J. Ins. Physiol., 1961, Vol. 7, pp. 210 to 215. Pergamon Press Ltd., London. Printed in Great Britain
EIN BIOLOGISCHER TEST ZUR QUANTITATIVEN BESTIMMUNG DER JUVENILHORMON-AKTIVITXT VON INSEKTENEXTRAKTEN P. KARLSON
und MARTHA
Physiologisch-chemisches
NACHTIGALL
Institut der Universitlt Miinchen
(Received
19july
1961)
assaymethod for the quantitative evaluation of juvenile hormone in very small volumes of -insect extracts is described. The Tenebrio unit (TE) is defined as a juvenile hormone activity unit. The use of the tiethod is demonstrated in one of the steps involved in concentrating juvenile hormone. Abstract-An
EINLEITUNG AN der
Determination larvaler Hautungen sind bekanntlich das Prothorakaldriisenhormon (Ecdyson) und das Juvenilhormon (Neotenin) der Corpora allata beteiligt. Wahrend das Ecdyson die Hautung auslost, wird der larvale Charakter dieser Hautung durch das Juvenilhormon bestimmt. Die ersten Extrakte des Juvenilhormons hat WILLIAMS (1956) erhalten. Zur biologischen Auswertung wird meist die Beeinflussung der Imaginalentwicklung herangezogen, die ganz oder partiell in pupale Richtung gelenkt wird. Die Beeinflussung der Puppenhautung (Erzielung von iiberzahligen Larvenstadien oder von Mischformen zwischen Larve und Puppe) gelingt zwar im Transplantationsexperiment (BOUNHIOL, 1938; ist aber als Grundlage zur biologischen Auswertung von PIEPHO, 19453 Extrakten ungeeignet (HANSERund KARLSON,unveriiffentlichte Versuche; vgl. such WIGGLESWORTH,1958). Wir haben nunmehr, auf Beobachtungen von WIGGLESWORTH aufbauend, einen einfachen biologischen Test an der Tenebrio-Puppe entwickelt, der quantitative Aussagen i_iber die Wirkungsstarke erlaubt. Bisher bekannte Juvenilhormonteste zwei Juvenilhormonteste. GILBERT und SCHNEIDERMANN(1960) entwickelten Polyphemustest. Es wurden bis zu 400 ~1 Extrakt in Puppen von Telea polydie zuvor wahrend der Diapause mehrere Wochen gekiihlt phemus injiziert, Der Testeffekt wurde jeweils fur 8 Organe, namlich gehalten werden mussten. Antennen, Augen, Genitalien, Flugel, Thorax, Mundteile und Beine einzeln nach einem 5-Punkte-System bewertet (5 Punkte: vollkommen pupal; 0 Punkte: vollkommen adult). Die auf eine mijgliche Hormoninaktivierung in der Zeit zwischen Injektion und Beginn der Entwicklung zur Sekundarpuppe korrigierte Punktsumme ergibt die Zahl der Einheiten. Wuchstest. Der in Paraffin und Erdnussijl gelijste Extrakt wird auf eine von der Kutikula befreite Stelle des Puppenabdomens aufgetragen-das Paraffin 210
EIN BIOLOGISCHER
TEST AUF JUVBNILHORMON-AKTIVITilT
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dient zum Wundverschluss-; nach der ImaginalhPutung bleibt ein weisser Fleck Pupalgewebes, der mit zunehmender Konzentration des Juvenilhormons im Extrakt grijsser wird und im Grenzfall das gesamte Abdomen einnehmen kann. WIGGLESWORTH(1958) hat zwei Juvenilhormonteste angegeben. Rhodnius-Test. Ein Tropfen des Extrakts wird auf ein Abdominaltergit auf die Gegend der zukiinftigen weiblichen Genitalien (7.-10. Abdominalsegment) oder auf die Fliigellappen der Rhodnius-larve (5. Stadium) aufpipettiert, nachdem zuvor die Wachsschicht der Kutikula durch Abrasion mit Aluminiumoxydpulver entfernt worden war. Der Testeffekt manifestierte sich in mehr oder minder larvalem Charakter der behandelten Stellen. Tenebrio-Test. Ein kleines Trijpfchen des ijligen Extraktes wird auf mehrere Abdominalsternite von 12-24 Stunden alten Tenebrio-Puppen aufpipettiert ; das Integument wird dann durch den i)ltropfen hindurch punktiert, so dass der Extrakt einziehen kann. Die G&se und Form der bei der Imago auftretenden weissen Flecken pupalen Gewebes wird nach einer Einteilung in 4 Klassen bewertet. Der Nachteil dieser Ausfiihrung des Tenebrio-Tests liegt nach unseren Erfahrungen darin, dass durch die Punktation keine genau dosierten Extraktmengen appliziert werden kijnnen, denn die Menge, die durch den Stichkanal schliesslich einzieht, ist von vielerlei wechselnden Faktoren abhingig. Ausserdem ist die Fleckengrijsse kein zuverlbsiges Mass fiir die Juvenilhormonaktivitst. Unsere Methodik lehnt sich an die von WIGGLESWORTHan; der wesentliche Vorteil liegt in der quantitativen Aussage. METHODIK Tiermaterial
Als Versuchstier w?ihlten wir den Mehlkifer Tenebrio molitor (L.). Die Larven wurden in Glbern mit Gazeverschluss in einer Mischung von ausgeschroteter Kleie und-zur Lockerung des Futters-zerkniilltem Zeitungspapier (Verh. 3 : 1) gehalten, die im Thermostaten bei 29°C und 45% Luftfeuchtigkeit standen. Zum Test wurden 12 bis 48 Stunden alte Puppen verwendet; zur Injektion wurden sie mit Kohlendioxyd narkotisiert. Nach der Injektion kamen sie in vergitterte Holzk&tchen, die mit feinen Hobelspgnen ausgelegt waren, so dass die schliipfenden KPfer ihre Exuvien gut abstreifen konnten. Die KIstchen standen bis zum Schliipftermin (nach 6 bis 8 Tagen) bei 29°C im Thermostaten. Hormonextrakt
Der Juvenilhormonextrakt wurde nach WILLIAMS (1956) mit Ather-Athanol 2 : 1 aus Abdomen-Homogenaten von mgnnlichen Hyalophora cecropia L. als gelbes 01 mit hoher Juvenilhormonaktivitgt und geringer Toxizittit gewonnen. Extrakte aus Raupen und Puppen von Bombyx mori L. waren ebenfalls verhlltnismgssig aktiv. Auch Tenebrio-Kot liefert wirksame Extrakte (KARLSONund SCHMIALEK,1959). Hochaktive Fraktionen wurden vor der Injektion mit Oliveniil verdiinnt.
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Applikation Zur quantitativen Auswertung des Fleckentestes schien es vorteilhaft, eine definierte Menge des Extraktes bzw. der Verdiinnung quantitativ zwischen Kutikula und Epidermis zu bringen. Das ist nur durch Injektion, nicht durch Einreibung und Punktation mit der wiinschenswerten Genauigkeit mbglich. Das Injektionsvolumen sollte dabei aus Griinden der Materialersparnis, zur Vermeidung mechanischer Schadigung und zur Verhiitung eines Wiederaustritts aus dem Stichkanal moglichst klein sein. Wir injizierten pro Tier 0,s ~1 des Extraktes in ein Abdominalsternit mit Hilfe des Dosiergerats der Firma DESAGA. Dieses besteht aus einer Prazisionsglasspritze (ohne Teilung) mit Mikrometervorschub und Stahlkaniile No. 20. Die Kaniile wurde urn eine Segmentbreite vorgeschoben, urn eine raumliche Trennung von Einstichstelle und Depositionsort zu erreichen. Pro Versuchsserie wurden 40 Tiere injiziert.
ERGEBNISSE Sterblichkeit Die durchschnittliche Sterblichkeit der behandelten Tiere ist abhingig von der Toxizitat des Extraktes und betrug durchnittlich 25% (Minimum lo%, verwertetes Maximum 37%, daruber verworfen). In Kontrollversuchen betrugen die Sterblichkeiten bei Injektion von reinem Olivenijl 5%, von destilliertem Wasser 8% und liegen somit innerhalb der durchschnittlichen Sterblichkeit von 8% bei den nicht behandelten Tieren. Missbildungen (Stummelfliigligkeit und nicht vollstandige Sklerotisierung des Abdomens bei lebenden Tieren) treten fast ausschliesslich bei stark toxischen Extrakten auf; solche Tiere wurden nicht berucksichtigt. Auswertung des Tests Die meisten behandelten Puppen entwickelten sich normal zum Kafer ; die Injektionsstelle blieb jedoch pupal und bildete bei positivem Test weisse bis gelblich-weisse Flecken urn die Einstichstelle, die sich von den kraftig braunen Imaginalsterniten deutlich abheben (Abb. 1 und 2). Imagines mit deutlich erkennbaren weissen Flecken urn den Depositionsort gelten als positiv, Imagines mit nicht eindeutig erkennbarem oder fehlendem Fleck als negativ. Die Einstichstelle selbst kann-wohl als direkte Verletzungserscheinung-dunkelbraun bis schwarz werden. Die Fleckengrosse ist vom Injektionsvolumen nicht abhangig (gepriift wurden 0,5 ~1, 1,0 ~1, und 1,5 pl), zeigt aber such bei konstanten Injektionsbedingungen Sie ist deshalb nach unserer Ansicht keine gute eine erhebliche Streuung. Grundlage fur eine quantitative Beurteilung der Wirkung. In Kontrollversuchen traten nach Injektion von reinem Olivenijl als Verdiinnungsmittel der aktiven Extrakte oder von destilliertem Wasser niemals positive Resultate auf; es ist deshalb bei grosseren Versuchsreihen nicht erforderlich, stets Kontrollserien mitlaufen zu lassen.
Aim. 1. Z~t>i Excn~l~hire ~,n 7'emd,ri, mo/itm mit hellcn Vlecken pupalen (;c\~¢be~ ~un At~d~mcn.
ABB. 2. A b d o m i n a von sechs Exemplaren yon Tenebrio molitor. Die weissen Flecken pupalen Gewebes u m die Einstichstelle sind verschieden gross, obwohl jeweils die gleiche Menge Extrakts injiziert wurde. Hinterbeine entfernt.
EIN
BIOLOGISCHRR
TEST
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AUF JUVENILHORMON-AKTIVITAT
Zur Berechnung des Prozentsatzes der testpositiven KBfer wurden jeweils nur die Oberlebenden von den 40 pro Versuch behandelten Tieren verwendet. Auf eine statistische Berechnung der Streuung haben wir verzichtet. Aus 120 Tieren wurden einmal in drei exaktgleichen Versuchen 39%, 34%, und 41% testpositiver Tiere erhalten, ein andermal mit einem anderen Extrakt 35%, 26%, 35%. Dosisabhcingigkeit Von dem recht gut wirksamen Extrakt aus Hyalophora cecropia wurden Verdiinnungsreihen nach Zweierpotenzen angesetzt und im Test ausgewertet. Die geraden Kurvenanstieg urn Dosiswirkungskurve (Abb. 3) zeigt einen angenahert
Verdbnnungsstufen ABB.
3.
Dosiswirkungskurve
f iir einen
Juvenilhormonextrakt
aus
Hyalophora
cecropiu.
den Wendepunkt, dem die Ordinatenwerte von 30-50% testpositiver Tiere entsprechen. Wir haben deshalb diesen Wirkungsbereich zur Festlegung der Einheit herangezogen, da die Wirkung mit steigender Dosis nur noch langsam wichst. Als Tcnebrio-Einheit definieren wir diejenige Menge wirksamer Substanz, die bei 30-50% der Tiere eine positive epidermale Veranderung hervorruft. Ein biologischer Test dient in erster Linie zur Kontrolle von Anreicherungsversuchen. Als Beispiel sei ein Protokollauszug aus Versuchen zur Anreicherung eines Rohextraktes gegeben. Die aus Schmetterlingspuppen mit Lipoidlosungsmitteln gewonnenen Extrakte wurden durch Chromatographie an Ai,O,-Saulen fraktioniert. Als Losungsmittel verwendeten wir Petrollther (Sdp. 40-7O”C), Petrollther-Benz01 3 : 1, 1 : 1, 1 : 3, Benz01 und Methanol. Die einzelnen Fraktionen wurden zu je 100 ml aufgefangen, im Vakuum eingeengt und im
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Exsikkator getrocknet. Aus 44 g eingesetzten ijligen Extraktes (Gesamtaktivitat 87 800 TE, spez. Aktivitat 2000 TE/g) resultierten insgesamt 19,6 g Substanz mit einer Gesamtaktivitat von 78 000 TE (g emessen als Summe der Aktivitaten jeder TABELLEI-GEWICHTS- UNDAKTIVIT~TSWERTE DERCHROMATOGRAPHIEFRAKTIONEN Gewichte (g) Tenebyio-Einheiten pro l/2 ~1 13,541 1,821 2,234 1,209 0,350 0,030 0,045 0,075 0,053 19,358
1 2 4 8 8 : 2 1 I
Gesamtaktivitlt
TE = spez. Akt. g
27 082 7284 17 872 19 344 5600 120 360 300 106
2000 4000 8000 16 000 16 000 4000 8000 4000 2000
78 068
I
Ausgangsgewicht 43,9 g TE - Tenebyio-Einheitenpro + PI 1 87 800 TE - Gesamtaktivitlt TE - spezifische Aktivitat 2000
Einzelfraktion); dem entspricht eine spezifische Aktivitat von 4000 TE. Die Anreicherung des Hormons in der erhaltenen Gesamtsubstanz (19,6 g) gegen den Rohextrakt ist somit 2-fach, die Anreicherung in den Fraktionen des Aktivitatsmaximums ist jedoch 8-fach. Nahezu die gesamte Aktivitat lag in den Petrolatherund den ersten Petrolather-Benzol-Fraktionen (Tabelle). Aneykennungen-Frlulein IRMGARDWIEBERdanken wir fur ihre zuverlassige Hilfe bei Der Deutschen Forschungsgemeinschaft haben wir fur eine Sachden Tierversuchen. beihilfe zu danken. Nuchtyag bei deu Koyyektuy-Nach Drucklegung der Arbeit erschien eine Veroffentlichung von P. SCHMIALEK (Z. Nuturf I6b, 461-464) tiber ‘Identifizierung zweier Substanzen mit Juvenilhormon-Wirkung’. In Fortsetzung unserer Arbeiten (KARLSONund SCHMAILEK, 1959) tiber die Juvenilhormon-AktivitSit im Tenebw’o-Kot konnten durch chromatographische Verfahren zwei Substanzen als Farnesol und Farnesal identifiziert werden. Farnesol ist sowohl im Tenebyio-Test als such-wie WIGGLESWORTHim Appendix berichtet-bei Rhodnius wirksam. Wir haben die Aktivitiit des Farnesols in unserem Test nachgeprtift und konnen folgende quantitativen Angaben dartiber machen: Unverdiinnt ist Farnesol toxisch. Bei IO-father Verdiinnung mit Olivenijl erhielten wir in verschiedenen Versuchen 57% ; 41 y0 ; 65% testpositiver Tiere. Die Tenebrio-Einheit liegt also zwischen 0,05 [*l und 0,Ol ~1. Dagegen besitzt das nach WILLIAMS (1956) dargestellte Rohlil aus Cecropia-Abdomen in 32-father Verdiinnung, d.h. mit 0,015 ~1 die Aktivitat einer Tenebyio-Einheit. Es ist also nicht anzunehmen, dass das Juvenilhormon selbst mit Famesol identisch ist; eine strukturelle Beziehung kijnnte jedoch durchaus bestehen. Ausserdem ist mit der MBglichkeit zu rechnen, dass die weite Verbreitung des Juvenilhormons (GILBERT und SCHNEIDERMAN, 1960) durch Farnesol oder ahnliche Stoffe vorgetauscht wird.
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LITERATUR BOUNHIOLJ. J. (1938) Recherches experimentales sur le determinisme de la metamorphose chez les LRpidopteres. Bull. biol. (Suppl.) 24, 1-199. GILBERT L. I. und SCHNEIDERMANH. A. (1960) The development of a bioassay for the juvenile hormone of insects. Trans. Amer. micr. Sot. 79, 38-67. KARLSON P. und SCHMIALEKP. (1959) Nachweis der Exkretion von Juvenilhormon. 2. Naturf. 14b, 821. PIEPHO H. (1942) Untersuchungen zur Entwicklungsphysiologie der Insektenmetamorphose. Uber die Puppenhtiutung der Wachsmotte Galleria mellonella. Arch. EntwMech. Org. 141, 500-583. WICCLE~WORTHV. B. (1958) Some methods for assaying extracts of the juvenile hormone in insects. r. Ins. Physiol. 2, 73-84. WILLIAMS C. M. (1956) The juvenile hormone of insects. Nature, Lord. 178, 212-213.