenommen werden muBte, daB der statische Apparat an

Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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gewissen, wohl durch inn ere Ursachen bestimmten, Momenten seine Lage andert, so steht dem nichts entgegen, anzunehmen, daB er auch in bestimmten Fallen langere Zeit hindurch eine andauernde Verschiebung erleidet, wenn dadurch wieder neue Bewegungen in unseren Betrachtungskreis hineingezogen werden. Die Folge einer sol chen anhaltenden Verschiebung muBte dann sein, daB auch das betreffende Organ sich fortwahrend bewegt und eine definitive Ruhelage nie erreicht. Umgekehrt liegt es, vor der Hand anzunehmen, daB, wo solche unaufhaltsamen Bewegungen vorkommen, sie nur von irgendeinem £ortwahrenden Verschieben, innerhalb des reizperzipierenden Struktures, eingeleitet werden mussen. Es ware solches urn so wahrscheinlicher, als aIle diese Bewegungen bekannterweise ebenfalls auf Wachstum beruhen, und es schon darum wahrscheinlich ist, daB sie gerade mit 3 dem Schwerkraftreize in so enger Beziehung stehen. a) Pendelnde Nutation.

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Die pendelnde Nutation wurde wohl stets als eine vollkommen autonome Bewegungsform betrachtet, weil es namlich nie gelungen, abel' auch nie versucht war, zu zeigen, daB sie von irgendeinem auBeren EinfluB abhangig war. Weil sie jedoch wegen des sie begleitenden Wachstums mit der Schwerkraft zusammenhangen konnte, wurde untersucht, ob auch sie mittels unserer Hypothese begreiflich gemacht werden konnte. Beigehende Fig. 21 stellt eines unserer Glasmodelle dar, mit einer Stahldrahtspirale verse hen ; bequemlichkeitshalber kann letztere, wie in del' Figur vorgestellt, in einen FuB von Holz oder Messing gesteckt werden. In vertikaler Lage stellt dieses dann Fig. 21. also einen Stengel in der Ruhelage VOl', weil im Statozysten die reizbarste Stelle ganz un ten liegend (bei 2) gedacht wird; del' ebenfalls stets unten Iiegende Statolith wurde hier nicht angegeben. Wenn nun, in ahnlicher Weise wie fruher besprochen, diese reizbarste Stelle seitwiirts nach 1 hin, an del' Papierebene entlang, verschoben wird, muB der Stengel diesel' Verschiebung folgen und nach links uberbiegen 1). Geht dann die empfindlichste Stelle zuriick, von 1 iiber 2 nach 3, so wird auch der Stengel zuriickkehren, bis er ebensoviel nach 1) Vgl. hierzu was oben, S. 263, hieriiber gesagt wurde.

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rechts ubergebogen ist, wie zuvor nach links. Geht jene Stelle wieder denselben Weg zuruck nach 1 und weiter regelmaBig hin und her zwischen 1 und 3, dann muB so die pendelnde Bewegung, stets in der Vertikalebene, ebenso regelmiifiig darauf folgen. b) Rotierende Nutation. Die Erklarung der rotierenden Nutation kann ebenfalls auf einer Basis fortwahrender Verschiebung innerhalb der Statozyste beruhen und gestaltet sich dann nur wenig abweichend. Man braucht dazu nur anzunehmen, daB das Mittelfeld jetzt in einem senkrecht zur Achse gestellten Kreise regelmaBig herumgeffihrt wird, wie in Fig. 22 angegeben; die Stengelspitze wird dann zuerst in einen gewissen Winkel uberbiegen, urn weiter jener kreisenden Bewegung des Mittelfeldes genau zu folgen; so muB sie ebenfalls einen horizontalen Kreis im Raume

........

Fig. 22.

3

Fig. 23.

Fig. 24.

beschreiben. Die Stengelspitze wird, begreiflicherweise, urn so mehr uberhangen, je weiter der Kreis, welchen das Mittelfeld beschreibt. von der Basis der Statozyste entfernt ist, und so konnen dabei verschiedene Stellungen, wie z. B. in der Fig. 23, erreicht werden. Del' Stengel beschreibt jedoch nicht immer genau einen Kreis, sondern ofters ein mehr oder weniger in die Lange gezogenes Oval. In diesen Fallen muBten die Distanzen zwischen Mittelfeld und Basis an zwei einander gegenuberliegenden Stellen groBer sein, wie die an zwei, mit ersteren abwechseillden Stellen, und so muBte der Statolith einen geschlangeIten Weg, wie in Fig. 24 angegeben, nehmen; unter diesen Umstanden wird der Stengel dann auch an den hOher liegenden Punkten der Linie mehr uberbiegen mussen wie an den niedrigeren. Wenn nun aber diese beiden niedrigeren Punkte immer mehr der Basis sich naherten, muBte die rotierende Nutation schlieBlich in eine

Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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pendelnde iibergehen; tatsachlich ist diese dann aueh eigentIieh, in meehanischem Sinne, nur ein besonderer Fall der rotierenden Nutation. Gerade dieses ist jedoch fiir unsere Erklarung von besonderer Bedeutung. Schon 1883 wurde namlich von Bar a net z k y 1) gezeigt, daB die rotierende Nutation von der Einwirkung del' Sehwerkraft abhiingig ist; wenn daher die pendelnde Nutation nur einen extremen Fall der rotierenden darstellt, so muB erstere ebenfalls durch den Sehwerkraftreiz veraniaBt werden, was auch schon aus unserer theoretischen Betrachtung hervorging, so daB dieses wiederum fiir die WahrscheinIiehkeit un serer Auffassungen spricht. c) Bewegung von Schlingpflanzen. So wenig es bisher versucht wurde, die beiden vorhergehenden Bewegungsformen griindlich zu erklaren, urn so hiiufiger waren dagegen die Versuche, urn das so viel auffallendere Winden der Schlingpflanzen zu deuten. Daher kommt es auch, daB die Literatur iiber diesen Gegenstand eine so sehr umfangreiehe ist. Wir wollen uns hier, unserem Plane gemaB, ausschlieBlieh beschaftigen mit der Frage, welcher Reiz dabei wirksam ist und wie er die Bewegung veranlaBt und beherrscht; dadurch konnen die versehiedenen Theorien, welche sich nul' mit der Ausfiihrung der Bewegungen beschiiftigten, unbesprochen bleiben. DaB das Winden mit rotierender Nutation verwandt ist, war schon langst bekannt, und so wird denn auch vielfach das Winden nur als rotierende Nutation aufgefaBt. Theoretiseh ist dieses zwar nicht unrichtig, aber es ware meines Erachtens doch besser nur dann von rotierender Nutation zu sprechen, wenn die Bewegung nieht zum typischen VerhaIten der eigentlichen Schlingpflanzen, zum Winden, fiihrt. Der Sehwerkraftreiz ist fiir das Winden unentbehrlich, was schon hieraus hervorgeht, daB Schwendener (1881) zeigen konnte, daB am Klinostaten das Winden aufhOrt; weiter, daB Sac h s naehwies 2), daB bei Umkehrung einer windenden Pflanze die Richtung des Windens umkehrt, und sehlieBlich, daB No I 13) den EinfluB der Zentrifugalkraft auf den Windevorgang experimentell feststelIte, was also ebenfalls auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Abhiingigkeit von der Schwerkraft hinweist. Die Erklarung des Windens wurde stets durch das Auftreten zweier Nebenerscheinungen erschwert; erstens, daB fiir jeden Kreis, 1) Die kreisfllrmige Nutation und das Wind en der Stengel. Mem. de I'Ac . Imp. de St. Petersbourg 1883, Serie VII, T. 31. 2) Vorlesungen iiber Pflanzenphysiologie. Leipzig 1882, S. 820. 3) Neue Versuche iiber das Winden von Schlingpflanzen. Sitzungsber. Niederrhein. Ges. f. Natur- u. Heilkunde. Bonn 1901. Flora, Bd. 123.

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welchen die Stengelspitze beschreibt, diese eine Drehung um ihre eigene Achse ausfiihrt, zweitens, daB an erwachsenen Stengelteilen sehr oft eine mehr oder weniger kraftige Torsion sich einstellt. Was diese letztere anbetrifft, ist sie sehr nebensachlicher Natur und lwmmt wohl nul' dadurch zustancte, daB beim AufhoreiI des Langenwachstums des betreffenden Stengelteiles das Bastparenchym sich noch auszudehnen versucht, wahrend die inneren Gewebe, vielleicht wegen del' Ausbildung von sekundarem Xylem, nicht mehr nachgeben konnen. Diese Torsion braucht demnach mit dem eigentlichen WindeprozeB nicht in irgendeiner ursachlichen Verbindung zu stehen. Das Herumfiihren del' Stengelspitze und ihre gleichzeitige Achsendrehung bilden somit den eigentlichen Teil des Problems, welches jetzt zur Erklarung vorliegen wiirde. Einen wichtigen Beitrag dazu lieferte abermals No Ill), ais er den damals schon nachgewiesenen EinfluB del' Schwerkraft derweise prazisierte, daB ihr Reiz ein verstarktes Wachstum einer del' Flanken hervorrufen wiirde, und zwar so, daB die eine Seite bei linkswindenden, die gegeniiberliegende bei rechtswindenden Pflanzen die bevorzugte ist. Diesen Vorgang selbeI' nannte er Lateralgeotropismus. Was nun die Erklarung auf Grund unserer Hypothese betrifft, ist folgendes zu bemerken: Das Herumfiihren del' Stengelspitze in einem Kreise mull offen bar in derselben Weise wie die rotierende Nutation erklart werden. Ihr Unterschied besteht doch nul' darin, daB bei del' Nutation del' Stengelteil mehr odeI' weniger schief aufwarts gerichtet ist, wahrend er beim Wind en fast odeI' ganz horizontal stehL Wenn nun in unserem Glasmodell das Mittelfeld sich in einem quer zur Achse stehenden Kreise bewegt, welcher in del' Mitte des Modells liegt, wie in Fig. 25 a angegeben, so muB del' Stengel erstens bis in die horizontale Lage iiberbiegen und zweitens in diesel' Lage herumgefiihrt werden. Die diese Bewegung stets begleitende Achsendrehung, welche eine Umdrehung fiir jeden Kreis betragt, ist eine mechanische Notwendigkeit, welche verhindert, daB del' untere, senkrechte Teil des Stengeis immer mehr tordiert wird; sie kann daher nicht als eine Bewegung fUr sich, welche einer besonderen Ursache und Erklarung bediirfen wiirde, betrachtet werden. Del' ganze Vorgang des Windens, von del' Keimung an, ware also foigenderweise aufzufassen: In dem jungen Stengel Iiegt, solange diesel' 1) Heterogene Induktion.

Leipzig 1892.

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noeh vertikal steht, der reizbarste Teil der Statozyste der unteren Querwand an; in einem gewissen Altersstadium bewegt er sich naeh der Mitte einer der Seitenwande, von welcher Verschiebung das Uberbiegen der Stengelspitze bis zu etwa horizontaler Richtung den Erfolg darstellt (vgl. S. 265). Sofort naehdem wird dieser reizbarste Teil in der Zelle langsam herumgefiihrt, stets die Mitte zwischen oberer und unterer Querwand haltend, bei linkswindenden stets in der einen Richtung, bei rechtswindenden stets in der entgegengesetzten. Hierdurch wird das Herumfiihren der Stengelspitze und zugleieh ihre Achsendrehung veranlaBt, wodureh die bekannten losen Schlingen um die Stiitze gebildet werden. Wenn die Statozysten alter werden, verschieben sieh die Mittelfelder wieder naeh der unteren Querwand und veranlassen dadurch das Wiedereintreten des urspriinglichen negativen Geotropismus, welcher die SchIingen steiler macht und sie schlieBIich der Stiitze fest andriickt. Von diesen Vorgangen kann man kaum eine gute Vorstellung gewinnen, ohne das obige Glasmodell mit Stahldrahtspirale und FuB Zll benutzen. Wenn auf dem senkreeht stehenden Modell auBen ein Merkzeichen angebracht wird, die Spirale um 90 0 gebogen, und der Apparat dann in einem horizontalen Kreis herumgefiihrt wird, wahrend das Stabchen am oberen Ende nur leicht auf dem Finger ruht, ohne festgehalten zu werden, so zeigt das Merkzeichen alsbald an, daB der Apparat seIber zu gleicher Zeit sich um seine Aehse dreht. Am besten noch wird die Bewegung so ausgefiihrt, daB man oben am Glasapparate ein langeres Stabehen belestigt (mittels einer kurzen Stahldrahtspirale) und dieses an einem Seidenfaden derweise aufgehiingt, daB es eine horizon tale Lage annimmt. Dann kann der Faden in einem Kreis herumgefiihl't werden, ohne daB auf die Achsendrehung irgendweleher EinfluB ausgeiibt werden kann; auBerdem wird so die ganze Bewegung viel iibersiehtlicher. Es bIieb jetzt also nur zu untersuchen, ob unsere Auffassung aueh imstande ist, den Versueh von S ae h s, daB eine umgekehrt aufgestellte Windepflanze ihre neue Windungen in entgegengesetzter Richtung vollbringt, zu erklaren. Die Sehwierigkeit, sich die Kombination der beiden drehenden Bewegungen illl Raume vorzustellen, maehte, daB es mir zuerst erseheinen wollte, als ware un sere Auffassung dazu unzureichend; als ich dann jedoch den Glasapparat zur Hand nahm, wurde es mit einem Male deutlieh, daB auch die Sachssehe Erfahrung nieht die geringste Sehwierigkeit bietet. Obwohl also nur das Glasmodell die vollstandige Einsicht in den ganzen Vorgang versehaffen kann, so will ich doch ver19*

J. M. JanBe,

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suchen, ihn hier so viel wie Illoglich durch Figur und Beschreibung zu ersetzen. Fig. 25 a stellt den Apparat vor, wie angegeben; die Stahldrahtspirale ist in den FuB gesteckt und uber 90 0 zur Seite gebogen; der kleine Kreis illl Innern ist wieder der Statolith, und die angrenzende Ellipse gibt den Weg an, welchen die reizbarste Stelle zuruckzulegen hat;

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Fig. 25.

auf dem Modell wird dieser durch einen auBen aufgeklebten, schmalen Papierstreifen angegeben. Auf diesen Streifen werden dann drei kleine Kreise von verschieden gefarbtem Papiere, der eine z. B. rot, der zweite weiB, der dritte blau, befestigt. Die punktierte, groBe Ellipse gibt den Weg, welchen die Spitze des Apparates beim Winden im Raume beschreibt, an; die groBen Pfeile deuten auf ihre jedesmalige Drehungsrichtung. Fig. 25 b steUt denselben Apparat vor, nur ist der FuB seitlich gehoben, so daB die Spirale gerade geworden ist; in Fig. 25 c endlich

Die "Suchbewegungen" der Pflanzen.

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ist der FuB nach oben gebogen und kann daher eine Pflanze in umgekehrter Lage vorstellen. Der Glasapparat seIber hat also in den drei Figuren vollkommenn die s e I b e Lage. Wenn nun in Fig. 25 a der Quecksilbertropfen (der Statolith) dem roten Scheibchen (r) aufliegt und man will ihn z. B. den Weg iiber weiB (w) nach blau (b) zuriicklegen lassen, also in der Richtung wie yom nebenstehenden Ideinen Pfeile angegeben, so muE die Spitze des Apparates in einem Kreise in der Richtung des nebenstehenden' groEen Pfeiles, also zuerst nach hinten, herumgefiihrt werden. Derweise gelangt also, nach einem ganzen Umgange, das Quecksilber wieder auf rot an. Man liillt dann vorerst die Lage des Apparates unverandert und biegt n u r den FuB nach oben, wie in Fig. 25 c dargestellt. Wenn man dann wieder den Quecksilbertropfen im Apparate denselben Weg will zuriicklegen lassen, also wieder von rot iiber weiB nach blau, so muE die Spitze des Apparates jetzt nicht mehr in derselben, sondern gerade in der entgegengesetzten Richtung, in der Richtung des beistehenden Pfeiles, also zuerst nach vorne, herumgefiihrt werden. Diesel', vielleicht unerwartete, Erfolg laBt sich durch die Fig. 25 b begreiflich machen, denn, wenn man in dieser Lage wiederum die Spitze des Apparates herumfiihrt, in welcher Richtung es auch sei, so bleibt der Tropfen stets an derselben Stelle, auf rot, Hegen. Del' Apparat dreht bei diesel' Aufstellung sich wahrenddem also gar n i ch t urn seine Achse; so ware die Lage b des ganzen Apparates daher als die Ubergangsstellung zwischen den beiden anderen, a und c, aufzufassen. Dadurch wird es begreiflich, daE in den zwei letzteren Stellungen man die Spitze des Apparates in entgegengesetzten Richtungen herumfiihren muB, urn eine gleichsinnige Achsendrehung zu erzielen. Wenn die Richtung des Windens von einem Stengel umkehrt, wie es bei Sol a n u m D u I cam a r a vorkommt, so ware auch dieses durch ein Umkehren der Bewegung des Mittelfeldes zu erklaren, ebenso wie beim Umkehren der Schlingenbildung bei Papaver argemonoides (S. 271). AIle die Bewegungen, welche als ausschlieEIich von dem Schwerkraftreize veranlaBt aufgefaBt werden konnen, wurden hier oben besprochen. Der zweite Teil dieser Arbeit (Abschnitt II B) wird die sonstigen Bewegungen, bei welch en also auch andere Reize eine Rolle spielen, behandeln. Leiden, Botanisches Institut. Marz 1928.